Beilage Mittwoch, 23. April 1930
IprÄbmd SfinlruiiQatU 4» litiedfü
� Das �anÄwZrkrbuch für Siaatswiffenschaften vermerkt über Otto Micha«tis folgende Daten(4. Anflöge VI. Band S. 573): „gofa. am 12. September 1826 in Lübbecke in Wcstsalcn, gest. 8. De- zember 1896 in Berlin . Studierte in Bonn und Berlin die Rechte und wurde 1847 Auskultator in Paderborn . 1849 wegen Preß- vergehen? aus dem Staatsdienst entlassen, ging er nach Berlin , wo er Mitredalteur der„Abendzeitung" und später Redakteur des voltswirtschaftlichen Teils der„N a t i o n o 1 Z« i t u ng" wurde. Er war 1858 in Gotha Mitbegründer des Kongresses deutscher Volts- wirte und gab seit 186Z zusammen mit Faucher die„Bierteljahrs- fchrift für Volkswirtschaft und Kulturgeschichte" heraus. Er wurde 1861 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und 1867 des Norddeutschen Reichstags, wo er sich der N a t i o n a l l i b e r a l e n Partei anschloß. Demnächst vortragender Rat in dem ncuerrich- teten Rcichskanzleramt und 1877 Direktor der Finanzabteilung dieser Behörde. 1879 übernahm er das Präsidium der Verwaltung des Rcichsinvalidenfonds." Wir veröffentlichen hier erstmalig einige Abschnitte aus den uns von chcrrn Friß Krause, einem Berwandten von Otto Michaelis , freundlichst zur Verfügung gestellten Tagebüchern des 29- und 21iährigen Ötto Wchaclis, die uns dir Zeit des Darmärz in einigen charakteristischen Zügen wieder lebendig machen. Der junge Michaelis hat seinen„eigenen" Sozialismus, er ist über- zeugter Atheist, studiert intensiv die chegelsch«„Logik" und konstatiert die„totale Umwandlung" seiner Zeit. Eine eingehende Analyse dieser Tagebücher ist hier aus Raum- Mangel nicht möglich. Michaelis nimmt eingehend z» den Problemen seiner Zeit Stellung. Er liest Rüge, Fenerboch usw. und exzerpiert sehr genau die Marxschen Anstoße über„Lohnarbeit und Kapital " in der»Neuen Rheinischen Zeitung ". J. P. Mayer.
i T| i■■!"
Den 23. Juni 1847.
Ich spreche nicht gern meine sozialistischen Einsichten in ösfent- sicher Gesellschaft aus. nicht als ob ich fürchtete, deswegen eingesteckt zu werden: denn sie sind höchst unschuldig, ich habe einen anderen Grund. Die meisten Gegner wissen gar nicht, was Kommunismus und Sozialismus ist, und sie zu belehren, wurde zu weit führen und sich nicht in ein« Gesellschaft schicken.... Aus obigen Gründen und weil ich zu weit von den Streitenden entfernt saß, schwieg ich ansang? dazu. Es wurde doch bald zu arg, und ich suchte wenig- strn? Florchen auseinanderzuseßen, was meine Meinung darüber sst. Ehrend ich ihr erklärte, daß die g e s a m t e in e n s ch l i ch e G e- feilschaft als ein großer Organismus anzusehm sei, worin jeder Zweck, der den Menschen geseht ist, ein System, ein Or- gan habe, welches ihn analysiere, und wo all« Zwecke der einzelnen Organ* einem großen Gesamtzwecke dienten. Jedem Menschen weise seine vernünftige Natur und sein freier Wille, seine llnvollkommenheit und seine Vervollkommnungsfähigkeit als Zweck seine eigen« Vervollkommnung an. Die Ver- vellkommnung aller Menschen für den Zweck des Organismus der menschlichen Gesellschaft.... Der Gesamtzweck der menschlichen Ge- sellschaft teilt sich also in verschiedene Einzelzwecke, deren jeder ein bestimmtes Bedürfnis der einzelnen gewähre.(Erziehung. Wissen- fchaft, Kunst, Gewerbe, Ackerbau, Handel. Recht.) Einem dieser Zwecke müßte jeder Mensch nun seine Tätigkeit widmen und könne dafür die Vorteile aller Zwecke, soweit er ihrer bedürfe, ansprechen. Jeder dieser einzelnen Zwecke nehme nun in der menschlichen Gesellschaft eine bestimmt« Anzahl von Menschen in Anspruch. Nun sei es natürlich und zweckmäßig, daß diese in einem bestimmten Umfange zu einer Assoziation sich vereinig- ten. weil dadurch die Arbeit erleichtert, die Produktion geregelt und die Verteilung der Bedürfnisse geordnet würde. Alle diese Assozia- tionen bilden nun gewissermaßen die e i n z e l n e n O r g a n e des großen Organismus. Jeder Mensch müsse, aber narb seiner freien Wahl, teilnehmen an einer oder mehrere» dieser Assoziationen, um durch redliche Verwendung seiner Kräfte Ansprüche zu erlangen auf die Vorteile des gesamten Organismus. Ein solcher Zustand.... wo jeder Mensch nach seinem Be- dürfnisse Anteil habe an dem. was die Menschheit erarbei et Exi- stenzmittefn und Bildung, und den Anspruch sich erwerbe durch Tätigkeit in seinem sozialen Wirkungskreise sei das Ideal der mensch- lichen Gesellschaft, sei Ziel, Zenit und Ende der Geschichte. Es könne aber nur Kindern einfallen, ihn sogleich einführen zu wollen, darüber können nach Jahrtausende vergehen. Dir Geschichte mache, wie die Natur, keine Sprünge Der Sozialismus wolle nur Einfluß üben auf die Politik, denn die Politik sei eben die Wissenschaft, welche der Gegenwart«bei, die Wege zeige zu dem Ideal, welches die Philosophie ihr vorhalte. Dagegen sei cheoretisch nichts einzuwenden, meint« man, aber wohl praktisch. Darüber könne kein Mensch urteilen meinte ich: denn dadurch, daß etwas noch nie geschehen sei, sei noch n cht be- wissen, daß es auch nicht geschehen könne. * Den 3. D zember 1847 Vorgestern sprach ich mit der Mutter über Elise Radecker und die Mutter erzählt« mir. daß in Bieleseld, wie Elise berichtet. die meisten jungen Leute Kommunisten und A t h c i st e n seien Wir kamen auf die eigentliche Ansicht der Atheisten u: serer Zest und ich suchte es der Mutier klarzumachen. „O. du glaubst wohl nicht an Gott ? Da war ich in einer abscheulichen Lage: denn sagt� ich die Wahrheit, so sah ich voraus, daß das die Mutter bekümmern wücle die bei all ihrer Freisinnigkeit, an gewissen Grundsätzen, die ihrem jungen Herzen schon lieb geworden und die sie erprobt gefunden zu. habe» glaubt, streng festhält, was sehr erNärlich ist. Und wie konnte ich die Unwahrheit sagen? Es Ist geschehen, die Mutter kennt meinen ganzen Atheismus. Anfangs schien sie ganz betrübt und suchte mich zu bekehren. Dann trat ein verlegenes Schweigen ein, wo wir wahrscheinlich beide mit uns einig wurden, daß wir am klügsten täten, wenn wir das Thema fallen ließen und künftig die Distanz horvorzuhed«» oermiede»..,,
Den 6. Februar 18 t8. Gestern abeick» ist durch ein glückliches Ereignis mein Selbst- bewußtsein etwas gehoben. In dem Hegel- Kränzchen mit Caspari und Kinkel waren wir in den letzten Wochen bis zum „Sollen" gekommen und verstanden von diesem Paragraphen gar nichts. C. und K. hatten sich beide bemühen wollen, hatten aber beide nichts zutage gefördert. Da setzte ich mich hin und studierte die ganze Logik vom Anfang an wieder durch und es wurde mir klar. Ich trug es gestern vor und gab manchen bisher unbemerkten Gesichtspunkt und es wurde ihnen auch klar. Ich habe mir für die erste Gruppe, die de» Daseins in der Hegel - schen Logik, ein Schema ausgcsonnen, welches hier seinen Platz finden soll.
%T?r>
Den 7. März 1848. Da ist eine verheißungsvoll« Zeit angebrochen. Frankreich jagt in zwei Tagen seine Minister, seinen König sort und proklamiert die Republik . Der wunderbare 24. Februar!... Ich halte große Hoffnungen für den Fortschritt Preußens und Deutschlands . Und wirklich sind dieselben auch in bezug auf die ängstlichen Staaten nicht ganz getäuscht. Für Preußen hoff« ich nichts mehr, wenn nicht Krieg kommt. Di« Kölner hoben durch ihren unsinnigen und zugleich feigen Krawall alles verdorben. Der Bürger verliert den Mut und die Zuversicht, und die Regierung gewinnt durch die Beschämung der Radikalen an Einfluß. �Und nun muß noch die Brandstiftung in Karlsruhe am Ministerium des Auswärtigen hinzukommen. Ich habe ganz den Mut verloren. * Den 7. April 1848. So gehen wir denn mit Sturmschritt in eine neue Zeit, unsere Verhältnisse gehen einer totalen Umwandlung entgegen. Maine Stellung, meine Aussichten, mein« Hoffnungen werden ganz andere.
"> Im Lande des Kakao Ein Gang durch Sao Thome Es kommt wohl neuerdings die Hälfte der Welterzeugung von Kalao von der Goldküste und sst nicht durch europäischen Plan- tagenbau. sondern durch Aschantibauern erzielt worden. Das ist zu begrüßen: der Go'dküstenkakao ist aber niedriger be- wertet als der Kakao älterer Slnbaugebiete, wie Brasilien , Venezuela , Java und das parodiesisth shöne Sao Thome , deren wirtschafllicher Aufschwung übrigens auch erst aus der neueren freieren Zeit stammt. Früher gab es zahlreiche Kämpfe und Sklooenoufsiänd« auf diesem kleinen portugiesischen Eiland, las in der äußersten Ecke der Nasenspitze liegt, die das schwa'zweiße Afrika nach dem gemischtrassigen Südamerika vorstreckt. Eine halbe Stunde(mit dem Auto) in dos Insel nner«, dann steil« Windungen den Berg hinauf, oben vorbei an einer langen Reihe von Arbeiterwohnungen und Trockenanlagen nach einer lang- gestreckten Veranda zu, die sowohl in die Berge hinein, wie in das Meer hinabschaut,— das ist Roya„Java". Die Kakaosrucht hat die Form und Gestalt einer sehr großen Zitrone, hier sind sie von gelber, dort von rötlich violetter Farbe. Das ist das Reifestadium, vorher waren sie grün. Die Früchte wachsen unmittelbar aus dem Stamm heraus, vom Boden an bis w die Zweige hinauf. Lei der Ernte, die mehrer« Moaate dauert,
miri) die Frucht gleich im Walde geöffnet und die Kerne heraus- genommen. Die Schalen kommen als Dünger in die Pflanz- löcher der jungen Bäume. Die Kerne(eine gut entwickelt« Frucht enthält deren etwa vierzig) werden je nach der Größe und. Einrichtung der Pflanzung entweder auf den Köpfen der Schwarzen in Körben oder in Maultierkarosjen oder mittels Loren auf Schmalspurbahnen nach den Verarbeitungsanlagen ge- bracht. Dort kommen sie zunächst in gedeckten Räumen in Kästen, werden mit'Bananenblättern zugedeckt, und machen zwei Tage lang eine Fermentation(Gärung) durch. Dann werden sie in andere Kästen umgeschaufelt, in denen sie wiederum zwei Tage liegen bleiben. Hierauf werden sie getrocknet. Das geschieht je nach der Jahreszeit, d. h., wenn genügend Sonne scheint, im Freien auf großen zementierten oder mit Steinplatten ausgelegten Plätzen oder in besonders konstruierten Trockenöfen, die mit Holz geheizt werden. Auch die Trocknung in der Sonne geschieht teilweise in terrassenförmig übereinaisder angeordneten, auf Schienen beweg- lirhen Trockenkästen, die bei plötzlichen Regenfällen sehr rasch unter einen Schuppen geschoben werden können. Der getrocknete Kakao kommt in die L a g er r ä u m e, wird hier in Säcke zu j« 69 Kilogramm verpackt und ist nun versandbereit, um in euro- päischen Kakao- oder Schokoladenfabriken fertig zum Genuß ver, arbeitet zu wenden. Auf den ganz großen Pflanzungen sind für die Fennentotion und besonders für die Trockming umfangreiche Zlnlagen vorhanden: das Prinzip des Aufbercitungsprozesses ist jedoch überall das gleiche. Eine andere große Pflanzung, die sich von der Küste bis weit ins Innere der Insel erstreckt, führt den schönen Namen„11 b a B u d o", was so viel wie„steiniger Abhang" bedeutet. Hier fahren I wir auf der Schmalspurbahn(sie ist wie olle> an Sao Thome von Orenstein und Koppel erbaut), und jetzt sieht man deutlich, was für eine Unmasse von Arbeit eine Kakao Pflanzung erfordert, bis sie Erträge abwirft.— In dem steinigen Boden werden zunächst Pflanzlöcher ftir den Kakao ausgehoben, die gut einen halben Meter im Quadrat messen. Zwischen diesen Pflanzlöchern werden sodann Bananen, Palmen und andere Bäume als Schatten- pflanzen gezogen, denn der Kakao gedeiht nur im Schatten, und besonders die junge Pflanze ist ein sehr zartbesaitetes Gewächs, dem das heiße Licht der Aequatorsonne sofort den Garaus macht. In die Pflanzlöcher wird lockere Urwalderde, mit ab- gefallenen Blättern oermischt, geschaufelt, um der jungen Kakao- pflanze einen ihr zujagenden, nahrhasten Standort zu bereiten. Diese selbst wird einzeln in kleinen Körbchen, gewissermaßen als Wickelkind, an besonders günstig gelegenen Plätzen großgezogen, und gelangt erst in die Pflanzlöcher, wenn sie hinreichend kraftig ist. Wenn man bedenkt, daß einzslne Rogas über zehn Quadrat- kilometer derartig angelegte und unterhaltene Pflanzungen besitzen. kann man sich einen Begriff von der intensiven Arbeit machen, die hier von den Schwarzen geleistet worden ist. Freiwillig hoben sie diese Arbeit allerdings nicht vollbracht, und Über das Los der Sklaven von Sao Thome und der Schwesterinsel Prineipe sind dick« Bücher geschrieben worden. Diese mehr oder weniger unfreiwilligen Lohnorbeiter wenden seit einem halben Jahrhundert st ä n d i g importiert, denn die Eingeborenen der Inseln vermögen nicht die Arbeitskräfte zu stellen, die für die Roaas gebraucht werden. In den letzten Jahren haben sich indessen die Verhältnisse etwas gebessert, denn während früher der importierte Neger ausgenutzt wurde, bis er das Zeitliche segnete, werden jetzt richtige Arbeits» kontrakte mit ihnen abgeschlossen, nach deren Ablauf sie das Recht haben, in die Heimat zurückbefördert zu werden. Die Roca„Monte Cafe", in 899 Meter Höhe, genießt den Ruf, die relativ gesündeste aller Pflanzungen des ungesunden „Paradieses" Sao Thome zu fein. Die Neuangekommene» Schwarzen sind infolge der veränderten Lebensweise, des feuchten Klimas und der ungewohnten Arbeit meist sehr anfällig und sterben oft wie die Fliegen. Auf einzelnen Ro�as sind in einem Jahr schon bis zu 29 Proz. der Arbeiter gestorben. Daher die guteingerichteten, modern gebauten Krankenhäuser, die Der« waltung will auch die kostbaren, immer schwer zu erhaltenden Ar» beitskräfte noch Möglichkeit konservieren. Dies ist die Musterpflanzung von Sao Thome : Ro<:a„Agua Jze. Eingewalzte Sandwege. Alles wie neu. Alles modern! Zwei Dynamos, einer von Siemens und einer neuester Kon- struktion von der AEG., Eismaschine, Dampfmaschine, mechanische Trockenanlage für Kakao, umfangreiche ReparaturwerZtätten, Kleinbahn mit vier Lokomotiven, zweckmäßig übereinander an- geordnete'Fermemarionsonlagen, Palmölfabrik, Bananentrocknungsanlagen, Maultierställe, Arbeiterwohnungen, Beamtenwohnhaus, Beschäftigungsraum für Kinder der schwarzen Arbeiter, ein hoch- gelegenes Hospital, Geburtensaal. Wir fahren über Boa Entrada zurück. Der Dampfer„Beira " wird uns von dieser unvergeßlich schönen Insel iorltragen. er ist ein heimatliches Fahrzeug, das früher den Namen.-Herzog" führte und der Deutsch 'OÜasrika-Lini« gehört?. H einrieb Hemm-st Was ist View York wert'r Eine interessante Berechnung über den Wert des Besitzes an Grundstücken und Kapitalien in der S adt New?>ork veröffentlichen amerikanische Blätter auf Grund der statistischen und steuerliche» Erhebungen des vergangenen Jahres. In dieser Auiftollung wird die eigentliche City von New s�ork. also:ener Teil de: Stadt in e- sich dos eigentliche Geschäfteleben abw'ckell von dem übrigen Ter der Stadt getrennt. Bei genauester Berechnung hat sich nun ergeben daß dieser Stadtteil einen Gesamtwert von 1 138 157 468 Dollar darstellt. Der Gesamtwert von New Port an Bodenbesitz wie an greifbaren Vermögen übersteigt den Wert der City um nahezu das Zwanzigfache, da er auf 18 583 987 492 Dollar veranschlagt ist.?lus diesen von der New-Dorker Handelskammer veröfsentkchten Ziffern ergibt sich, wie von den New-Porker Blättern mit Befriedigung fest- gestellt wird, daß sich der Wert der Stadt gegen das Vorjahr 1928 um sechs Prozent gesteigert hat.