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Morgenausgabe

Rr. 194

A 98

47.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint mochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlia und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Unterhaltung und Wissen". Frauen ftimme"." Lechni!"," Blid in die Bücherwelt" und Jugend- Borwärts"

1 Gnu ans

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonnabend

26. Apríl 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipalttge Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zmet fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Wor 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaber zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Ze le 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt. Geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Hugenbergs Sieg.

Parteivorstand gegen Fraktionsmehrheit.

Der Parteivorstand der Deutsch   nationalen| Regierung Brüning gestimmt haben, ohne rein ländliche Bezirke zu Bolkspartei hat am Freitag abend gegen 9% Uhr mit mehr vertreten oder Agrarier zu sein. Die Landesverbände von Mecklen­als Bierfünftel mehrheit des nahezu vollständig besetzten burg  - Schwerin   und Niederschlesien   haben für den Fall der Annahme Borstandes folgende Entschließung gefaßt:

dieser Anträge mit dem sofortigen Austritt aus der Deutschnationalen  Partei gedroht. Unter diesem Druck verzichtete man darauf, die An­

Der Parteivorstand spricht dem Parteiführer Dr. Hugen berg und dem Vorsitzenden der Reichstagsfraktion Dr. Oberträge weiter zu debattieren. fohren seinen

Dank für unbeirrtes Festhalten an den auf dem Kasseler Parteitage und in der Borstandssigung vom 8. April aufge­stellten Zielen und Richtlinien aus.

Er hält es für selbstverständlich, daß sie die Führung von Partei und Fraktion feinesfalls vor Ablauf der Wahlzeit aufgeben. Ihrer Führung und dem geschlossenen Eintreten der Reichstagsfraktion für die Agrargefeßze ist es zuzuschreiben, daß deren Vorlage und An­nahme entgegen widerstrebenden Teilen der Regierungsmehrheit noch

vor Ostern durchgesetzt wurde.

Mit dieser Notstandsmaßnahme sind jedoch die Voraus

fegungen für eine Rettung der Landwirtschaft noch nicht erfüllt. Mit dem Parteivorsitzenden   ist der Partei Dorstand der Auffassung, daß eine endgültige Behebung der Not­lage der Landwirtschaft wie der Wirtschaft überhaupt viel tiefer­greifende und zum Teil andersartige Maßnahmen erfordert. Die vom Kabinett verkündete Kontinuität der Handels. politit( polnischer Handelsvertrag, Genfer Bereinbarungen usw.) steht einer wirklichen Sanierung der Wirtschaft ebenso im Wege wie

die Fortdauer der marristischen Vorherrschaft in Preußen. Der Zustand, daß die Vollstreckungsmaßnahmen der öffentlichen Kassen, insbesondere auch der Breußentasse, den Land­wirt von Haus und Hof vertreiben, ist Selbstmord am eigenen Bolte

und muß vor alllem anderen beseitigt werden.

Wir stehen in Opposition gegen dieses Kabinett, das ohne und gegen uns gebildet zur Fortführung der bisherigen Tribut- und Handelsvertragspolitik entschloffen ist, und das auf dem Wege über Preußen immer noch mit der Sozialdemokratie ver= fnüpft ist. Wir können keinerlei Mitverantwortung für seine Politik

übernehmen.

Diese Oppositionsstellung und die gegebene Lage verlangt un­bedingte Zufammenarbeit von Partei und Fraffion und ge­schlossenes Auftreten bei den entscheidenden Parlaments.

abstimmungen.

Gemessen an dem Ultimatum, das die Deutsche Tages­zeitung" am Vorabend der Parteivorstandssigung Herrn Hugenberg stellte, bedeutet diese Resolution eine scharfe Absage an den Landbund, besonders an Herrn von Richthofen  . Nicht die grüne Front, sondern Hugenberg  hat die Agrargeseze durchgedrückt, nicht die grüne Front, sondern Hugenberg   hat die richtige Taktik bei den Steuergesetzen eingeschlagen! Bedauern über die Jasager, Mahnung zur Unterwerfung unter die absolute Führung Bierfünftelmehrheit der Gedanke ist naheliegend, daß dies von Hugenberg   und Oberfohren, beschlossen mit

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den Bruch bedeutet.

Auf jeden Fall wird mit dieser Resolution die Krise in der Deutschnationalen Volkspartei   nicht beigelegt. Der Krach wird weitergehen. In der deutschnationalen Partei und wahrscheinlich auch im Landbund.

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Die Resolution unterstreicht sehr stark die Opposi tionsstellung gegen das Kabinett Brüning. Eine sehr starke Mehrheit des deutschnationalen Parteivor standes fordert von der Fraktion die geschlossene Ber tretung dieser oppositionellen haltung. Die Regierung muß damit rechnen, daß sie am Montag vor Ostern bei den entscheidenden Abstimmungen ein Marimum an parlamentarischer Mehrheit erreicht hatte, daß ihre Mehr­heit in Zukunft wahrscheinlich noch fleiner sein wird. och fleiner als vier oder fünf Stimmen aber wie lange wird sie das aushalten?

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Sondersitzung der Fraktionsmehrheit.

Die Mehrheit der deutsch   nationalen Reichstagsfraktion wird sich in den nächsten Ta gen in einer Sondersihung mit dem Beschluß des

deutschnationalen Parteivorstandes befassen.

Druck auf ein Reichsschulgesetz.

Der Parteivorstand der Deutschnationalen  gefeges einstimmig folgende Entschließung:

Volkspartei faßte ferner zur Frage des Reichsschul­

Der Parteivorstand bedauert, daß im Gegensatz zu der einmütigen¡pruch gegen die Erklärung des dem Zentrum angehörigen

und erfolgreichen Haltung der Reichstagsfraktion vom 3. und 10. April eine Mehrheit der Reichstagsfraktion in den Steuer abstimmungen vom 12. und 14. April, veranlaßt durch die verständ­liche und berechtigte Sorge um die Not der Landwirtschaft, anders als die Führung gestimmt hat. Die Verfoppelung der Agrarmaßnahmen mit der Bewilligung der durch die Miß­

wirtschaft der Großen Koalition erforderlich gewordenen Steuern war fachlich nicht begründet. Die Regierung war, auch wenn sie bei den Steuergesetzen in der Minderheit blieb, durch ihre Erklärung und das Wort des Reichspräsidenten an die Hilfsmaß nahmen für die Landwirtschaft gebunden.

Nach den Sagungen legt der Parteivorstand die Richtlinien für die politische Gesamthaltung der Partei fest.

Eine Unterstützung des Kabinetts Brüning sowie die Mitüber­nahme der Verantwortung für seine Maßnahmen entspricht der oben festgelegten Gesamthaltung der Partei nicht. Es bleibt dem Entschlusse der Partei- und Fraktionsführung überlassen, in be= sonderen Ausnahmefällen eine abweichende Stellungnahme zuzulassen."

Der Annahme dieser Entschließung ging am Vormittag der Sigung ein Referat, ugenbergs über die politische Lage voraus. In der sich am Nachmittag anschließenden Debatte betei ligten sich u. a. für die Mehrheit der deutschnationalen Reichstagsfraktion die Abgeordneten Graf Bestarp und Wall. raf. Es fam insbesondere zu ziemlich heftigen Ausein anderfegungen, als einzelne hinter Hugenberg   stehende Lan­desverbandsvertreter den Ausschluß von annähererd 15 deutschnatip nalen Reichstagsabgeordneten forderten. Gedacht war in erster Linie an Abgeordnete, die für die Agrar- und Steuerbarlagen der

Der Parteivorstand erhebt den bestimmtesten Ein­Reichsinnenministers Wirth im Bildungsausschuß des Reichstags, mit der sich Herr Wirth auf denselben ablehnenden Reichstags, mit der sich Herr Wirth auf denselben ablehnenden Etandpunkt gegen den Schulgeseßontrag der deutschnationalen Reichstagsfrattion, wie sein sozialdemokratischer Borgänger Severing stellte. Der Parteivorstand sieht darin einen Beweis dafür, daß die Regierung Brüning aus Rücksicht auf die Sozialdemo: tratie nicht daran denkt, die Hand zum end lichen Zustandekommen eines Reichsschulgesetes, wie es die christliche Bevölkerung aufs dringlichste fordert, zu bieten. Um jo mehr erwartet er von den parlamentarischen Frat­tionen, daß sie nichts unterlassen, um die Inangriffnahme der Be­ratungen des Schulgejezantrages zu erzwingen, und darüber hinaus sowohl im Reichstag als auch in den Landtagen nach allen Richtungen im Sinne großzügiger christlicher und deutscher   Kulturpolitik tätig

werden."

Landvolk erpreßt.

Der Standal von Neumünster  .

Neumünster  , 25. April  .( Eigenbericht.) Die Bandvollbewegung hält noch immer ihren Bontott gegen Neumünster   aufrecht, wenngleich die Geschäftswelt der Stadt von dieser weltbewegenden Tatsache nichts merkt. Trogdem find die Freunde der Bombenattentäter nicht müßig. Von Zeit zu Beit erfinden sie immer wieder eine neue Sensation", von der man reden soll. Da die Stadt es ablehnte, die blöden Schaden er jag ansprüche der rechtsradifalen Bauern auch nur zu distu tieren, haben die Landvolkfreunde in Neumünster   jetzt beschlossen. die von der Führung der Landwirte geforderten Summen durch Sammlungen in der Bürgerschaft von Neumünster  aufzubringen. Auf diese Weise soll der Frieden" mit den Bomben attentätern herbeigeführt merten. Angeblich haben sich unter dem Druck der Putschiften einige Geschäftsleute bereit erflärt, Beträge auf die Sammelliften zu zeichnen.

Postscheckkonto: Berlin   37536.

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- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Gef.. Depofitentafle Lindenstr. 3.

25 Jahre Freidenfer.

Bur Jubiläumstagung in Berlin  .

Von Max Sievers  .

Heute beginnt in den Räumen des ehemaligen Herren­hauses die Generalversammlung des Verbandes für Frei­denfertum und Feuerbestattung, der sich auf dieser Tagung den Namen Deutscher   Freidenfer Verband' geben wird.

25jährigen Bestehens. Gleichzeitig begeht diese Organisation die Feier ihres

mächtigen Massenorganisation herangewachsen. Man bacf Im letzten Jahrzehnt ist die Freidenferbewegung zu einer wohl sagen, daß es die demokratische Republik  war, die die Voraussetzung für die Ausbreitung der atheisti­schen Weltanschauung schuf. Nicht nur diese Tatsache ist er­wähnenswert, sondern auch der Entwicklungsgweg dieser Bewegung, die als jüngstes Glied der gesamten Arbeiter­bewegung auftritt, beansprucht startes Interesse. Der Ber­band, der heute sein 25jähriges Jubiläum begeht, hat eine einzigartige Entwicklung hinter sich.

Er entstand in der Borkriegszeit aus den Reihen der Freidenkerbewegung, aber mit der besonderen und speziellen nicht nur eine Modernisierung des Bestattungswesens zu er­Bielsetzung, durch Propagierung der Feuerbestattung streben, sondern einen neuen Totentult mit neuem welt­anschaulichen Inhalt zu formen. Daß bereits an der Wiege dieses Verbandes rein freigeistige Tendenzen standen, beweist am stärksten die Tatsache, daß er schon in seinen Anfängen die Bestimmung fagungsgemäß festlegte, nur Kirchenausge­fchiedene als Mitglieder aufzunehmen. Eine starte Entwick­lung blieb ihm in der Vorfriegszeit versagt; 1918 umfaßte der Verband nicht ganz 3000 Mitglieder.

Von da an begann eine stürmische Aufwärtsent= midlung. Die wirtschaftliche Drangjal der Inflations­jahre brachte es mit sich, daß in dieser Zeitperiode das wirt­fchaftliche Moment der Bestattungsversicherung start in den Bordergrund trat. Dies änderte sich in demselben Augenblick, in dem nach leberwindung der Inflation wieder relativ stabilere wirtschaftliche Verhältnisse eintraten. Stärker als jemals betonte in der Folgezeit der Verband seinen welt­anschaulichen Inhalt. Die Forderung des obligatorischen Kirchenaustritts für alle Mitglieder blieb bestehen, eine sehr wirksame Kirchenaustrittspropaganda seßte ein, durch wissen­schaftliche Aufklärung, durch Etablierung eines Jugendunter­richts und die Veranstaltung von Jugendweihen, durch künst­lerische Darbietungen, deren hohes Niveau auch von gegneri­scher Seite oft anerkannt werden mußte, wurde versucht, auf der Grundlage der Pflege einer rein atheistischen Welt­anschauung der Kirche entgegenzuwirken.

Daß diese Bestrebungen in steigendem Maße einen die zahlenmäßige Entwicklung der Organisation den schla= starken Widerhall in der Arbeiterschaft fanden, dafür bildet Mitglieder, besitzt eine ganze Reihe Bezirkssekretariate, gendsten Beweis. Der Verband umfaßt heute in nahezu 2000 Ortsgruppen weit über 600 000 237 Arbeiter und Angestellte. unterhält mehrere eigene Betriebe und beschäftigt insgesamt

innere Krise hindurch, als die Kommunisten versuchten, Noch einmal mußte der Verband durch eine schwere die Leitung dieser Organisation in die Hände zu bekommen. Auch in den Spalten des Borwärts" ist über diesen Kampf zwischen Kommunisten und der Verbandsleitung des öfteren geschrieben worden, und im Interesse der gesamten Arbeiterschaft stellen wir mit Genugtuung fest, daß es ge­lungen ist, die fommunistischen Schädlinge restlos zu über­winden. Auf dieser Tagung, die dem Verband durch ihre Beschlüsse den Weg zu einer weiteren Entwicklung ebnen soll, wird nicht ein kommunistischer Delegierter vertreten sein.

Es braucht nicht verschwiegen zu werden, daß die Be­strebungen und die Zielsetzung des Verbandes nicht nur ihre Gegner auf firchlicher Seite finden, sondern auch innerhalb der Arbeiterschaft oftmals umstritten wurden. Diese auf den ersten Blick befremdliche ideologische Erscheinung findet ihre natürliche Erklärung darin, daß die Macht der Kirche noch sehr start ist, unser ganzes gesellschaftliches Leben be­einflußt und vor allem darum noch so starte Wurzeln in Volksleben hat, weil das Ueberbleibsel früherer gesellschaft­licher Zustände Religion zum großen Teil noch immer 3wangserziehungsmittel der Schulen geblieben ist.

Die heutigen fomplizierten gesellschaftlichen Verhältnisse legen der Partei die Pflicht auf, in reinen Weltanschauungs­fragen starte Zurückhaltung zu üben, doch enthebt diese Zu rückhaltung die Partei nicht von der Verpflichtung, auch neuen Ideen den Weg ebnen zu helfen, weil dies im Einklang zur programmatischen Einstellung der Partei sowohl steht, als auch den Verheißungen der Weimarer Berfaffung entspricht. Steht ja auch die Partei auf dem Boden der Ber­weltlichung des gesamten Unterrichtswesens und wird sie da­durch schon, ohne einseitige Stellungnahme zu religiösen