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Der Freidenfer Kongreß. Freidenfer- Kongreß.
Für die Schulung der freigeistigen Funktionäre.
25 Jahre städtische Gäuglingsfürsorge.
In diesen Tagen fann die Stadt Berlin drei für die Arbeiterschaft bedeutungsvolle Jubiläen feiern. Die Berufsschule, die Tubertulofenfürsorge und die Säuglingsfürsorge wirten seit nunmehr 25 Jahren. Alle diese jozialen Einrichtungen verdanken ihre Entstehung in erster Linie der vorwärtstreibenden Arbeit der Sozialdemokratie.
Heute ist es eine selbstverständliche, eine heilige Pflicht, jedem neugeborenen Menschenfinde Lebenstraft und Gesundheit im weitwar das noch anders. Es ist eines der Hauptverdienste der Sozialdemokratie, daß heute gerade auch die Säuglingspflege und Fürsorge den proletarischen Müttern in erhöhtem Maße zugute tommt.
Die Generalversammlung des Verbandes für entsprechende Arbeitsteilung stattfinden, wobei die FreidenferFreidenfertum und Feuerbestattung wurde am Sonn- organisation für die Berweltlichung der Weltanschauung der Arbeiterabendmittag im rotgeschmückten Herrenhaussaal durch eine Be- flasse und für marristischen Antiklerikalismus speziell arbeiten müsse. grüßungsansprache des 1. Vorsitzenden des Verbandes, Rüdert. Dazu ist eine breite Schicht geschulter Funktionäre notwendig; meil eröffnet. Er verlas eine Reihe von Begrüßungsschreiben und teilte die Vertreter der Kirchen einen außerordentlich vielseitigen Kampf mit, daß auch Vertreter der österreichischen Bruderorganisation gegen alle diesseitige Wissenschaft und Weltanschauung führen. mit, daß auch Vertreter der Studium der verfassungs- und Flamme", des österreichischen Freidenkerbundes, der Internationale Kirchen gehöre zur Arbeit der Freidenfer. Diese Arbeit müsse aber gehendsten Maße vermitteln zu helfen. Bor noch nicht langer Zeit proletarischer Freidenker, des Bezirksverbandes Berlin der Sozialdemokatischen Partei, des Orisausschusses des ADGB. , des Magistrats Berlin , des Arbeiter- Radiobundes und anderer Organifationen anwesend seien. Eine Reihe von Begrüßungsansprachen der befreundeten Organisationen wurden gehalten, u. a. von den Genoffen Künstler für den Bezirksverband Berlin der SPD. , Olto Meier für die sozialdemokratische Landtagsfraktion und von Profeffor Hartwig- Wien für die Internationale proletarischer
Freidenker.
Den Geschäftsbericht
erstattete Hermann Graul. In längerer Debatte über den Bericht murden dazu Ergänzungen gegeben und fachliche Kritik geübt. Für die Einführung regelmäßiger freigeistiger Morgenfeiern im Rundfunt fetzten sich mehrere Delegierte ein. Im Schlußwort im Rundfunk setzten sich mehrere Delegierte ein. Im Schlußwort zum Geschäftsbericht führte der Referent Graul am Sonntagvor mittag die ungünstige geschäftliche Lage des Berlagsunternehmens auf die ungenügende Agitation der Funktionäre für den Buchvertrieb zurüd, glaubte aber auf eine bereits eintretende Besserungs.
bewegung hinweisen zu können. Für die regelmäßige Durchführung freigeistiger Morgenfeiern im Rundfunt habe man sich mit dem Arbeiter- Radiobund in Verbindung gesetzt, um die Schwierigkeiten, die sich der Einführung solcher Feiern bei den Rundfunkgesellschaften entgegenstellen, zu befämpfen.
Eine Entschließuno wurde einstimmig angenommen, die
die Arbeit der Verbandsinstanzen würdigt und insbesondere dis Abwehrmaßnahmen gegen die sogenannte„ ,, Oppofition" billigt. Die Entscheidung fordert kameradschaftliche und fachliche Kritik an der Berbandsarbeit, wendet sich aber gegen jede Kritit vom rein parteipolitischen Standpunkt aus. Am Schluß wird zur Herstellung einer einheitlichen Front gegen die Kulturreaktion aufgerufen.
In seinem Referat über die kulturpolitischen Auf. gaben der Freidenferorganisation verwahrte sich der Berbands. geschäftsführer Mar Sievers, Berlin , gégen den Vorwurf, der Freidenferperband führe einen neuen Kulturfampf. Gesellschaftliche Triebfräfte und nicht Agitation seien die Ursachen des Wachstums der Freidenferberpegung. Toleranz sei auf Seite der Freidenfer ſtets geübt worden, nie aber von firchlicher Seite. Ueberdies stütze die Kirche meist reaktionäre Bewegungen und Bestrebungen, die befämpft werden müssen. Der Referent behandelte noch ausführlich das Berhältnis der Freidenkerorganisation zur Sozialdemokratischen Partei.
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Ueber die Infernationale proletarischer Freidenfer sprach Professor Hartwig Wien. Er will das Kampffeld der Freidenfer erweitert wissen auf das Gesamtgebiet des geistigen lleberbaus der Gesellschaft. Kampf gegen Schulreaktion, reaktionäre Preffe, reaktionäre Vergnügungsindustrie, um die Eroberung des Rundfunks, gegen den Alkoholismus, soll zur Aufgabe der Frei denterorganisation werden. Durch die Krise innerhalb der Freidenterinternationale infolge unsachlicher Haltung der russischen tommunistischen Freidenkerorganisationen ist die organisatorische Arbeit der Internationale start gehemmt morden. Auf der im Herbst stattfindenden internationalen Tagung soll die Auseinandersetzung mit der ,, Opposition" stattfinden.
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Otto Jenssen , Gera , hielt ein Referat über die Grund fragen der freigeistigen Funktionärschulung. Die Kampffähigkeit der Organisation so führte der Referent aus fann nur durch straffe und zweckmäßige Organisation und durch marristische Funktionärschulung geschaffen werden. Der Redner wandte sich gegen die Toleranz gegenüber den Kirchen als politische Organisation. Das entspreche der sogenannten Boltsgemeinschaftsideologie in Politik und Wirtschaft. Die Organisation und die politische Tätigkeit der Kirchen müsse eingehend studiert werden. In der proletarischen Erziehungsarbeit müsse eine zweck
differenziert werden nach den verschiedenen Klassen- und Altersschichten und den Kompliziertheiten der gegenwärtigen Klaffenlage. Modernisierung der Agitation und Vergeistigung der Angriffsmethoden seien dringend notwendig. Bis heute fehlten religionssoziologische Untersuchungen und marristische Beurteilung der neuen Formen der Religion und der Kirchenpolitik.
Spezialschulung von Bildungsfunktionären und besonders von Funktionärinnen ist notwendig. Die Errichtung einer eigenen Freidenferschule ist nicht anzuraten, weil die notwendige Schulung in den großen Fragen des Klassenkampfes und des Marxismus auch auf den Partei- und Gewerkschaftsschulen und-furfen erworben werden kann.
Die reine Regativität des bürgerlichen Antifleritalismus, die auch den Freidenfern vorgeworfen werde, werde überwunden durch die pofitive Forderung der Umgestaltung der Gesellschaft. Erst dieses Ziel gebe den Freidenfern die Werbekraft im Broletariat. Keine besondere Freidenferkultur", sondern sozialistische Kultur sei das Ziel der Freidenkerbewegung.
In der Diskussion
wurde die Frage der Agitation unter den Frauen besonders ein gehend behandelt. Eine Frauendelegierte mandte fich gegen die Sonderbehandlung der Frauen als besonders rückständige Elemente. Heftiger Protest wurde gegen den reaktionären Borstoß des thürin gischen Innenministers Frid in der Diskussion erhoben und auch in einer Refolution niedergelegt.
25 Jahrfeier der Freidenfer.
Mit einer überaus gut befuchten Feier im großen Saaf der neuen Welt" beging der Verband für Freidenter. tum und Feuerbestattung" am Sonnabend das Fest, seines 25jährigen Bestehens. Ohne die üblichen Festreden wurde versucht, die Veranstaltung zu einer Rampffundgebung zu gestalten. Die Duvertüre Robespierre von Litolff, gespielt vom Berliner Sinfonieorchester, gab den Auftakt zum Vortrag einer Reihe von Kampfliedern durch das Doppelquartett des Verbandes und den Baritonsolisten Fred Driffen. Zum großen Teil entstammten die Lieder dem neu herausgegebenen Freidenfer- Liederbuch und wurden in Uraufführung gesungen. Kämpferischer Schwung ging von Tollers bekanntem Arbeiterfied in der Tertonung von Bringsheim und dem Bannerlied der Bitalienbrüder als Ehm Belts Gewitter über Gottland", tomponiert von Heinz Tiefsen, aus. Das Lied des Steinklopfers" von Karl Henckell parodierte gut die Melodie befannter nationalistischer Lieder.
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Einen Prolog von May Barthel und Rezitationen von Hendell, Klabund , Kestner, Arno Holz und aus Heines Wintermärchen trug Dr. Paul C. Tynall vor, deffen Stimme allerdings nicht ganz für den gewaltigen Raum der„ Neuen Welt" ausreichte. Die, wenn auch in der Form gute ,, Modernisierung" von Heine durch Anhängen einiger selbstverfaßter Verse des Rezitators fonnte nicht völlig befriedigen. Zu einem gewaltigen Aufruf„ Nie wieder Krieg" gestalteten sich aber die Stimmen aus dem Massengra b" ( statt einer Predigt am Totensonntag) von Kestner. Im zweiten Teil wurde ein großes melodramatisches Wert Eiserne Welt" für Männerchor, Baßsolo, Rezitation und Orchester von Mufitdirektor Wilhelm Knöchel nach Eisernen Sonetten" von Josef Windler uraufgeführt. Die Sonette versuchen den Kampf zwischen alter religiöser Ideologie und Mythologie und moderner Industriearbeit zu versinnbildlichen. Die dichterische Formung ist trotz der großen Leidenschaft, die einzelne Verse beseelt, nicht ganz gelungen. Auch davon, dack wie in der Programmschrift behauptet wurde, der Komponist ,, dem Geist der Zeit erheblich näher tomme" als andere Musiker, konnte das gewaltige Wert nicht restlos überzeugen. Die Darbietungen fanden starken Beifall.
Die große Feier der Freidenker in der neuen Welt
Uraufführung des melodramischen Werkes Eiferne Welt"
Im Hauptgesundheitsamt der Stadt Berlin sprach Direktor Spa et aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der Säuglingsfürsorge über den Werdegang und die Erfolge der Fürs forge. Bor 25 Jahren war es die Schmidt.Gallische Baisenstiftung, die den Grundstod zur Säuglingsfürsorge gelegt hat. Aber in damaliger Zeit war es mit der sozialen Seite der Fürsorge noch sehr im Argen und Sterblichfeit, Rachitis, und Luberkulose unter den Arbeiternfindern wiesen erschrecklich hohe Ziffern auf. Heute fönnen wir mit Freude feststellen, daß durch den Ausbau der Fürsorge in bezug auf ärztliche Hilfeleistung, vor allem aber auch durch Schulung und Erziehung der Mutter selbst die Sterblichkeit auf 8 bis 10 Proz herabgedrüdt wurde und auch Rachitis, Tuberkulose und Durchfall erfolgreich bekämpft werden. Der Redner führte aus, daß nicht zuletzt der treuen, aufopfernden Arbeit der Fürsorgerinnen, die erst seit furzer Zeit in einem menschenmürdigen Besoldungsverhältnis stehen, das Verdienst des schönen Erfolges au danken sei. Nur ein Feind, der schwer oder gar nicht zu bekämpfen sei, stehe allen Bes mühungen entgegen, das ist die Wohnungsnot mit ihren fchweren gesundheitsschädigenden Auswirtungen.
An die Ausführungen schloß sich eine Rundfahrt durch die verschiedenen Säuglingsfürsorgestellen, die ein überaus plastisches Bild der geleisteten Arbeit bot.
Tragödie einer jungen Mutter.
Der Bater als Kindesmörder vor Gericht.
Ein Kindesmord, grauenhaft durch seine Begleiterscheinungen, ftand zur Verhandlung vor dem Landgericht I. Der Bater, der 30jährige Arbeiter R., hatte sich wegen Tötung feines Säuglings zu verantworten. Ein Jahr später, wieder in anderen Umständen, vertraute sich die Mutter des getöteten Kindes ihrer Freudin an und gestand den Mord. So fam der Fall zur Anzeige.
Die Gerichtsverhandlung offenbarte ein Bild äußerster sozialer Not. Der Angeflagte, Schleifer von Beruf, lernte im Jahre 1927 Stieflind, von die 19jährige ausangestellte I. fennen. der Stiefmutter zu den Großeltern abgestoßen, von diesen nach Berlin in Stellung geschickt, wurde sie im Jahre 1928 beschäftigungsund mittellos. R. nahm das Mädchen zu sich in die Werkstatt und hielt es hier hinter einem Verschlag, wo er selbst hauste, monatelang vor seinem Arbeitgeber verborgens As Lagerstätte diente ihnen eine Matraße auf dem Fußboden. Die. Werkstatt ging schlecht, statt 48 M. Wochenlohn erhielt R. nicht mehr als 15 bis 17 M. Die jungen Leute litten äußerste Not.
Am 10. Januar vorigen Jahres nach Arbeitsschluß traten bei dem jungen Mädchen ganz unerwartet Geburtswehen ein. Stunden lang währten die Schmerzen. Er fürchtete, die Aufmerksamkeit der Nachbarn auf sich zu lenken. Das Zimmer war nur spärlich vom Licht der Hoflaterne beleuchtet. Einen Hausschlüssel hatte er nicht. Die Telephonleitung war gesperrt, die Nachbarn fonnte er nidt erreichen, er wußte nicht ein noch aus. Um 1 Uhr nachts wurde das Kind geboren. In seiner Verzweiflung holte der Mann eine Schere, schnitt die Nabelschnur durch, erwürgte das Kind und packta es in Papier . Am nächsten Morgen versteckte er die Leiche unter die Treppe und warf fie am Abend auf einen Müllhaufen in der Naunynstraße. Fast ein Jahr später veriraute sich das junge Mädchen, das immer noch mit R. zusammenlebt, einer Freundin an, die der Unglücklichen, die wieder gesegneten Leibes war, riet, eine Entbindungsanstalt aufzusuchen. Sie dürfe das nicht, sagte T., da es sonst herauskommen würde, daß sie bereits einmal geboren habe und erzählte, was dabei geschehen war. So wurde die Tat be= tannt.
In der heutigen Berhandlung führte der Angelagte zu feiner Entschuldigung die völlige Aussichtslosigkeit an, das Kind zu er nähren. Seine ehemalige Freundin, Mutter seines zweiten Rindes, ist jetzt nicht mehr gut auf ihn zu sprechen: er wolle nicht für fie forgen. Während sie in der Voruntersuchung nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, ob das Kind gelebt hatte, behauptete sie heute, es hätte geschrien. Der Sachverständige Dr. Broder glaubte auch nicht mit Bestimmtheit sagen zu können, daß das Kind lebendig zur. Welt gekommen sei. Der Staatsanwalt plädierte deshalb auf verfuchten Totschlag: der Angeklagte habe angenommen, daß das Ki..d lebe und habe die Absicht gehabt, es zu töten. Er beantragte drei Monate Gefängnis wegen versuchten Totschlags.
Das Urteil lautete auf Freispruch von der Anlage des Totschlags.
Von der England- Fahrt zurück. Zeppelin- Start nach Südamerika am 18. Mai. Friedrichshafen , 28. April.
,, Graf Zeppelin" traf von seiner Englandfahrt Sonntag früh 4.40 Uhr bei molfenlosem Himel über Friedrichs hafen ein. Da die Landemannjdjaft erst für sieben Uhr bestellt mar, unternahm das Luftschiff noch eine etwa anderthalbstündige Fahrt ins Rheintal bis Feldkirch und über Schweizer Gebiet, wobei St. Gallen und Wil berührt wurden. Als das Luftschiff um 6.15 Uhr wieder über dem Heimthafen erschien, herrschte leichter Nebel, so daß Messungen mit dem Echolot vorgenommen werden mußten. Bei Sonnenaufgang verteilte sich der Nebel jedoch rasch und das Luftschiff zeigte die Landungsflagge. Trotzdem um diese Zeit nur ein geringer Teil der Haltemannschaft anwesend mar, verliefen die Lanbungsmanöver glatt und ohne jeden Zwischenfall. Nachdem die ersten Haltetaue um 6.40 Uhr gefallen waren, landete das Luftschiff 6,42 Uhr. Die in etwa 24 Stunden zurückgelegte Strecke betrug rund 2000 Kilometer.
Am nächsten Mittwoch, dem 30. April, wird programmgemäß die Schweizerfahrt ausgeführt. Der Start zur Südamerika = fahrt ift endgültig auf den 18. mai feft gejet worden.