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Dienstag

8. April 1930

Unterhaltung und Wissen

Armint. Wegner: Am Tor der Steppe

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Brot als Zollschein

Die Treppe der Erde - Neue Oelgesellschaft- Schmuggel mit Leichen

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Die Hügel find auf einmal flacher geworden, als hätte die breite Bergwand vor uns sich plöglich gesenkt, wie der steile Rüden eines Kamels, das sich vor uns auf die Knie niederläßt. Viele Wochen ist man zwischen Bergen umhergefahren, unter eis­bedeckten Felsspizen; aber dann eines Tages steht man hier oben, wie am Rande des Meeres.

In der Tiefe breitet sich die endlose Ebene.

Fast ohne Uebergang beginnt fie, glatt und unübersehbar wie die geometrische Fläche des Mathematiters. Sie scheint ganz von der bitteren Traurigkeit des Todes erfüllt und nur der rosige Schim­nter der über ihr in der Luft schwebenden Staubmassen verrät das Geheimnis ihrer Wunder. Das ist Mesopotamien , das Reich der Wüsten und Ströme, das nur wenige Städte, weder Hügel noch Bäume befißt ein Land ohne Schatten.

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Im Tal ein kleiner Fluß, zweitausend Häuser von gelbem Lehm, ein Palmenhain, das ist die Grenze. Und indem man seinen Fuß zwischen den Hügeln hinabseßt, steigt man von der hohen Erd­stufe wie durch ein Tor in die Steppe hinab. Denke ich an den Weg zurück, der seit dem Kaspischen Meer hinter mir liegt, so ist mir, als stiege ich dauernd eine gewaltige Treppe hinauf und hin­unter, die nur mit wenigen Unterbrechungen bis an die Ufer des Jordan, weit unter die Fläche des Meeres fällt. Aber auch hinter mir ragt sie auf, diese Treppe der Erde, in meinem Rücken, bis in die sagenhaften Spizen des Pamir führend, den man das Dach der Welt genannt hat, um irgendwo in dem unergründlichen Blau des Himmels zu enden.

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Das Wasser in der Tiefe, von den Schneeschmelzen des Früh lings angeschwollen, schäumt; es ist gelb wie der Boden, gelb wie die Ebene, gelb wie die Häuser, die niedrig, fast fensterlos und mit

flachen Dächern gebaut sind.

Ich gehe durch den kleinen Basar. Im Zollamt ruhen neben den Lederkoffern der Engländer meine wenigen Gepäckstüce. Oben in den Rucksack habe ich von der Raft im letzten Dorfe ein Stüc abgebrochenen turdischen Brotes gelegt.

Ist das Ihr Brot?"

T Der Beamte befühlt nur lässig die Kleider, unter denen ich eine alte persische Handfiicerei zusammengerollt habe. Seitdem liegt das trockene Brot, dieser Zeuge der Armut, schon brüchig geworden mie alter Mörtel, als Freischein" immer auf meinem Gepäck. Eine kleine, durch Jahrhunderte weltverlorene Stabt, dieses Chanetin. Araber und Kurden drängen mir zwischen den feuchten Mauern entgegen, Krämer und Karawanentreiber hoden vor den Türen. Und doch ist Chanekin kein unbedeutender, namen­Tofer Ort; immer hat es seine Geschichte gehabt. Es gibt ja jo piele folcher Orte auf unserer Erde; niemand der Vorüberfominen den weiß etwas von ihrem Leben, und doch sind so viele Schicksale über ihre Schwelle gegangen. Ich rede nicht von den Scharen des Darius. Ich denke noch in diesem Jahrhundert an die vielen

Tausende persischer Bilger, die Jahr für Jahr mit ihren Leichen tarawanen auf der Wallfahrt nach Kerbela hier vorübergezogen,

und von denen Karl May uns zuerst in den Abenteurerbüchern unserer Kindheit erzählt hat.

Aber ist die Wirklichkeit nicht viel wilder als alles, was mensch liche Einbildungskraft hinzutun fann? Ich fenn einen alten Mann in Berlin , einen früheren Arzt, der jahrelang hier in Chanelin als türkischer Quarantänebeamter gelebt hat. Einer jener Männer von schon unbestimmbarem Alter, die alle Umwälzungen der Zeit zu überleben scheinen. Unbewegt, grau wie ein Stein, ragen sie in

eine veränderte Zeit.

Ich lernte Lamec Saad gegen Ende des Krieges fennen, als ich von den furchtbaren Fiebern des Bagdader Sommers ge­schwächt nach Deutschland zurückkehrte, um dort für das Auswärtige Amt an der Herausgabe einer orientalischen Zeitschrift mitzuar beiten. Damals hatte Deutschland noch seine Hoffnungen an eine Bestegung Englands in Orient nicht aufgegeben. Der alte, tahl­föpfige Herr fam, auf seinen Stock gestüßt, zuweilen selber zu mir auf die Redaktion, um mir fleine Auffäße über den Aberglauben der Mohammedaner anzubieten, die von einer ungewöhnlichen Kenntnis zeugten. Lamec Sand hat sechzehn Jahre lang als Qua­rantänearzt in den verschiedensten Orten der Türkei gelebt, davon allein vier Jahre an der persischen Grenze und hat ein ausgezeich netes Buch über diese Zeit geschrieben.

Bor fünfzig Jahren ist Lamec Saad zum ersten Male von Eu­ ropa nach Chanetin gereift. Bon Konstantinopel legte er den Weg bis Diabetir in Steinaften zu Pferde zurück und setzte feine Reife von dort auf dem Wasser auf einem Floß von aufgebasenen Hammel­bälgen fort, mit dem er über Mosful den Tigris nach Bagdad hinabschwamm.

Wenn ich heute feine Zeilen darüber lese, denke ich daran, wie wir deutschen Soldaten im Kriege fast denselben Weg zurücklegten, wie wir in der gleichen Weise von Mosful auf dem Floß langsam mit der Strömung den Fluß hinuntertrieben, um nach einer Reife von Wochen endlich Bagdeb zu erreichen.

Das ist kaum zwölf Jahre her.

Zwischen der Reise Lamec Saads und der unfrigen scheint fein Interschieb, als hätte in diesen ersten vierzig Jahren sich nichts im Lande geändert. Nun aber auf einmal ist alles verwandelt. Drüben auf den Hügeln von Naft Khane und Alwand ragen seit kurzem die Bohrtürme des Petroleums empor, und die grau­weißen, aus Blech zusammenaenieteten Zirkuszelte großer Deltants. Es sind die Bohrtürme und Behälter der neuen Chanetin Dit Company", die beute den ganzen 3rat mit Benzin und Be troleum, bem einzigen Feuerungsmittel dieses holz- und fohlen armen Bandes, verforgt. An den Kreuzwegen der mesopotamischen Städte begegnet man ihren sauberen, mit allen neuesten Einrich tungen versehenen Tanfstellen und mit ihren des Nachts elettrisch erleuchteten Füllpumpen, nicht anders wie an den Blägen der großen

Städte Europas .

Eines Abends traf ich mit Lamec Saab in Kaffeehause zu sammen. Ich hatte ihn gebeten, mir von seinen Erlebnissen in Chanefin zu erzählen. Mit den persischen Bilgern hatte er viele Mühen gehabt,

,, Namentlich im Auguft", sagte er, wenn das große Bußfest der Perser in Kerbela nahte, glich ganz Chanekin einer geräumigen Karawanserei. Einmal zogen im Laufe eines Jahres 75 000 Bilger mit 10 000 Leichen vorüber. Ehe die Pilger die Grenze überschritten, mußte ich alle ärztlich untersuchen, und jeder einzelne erhielt einen Schein, für den er zehn Piaster bezahlen mußte. Natürlich versuchten sie, dies zu umgehen..., sie sind un­glaublich geizig!"

Der Arzt kreuzte die Arme über dem Tisch. ,, Nicht selten weigerten sich ganze Karawanen, die Quarantäne überhaupt zu betreten. Wir sind Söhne des Propheten!" riefen fie ,,, und lassen uns lieber den Kopf abschlagen."

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,, Sehr begreiflich, wer die Quarantäne im Orient fennt!" warf ich ein. Noch heute wird man darin wie in einem Gefängnis gehalten."

,, Bedenken Sie aber die Schwierigkeiten der Regierung, ohne Mittel und mit ungetreuen Beamten!" Lamec Saad sah mich aus feinen tiefen, blaffen Augen vorwurfsvoll an. Einmal zog eine Karawane mit 600 Pilgern vorüber, ohne unserer Aufforderung Folge zu leisten. Als ich einen Polizisten aus ihren Händen be: freien wollte, legte ein. Bilger sein Gewehr auf mich an. Glücklicher­weise gab einer meiner Beute dem Gewehr einen Schlag nach oben, so daß der Schuß in die Luft ging."

Der alte Arzt schwieg, während er seine furzen, etwas fleischi­gen Finger betrachtete. Ich lächelte.

,, Wie gut, daß nicht auch die Leichen sich wehren konnten!" ,, Dafür machten sie uns auf ihre Weise zu schaffen. Denn die Abgaben für die Toten waren höher, und die Bilger mußten das Fünffache für sie zahlen. Die frischen Leichen sollten luftdicht in Blechsärgen verschlossen sein; nur Stelette durften in Riften be­fördert werden. Aber die Bilger suchten die Gerippe in Futter­fäden oder unter den Kleidern der Frauen zu verstecken um sie ohne Bezahlung über die Grenze zu schmuggein."

,, Ganze Stelette?"

Beilage des Borwärts

Ja, sie waren unglaublich findig darin..., man teilte die menschlichen Knochen einfach. Eine Frau versteckte die Arm- und Beinknochen in ihren Pumphofen, eine andere nahm den Bruſt­

forb und den Schädel unter die Kleider. Die äußerste List aber, welche die Pilger anwandten, bestand darin, daß sie die Knochen ihrer Verwandten einfach zu Pulver zerrieben.

,, Einmal ereignete sich dabei folgendes: Ein Pilger hatte seine Reisegefährten beauftragt, mit für ihn Brot zu baden, während er in den Basar ging. Als er sich verspätete, begannen die anderen die Mahlzeit; endlich tam er und verzehrte mit startem Hunger den Rest des Brotes. Aber als er nachher sein Gepäck durchsieht, vermißt er den Sad mit den zermahlenen Knochen seiner Mut­ter...; da stellt sich heraus, daß seine Gefährten den Inhalt zum Brotbaden verwandten. Nun begann er entfeßlich zu jammern. Schließlich tamen sie mit dem persischen Konsularagenten zu mir: ,, Doktor Effendim, was sollen wir tun?" Ich riet ihnen, ein Ab= führmittel zu nehmen, und zwei Tage auf jede Nahrung zu verzichten. Ich weiß nicht mehr, was dann geschehen ist, und ob sie nun diese... hm, nach Nedschef gebracht haben, um sie dort statt der Knochen zu bestatten?"

Der greife Arzt blickte mich einen Augenblick mit einem Gesicht an, von dem ich nicht wußte, ob es von Heiterkeit, verstecktem Hohn oder lächelndem Mitleid erfüllt war. Es hatte ganz die Züge eines Orientalen angenommen, die von unnahbarer Ruhe und grübeln­dem Mißtrauen in gleicher Weise gezeichnet sind.

,, Ach, es war ein schweres Leben damals für mich." Er seufzte. Europäer famen selten vorüber, und ein Ausflug nach Bagdad bedeutete hin und zurück eine Karawanenreise von acht Tagen für Europäer famen felten vorüber, und ein Ausflug nach Bagdad bedeutete hin und zurüd eine Starawanenreise von acht Tagen für mich..., folange fonnte ich meinen Dienst nicht verlassen."

Heute ist Chanefin mit Bagdad durch eine Eisenbahn ver­bunden. Mit ihren hellen Wagen, die den gleichen Weg in acht Stunden zurücklegen, durchrasen die weißen Wüstenzüge die leb­lose Ebene. Seine Bigarette rauchend, die letzte Nummer der in Bagdad gedruckten englischen Zeitung in der Hand, durchträumt ber Reisende, in den geräumigen Polſtern oder in die weichen Riffen feines Schlafwagens geschmiegt, die Strede nicht anders als wie zwischen Kairo und Lugor oder zwischen London und Edinburg .

Walter Dehmel : Der Finger leppten fidh langfam hinder legle Tag wollte auch kein Ende

Ein höllisches Durcheinander von Geräuschen durchtobte den langen Fabritsaal und ein dumpfes Gemisch von Delgestant, Schweißgeruch und verbrauchter Luft legte sich drückend auf unsere Lungen. Ueber uns an der Decke flaischten in monotonem Rhythmus die Transmiffionen, von allen Drehbänken her flang das laute eigenartige Kreischen, mit dem sich de: Drehstahl in das rotierende Metall hineinfraß; weiter hinten ratterten schwere Schrauben­automaten, tönten Hammerschläge, rollten fleine Transportwagen,-- alle Geräusche vermischten sich in unseren Ohren zu einem braufenden Lärm.

Wir saßen zu viert an einem langen blechbeschlagenen Tisch inmitten rotternder, flappernder Dreh- und Fräsbänke, die uns mit Del bespritzten und einen Hagel von Metallspänen über uns schütteten. Die Späne brangen durch alle Kleideröffnungen uns auf ben bloßen Leib und fraßen sich in unsere schwitzende Haut ein, daß wir bei jeder Bewegung ſtöhnten. Mindestens zehnmal hatte man uns schon Eisenschirme zu liefern versprochen, die wenigstens das Gröbste abgehalten hätten, aber der Meister zuckte immer mit den Achsein, wenn wir nach ihnen fragten. Wir faßen wie gesagt zu viert an diesem Tisch mit der Aufgabe, die von den Arbeitern an den Maschinen im Akkord hergestellten Werkstücke unter Zuhilfe nahme von Zeichnungen und Meßwerkzeugen zu kontrollieren und schlechte Stücke auszufortieren. Den ganzen Tag bei künstlichem Licht, von dem Funkeln der blanken Metallteile halb blind, von dem Gedröhne der Maschinen um uns her fast taub, von den fragenden Metallspänen gepeinigt, saßen wir schwißend an unserem Tisch und versuchten, der ständig um uns wachsenden Anzahl Kiften und Blech gefäße, bis oben an mit Wertstücken gefüllt, Herr zu werden.

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Wenn die Maschinen während der kurzen Essenspausen ange­halten, die Motore abgestellt wurden, griffen wir hastig mit unseren verbredten, öligen Händen nach unseren Brotschnitten die Viertel­stunde war schnell um. Das Etein hatten wir uns abgewöhnen müssen; praktisch war auch feine Möglichkeit zum Waschen vor­handen. Eine Treppe tiefer befand sich zwar eine Wasserleitung, aber schade um die fostbaren Minuten, die man mit nußlosen Wasche versuchen verplemperte, mit faltem Wasser bekamen wir unsere Hände ja doch nicht sauber, noch nicht einmal mit warmem. Wir waren auch so abgeftumpft, daß wir den Schmutz gar nicht mehr bemerkten.

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In diesem Betriebe, in dem alles auf rasches Geldverdienen eingestellt war und alle hygienischen Schutzmaßnahmen dahinter zurücktreten mußten, ereignete sich fast jeden Tag ein größerer oder tleinerer Unfall. Bald war es ein Dreher, dem eine Hand auf­geriffen wurde, balb ein Transportarbeiter, dem eine Riste auf den Leib fiel, bald war es auch eine Arbeiterin, die sich ver­lette, alle aber, die verunglückten, wurben bei uns vorbeigebracht, weil hier die Treppe zum Wertjanitäter hinunterführte. Erst gestern hatten sie wieder eine Frau vorübergetragen, die mit dem Haar in eine Bohrmaschine gefommen und der fast die ganze Kopfhaut abgerissen worden war. Ich war mittlerweile so mit den Nerven heruntergekommen, daß ich jedesmal, wenn ein lauter Ruf ertönte, zujammenzuckte und darin den Schmerzensschrei eines Verunglüdten zu hören glaubte

Morgen sollte ich zum Glück für eine Weile aus diejer Hölle herauskommen. Ein hilfsbereiter Arzt hatte es erwirtt, daß ich von der Krankenkasse ein paar Wochen verschickt werden follte, morgen sollte ich abfahren, in ein Erholungsheim irgendwo da unten im Thüringer Wald . Mir schien das alles so unwirtlich; hier heraus, freie Waldluft, nicht mehr diesen Geftant; Waldes­stille, nicht mehr dies Gedröhne. Wenn nur nichts dazwischen tam, ich fonnte noch nicht froh sein.

Mein Freund Otto, der brüben an einer Drehbant stand, hatte mir heute morgen, als ich ihm meine Empfindungen schilderte, berb auf die Schulter geflopft und lachend gesagt: Unsinn! Menschens finb, bu wirst doch nicht anfangen zu spinnen? Hat der Kerl solch ein unverschämtes Glück und läßt den Stopf hängen! Sei froh, daß du eine Weile aus dem Dred hier herauskommst! Junge, Junge, ich müßte tein Bater sein!". Und lachend hatte er mir noch einen Slaps auf den Rüden gegeben. Im Grunde hatte er recht, aber ich blieb bodh bebrüdt,

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Die Mittagspause lag schon hinter uns, die Nachmittagsstunden sich nehmen. Gerade bückte ich mich über eine Rifte. um neue Arbeit heraufzuheben, da riß mich ein brüllender, schmerzenswunder Schrei empor, drüben sah ich Ottos verzerries Gesicht, er taumelte, mit der linken Hand hielt er frampfhaft seine Rechte vor sich her, aus der ein Strahl roten Blutes schoß. Ehe ich mich aus meiner Er­starrung gelöst hatte, waren seine Nebenmänner herzugeeilt und hatten ihn an unserem Tisch vorbei die Treppe hinunter zum Sanitäter geführt. Laut klappte die Türe hinter ihnen zu.

Mit blassen Gefichtern sahen wir zurückgebliebenen insan. Mechanisch schalteten die Arbeiter an den Maschinen ihre Motore Eine junge Arbeiterin war aus, lastende Stille lag im Raum. neugierig zu Ottos Drehbant getreten und fam auf einmal grün im Gesicht zu uns herübergestürzt. Entsett hinüberzeigend

itammelte sie: Den Finger, um Himmels willen, nehmt doch den Finger weg!" Mir gab es einen Stoß in die Magengrube. Das war es also, einen Finger, einen ganzen Finger hatte ihm das Biest von Maschine glattweg aus der Hand geriffen. Weiß der Himmel, wie er mit dem Finger in die Spindel gekommen war, das Ding hatte Innengewinde und hatte wahrscheinlich den Finger förmlich in sich hineingeschraubt. Ich war wie benommen. Armer Otto... immer sah ich vor mir das verzerrte Gesicht meines Freundes, jah Viel habe ich in der darauffolgenden Nacht nicht geschlafen, ihn die blutjprizende Hand vor sich hinhalten, hatte sein Gebrüll in den Ohren. Früh am Morgen stand ich schon auf, es litt mich nicht länger. Mir war, als fönnte mich die Fabrik noch im letzten Moment zurückholen, haftig ging ich zum Bahnhof und erwartete ungeduldig den Zug. Nur fort, fort, die Fabrit hat schon von manchem mehr wie einen Finger gefressen.

Als ich am Nachmittag das freundliche Erholungsheim im stillen Thüringer Wald betrat, ein fleines sauberes Zimmerchen angewiesen bekam und durch das Fenster in den alten Bart hinaussah, in dem einige Seiminfaffen plaudernd auf und ab gingen, war es mir, als tönne das alles gar nicht wahr sein, was sich da so weit, weit weg augetragen hatte. In der Nacht aber hatte ich einen wüsten Traum. Aus irgendeinem Grunde hatte ich mich beim Gang zur Fabrik ver­spätet, es war schon säter Vormittag, als ich in den Umkleideraum fam. Mein Arbeitstittel war nicht zu finden, deshalb ging ich in Semdsärmeln zum Arbeitsraum hinauf.

Alle Kollegen fahen mich so eigenartig an, mein Arbeitsplatz am Tisch war von einem anderen besetzt. Auf meine verwunderte Frage zeigte mein Erfaßmann auf eine leere Drehbant und jagte: Bon heute ab sollst du dich an die Maschine stellen, der Meister hat das so angeordnet!" Schweigend trat ich an die Maschine, legte mir das Werkzeug zurecht und schaltete ein. Da, was war das, ich sah mich um, alle starrten zu mir herüber, und plötzlich hatten sie ein großes fchwarzes Loch im weißen Gesicht, das war ihr vor Schred weit aufgerissener Mund, fie zeigten aufgeregt zu mir her, was hatten sie denn? Eine lähmende Angst überfiel mich, ich drehte mich zur Maschine zurück. Da, hilf Himmel, was war das, in der Spindel steckte ein ausgeriffener Finger, und drehte fich wie toll, ich faßte nach meiner rechten Hand, die Stelle, wo der Beigefinger fonst faß, war leer, es war mein Finger, der sich da drehte, die Fabrik hatte mich doch gehascht, ich war ihr doch nicht entronnen, mir wurde übel, ich wollte um Hilfe rufen.

Schweißgebabet erwachte ich. Lange konnte ich mich nicht be­sinnen, wo ich war. Ich lag in einem fremden Belt, vor dem Fenster rauschten alte Bäume. Ach ja, ich war ja in Thüringen , in einem Erholungsheim, fonnte mehrere Wochen hier bleiben, und teine Fabrit fonnte mir etwas tun, und teine Maschine mich beißen. Erlöft atmete ich auf, die Bäume rauschten... Berstohlen be­fühlte ich meine Hände, ich hatte noch alle Finger. Beruhigt streckte ich mich aus. Nun mußte ich, daß ich meine Sterben wieder in die Gewalt betommen würde. Noch hast du mich nicht zerbrochen, Fabrit!

Gefichtsfinn der Bögel. Es gibt Bögel, deren Blid hundertmal schärfer ist als der des Menschen. Einzelne Bögel vermögen einen Burm bei Tagesticht auf 100 meter Entfernung zu erkennen.