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BERLIN  Dienstag

8. April 1930

Der Abend

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B 83 47. Jahrgang

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Arbeitslose Maffen in Berlin  .

Keine Entlastung des Arbeitsmarkts in Berlin   und Brandenburg  .

Der Arbeitsmarkt im Bereich des Landesarbeitsamfs| Brandenburg( Berlin- Brandenburg  - Grenzmart) hat im ver­gangenen Winter unter dem allerschwersten Drud geftanden. Die durch den ständigen Zuzug von Arbeitskräften aus der Pro­vinz schon besonders ungünstige Lage des Groß- Berliner Arbeits­marktes wurde im vergangenen Winter, abgesehen von der zuneh­menden Berschlechterung der Konjunktur, noch durch die katastro­

Niederlagen der Regierung.

Anträge zur Tabaksteuer abgelehnt.- Moldenhauer findet keine Mehrheit.

des Reichstags trat zutage, daß die jetzige Regierungskoalition sich Auch in der heutigen Sigung des Steuerausschusses des Reichstags trat zutage, daß die jeßige Regierungstoalition fich Mehrheit durch unsachliche und gefährliche Zuge­

phale Finanzlage der Stadt Berlin   bedenklich verschärft. Die feit Anfang März festzustellende Entlastung des Berliner   und Brandenburger   Arbeitsmarktes geht daher auch nur sehr schlep- ständnisse an Interessenten verschaffen muß. Obwohl die Bor: pend vor sich.

Nach dem Bericht des Landesarbeitsamts ging die Zahl der Arbeitsuchenden in der zweiten Märzhälfte um 29 541 auf 459 068 Personen zurüd, während die Unterstützungs­bezieher sich um 18 799 auf 339 562 Personen verringerten. Wie zögernd sich aber die Entlastung des Arbeitsmarties durchfeßt, zeigt die Entwicklung seit dem höchst stand der Arbeits losigkeit in der letzten Februarwoche. Es stellten sich:

22. Februar 30.. 15. März 30

31. März 30

lege der Reichsregierung über die Verkürzung der Fristen bei Tabat und Zucker lediglich dem Reich einen schnelleren Geldeingang sichern foll, wollte ein Antrag der Regierungsparteien durch eine Er höhung der Banderolensteuer für Rauchtabat eine Ber­steuerung des billigften Tabats von 6 auf 8 Mart einführen. Aber dieser Antrag wurde von der Sozialdemokratie mit Stimmengleich­heit zu Fall gebracht! Auch durch andere Anträge der Re­

Die von der Regierung vorgesehene Berkürzung der Fristen von 3% auf 2 Monate sollte mur auf 3 Monate erfolgen.

gierungsvorlage ftimmten deshalb die Sozialdemokraten gegen die Wegen dieser Verschlechterungen der ursprünglichen Re­ganze Neuregelung der Fristen bei der Tabatsteuer und erreichten, unterstüßt von den Kommunisten und Deutschnationalen, ihre Ab­lehnung. Der Teil der Regierungsvorlage, der sich auf die Fristenverfürzung bei der Zudersteuer bezieht, wurde unter Ab. lehnung aller Anträge der Regierungsparteien

angenommen.

Arbeitsuchende Unterstützungsempfänger der 2.B. gierungsparteien wurde die ursprüngliche Regierungsordnungsdebatten. Die Mehrheit des Ausschusses aber lehnte eine

501-457

488 609

459 068

( Haupt- und Krisenunterstügte)

365 197

358 361

339 562

Die Zahl der Arbeitsuchenden liegt also in Berlin   und Branden burg   jetzt noch um mehr als 60 000 Personen über dem Höchststand ber Arbeitslosigkeit im Ratastrophenwinter 1929 mit 398 657 Arbeitsuchenden in den ersten Märztagen. Besonders be­denklich ist, daß im vergangenen Jahr trotz der klimatischen Schwie­rigkeiten und des im März einsehenden ungünstigen Tauwetters die Zahl der Arbeitsuchenden in den vier Märzwochen um rund 17 Broz, in diesem Jahr dagegen nur um etwas mehr als 8 Pro3. zurüdging. Die wirtschaftliche Depression hemmt also den Frühjahrsaufschwung sehr bedenklich. Ob die Entwicklung im ganzen Reich den gleichen Charakter trägt, muß erst der in den nächsten Tagen zu erwartende Arbeitsmarktbericht der Reichsanstalt zeigen.

Jm einzelnen war in der Landwirtschaft eine starte Nachfrage nach Jugendlichen festzustellen. Die Belebung in der Ton- und Ziegelindustrie machte wegen der Sparmaß nahmen des Staates und der Gemeinden keine Fortschritte. Hier zu kommt, daß die Industrie nur in beschränktem Maße baut und die Landwirtschaft als Abnehmer vollständig ausfällt Die Metallindustrie litt meiter unter fonjuntturellem Rüd­gang. Nur in Teilzweigen ist eine leichte Besserung festzustellen. Im Holz- und Schnitzstoffgewerbe blieb die Zahl der arbeitslosen Facharbeiter außerordentlich hoch. In der Bekleidungs­industrie war die Lage ungleich. Besondere Beachtung verdient die Bermittlungstätigkeit für meibliche Kontorangestellte, die an sich lebhaft war, fich jedoch in fast allen Berufszweigen auf das Alter bis zu 23 Jahren beschränkte.

Von den 459 068 Arbeitsuchenden entfielen in der Berichts­mode auf Berlin  , 324 074. Von den Hauptunterstützungs­empfängern famen 183 457 und von den Krisenunterstüßten 38 636 Personen auf Groß- Berlin,

Flammenwerfer gegen Heuschrecken  . Landesverteidigung in Aegypten   und Transjordanien Kairo, 8. April. Aegypten   ist zur Zeit von einer Heuschredenplage, der größten in den letzten Jahren, bedroht. Von Palästina und Trans­jordanien find riesige Heuschreckenschwärme nach dem Nilfal und dem Suezkanal unterwegs. Die Schwärme follen so dicht sein, daß fie die Eisenbahnzüge aufhalten. Die ägyptische Regierung hat zur Bekämpfung der furchtbaren Plage das seit Jahren nicht mehr an­gewandte System der 3 wangsarbeit wieder eingeführt und eine Summe von 50 000 Pfund bereitgestellt. Flammen. werfer wurden zur Bekämpfung der Heuschreckenschwärme heran­gezogen. In Iransjordanien sollen vom Emir Abdullah 75 000 Mann aufgeboten worden sein, die Tag und Nacht fieberhaft bel der Bekämpfung der Heuschredenschwärme fäfig find. Bisher follen nicht weniger als 15 500 Tonnen Heuschrecken und etwa 200 Tonnen Heuschredeneier vernichtet worden sein.

Kirchenportal begräbt 40 Frauen.

New York  , 8. April.

In Lowell   im Staate Massachusetts   stürzte das Por­tal der fatholischen St. Josephskirche ein. Etwa 40. Frauen wurden unter den Steinmassen begraben. 21 wurden schwer verlegt

Dorlage start verändert. Die Beseitigung der Steuerläger soll unterbleiben und durch einen Verwaltungstoftenbeitrag ersetzt werden. Bei der Abstimmung wurde dieser Berwaltungstoften­beitrag auf Antrag der Deutschnationalen auf ein halbes Pro 3ent festgefeßt, während selbst die Regierungsparteien noch ein Prozent beantragt hatten.

Diese unvorhergesehene und den Regierungsparteien außer­ordentlich unerwünschte Niederlage entfesselte längere Geschäfts gewünschte nochmalige Abstimmung ab. Es blieb also bei der Niederlage der Regierung.

Das Mineralwaffersteuergeseh wurde heute mitfag im Steuerausschuß nach Reden der sozialdemokratischen Abgeordneten Sollmann und Dr. Hertz mit den Stimmen der Sozialdemokratie, der Kommuniften und der Deutschnationalen abgelehnt.

Grubenkatastrophe in Spanien   Englands Bündnispflichten.

39 Bergarbeiter verschüttet.- Nur ein Heberlebender. Paris  , 8. April.

Ein schweres Grubenunglück ereignete sich, wie das Journal" aus Madrid   meldet, gestern nachmittag in einem Kohlenbergwerk bei 2lano in der Nähe von Ein Stollen brach zusammen Santander. und begrub 40 Bergleute. Aus Santander und der gesamten Umgebung sind Hilfsmannschaften nach der Unglüdsgrube entsandt worden. Bis zum Abend konnte nur eine Leiche geborgen werden. Nur ein einziger Berg­arbeiter ist der Katastrophe entronnen. Er ist schwer verlegt. Man befürchtet, daß die übrigen 38 Ar. beiter sämtlich ums Leben gekommen find. Nach einer weiteren Meldung ist der einzige Ueber lebende des Unglücks seinen schweren Verlegungen gestern abend erlegen.

Der gespaltene Hugenberg.

VerMiss

trauen

3n dieser Zange halte ich die Regierung!"

Eine neue Formel für den Sanktionsartifel als Konzession. London  , 8. April.  ( Eigenbericht.)

Briand   kehrt heute nach London   zurüd mit der Zustimmung des franzöfifchen Ministerrats zur englisch  - französischen Inter­pretations formel zu Artikel 16 des Bölferbundsstatuts. trachtet man diese Formel als einen diplomatischen Sieg Frant Wie aus franzöfifchen Aeußerungen deutlich hervorgeht, be­reichs und nimmt an, daß diese Formel, losgelöst von den Ergeb­niffen der Floffenkonferenz, bei zukünftigen Genfer und anderen diplomatischen Verhandlungen Anwendung finden könne.

Diese Auffassung hat in offiziellen englischen Kreisen außer­ordentlich verstimmt wie verlautet, steht die englische Re­gierung auf dem Standpunkt, daß diese Interpretationsformel einen Teil jener Konzeffionen darstellt, die England als Preis für einen Fünfmächtepakt und eine wesentliche Herabsehung der franzöfifchen Tonnageforderungen zu zahlen bereit ist. Unab­hängig hiervon wird England feine Zustimmung zu dieser Formel feineswegs erteilen, fie steht und fällt mit dem Fünfmächtepakt.

Der Wortlaut der neuen Interpretation des sogenannten Sant­tionsartikels des Bölkerbundes, zu der sich die englische Arbeiter­regierung bereitgefunden hat, um den Fünfmächtepakt über die Gee­abrüstung zu retten, ist noch nicht bekannt. Sie läuft aber jedenfalls in der Richtung, daß England, mehr als das bisher der Fall war, die Verpflichtung übernimmt, dem Angegriffenen mili­tärisch zur Seite zu stehen. Es würde sich also um eine Art Garantieverpflichtung gegen Unbekannt handeln, die es der französischen   Regierung ermöglichen" foll, auf einen Teil der Seeabrüftungsforderungen zu verzichten.

Die Nachricht von dem Bevorstehen einer Vereinbarung über den Sanktionsartikel des Bölkerbundes mit Frankreich   hat übrigens die konservativen und liberalen Oppositionsparteien auf den Plan gerufen. Anscheinend ohne sich mit Baldwin in Verbin­dung zu setzen, beantragte Chamberlains früherer Unterstaats­febretär oder Lampson die Bertagung des Unterhauses. Daraufhin erklärte Macdonald, daß die Regierung sich unmöglich verpflichten könne, mit anderen Regierungen über die Bedeutung einer Bölkerbundsbestimmung nicht zu verhandeln Er sei jedoch bereit, die Führer der beiden anderen Parteien über diese Berhand­lungen zu unterrichten. Der Bertagungsantrag wurde dar­auf zurüdgezogen.

Typhusepidemie in Paris  .

Wie der Matin" berichtet, ist in den westlichen Vororten von Baris, namentlich in Bandy und in Noisle- Le- Sec, eine Typhusepidemie ausgebrochen. Die Ursache der Seuche liege in dem verdorbenen Trinkwasser. Bei der letzten Ueberschwemmung der Marne   seien die Quellen für die Wasser­versorgung verunreinigt worden. Bisher seien fünf Todes­fälle zu verzeichnen.