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Morgenausgabe

Nr. 165

A 83

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

8. April 1930 Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Moldenhauer kontra Moldenhauer.

Wie eine Regierung stürzte und warum der Wahlkampf kommt.

Auf der Tagesordnung der heutigen Reichstagssigung steht u. a. die Drucksache Nr. 1914: Entwurf eines Gesetzes zur Vorbereitung der Finanzreform". Der Entwurf trägt folgende Borbemerkung:

Der Reichsminister der Finanzen F. 3200/41

Berlin , den 4. April 1930.

An den Reichstag .

Dem Reichstag beehre ich mich, den Entwurf eines Gesezes zur Vorbereitung der Finanzreform

nach Zustimmung des Reichsrats zur Beschlußfassung vorzulegen.

Moldenhauer.

Es handelt sich somit um einen Entwurf, der bereits die Es handelt sich somit um einen Entwurf, der bereits die Zustimmung sowohl der Reichsregierung als auch der im Reichsrat vertretenen Länderregierungen gefunden hat und der zur Gesezwerdung nur noch der Zustimmung des Reichs­tags bedarf.

Was steht denn in dem Gesezentwurf, an dem die Sozialdemokratie in der Opposition festhält und den die gegenwärtige Regierung befämpft? Es steht darin, daß die Reichsanstalt ihre Beiträge bis auf 4 Proz. erhöhen darf, daß für Erhöhungen zunächst Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Vorstand zuständig sind, daß unter Umständen die Reichs­regierung an ihre Stelle tritt, daß der Vorstand Reformpor­schläge ausarbeiten soll, daß aber eine Aenderung der gefeßlich festgelegten Leistungen nur im Wege der Gesezgebung erfolgen fann.

Ferner steht darin, daß dem Notstock der Arbeitslosen­versicherung 50 Millionen aus den Industrieobligationen und bis 30 Millionen aus der Lohnsteuer zuzuführen sind, falls das

darin, daß die bisherigen Reichsdarlehen zunächst bei den Aufkommen 1425 Millionen übersteigt, schließlich steht auch Ausgaben der Reichsanstalt nicht in Betracht gezogen werden müssen.

So sieht das Kind aus, das vor aller Welt Herrn Moldenhauers Namen trägt und das jetzt von ihm verleugnet wird.

Unterschrieben ist der Entwurf vom Reichsfinanzminister Moldenhauer. Auch Herr Moldenhauer ist am Sonntag Wir fragen, warum hat der Herr Reichsfinanzminister die unter die kleinen Diktatoren gegangen, an denen in Deutsch - Energie, von der er in Magdeburg strohte, nicht dazu ver­land neuerdings fein Mangel ist. Er hat in Magdeburg eine mendet, diese Vorlage durchzusehen? Warum hat er nicht sehr starke Rede gehalten und u. a. erklärt: ihr zuliebe die verschiedenen gefährlichen Artikel der Ver­faffung bemüht, mit denen er jetzt nur so herumwirft?

Wir werden an den Reichstag appellieren, ob er die Finanzen sanieren und der Wirtschaft helfen will. Wir sind entschlossen, alle verfassungsmäßigen Mittel anzuwenden, um unseren Willen durchzuführen. Wir werden verlangen, daß man sich zu der einfachen Frage ganz offen erklärt: Willst du dem deutschen Boike helfen? Willst du, daß wir zum Aufstieg ge­langen oder daß wir niedergehen?... Ich glaube, daß der Reichs­tag einer solchen Frage gegenüber sich nicht versagen wird. Und sollte enge parteipolitische Voreingenommenheit dazu führen, daß man nicht zur Einigung gelangt,

dann bitte ich überzeugt zu sein, daß die Reichsregierung dann auch die letzten Konsequenzen nicht scheuen wird, um ihr Pro­gramm durchzuführen.

Danach kann man sich vorstellen, mit welcher Energie heute Herr Moldenhauer für die unveränderte Annahme des von ihm eingebrachten Gesezentwurfs eintreten wird. Er wird sich vor den Reichstag stellen und einfach sagen: Friß Vogel oder stirb!"

Aber halt- nein, nein! Die Diftatorengeste von Magde­ burg gilt gerade für diese Regierungsvorlage nicht. Diese Regierungsvorlage, deren Art. 1 von der Sicherung der Arbeitslosenversicherung" handelt, ist eben die Borlage, die jetzt nicht mehr gilt, weil sie zwar vom Reichskabinett und dem Reichsrat angenommen, aber von der Bereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände abge= lehnt worden ist.

Es ist dieselbe Vorlage, zu der die Sozialdemokratische Reichstagsfraktion durch ihren Beschluß vom 27. März er­Plärte, daß sie an ihr unter Ablehnung eines sie abändern den Kompromißvorschlags- festhalte.

-

Es ist die Regierungsvorlage, an der festgehalten zu haben, das Berbrechen der Sozialdemokratie war, worüber die

Regierung Müller stürzte und die Regierung Brüning

entstand.

Seine Unterschrift unter dieser Vorlage honoriert der Reichsfinanzminister nicht mehr. Er wird nicht zu ihrer Ber­Reichsfinanzminister nicht mehr. Er wird nicht zu ihrer Ber­teidigung das Wort ergreifen. Er wird denen, die sie ab­lehnen, nicht mit den hochgeschwungenen Blgen der Reichs­tagsauflösung und des Art. 48 drohen. Biel eher wird Moldenhauer denjenigen drohen, die Moldenhauers Vorlage annehmen wollen. Denn würde Moldenhauers Borlage an­genommen, dann wäre Moldenhauer ein blamierter Europäer. Der Herr Reichsfinanzminister wird nicht- was ihm wohl das Liebste wäre schweigen fönnen. Gerade jetzt, da wir vor einem neuen Wahltampf stehen, schuldet er dem deutschen Volke Aufklärung darüber, warum er zu dem Gesetz­entwurf, den er selber unterzeichnet hat, nicht mehr steht. Warum ist er, der starke Mann von Magdeburg , in Berlin so schwach gewesen?

-

Und wir fragen weiter: Ist es nicht eine ganz unerträg liche Entstellung der Wahrheit, wenn man mit der Schuld an dem jetzt ausgebrochenen Parteienkrieg einseitig die Sozialdemokratie belastet? Die krampfhafte Aufrecht­erhaltung derartig beweisbar wahrheitswidriger Behauptun gen müßte zu einer Ber giftung des Wahlkampfes führen, vor der wir jetzt schon warnen.

Man hat es der Sozialdemokratie als eine Todsünde an­gerechnet, daß sie die Ersetzung der Regierungsvorlage durch eine zum mindesten zweifelhafte und zweideutige, om proa mißlösung" nicht annehmen wollte.

Ob diese ,, Kompromißlösung" gerade noch zur Not era träglich war oder nicht, darüber hat es, wie hier offen dar­gelegt wurde, in der sozialdemokratischen Fraktion Meinungs­verschiedenheiten gegeben. Keine Meinungsverschieden­heiten aber, dies sei hier ausdrücklichst festgestellt, gab es in der Fraktion darüber, daß die Regierungsvorlage der Rompromißlösung" weitaus vorzuziehen sei.

Die sozialdemokratische Fraktion wird

lage zur Sicherung der Arbeitslosenversiche heute im Reichstag für die Regierungsvor rung eintreten.

Die Regierung Brüning wird diese Regierungsvorlage verleugnen und für die Kompromißlösung" eintreten. Einst­meilen hat sie für diese ,, Kompromißlösung" ebenso wenig eine Mehrheit wie für irgendeinen anderen ihrer Vorschläge..

Nur mit Hugenberg fann sie sich eine Mehrheit schaffen. Ohne Hugenberg kann sie überhaupt nichts. Sie wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach aus dieser hilflosen Lage durch die Auflösung retten.

Sie wird den Reichstag auflösen- nicht weil er verjagt, sondern weil sie verjagt!

In der heutigen Aussprache des Reichstags über Ar­beitslosenversicherung und Finanzreform werden für die sozialdemokratische Fraktion die Genossen Rudolf Wissell und Paul Herz sprechen.

Schieles Milliarde.

Sein Agrarprogramm vor dem Reichskabinett.

pen, Grieß, Stärte und Sago , die sich allerdings infolge vorhandener handelsvertraglicher Bindungen vorläufig faum ver wirklichen lassen dürften.

Das Reichekabinett befaßte fich in seiner geftrigen unter dem| Sped, Schmalz, Palmin, Talg, Eier, Milch, Graus Borsitz des Reichskanzlers Brüning ftaltgehabten Sigung auf Grund einer Borlage des Reichsministers für Ernährung und Landwirt­schaft über ein Gejeh zum Schuhe der Landwirt­schaft" mit den Agrarfragen. Die mehrstündige Aussprache führte zu einer grundfählichen Einigung. Eine abschließende Kabinettsfihung wird Dienstag nachmittag stattfinden.

*

Reichsernährungsminister Schiele hat, wie Der Demokra­tische Zeitungsdienst" zu melden in der Lage ist, in seinem Agrar­programm, das am 7. April im Kabinett zur Beratung stand, die Richtpreise für Weizen und Roggen mit 260 bzw. 230 m. je Tonne beibehalten, er fordert jedoch

eine Bollmacht für die beliebige Zollfeftfehung für Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und Erbsen.

Die zollfreie Einfuhr von Gefrierfleisch soll ent­sprechend dem Vorschlag des Reichsernährungsministers vom 1. Juft 1930 ab eingestellt werden.

Noch nicht genug?

Die Landwirtschaftshilfe im Reichsetat. ,, Spedzoll vor Nationalpolitit" ist die Parole für das par lamentarische Leben Deutschlands in der nächsten Zeit. Speczoll, d. h. das Schielesche Agrarprogramm, ist der Preis, den Reichskanzler Dr. Brüning den Deutschnationalen zusagen mußte, um nicht schon am ersten Lebenstage gestürzt zu werden.

Bei Weizen und Roggen soll die Frist von drei Monaten, nach wie dieses Agrarprogramm im einzelnen aussehen wird, weiß im

deren Ablauf die Säße auf die Notwendigkeit einer Aenderung hin Erbsen soll die Veränderlichkeit der Bollfäße dagegen in das Be geprüft werden sollen, beibehalten werden, bei Gerste, Hafer und lieben des Reichsernährungsministers werden.

gestellt

Augenblick noch niemand. Noch weniger ist erkennbar, woher bei der gegenwärtigen Finanzlage die zu seiner Durchführung erforder­lichen Gelder genommen werden sollen, und schon rein mystisch tlingt die Verheißung der Regierungserklärung, daß die benötigten riefenhaften Beträge den deutschen Steuerzahler nicht belasten

Das Einfuhrschein- System soll über den bisherigen Rahmen hinaus werden.

ausgedehnt werden,

und zwar sollen Einfuhrscheine erteilt werden auch für Rindvieh, Rindfleisch, Schafe und Schaffleisch sowie Erzeugnisse aus der Kartoffel, eine ertfest segung für die Einfuhr scheine soll in dem Gesetz nicht getroffen werden

Ein weiterer Programmpunkt ist die Einführung des Bei­mahlungszwanges von Roggen zu Weizen, angeblich sogar ohne Firierung eines festen Beimahlungsverhält niffes. Weiter sollen in Vorschlag gebracht sein 3ollerhöhungen auf

Niemals ist ein politischer Rat genauer befolgt worden, als jener, den vor langen Jahren der Landwirt Rupprecht- Ran­fern seinen Berufskollegen erteilte: zu schreien, nochmals zu schreien und immer wieder zu schreien. Nach diesem Rezept hat die Landwirtschaft, forretter gesprochen, der Großgrundbesig, all' die Jahre gehandelt, gleichviel, ob Grund zum Schreien vorgelegen hat oder nicht. Heute geht es in der Tat weiten Kreisen der Landwirtschaft infolge der Entwicklung der Weltmarktpreise nicht gut. Das ist auch von der größten politischen