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Morgenausgabe

Nr. 208

A 105

47.Jahrgang

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Blid in bie

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

6. Mai 1930

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Hochspannung in Indien  . Gandhi   und die Seinen.

Maffenproteste gegen Gandhis   Verhaftung.

Bombay  , 5. Mai.

Abbas Thabi, den Gandhi   zur Führung seiner Freiwilligen im Falle seiner Verhaftung bestimmt hatte, hat seinen Posten angetreten.

Zu einer Kundgebung, die er vor seiner Fest. nahme diktierte, fordert Gandhi   seine Anhänger auf, den Kampf fortzusehen, denn es sei unmöglich. ohne Opfer die Unabhängigkeit zu erreichen. Aus Lahore   wird gemeldet, daß auf die Nachricht der Verhaftung Gandhis   hin alle Schulen geschlpi fen wurden. Fünfzehn freiwillige Mitglieder des Kon greſſes wurden bei der Bildung von Posten vor den Geschäften, die ausländige Stoffe verkaufen, verhaftet. Eine Masseuversammlung von mehr als 100000 Personen wurde heute abend in Bombay  abgehalten. Die Redner forderten die Anwesenden auf, weiterhin teine Gewalt anzuwenden und den Kampf fortzusehen und beglückwünschten Gandhi  an seiner Verhaftung.

In Karatschi   ist die Lage äußerst gespannt.

Warum Gandhi   verhaftet wurde.

New Delhi, 5. Mai.  ( Eigenbericht.)

zu begehen. Die Regierung von Bomban forderte fofort zwei De tachements des englischen Ost- Lancashire- Regiments an und brachte fie im Zentrum der Spinnereibezirke unter. Motorradpatrouillen von Freiwilligen bemannt, durchfuhren die Stadt.

In einem offiziellen Kommuniqué über die Ber haftung Gandhis   fagt die Regierung von Bombay   u. a. folgendes: Die Gandhibemegung ist angeblich gewaltlos. Aber sie hat, wie jebe derartige Bewegung in der Vergangenheit, zu Gewalt af ten geführt, die sich von Tag zu Tag mehrten. Gandhi   hat zwar ständig diese Gewaltausbrüche der gegen seine Weisung handelnden Anhänger bedauert, seine Proteste sind jedoch schwächer und Schwächer geworden und es ist deutlich, daß er nicht mehr länger im stande ist, sie zu kontrollieren. Die Regierung von Bombay   hat von dem Augenblid an, an dem Gandhi Achmedabad   verließ, eine Politit größter mäßigung verfolgt. Sie hat es sich gefallen lassen, der Schwäche beschuldigt zu werden, da sie fest davon überzeugt war, daß die Ueberschreitung des Salzgesetzes, solange sie ohne Gewalttätigteiten erfolgt, früher oder später zu einem fried­lichen Ende gelangen muß. Die Ereignisse haben gezeigt, daß sich die Geschichte der früheren Bewegungen des passiven Widerstandes

mit ihren blufigen Begleiterscheinungen wiederholen würde, falls Gandhis   Feldzug fein Ende bereitet wird. Unter diesen Umständen hat sich die Regierung von Bombay   nach voller Beratung mit der Regierung von Indien   entschloffen, Gandhi  nicht länger in Freiheit zu lassen, ohne die Ruhe Indiens   schwer zu gefährden. Es wird jede Borsorge für Gandhis Gefund heit und Wohlergehen während der Dauer seiner Shaft ge

Die Festnahme Gandhis   erfolgte durch den Diftritts. magistrat von Jalalpur, ber vom Bolizeipräsidenten des Bezirts, feinem Stellvertreter und 20 bewaffneten Boligiften begleitet war, Das Detachement, das im Wagen von Jalalpur nach Karadi ge­fahren mar, traf. dort um 12,45 Uhr nachts ein. Gandhi   schlief bereits und wurde durch das Aufbligen der elettrischen Taschenlampen getroffen werden." medt. Er fragte, was man von ihm wünsche und forderte, nachdem er über den 3wed des Besuches unterrichtet worden war, Renntnis nahme von dem Haftbefeht. Dieser wurde vorgelesen, worauf fich Gandhi, ohne Widerstand zu leisten, ankleidete. Er nahm fein tragbares Spinnrab mit und überreichte vor seiner Ab führung einem seiner Anhänger einen für den Bizekönig Lord Irwin  bestimmten Brief. Die weiteren Einzelheiten seiner Ueberführung in das Gefängnis sind bereits bekannt.

Die Nachricht von der Verhaftung wurde in Bombay   durch Gandhis   Anhänger schnellstens befannt gegeben. Man lenkte die

Aufmerksamkeit der Bewohner durch Schellen geläute auf sich.

Die Landsleute Gandhis   wurden aufgefordert, den

Montag und Dienstag als Trauerfag( Hartal)

Mehr eine Infernierung."

London  , 5. Mai.

Das Amt für Indien   gibt bekannt, daß Gandhis haft mehr eine Internierung als eine Gefangenhaltung sein eine Internierung als eine Gefangenhaltung sein

werde.

Die drei Polizeitraftwagen trafen in Puna mit Gandhi   im Gefängnis ein. Gandhi   erklärte dem Vertreter des Reuterbüros, daß ihm auf der Fahri jegliche Bequemlichkeit gewährt

morden sei.

Bension von hundert Rupien für seinen Lebensunterhalt Man glaubt, daß die Regierung ihm eine monatliche sowie den ihm unterstellten eine Lebensmittelbeihilfe zu billigen werde.

Die Krise der Demofraten.

Bertrauensvotum des Parteivorstands für die Reichstagsfraktion.

genommen werden würde.

Die Stzung des Borstandes der Deutschen Demo| auch in die offiziellen Berichte über die Parteivorstandssigung auf tratischen Partei, die am Montag im Reichstag stattfand und fieben Stunden bauerte, endete wie das Hornberger Schießen. Sie war einberufen worden, weil sich in der Parteimitgliedschaft große Beunruhigung wegen der Meldungen zeigte. wonach die demokratischen Führer für den Fall der Reichstagsauflösung Wa hi tompromisse mit der Wirtschaftspartei, der Deut. Ichen Boltspartei und den Christlich   nationalen ab­gefchloffen hätten, gemeinsame giften mit allen diefen Par­teien planten und sich mit ihnen zu einer Partet vereinigen

wollten.

Der Barteivorfizende, der Reichstagsabgeordnete Roch Weser, bezeichnete diese Behauptungen als lächerlich und Bhantasiegespinste eines Abgeordneten. Der demokratische preußische Landtagsabgeordnete Dr. Grzimet, der in einem Artikel im Berliner Tageblatt" wegen diefer Berhandlungen gegen den Parteivorstand und die Reichstagsfraktion scharfe Angriffe ge richtet hatte, murde vor den Parteivorstand zitiert, dem er persönlich

nicht angehört.

man zog dann weiter gegen den Reichstagsabgeord. neten Lemmer  , den Gründer des sozialrepublikanischen Kreises", zu Felde, und hier war besonders der frühere Reichstags abgeordnete Theodor Heuß der lauteste Rufer im Streit, der Lemmer   vormarf, er habe versucht, mit allen möglichen Leuten rechts und lints bereits wegen einer Parteineugründung Fühlung zu nehmen. Lemmer   felbft fagte in großer Erregung, würde man versuchen, eine tapitalistische Partei der Mitte zu gründen, dann solle man das ohne ihn tun. Er würde seine Gesinnungsgenossen schon um sich sammeln. tun. Er würde seine Gesinnungsgenoffen schon um sich sammeln. Als Staatssekretär Abegg in einem Antrag forderte, bie Demokraten sollten ihren Reichswirtschaftsminister Dietrich aus dem Rabinett Brüning zurüdzieben und Brüning die Gefolgschaft fündigen, widersprach Dietrich diesem Anfinnen mit großer Schärfe und fügte hinzu, er würde nicht aus dem Rabinett ausscheiden, auch wenn dieser Antrag angenommen würde!

Der Aufruhr der Brahmanen.

Von Franz Josef Furtwängler  .

Der vorläufig letzte Brief, den ich von einem indischen Freunde, einem jungen Mohammedaner aus Bombay  , er zwischen überholten Situationsschilderung die folgende lehr hielt, ist vom 5. April datiert und enthält neben einer in­reiche Stelle:

,, Gandhis   passiver Widerstand ist im Gange und gibt den Machthabern allerorts piel zu schaffen. Legteren wäre es erwünschter, wenn wir uns zu Ausschreitungen aufreizen ließen, die ihnen die Gelegenheit gäben, eine glorreiche Attade zu reiten, mit Tants über uns wegzufahren und Gasbomben, auf uns zu werfen. Bis jetzt halten wir jedoch die vom Mahatma verlangte Disziplin, trotzdem es oft schwer wird, die Provo demnächst die englische Presse melden sollte, daß der indische Böbel" tationen der Polizei schweigend hinzunehmen. Wenn Ihnen aber schreckliche Schandtaten begeht und die Frauen und Kinder der Beißen nicht verschont, dann, teurer Freund, belieben Sie a zunehmen, daß dies das moralisch vorbereitende Ar. tilleriefeuer einer Bresse ist, gegen deren Propaganda in Europa   wir mehrlos sind und die mit solchen Berichten die blutigen Angriffe der Armee und Polizei, die dann Schlag auf Schlag gegen unsere nach Möglichefit friedliche Bewegung geführt werden, im vor­aus zu rechtfertigen versucht..."

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Studenten erreichte mich gerade zur rechten Zeit, um bereits Diese seltsame Prophezeiung eines jungen in ihrer Richtigkeit bestätigt zu sein. Wenige Tage zuvor las man die ersten Greuelgeschichten von Angriffen des ,, Pöbels" auf englische   Hospitäler, schweren Mißhandlungen einer Dame, die inapp mit dem Motorrad dem schlimmsten Martyrium entging. Oben, an der indischen Nordgrenze, sei ein Auto demoliert, der Chauffeur, ein englischer Soldat, mit Petroleum übergossen und angezündet worden. Und ganz wie porausgefagt folgte diesem Trommelfeuer der Presseagentur der blutige Sturmangriff: Blutbäder in Chittagong  ( Provinz Assam im Nordosten), Massenangriffe auf die Be­völkerung von Beschawar( Nordwestproving), Kämpfe an der afghanischen Grenze, Kämpfe in der westlichen Hafenstadt Karatschi  , Polizeiattaden in Raltutta, in Bombay  , in Kaun­pur, Maschinengewehrfeuer im südlichen Madras und in der alten Mahrattenresidenz Buna, militärisches Vorgehen gegen, die Bevölkerung von Delhi  , Simla, Lahore  . Alles die Era eignisse der letzten zwei Wochen.

Alle Ecken des großen indischen Länderdreiecks, einer Fläche gleich der Europas   von Portugal   bis nach Polen  , stehen in Brand. Aus den Großstädten sicern frog Nach troh richtenzensur Streitberichte durch. In Meerut  , Lahore  , die jüngste Meldung spricht schon von Meuterei ber Bengalen laufen politische Massenprozesse- und indischen Truppen in der nordwestlichen Grenz provinz.

Sind dies alles Auswirkungen" der Propaganda, die Gandhi   mit seiner symbolischen, als Vorbild wirkenden Zerbrechung der fremden Geseze über den Salzzug entfacht hat?

In London   selbst scheint man sich darüber nicht ganz klar zu sein. Noch um die Aprilmitte schrieb die Londoner ,, Times", Gandhis Marsch   an das Meer, wo er bas Salzmonopol der Regierung durch Salzbereitung aus dem Meerwasser durchbrechen molle, sei ,, eine Komödie, die nur müsierte Neugier erzeugt". Indeffen, eine Handlung, die unserem schematisierten Europa   als Komit erscheint, fomn Auch die in Indien   eine bitterernste Realität sein. Times" mußte sich bald aus Indien   telegraphieren lassen, das wichtigste fei, daß man endlich Gandhi   unschädlich mache. Sein Spiel sei feineswegs harmlos. Vielmehr sei er schlechthin der Führer, deffen bloße Anwesenheit gefähr liche Begeisterung erzeugt wohin er fommt". Man folle endlich die Furcht aufgeben, durch seine Verhaftung die Gemäßigten" in Indien   zu radikalisieren. die gerade noch die Courage haben, mit einem Auge nach dem Verhandlungs. tisch   zu schielen, diese seien ein fragwürdiger Faktor, dessen Berlust faum noch die Aufregung lohne. Man sieht daraus auch wie wenig die Regierung in Indien   jener eingeborenen Minderheit vertraut, deren Gewimmer die europäische Presse stets mit der großen Ueberschrift weiterleitet: ,, Die in bi ichen Liberalen gegen Bandhi".

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Führer und Englands gefährlichster Gegner. Seine Sicher ist Mahatma Gandhi   heute Indiens   stärkster Attion und Propaganda mag, aus der Ferne gesehen, auch dem Unparteiischen geheimnistuerisch oder theatralisch­Darauf zog Abegg seinen Antrag zurüd. tomisch erscheinen, weil vieles daran sich nur aus indischer Schließlich wurde Entschließung Petersen efensart erklärt und nur dieser entspricht. Im Hamburg   mit 28 Stimmen bei 14 Stimmenthaltungen ange. Wesensgehalt ist sie einfach die spezifisch orientali­nommen, in der es heißt, daß der Parteivorstand der Reichstagsche Form von Bontott und Generalstreit und frattion und dem Minister Dietrich das Bertrauen ausspreche als solche, soweit ich sehen kann, das einzig aussichtsreiche und von Fraktion und Minister erwarte, sie würden teine Ber. Rampfmittel des entwaffneten indischen Bolles in seinem heutigen Stadium. Ganz falsch ist dagegen diejenige eng­legung der bemokratischen Grundläge durch die jetzige lische Meinung, die sagt, mit der Beseitigung Gandhis   wäre Regierungskombination duiden, sondern dann die schärfsten Konse bem indischen Kampfe jegliche Führung genommen. Im Gegenteil: wenn dieser Mann, der seit 36 Jahren wie selten

Die Reichstagsabgeordneten Dstar Meyer, Hummel und Dr. Fischer ertlärten recht energisch, sie hätten niemals entgegen den Behauptungen Grzimets Berhandlungen wegen Bil­didatenlisten geführt. Nun entschuldigte sich Dr. Grzimet didatenlisten gefürt. Nun entschuldigte sich Dr. Grzimet bamit, daß er falsch informiert worden sei. Er sprach sein Bedauern über sein Vorgehen gegen die Parteiinstanzen aus und erklärte fich damit einverstanden, daß seine Loyalitätserklärung| quenzen ziehen.