BERLIN Sonnabend 26. April

1930

Der Abend

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Nr. 195

B 97 47. Jahrgang

66 auseigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile

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Die Krise der Demokraten.

Auseinanderstrebende Kräfte. - Anklagen gegen Reichstagsfraktion.

Junerhalb der Demokratischen Partei hat sich eine Gruppe ge-| bildet, die fich„ Sozialrepublikanischer Kreis" nenut. Die Bewegung foll die Sammlung aller jener Kräfte einleiten, die den Zusammenschluß des Bürgertums in einer bürgerlichen Klassenpartei" überhaupt ablehnen. Auch maßgebende hohe Beamte, bekannte Gewerkschaftsführer und bekannte Politiker des republikanischen Lagers follen in Verbindung mit dem„ Kreise" stehen. An der Spike des ,, Kreises" stehen der Reichstagsabgeordnete Ernst Lemmer , der Regierungsrat im preußischen Handels­minifterium Dr. Hans Muhle und der Führer des Jugendbundes im Gewerkschaftsbund der Angestellten, Friedrich Mewes.

Dieser Zusammenschluß stellt eine Protestbewegung gegen das Projeff einer Mischpartei aus Demokraten, Bolksparteilern und Bolfskonservativen dar. Es ist ein Sympton für die schwere innere& rife der Demokratischen Partei

Das Wüten der Reaktion.

Die„ Berliner Boltszeitung" schreibt:

Frid. ruft den

,, Es ist far, daß die Haltung der demokratischen Fraktion, ihre Zustimmung zur Umsatzsteuererhöhung und vor allem zum Agrar programm, Gegenwirtungen auslösen mußte. Inzwischen aber ist die Entwicklung verhängnisvoll weiter gegangen. Herr Wirth hat Severings Maßnahmen gegen Thüringen tassiert, Herr Treviranus Schweine Schmid, als. Staatsfefretär zurüd, der noch unter dem Kanzler Müller gegen die Regierung stimmte, der er selber als Staatssekretär angehörte. Hinzu kommt die unaufrichtige Haltung der Regierung in der Frage des Panzer­freuzers B, und schon ist man weiter am Werke, das Stahl= helmverbot in Rheinland- Westfalen , das aus außen­politischen Gründen erlassen werden mußte, rückgängig zu machen. Allem die Krone setzt das Verhalten des Zentrums auf, das jetzt offen das Reichsschulgeset fordert, das nicht nur die Volksschule, sondern auch die Fachschulen und die höheren Schulen fierifalisieren will. Obendrein würde uns in dieser Zeit der Not ein Schulgesetz mindestens eine halbe Milliarde kosten. Es ist höchste Zeit, daß diesem Wüten der Reaktion pon demokratischer Seite Einhalt geboten wird." Erkelenz über die Demokratische Partei .

In der Hilfe" schreibt Erkelenz aufrichtig und kummervoll über das Schicksal seiner Partei. Man könnte seine Ausführungen überschreiben: Berlorene Illusionen." Er stellt fest, daß Brüning nicht nur die Deutschnationale Partei zerschlagen, sondern auch der Demokratischen Partei einen schweren Schlag ver­setzt habe. Die Leitidee der Demokratischen Partei nach dem Kriege sei bald verblaßt, die Partei habe den Charakter als große Partei verloren und habe sich wegehend aufgerieben. Er stellt fest:

In dem Maße, wie die Sozialdemokratie sich von der reinen Agitationspartei der Borkriegszeit zur Staatspartei der Republik entwickelt hat, gingen auch unweigerlich manche Aufgaben, die man 1919 der Demokratischen Partei stellen mußte, auf die stärkere Sozialdemokratie über. Aus diesen und anderen Gründen stand die Demokratische Partei in Gefahr, eine national­liberale Partei im Vorfriegssinne zu werden, nämlich überall dabei fein zu wollen oder zu müssen. Keine Partei in Deutschland verträgt aber weniger den Opportunismus als die Demokratische. In der Erfüllung ihrer Staatsaufgabe hat sie im Laufe der Jahre vieles tun oder ver­antworten müssen, was mit ihrem inneren Wesen nicht vereinbar mar. Einzelne der Führer, die sie in hohe Staats stellungen gebracht hat, haben ihr auch Belastungen zugemutet, die fie auf feinen Fall tragen fonnte( Geßler). Auch die Dietrichsche Agrarpolitik war für die Partei eine Be­I aftung, die gerade für die treuesten Parteianhänger am schwersten zu tragen war. Diese Belastung wird ver­hundertfacht durch die Zustimmung der Partei zu der Regierung Brüning- Schiele. Deshalb wer den die Borgänge der letzten Wochen die Krise in der Demokratischen Partei sehr verschärfen, und zwar auch dann, wenn die Folgen nicht so geräuschvoll find, wie es bei der Deutschnationalen Partei der Fall ist."

Erkelenz bespricht dann weiter die Pläne, die Demokraten in Erkelenz bespricht dann weiter die Pläne, die Demokraten in eine neue Bartei unter der Führung von Scholz einzube­

ziehen und fündigt an:

Wo der Strich bei den Demokraten liegen wird, ist die Frage, die sich heute nicht beantworten läßt. Nur eines fann man mit ziemlich großer Sicherheit sagen, daß ein sehr beträchtlicher Teil der Demokratischen Partei nicht zu einer Gruppe überfchwenken wird, als dessen Fahnen

träger Scho13, Schiele usw. erscheinen."

Ertelenz legt schließlich dar, daß die neue Mischmaschpartei eine aus­gesprochene Partei gegen die Arbeiterschaft sein würde. Er fennzeichnet ihr Wesen in folgenden Worten:

,, Die oberste Leitung dieser Partei wäre verhältnismäßig ein­fach zu organisieren, denn die führenden Persönlichkeiten würden fich bei jeder gesellschaftlichen Veranstaltung, bei jeder Aufsichtsratssigung oder Generalversamm= fung einer unserer großen Aktiengesellschaften treffen. Das er. leichterte die Geschäftsführung der Partei."

Die Demokratische Partei ist in der Krise. Sie fällt ausein­ander. Ein Häuflein Unentwegter hält die alten Ideale hoch, die eigentlichen Macher aber treiben Bürgerblockpolitik, und das Häuslein der Wähler wird immer fleiner.

( SPD )

Die Standfesten.

Das Zentralkomitee der KPD. fordert durch Rundschreiben auf, zur Maifeier der Sozialde. mokratie ftandfefte" Kommunisten mit fozial demokratischen Parteiabzeichen als Störungs. trupps abzukommandieren.

( SPO)

SPA

" Weie, die Verkleidung hat nischt genutzt. An die jroße Fresse haben se uns jleich erkannt!"

Zeppelin nach England gestartet

In den Mittagsstunden über Paris .

Friedrichshafen , 26. April.

Das Luftschiff„ Graf Zeppelin " ist heute vormittag um 6,02 Uhr mit 12 Paffagieren an Bord zu seiner Englandfahrt gestartet. Um 7,25 Uhr passierte das Schiff Sädingen in Richtung Dijon , von wo aus kurs auf Paris genommen werden foll. Zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags beabsichtigt die Schiffsleitung die englische Haupt­stadt London zu erreichen. Bon dort soll nach einem furzen Besuch der Vorstadt Wembley , wo um die betreffende Zeit in dem Riesenstadion vor 100 000 Zuschauern das Pokalschlußspiel der Fuß­ballaffoziation ausgetragen wird, die Fahrt nach Cardington fortgesetzt werden. Hier wird das Schiff zu Boden gehen und von Haltemannschaften. festgehalten werden, bis sich Dr. Edener mit mehreren Engländern an Bord des„ Graf Zeppelin " begeben hat. am Sonntagmorgen zwischen 7 und 8 Uhr soll das Schiff nach Friedrichshafen zurüctehren.

Friedrichshafen , 26. April.

Das Luftschiff„ Graf Zeppelin " hat um 11,50 Uhr Paris

Wir fürchten allerdings, daß bei einer Spaltung der Demo­ratischen Partei überhaupt nichts übrig bleiben würde! erreicht.

Leipziger Haupttäter verhaftet.

Zwei Kommunisten aus der Umgebung von Magdeburg . Magdeburg , 26. April. Wie die Pressestelle des Polizeipräsidiums mitteilt, hat die politische Polizei zwei der Haupttäter an den blutigen Ausschreitungen während des ersten Oster­feiertages in Leipzig , in deren Verlauf zwei Polizei­beamte getötet und mehrere verletzt wurden, ermittelt und festgenommen. Es handelt sich um die De­monstrationsteilnehmer Frit Prätorius aus Burg und Alfred Bahrs aus Ihlenburg bei Burg. Beide haben im Verlauf der Ausschreitungen Schußver= lekungen erhalten und wurden von ihren Genossen sofort in die Heimat transportiert. Prätorius und Bahus hielten sich seit dieser Zeit versteckt. Sie werden heute nach Leipzig übergeführt.

Vor den U- Bahnzug gestürzt.

Beitungshändler überfahren und schwer verletzt.

Heufe früh ereignete sich auf dem U- Bahnhof Alexander­plah ein schwerer Unfall. Der 38jährige Zeitungshändler Richard Günhel aus der neuen Friedrichstr.'87, der zu dicht am Rande des Bahnsteigs stand, verlor plötzlich infolge eines Schwindelanfalls das Gleichgewicht und stürzte auf die Gleise. Zum Unglüd fuhr in diesem Augenblid ein Zug ein, und dem Führer, der den Borfall im letzten Augenblid bemerkt hatte, gelang es nicht mehr, rechtzeitig zu halten. Der erste Wagen ging über den Unglücklichen hinweg. Die Strede wurde fofbrt stromlos gemacht und Günkel, der schwere Verletzungen erlitten hatte, von der Feuerwehr geborgen, Er sand im Krankenhaus am Friedrichshain Aufnahme. Der Unfall, halte eine längere, sehr empfindliche Berkehrsstörung zur Folge.

Todesopfer der Blize in Holland . Zahlreiche Menschen verletzt.

Amsterdam , 26. April. ( Eigenbericht.)

In der holländischen Provinz Groningen find am Freitag zahlreiche Menschen ungewöhnlich schweren Gewittern zum Opfer gefallen. In Oostwold schlug der Blih in einen Bauernhof und tötete zwei Dachdeder. Drei junge Mädchen und ein Mann, die sich in einem Zimmer aufhielten, wurden schwer verlegt. In Gertrudenberg wurde durch Blitz ein auf einem Felde arbeitender Landwirt getötet und ein anderer gelähmt. Jn Onnen wurde ein Bauernhof durch Blih ein­geäschert.

Hohe Honvedoffiziere festgesetzt. Wegen Betrug und Urkundenfälschung.

Budapest , 26. April. Hier wurde der Artillerie oberstleutnant Tatasch bisherigen Untersuchung sollen die beiden Offiziere Empfangsbeschei und Artilleriehauptmann Gescha Megger verhaftet. Nach der nigungen ausgegeben haben, auf denen die Abnahme großer Mengen Pferdefutter bestätigt wurde, obwohl die Liefe rungen in Wirklichkeit gar nicht oder nur zu einem geringen Teil erfolgten. Auf diese Weise wurden von den Beteiligten etwa 100 000 Pengö erschwindelt, die von den Offizieren geteilt wurden.

Katastrophe im Raketenladen.

Sieben Personen bei Feuerwerksexplosion getötet.

Karachi ( Vorderindien), 26. April. Bei der Explosion von Raketen in einem Laden in dem Orte Rohli in der Provinz Ober- Sindh wurden sieben Personen getötet und mehrere andere schwer verlekt.