Sonntag
13. April 1930
Unterhaltung und Wissen
Max Dortu : Granada / Ein Tabakflück
Seht ihr jenes flotte Mädchen da? In Spanien in Granada . Jenes Mädchen ist La Gitana, die Zigeunerin: die Tabacaia, die Führerin aus der Zigarettenfabrik. La Gitana: 27 Jahre alt, schwarzer Struppeltopf, Augen wie funkelndes Ambra, Teint gelb, Statur: nicht groß und nicht flein, aber elastisch, elastisch wie eine Haselgerte. La Gitana: schwarze Lackschuhe, Strümpfe von heller Stunftſeide, furzer schwarzer Rod, Bluse gelb und von der hohen Brust her das im Binde flatternde vierfache rote Seidenband: das Purpurband, das Freiheitsband, das Symbol sozialistischer Ge finnung.
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La Gitana in Granada , das Tabatsmäbel aus der 3igarettenfabrit, die mutige Vorfämpferin ihrer 200 Genoffinnen. La Gitana führt den Streif jawohl: in der Zigarettenfabrit von Granada herrscht Streif: die Forderungen der Tabacaie hier sind die hier sind die Forderungen: achtstündige Arbeitszeit, statt neun Stunden; 15 Prozent Lohnerhöhung denn fehen Sie, Senor Direttore: die Tabafscompagnie zahlte im letzten Jahre 15 Prozent Dividende. Da sprang der Senor Direttore wie ein verwundeter Stier aus feinem blaujamtenen Bürosessel auf und er zischelte der Gitana diese Worte ins Ohr: Ja, Mädel, was ist da zu machen? Die Af tionäre der Tabatmanufaktur wollen Geld sehen: die Aktionäre fizen in Paris und London so ein armer Direttore, wie ich es bin, der ist nur das Sigfissen unterm tapitalistischen Popo der Aftienlöwen.
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Don Sabello mit seinen Tabafstöchtern auf der roten Mohrendas wie ein mar burg : in der Alhambra . Ein Wunderschloß mornes Märchen vor den Augen der Besucher aufsteht. Säulen hallen in Hufeisenform, lauschige Marmorhöfe, in denen zierliche Wasserkünfte heute noch alte arabische Lieder singen: Lieder von der Güte des Propheten, Lieder von Liebe und nächtlicher Sternen pracht. Hier sind wir auf dem Myrtenhof der Alhambra , Mädels: brecht euch von den Heden ein Myrtenzweiglein ab: und stedt es euch an den Busen, das dunkle Myrtengrün steht gut zur purpurnen sozialistischen Schleife. Der Löwenhof, ein marmorner 3winger, eine Menagerie steinerner Wüstentönige aber alle find sie gezähmt: nicht die Wildheit des Löwen ward hier zum Steinbild, sondern die Kühnheit und der ehrliche Stolz des Löwen : der ist es, der den Löwenhof der Alhambra durchfeiert. Nun sind wir im Saale der Gesandten: hier empfing der Kalif von Granada die Gesandten der halben Welt, die ihm Geschenke brachten, die um seine Macht buhlten, die ihn baten: in ihre Länder Künstler und Gelehrte abzuordnen, damit die arabische Kultur auch das rauheste Bolt beglücke und veredle. Der Saal der Schwestern: der Saal weiblicher Anmut, der Saal des Frauenrechts, der Saal der guten Mütterlichkeit: ganz in Weiß und Gold gehalten, das Gewölbe tiefblau mit der goldenen Sternschrift der denkenden Nacht. Und der Saal des Gerichts-mo die Kalifenrichter jedem sein Menschenrecht anerkannten, ganz gleich, welcher Rasse und welchen Glaubens der Rechtfordernde immer sei. Jawohl, den Tabalstöchtern flopft das Herz höher in der Brust, als Don Sabello ihnen die Gegensätze von Mohrenrecht und Christenschwert deutet. Nun sehen wir Don Sabello und seine Tabacaie auf dem schönsten Plaße Granadas: auf der Bibarrambla! Stolze Gebäude ringsum, spanische Baufunft, Paarung von Renaissance und Barod. Aber seht ihr, wohin der Zeigefinger Don Sabellos deutet? Seht ihr auf dem Platz Bibarrambla die Scheiterhaufen? Fühlt ihr die gelben Flammen züngeln, fühlt ihr, wie die Flammenzähne gleidh Tigerzähnen ins Fleisch der lebendig Verbrannten beißen? Und zum Sterbegeheul der Kirchenverurteilten hört ihr die falsche Litanei schwarzer Dominikanerpaters? Die Zeit der heiligen chriftlichen Inquifition!
Hahahahihihi lachte Gitana dem Manufakturgewaltigen von der Tabaksfabrit ins Gesicht: und Ihre Tantiemen, Senor Direttore, Ihr Sündengeld von den Aktionären? Was haben Sie Neujahr bekommen zehn fünfzehn zwanzigtausend Besetas- oder gar noch mehr? Das war min, als ob die Gitana mit einem Dolchmesser das Herz des Direktionsbullen gefigelt hätte er hüpfte vom Schreibtisch her mitten ins Zimmer: er riß sich die jamtviolette Weste auf: mit seiner Krallenhand griff er an seine Brust, da holte er sein Herz heraus mit zitternder Hand hob er es hoch in die Luft, und bei seinem schwarzgeflecten Herzen, bei allen zwanzig Heiligen der Kathedrale und bei der Jungfräulichkeit der Madonna schmor er: Gitana , es waren noch feine zehntausend Besetas, die mir die Tabafscompagnie als Tantieme zu Neujahr verrechnete.- Wieder das schrille Lachen der Zigeunerin: hihihihahuho Senor Direttore, Ihre Schwüre find falsch wie Camille d'Orange: Messing.
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Dieſes Gespräch zwischen der Betriebsrätin der 3igarettenfabrit Der Mann mit dem Affen
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Don Granada und dem Direttore der Fabrik fand vor etwa drei Wochen statt, morgens gegen neun Uhr. Und zur Mittagsstunde bekam die Gitana vom Büro einen diden Liebesbrief: drinnen lag der vierzehntägige Lohn im voraus und die freundliche Auf forderung an die Gitana, die Zigarettenfabrit innerhalb einer Stunde zu verlassen, sonst draußen vor dem Fabrittor mar. fchierte ein Ploton Carabinieros auf: die kurze Flinte am Budel. die schwarzen Schnurrbärte hochgewirbelt wie Bajonettspitzen. Fünf Minuten vor ein Uhr befam der Zigarettenbirektor einen letchten Schlaganfall: er verlor die Sprache als sein Faktotum ihm meldete: Onorevole, ehrenwerter Gebieter: foeben haben die zweihundert Zigarettentöchter mitsamt den zwanzig Arbeitern die Fabrit unter lautem Geschrei verlassen: es war, als ob Feuer im Hühnerstall ausgebrochen fei- hinaus ins Freie! Solidarität! Alle für eine die Gitana ist entlaffen: das heißt für die Belegschaft Streit! Jawohl: Streit, Streit, Streit. Seit drei Wochen streifen die Tabacaie von Granada . Der Senor Direttore ward gelb und mager mie ein ausgedörrter Maistolben wie würde in diesem Jahre die Tantieme ausfallen? Der Streit der Tabatsmädel steht gut, denn Don Sabello. hat ihn in der Hand. Wer ist Don Sabello? Ein Sozialist. Ein Gewerkschaftsführer. Ein Redakteur. Idealift ein Republikaner, der für Recht und Freiheit des spanischen Proletariats schon manches Jahr hinter föniglichen Ge fängnismauern faß. Der aber stets aus dem Gefängnis heraus wie ein Bogel Phönig schwingenbreit ins Blau der andalusischen Lüfte aufstieg. Das freie Wort war im Herzen des Don Sabello nicht zu erdrosseln.
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Ein
Die Tabaffabrit im Quartiere Albaycin : im alten maurischen Granada das Fabrikgebäude. Ein alter arabischer Balazzo- feit drei Wochen scheint er wieder den Schlaf der Jahrhunderte zu träumen. Fort sind die lustigen Mädels, ihr froher Gesang belebt nicht mehr die Höfe, Hallen und Säle des alten Mohrenhauses.
Was treiben denn die Tabatstöchter während der Streifzeit? Sie leben ihr Leben so schön: wie sie es noch nie gelebt haben. Dafür Sie leben ihr Leben so schön: wie sie es noch nie gelebt haben. Dafür forgt Don Sabello, der Meridenfreund und Soziciist. Er hat aus ganz Spanien her Arbeitergrofchen für die streifenden Tabacaie mobil gemacht. Die Streiffaffe ist gut gefüllt. Der Mut der Rämpfenden ist ungebrochen. In aller Herzen steht flammenrot bas Wort Don Sabellos: Wir wollen
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wir werden!
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Mit seiner Frau und sechs Kindern in zwei Zimmern und einer Müche wohnen, und dabei feine Arbeit haben fehlter Beruf.
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das ist ein ver.
Der Familienvater, der zwar nicht an den schlechten ArbeitsDerhältnissen aber immerhin an dem halben Dutzend Kleiner Fresser die Schuld trug, fuchte verzweifelt nach einer Quelle, wo Geld für ihn floß... oder tröpfelte
Der Mann hieß Tänzler, Emil Tänzler.
Beilage des Borwärts
Nun sind wir auf der Acaiceria, auf dem alten maurischen Bazar Granadas. Bunte Berfaufsstände, Geschrei, Leben, Lachen. Drei Musikanten aus der Sierra Nevada spielen auf langen Klarinetten das Sturmlied des Hochgebirges. Mädels: tauft euch Weißbrot, getrocknete Feigen und Datteln: das gibt euer Mittagmahl. Und beim alten weißbärtigen Wasserverkäufer trinkt ihr dann den alkoholfreien Orangenwein: die Naranjada!
Nachmittag. Don Sabello ist ein Tausendkünstler, Da stehen zehn Lastautos, Bänke sind darauf: Mädels, fegt euch, mir fahren in die Bega, durch die Aue von Granada - und dann hinauf ins hohe Gebirge. Die Vega: Oliven, Reben. Orangen, Pfirsich, Feigen, Johannisbrot, Edelfaftanien, Zitronen, Gemüse, Blumen. Hä, junger Gärtner, für fünf Pesetas rote Nelfen: jedes Mädel steckt wie sie sich hinters Ohr den roten Stern der Freiheit, die Nelke leuchtet: durchs schwarze Haar.
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Droben auf der Paßstraße der Sierra Nevada, im zerflüfteten übergletscherten Hochgebirge. Dort steht Don Sabello. Mit seinem blizenden Auge weist er himmelwärts: wie fühn da droben das wie sozialisti Steinadlerpaar freist, höher und höher zur Sonne scher Geist!
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Und dann deutet die Sprache von Don Sabellos den Blick ins weite Land. Den Blick der Augen, den Blid der Seele. Da drunten im Süden blaut das Mittelmeer . Seht ihr die Städte Malaga und gleichfalls erste Sperbernefter fozialistischen Almeria Rämpfertums!
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Das Mittelmeer : blau, meit, sanft. Drüben aber steigt schwarz und blutbefleckt die Küste Afritas auf. Melilla , die harte Festung und der Knotenpuntt des spanischen Militarismus. Hinter Melilla wächst das filberne Riffgebirge. Obendrauf flattert das grüne wächst das silberne Riffgebirge. Banner des Propheten und das rote Banner mit dem weißen Halbmond: Selbständigkeit dem Riff! Und Don Sabello fagt: drüben, die Riffleute, die sind nicht unsere Feinde: fie mollen, was Spaniens Arbeiter wollen: Freiheit, Recht und Freundschaft!
Schluß. Der Streit ist gewonnen. La Gitana, die Zigeunerin: fie war stärker als ihr Senor Direttore. Die Zigarettenfabrik von Granada arbeitet wieder, sie singt wieder, und sie darf singen: denn dieses war immerhin ein schöner Erfolg: die jetzige Arbeitszeit beträgt 8% Stunden und der Lohn ward um 7% Prozent aufgebeffert. Genoffinnen von Granada , wir gratulieren von ganzem fozialistischem Herzen! Adjes und Adios.
Verzweifelt wie noch niemals verließ er seinen Blaz, um nach Hause zu gehen. As er fünfzig Schritte weiter bei dem Blinden vorbeilam, dachte er: Wenn dieser Mann doch sehen könnte! Ich würde durch ihn erfahren, wer meinen Hut Es hat auch sein Schlechtes, wenn einer nicht sieht, dachte er. Der Blinde, der einige Häuser weiter gestanden hatte, erschien am nächsten und auch an allen folgenden Tagen nicht wieder. Das Geld, das er aus dem Hut seines Nachbarn geholt, hatte er feinem Sohn gegeben. Und sein Sohn hin wiederum hatte ihm dafür das Aeffchen überreicht. Mit dem Aeffchen fegte sich der Blinde in einen anderen, entfernten Stadtteil. Er freute sich an den lugen braunen Augen des Meinen und verdiente mit ihm zusammen sehr gut. Denn auch dieser Blinde war ein Familienvater.
Endlich fand er einen Leierkasten, vor dem Bauche zu tragen. Die Zahlungsbedingungen waren günstig. Er erstand ihn und gehörte von dieser Zeit an zu den auf Gastspiel reisenden Musitern. Die Leute hatten aber wenig Gefühl für seine Mufit. Die Einnahme tröpfelte schwach. Sehr selten flog ein in Papier ge pactes Fünfpfennigftück aus einem der Fenster durch die Luft vor seine Füße. Aus diesem Grunde verschaffte sich Tängler eine blaue Brille Verkehrsordnung im alten Rom
und hängte sich ein Schild vor die Brust daß er leider erblindet märe.
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auf dem stand zu lesen,
Er tappte fich durch das Menijchengewimmel der Weltstadt, und fegte sich vor den Eingang zu einer Ronditorei, wo oft junge Mädchen stehen blieben, hineingingen und wieder heraustamen.
Es war sozusagen eine gute Geschäftsgegend, obgleich einige Häuser weiter ein Blinder, der wie ein jahrzehntelanger Platzinhaber aussah, mit seinem Hund in einem Eingang stand.
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Wenn der mich, feinen Konturrenten, sehen und finden könnte, würde er mir das Dach einfchlagen, brummte Tänzler für sich. Es hat auch sein Gutes, wenn einer nichts sieht, dachte er. Tag für Tag, bis zum Abend faß Tängler da und mufizierte auf seinem Beierfaften, der vor ihm stand. auf seinem Beiertasten, der vor ihm stand.
Die Sache ging beffer als früher, aber noch immer nicht gut. Cines Tages gab es eine Gelegenheit für ihn, einen Affen auf 2bzahlung zu laufen. Er tat den Affen an eine Kette und ließ regnen sollte. Dazu spielte er den Wiener Walzer und das Nieder: ihn vor dem Hut fizen, in den es hineintröpfeln oder besser noch
ländische Danfgebet.
Bon da an standen immer sehr viele Kinder um den Mann mit dem Affen herum. Das Geschäft ging gut; man tonnte wohl fagen, es blühte. Da tam einmal, furz vor Dunkelwerden, ein Mensch mit einer
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vor dem Blinden befand, eine Frage und dazu eine Bewegung, als ob er ihm eine Ohrfeige herunterhauen wollte. Aber nun war Tängler entweder so gut auf seinen Beruf trainiert, oder ihm blieb vor Erstaunen die Luft weger machte teine Bewegung, er gab feinen Laut.
Darauf bückte sich der Mensch mit der Jockeymüße, griff nach dem Affen, steckte ihn in einen Sac, den er bei sich trug. Und dem Affen, steckte ihn in einen Sack, den er bei sich trug. Und
war weg.
Streifzeit ist Freizeit. Freizeit ist Lernzeit. Lernzeit ist Glück. Jockeymüße vorbei. Er machte ganz unvermutet, gerade als er sich zeit. Don Sabello zeigt den Tabacaie fein Granada . Granada die Hauptstadt, Hochandalusiens, vor der nach Süden hin sich die gewaltige Sierra Nevada aufbaut, das zadige Schneegebirge, 3500 Meter hoch. Von der Sierra Nevada herab springt der fälte. dampfende Fluß Genil. Wo der Fluß Genil den warmblutigen Bruder Darro in sich aufnimmt: da liegt die Stadt Granada . Weiß und dächerflach wie ihr arabisches Urbild. Im achten Jahrhundert famen von Afrita her die Araber auf die Halbinsel Iberien. Getrieben von einem religiösen, fanatischen Eroberungswillen der sich aber nach der Seßhaftigkeit zu einem hohen Kulturwillen umgestaltete. Auf teltisch- iberischen Stadtruinen gründeten die Araber ihr Granada . Als Mittelpunkt der fruchtbaren Bega, der früchteund blumenreichen Aue von Oberandalusien. Das arabische Granada hatte zu seiner Blütezeit eine halbe Million Einwohner, es hatte 50 gelehrte Schulen und 70 Bibliotheken. Arabische Dichter, Philo. sophen, Aerzte und Astronomen waren zu jener Blütezeit Granadas Der Hochpunkt der abendländischen und morgenländischen Kultur. Bis die Sdymert und Feuerfultur das christlichen" Königreiche Caftilien im Jahre 1492 durch Eroberung Granadas , arabischen Kulturepoche in Spanien den Todesstoß gab.
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der
Granada unter den Arabern. Eine halbe Million Bewohner militärischen das heutige Granada , der Fürsorgezögling der Diktatur: taum 100 000 Bewohner. Herrliche Bauten aus der Maurenzeit zeugen heute noch vom architektonischen Schwung der Mohrenseele. Da ist die alte rote Mohrenburg die Alhambra . Das arabische Kalifen- und Verwaltungsschloß über Granada . Hoch am Felsen, inmitten prächtiger Parts von Korfeichen, Platanen, Eukalypten, Lorbeer und Myrtengebüsch.
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Tänzler hatte sich noch immer nicht gerührt. Er dachte trampf haft: Du bist blind, du siehst nichts wenn du dich verrätst, das fönnte dir schlecht bekommen.
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Aber dann fiel ihm ein, daß ein Blinder ja auch durch das Gehör cder einfach durch Tasten festellen konnte, wenn sein Affe Er fing an zu schreien, er warf die Arme in die Luft. Er fehlte. Er fing an zu schreien, er warf die Arme in die Luft. Er webtlagte.
Nach einer fleinen Welle merfte er, daß ihm sein Wehflagen nichts nügte. 3war blieben einige Leute stehen, aber ehe fie fapierten, um was es fich handelte, mußte der Dieb ja über alle Berge fein,
Da spielte Tangler lieber mit offenen Starten. Er machte cinen Sprung durch sein Publifum und dann rannte er die Straße entlang, um seinen Affen zurückzuerobern. Die Leute folgten ihm mit hellem Gelächter.
Natürlich war weder vom Dieb noch vom Sad mit dem Affen etwas zu sehen.
Und als Tänzler zurückkehrte, fand er den Hut, vor dem das Aeffchen gesessen hatte, von allen Münzen entleert.
Rolf C. Reiner:
In der Kulturperiode des römischen Kaiserreichs spielte sich das Leben viel mehr in der Deffentlichkeit ab, als mir es heute gewohnt
find. In den schmalen Straßen, die durch die in sie hineingebauten Läden und Tabernen noch mehr verengt wurden, drängte sich vom frühen Morgen bis zum späten Abend eine riesige Menschenmenge. Hier flappert", so wird uns berichtet ,,, ein Wechsler mit schlechtem Gelde auf dem schmutzigen Tische, dort hämmert ein Goldschmied spanischen Goldstaub auf seinem Amboß. Ohne Unterlaß ertönt das Geschrei einer Prozession rasender Bellona- Priester, das Geschwätz der armen Leute und der Bettler, die Almosen heischen, Gaufler und Tierdreffeure zeigen ihre Künste, Haufierer preisen in allen Sprachen der Welt ihre Waren an; dort Ipden die Herumträger von Erbsenbrei und warmen Würstchen die Hungrigen. Mitten auf der Straße schwingt ein Barbier sein Schermesser, drängen sich Durstige zum Ausschant der Tabernen. Hier in seinem offenen Laden- nimmt Gaffern versperrt den Weg. Und der Satiriker Martial llagt: ein Chirurg eine schwierige Operation vor, und eine Unzahl von ,, Ganz Rom ist eine einzige Taberne geworden, und alle Straßen sind von Händlern, Barbieren, Schankwirten, Krämern, Fleischern und Hausierern in Beschlag genommen. Nirgends sieht man vor lauter Buden noch eine Hausschwelle; dampfende Garfüchen nehmen die ganze Breite der Straßen ein, und Prätoren sind gezwungen, im Kot ruhiger Nebenstraßen zu wandeln."" Schon am frühen Morgen rufen Bäcker ihre frische Backware aus, und Hirten preisen die Milch, die sie vor Sonnenaufgang in die Stadt gebracht haben."
Eine Regelung dieses gewaltigen Straßenverkehrs wurde von Jahr zu Jahr notwendiger und führte zu gefeßgeberischen Maßnahmen in der Art unserer heutigen Berkehrsordnung. Diese neue Berordnung verbot den Wagenverkehr für die ersten zehn Tagesstunden von Sonnenaufgang an. Innerhalb dieser Zeit durften nur die für öffentliche Bauten gebrauchten Laftfuhrwerke fahren; die für private Bauten notwendigen dagegen erst in den letzten beiden Tagesstunden. Alle Reisenden, die im Wagen aus der Provinz famen, mußten ihre Gefährte am Rande der Stadt verlassen. Nur die Wagenpaffage für Durchreisende war ebenfalls ausschließlich in der Nacht in der Nacht gestattet. Dadurch, daß Wagenfahrten zum Zwecke der Personenbeförderung innerhalb der Stadt verboten wurden, blieben als einzige Beförderungsmittel Sänften und Tragitühle. Weitsichtige Unternehmer mußten die Konjunttur aus und brachten Leibfänften in großer Zahl in Verkehr, für die die Polizei feste altepläge vorschrieb. Ein solcher Halteplag befand sich zum Beispiel in der XV. regio trans Tiberim und wurde, Castra lecti cariorum genannt.
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Besonders enge und mintlige Straßen mit baufälligen Häusern waren für den Wagen- und Sänftenverkehr ganz generell gesperrt; andere wieder durften nur in einer bestimmten Richtung befahren oder begangen werden, entsprechen also unseren heutigen Einbahnftraßen". Aufgabe der 7000 Mann starken römischen Polizei war es, nicht nur für die Sicherheit der Bürger zu sorgen, sondern auch die Einhaltung der Berkehrsordnung zu überwachen.