?5f. 208.47. Jahrgang Dienstag, S.Mai 4930
£ma SSüfing:
3)es �afchas leeres Maus
Groß ist es, und kalt und gewaltig, dieses Haus des Paschas. Es gab vielen Künstlern Arbeit und Brot. Das Haus ist eigentlich kein Zeugnis eines Prunkwillens, es ist nur die ortsübliche Kapitals- anläge für den vornehmen und frommen Moslem. Er ist reich, jedoch haßt er die bankmäßig betriebenen Geldgeschäfte, weil Zins nehmen etwas Unanständiges ist. Kein wahrer Moslem nimmt Zins, das tun die Ungläubigen. Und jeder«cht« Moslem sieht daher bedauernswert verständnislos zu, wie die Ungläubigen, die klugen Kapitalisten, durch ihr ausgeklügeltes, fein überlegtes, rücksichtslos angewandtes Wirt- schaftssystem Herrscher in seinem Lande werden. Der Pascha lebt, ein einsamer Mann, allein in diesem großen Hause. Er hat eine zahlreiche Dienerschaft, obwohl er selbst so gut wie gar keine Ansprüche stellt. Und wie ich als dummer Europäer frag«:„Wozu denn dieser unnütze Aufwand?", da ist der alte Mann baß erstaunt über mein unsoziales Empfinden, ringt mit seiner Ver- wunderung und stellt erst nach ein paar Minuten die Gegenfrage: »Wo sollen die Diener denn hin?"„Die Zeiten sind schlecht."„Die Diener haben sich nichts zuschulden kommen lassen, sie müssen doch der mir bleiben, ich habe für uns alle zu«Ifen." Di« Diener sind auf mich aufmerksam geworden, sie sprechen untereinander, die Kehl - laute Singen besonders rauh, und�die Worte sind hart, well sie sich über mich ärgern. Sind etliche der Diener doch dreißig Lahr « und noch mehr in der Familie des Paschas. Nun traut ein Europäer ihnen zu. daß sie sich von ihrem Herrn trennen könnten. Allah hat sie an ihren Platz gestellt, und sie werden ihn ausfüllen. Von einem Selbstbestimmungsrecht des Nbenschen wissen sie nichts. Rührend gewissenhast beschäftigen sie sich mit tausend Kleinig- kcsten. Sie überwachen das Wachstum von aus Europa eingeführten Gurken, betreuen Gartensträucher, aus denen die Sonnenglut jedes Grün zog, so daß sie jetzt blau erscheinen, und pflegen Goldfische, well der Pascha mal gelegentlich durch den Garten schlendert und sich über alle diese Dinge freut. Jenseits der Mauer, draußen in der Stadt, da kämpft die neue Zell . Doch die Diener verspüren nichts von dem Ringen um Probleme, und der Pascha löst nach Mohammeds Rezept die soziale Frage, indem er als Reicher den Zehnten seiner Habe freiwillig als Steuer gibt. Der Pascha führt mich durch sein Haus und öffnet Türen zu Zimmern, die für ihn keine Gebranchszimmer mehr sind, da sie zu Behältern von Erinnerungen wurde». Da ist das Zimmer seiner Mutter. Mit Ehrfurcht nennt er ihren Namen. Das Zimmer ist von kalter Pracht, aber es paßt zu dem Zimmer einer Mutter. Hier wagte der Pascha nie zu rauchen, hier wagte der Pascha, selbst als er bereits ein Mann in Amt und Würden war, sich nie unaufgefordert zu setzen, hier war er stets das kleine Kind. Er durste nicht„du" zu seiner Mutter sogen, er sagte„Sie" und„meine Dame", und die Ehrfurcht stand bei ihm stets vor der Liebe. Die Mutter war eine Frau, nie sprach er zu ihr von seinem Berus und der Well da draußen. Die Mutter war eine Frau, er zog sich sorgfältig an, bevor er zu ihr ging, er brachte ihr die schönsten Geschenke mit. Die Mutter war die Frau seines Paters, als erwachsener Sohn küßte er nur ihre Hand, und die auch nur ganz scheu und zurückhaltend. Und die Mutter sucht« ihm die Frau aus, die er erst nach der Eheschließung sehen durfte. Das Zimmer dieser Frau ist mit Kinder- erinnerungen gefüllt, mit zerbissenem Spielzeug und vertragenen Kleidchen. Denn diese Frau war wieder nur Mutter. Nichts wußte sie von dem Leben ihres Mannes. Er war der Vater ihrer Kinder, und sie war ihm dankbar für die beiden Söhn«. Sie erkrankt« lebens- gefährlich in jungen Jahren, und das Abschiednehmen fiel ihr schwer, bis sie ihren jüngsten Sohn, der noch ein Säugling war, in den ernpfangsberellsn Armen der zwecken Frau ihres Mannes wußte. Als sie dann die glücklichen Augen der blutjungen Frau auf dem hllflosen Kinde ruhen sah, starb fl« sanft. Di« zwecke Frau erzog die beiden Kinder der Dsrstorbsnen mit dem eigenen Sohne Es waren Kinder! Es gab für die Frau keinen Unterschied zwischen ihrem Kind« und den anderen Kindern. Die Frau war Mutter, und das Wort Stiefmutter hatte ihre Sprach« nicht. Dieses Wort wäre ja auch überflüssig, weil gar kein Unter- schied zu bezeichnen ist. Das Zimmer der zweiten Frau ist heiter, und ein« Photographie der einstigen Bewohnerin steht auf dem kleinen, aus Frankreich eingeführten Schreibtisch. Sie zagt ein entzückendes, zartes Wesen, in weite? Pluderhose, ein« Roie in der Hand.„Meine Kinder hatten eine französische Erzieherin", sagt der Pascha.„Sie Photographie�« meine Frau", setzt er wie entschuldi- zend hinzu. Dann dreht er das Bild um und legt cs auf den Schreib- tisch, leicht ängstlich, als ob meine Betrachtung des Bildes den Willen der Derstorbenen verletzen könnte, die sich doch nur für ihren Mann photographieren ließ. Fanrllienbilder an den Wänden, die liebt der Pascha, als echter Orientale, nicht. Die Familie ist etwas Heiliges, sie geht keinen Fremden etwas an, und man darf sie auch keinem Fremden aufdrängen. Man ist doch kein Europäer, der sich und die Seinen zur Schau stellt! Dann kommen wir in das Zimmer von Ali, dem SItesten Sohn. Ein paar zerfetzte Fahnen, ein paar Waffen sind das Wesentlichste an ihm. Mi fiel in irgendeiner Schlacht. Der Bater erzählt es ruhig, mit Stolz in der Stimme. Der Ausbau des Staates durch den Krieg ist für ihn die gottgegebene Weisung. Der Pascha fragt nicht warum? Er denkt nicht darüber nach, daß Krieg nur Morden und Gemordet- werden ist. Cr klagt nicht um den frühen Tod seines Sohnes, für ihn ist er wetter nichts als die beneidenswert« Vollendung eines wohl- gefälligen Lebens. Osman war der zweite Sohn, fem Zimmer mutet etwas«uro- päifch an. Dort steht eins silberne Schale, da ein silbernes Pferd; es sind Ehrenpreise, die er emst als siegreicher Reiter in europäischen Hauptstädten gewann. Ich sehe auch oergilbte Schleifen von Sieges- kränzen, und unter ihnen liegen zerfallene Blumen. Sie scheinen von Tafeldekovattonen zu stammen. Alles sind Erinnerungen an selig, restlos ausgelebte Stunden. Osman stürzte einmal schlimm mit einem Pferde, das Pferd siel auf ihn, er war sofort tot.„Fatum", jagt der Pater. Er klagt nicht um das jähe End« dieses reichen Lebens.„Fatum", sagt er und begründet jedwede Einwendung trotzig mit dem Hinweis, daß kein Mensch seinem Schicksal entgehen kann. Und wenn sein Osman mit untergeschlagenen Beinen aus der Straß« gesessen und Schuhe geflickt hätte, er würde von einem Pferd getötet worden sein, well Allah es so wollte. Der Pascha läßt nicht die selbstgewählte Gefahrenquelle gelten. Nein, und wenn sein Osman den weißen Turban des Gelehrten getragen und Kinder unter- richtet hätte, ein Pierd hätte ihn getötet, weil es sein Forum, sein vorbesttmmtes Schicksal war. Dann kommen wir an das Zimmer von Eteocml. Von ihm er- zählte man mir schon in der Stadt. Etrogul hörte nämlich den Ruf der neuen Zeit. Mit der hingebenden Vegelsierung seiner Jugend jUeä er zu ihr. E? achtet« de» Vater, er achtet» die Ueberi-esermig.
aber die Ueberlieferung wies ihm keinen Weg. Er fragte den Vater um Rat, der verwies ihn auf den Koran und die Propheten. Die jedoch trieben Etrogul nur in einen Zwiefpall hinein. Dann kam das Schlimmste für ihn, man trieb Wucher mit der Begeisterung der Idealisten, man verfälschte das Gesicht der neuen Zeit. Kleinlicher persönlicher Hader»erwischte Ideen, Habgier beutete aus und schmutzige Geschäftemacher schwangen sich auf zu Führern. In den Mauern des großen Hauses war es kalt für Etrogul. er wollte nicht ersticken im Moder und Dumps sein, und draußen das Leben war häßlich und gemein. Und das Volk mit semer nicht zu berechnenden Kraft zum Guten, das lernte Etrogul nicht kennen, das war noch er- starrt in der eigenen großen Leidensfähigkeck. Etrogul war kein Träumer, aber er konnte kein Erwecke? fem und wollte kein Ver- führer werden; darum suchte er als Ausweg den freiwilligen Tod. Der Pascha ösfttst das Zimmer von Etrogul nicht; denn in ihm steht die Reihe von Etroguls versäumten Tagen, in ihm leben die zer- brochenen Wünsche und Hoffnungen eines Baters.
Nun weiß ich, warum der Pascha so unermüdlich arbeitet, warum er armen Leuten Briefe schreibt und ihre Rechtsstreitigkotten ordnet. Er muß arbeiten, weil die seelische Belastung ihn sonst zerbricht. Nun weiß ich, warum er so viele junge Männer an sich zicht, um sie bald darauf wieder, reich beschenkt, zu enttossen, bei der sich stets gleich bleibenden freundlichen Erklärung, durch fem eigencs Verschulden mit ihnen nicht arbecken zu können. Er sieht in jeden, Gesicht Etrogul. Er hört in jeder Stimme Etrogul. Der Selbstmord ist eine Todsünde für den Moslem, der Selbstmörder ist ein Deserteur vor dem Fatum. Die Sonne sinkt, der Pascha steht gen Osten und öffnet fem« Hände wie zum Gebet; aber für die Seele des Fehlings Etrogul kann er nicht beten. Der Pascha gibt mir die Hand, ich gehe. Ich weiß, dieser Mann ist ganz Gefühl, er ist ein Ueberbleibsel des alten Orients; der aus sich heraus nichts tun will und auch nichts tun kann für die neu« Zeit. Ehrlich bedaure ich diesen Mann, bei dem das Gefühl den reichen Verstand überwuchert und der sein Leben als überschwer« Bürde trägt, weil er seinen Etrogul. seinen Jüngsten, liebt in einem im- auslöschlichem Haß, der den Toten über sein längst schon zerfallenes Grab verfolgt.
ifmil 3. Schmidt:
Südafrikanifcke Pelsmalerei
Von 1928 bis 1930 hat Professor Leo Frobenius , der große Entdecker afrikanischer Kulluren, mit wissenschaftlichen und künstlerischen Hilfskrästen Südafrika beresst, um die sogen, süd- erythräische Kultur, die alten Metallminen und die Felszeichnungen zu erforschen, die man fälschlicherweise„Buschmannzeichnungen" nennt.(Die ausgerotteten Buschmänner haben vielleicht wirklich eine solch« Kunst in allerletzter Entwicklungsphase ausgeübt.) Die umfangreichen Resultate dieser Reise sind, soweit sie die Fels- Malereien betreffen, nunmehr der Oest'entlichkeck zugänglich gemacht in Gestalt von Z00 Aquarellkopien, etwa der Hälfte seines Materials, die im großen Oberlichtsaal des ehemaligen Kunstgewerbemuseums (Prinz-Albrecht-Strqße) ausgestellt sind. Es ist allmählich Zeit geworden, diese merkwürdigen Doku- mente frühester menschlicher Knnstübung wenigstens in Kopten der Nachwelt zu erhalten. Die Originale gehen fast alle einem sichern Untergang durch verändertes Klima und Unverstand der Menschen entgegen. Professor Frobenius , dessen Verdienst« auch von der Regierung der Südafrikanischen Union durch eine namhafte Beihilfe anerkannt worden sind, erläutert selber an verschiedenen Tagen die ausge- zeichneten Kopien und sucht die schwierigen Deutungen und Zu- sammenhänge dieser Steinzeitwerke verständlich zu machen. Das heißt, aus der Steinzeit(dem Paläolckhikum, vor allem dem sogen. Magdalenien, etwa dem 8. bis 6. Jahrtausend v. Chr.) stammt nur der Teil der Bilder, der sich im südlich st en Afrika von der Kapkolonie bis ins östliche Transvaal gesunden hat. Er nimmt die rechte Hälfte des großen Saales ein. Stil unü Dar- stellungsgebiete entsprechen völlig denen der europäischen Höhlen- Malerei in Südfrankreich und Nordspanien(Altamira usw.): Jagd- tiere, Tänze, Prozessionen u. dgl., in einer fast impresstonisttsch lebendigen Auffassung, polychrom behandelt mit verriebenen Farben. Das Charakteristische dieser Kunstwerke an überhängenden Felsen und in Höhten der Südafrikanischen Union ist nun aber, daß sie fortdauernd übermalt wurden, daß diese Uebermalungen, aus ver- fchiedenen Zeiten und vielleicht Kulluren stammend, dennoch den gleichen Sttl wahren und nur in den Dimensionen kleiner werden. Den überzeugendsten Eindruck davon gibt das ungeheure Höhlen- bild von Npiti Khotfo im Besutoland, dem Eingang gegenüber auf- gestellt, 11 mal 2,25 Meter groß. Wann die letzte Darstellungs- schicht ausgemalt ist, entzieht sich unserer Vermutung; möglicher- weise noch in der Zeit, da die Europäer schon im Lande waren. Es ist dies ein handgreiflicher Beweis für eine Erscheinung, die nur Afrika eigentümlich ist: daß die unterschiedlichsten Kulturschichten unbekümmert nebeneinander lebendig blieben, und daß auch die ältesten Kulturen(der Steinzeit!) strichweise noch fortbestanden, bis die Europäer kamen und alles in ihre zwiliscttorifche Vernichtung hineinzogen. Noch älter, die ältesten Denkmäler Südafrikas überhaupt, sind dteEingravierungen in Blöcke von allerhärtestem Gestein wie
Basalt und Diabas, in Abgüssen und Abklatschen ausgestellt. Es sind ausschließlich Tiergestallen(die wenigen menschlichen Figuren sind geringer und sicher später), und es ist sehr zu beachten, daß diese frühesten Kunstwerke technisch mit vollendeter Akkutaress« im schwie- rigsten Material gearbeitet sind, künstlerisch aber zu den vorzüglichsten und überraschendsten Beispielen von Tierdarstellungen gehören, voll von Wahrheit und Lebendigkeit. Die merkwürdigsten Entdeckungen hat aber die Frobenius-Expe-di- tion bei den Malereien in Südrhodesia gemacht. Der nördliche Stil ist von dem des Kaplandes durchaus verschieden. Er gehört einer späteren Zeit an, die man historisch nicht guck fixieren kann, die aber nichts mit der Steinzeit,«her mit dem Komplex der früh- ägyptischen und allmesopotami scheu Kultur zu tun hat. Es ist die eigenste Entdeckung Frobensis', und wahrscheinlich wird sie zur Er- forschung des allen Sakralstoates mit gebundener Totenmythologi«, und damit zur Aufhellung der Ursprünge der ägyptischen und Mittel- meer-Kulturen beitragen. Stilistisch ist diese Malerei reine Umrißkunst, die Ausfüllung der Flächen geschieht gleichtnäßig mit Eisenocker(Rot), eine Bei- gäbe von weißer Jnnenzeichnung ist biswellen noch erhalten, wahr- schemlich überall anzunehmen. Dazu eine strenge, fast hieratische Auffassung der Menschenfigur, mck Vorlieb« für scharfe Winkel und keilförmige Flächen, eine„Frontallinte", die oft an die ägyptisch-» Reliefs erinnert. Gegenständlich heben sich Totenzeremonte!' hervor und magische Beschwörungen um Regen; dazu eine oufsallende Menge von sehr unterschiedlichen landschcfilichen Motiven: Bäume, Berge, Seen(einmal wird«in Selbstmörder mit einem solchen in Verbindung gebracht!), Flüsse mit Schlangen und Brücken, über die Springprozessionen voll abenteuerlicher Akrobatik hinüberwechseln. Die dargestellten Tiere sind von strenger Großartigkeit und Lebenskraft im Umriß. Es ist ein Kunstbezirk, der sich ebenso weit von den magischen Primitivitäten des Paläolithikums wie von jeder Art Negerkunst entfernt— die ja ausgsprochen plastischer Art ist und ebenfalls im Dienst der Magie steht. Daß sich diese,.nach jeder Richtung hin noch rätselhafte und zu durchforschende Felsen- inalerei Südrhodesiens vor allem im Dienste sakraler Totenkulte bewegte, beweisen einige von Frobenius entdeckte Königsgräbcr, m denen sich neben sellsamen terrassenartig angelegten Altären, Ton- gefäßen für Aufnahme der Eingeweide und dergleichen, auch Wand- Malereien der gleichen Motive und desselben Stils fanden. Zugleich stehen sie in zeitlichem und kulturellem Zusammenhang mit den alten Minen(deren Zahl Frobenius und Percy Wagner auf 75 000 berechnen!), mit den Hochbauruinen von„Simbabwe " und andern Resten aller Priesterftaatsn im Süden des Sambesi . Wie sie mck der Kultur des Nillandes und Mesopotamiens , wahrscheinlich auch All- indiens zusammenhängen, müssen Untersuchungen der nächsten Zeit lehren. Hier liegen vielleicht Wurzeln der ältesten Menschengeschichte schlechthin für die Kombination unserer Anthropologen bloß, auf deren Durchforschung wir gespannt sein dürfen.
Tiolel Flacker: 3)as Jjoltofpiel in Jtatien Wohl kaum ein Europäer paßt auf seine Träume so gut auf wie der Italiener , weiß er doch, daß sie ihm Schlüssel zu seinem Glück werden können, und seine erste Tätigkeck j-ben Morgen nach dem Aufwachen besteht darin, sich zu besinnen. Ist ihm dies ge- lungen, so steht er schnell aus und verschwindet alsbald in einer jener winzigen, finsteren Ladenhöhlen, in denen der staatlich« Los- Verkäufer seines Amtes waltet und die an den ausgehängten fünf Zahlen der letzten Ziehung leicht kenntlich sind. Die Einrichtung einer solchen Lottostube besteht zumeist nur in einem Tisch, einem Stuhl und dem zerschlissenen, verschmutzten Traumbuch, in dem ein jeder die Nummern seiner Träume nachschlagen kann. Ungefähr alles, was sich träumen läßt, ist hier den Nummern von 1 bis 90 eingeordnet. Sogar bis auf klein« Details: So bedeutet z. B. die Nummer 90 Angst. Ist die Angst aber so groß gewesen, daß man sich— mit Berlaub— in die Hose gemacht hat(natürlich im Traum!), so gilt hierfür die Nummer 33. Der Papst untersteht der Nummer 18, der König der Nummer 73. Schon ein Einsatz von nur 2 Lire kann Gewinn bringen, ja unter den günstigsten Umständen sogar die recht stattliche Summe von 15 000 Lire. In diesem Fall darf man allerdings nur auf eine Stadt spielen, und zwar„terno secco". Der terno secco hat die wenigsten Gewinnchancen, erringt aber, wenn er herauskommt, selbstverständlich auch den höchsten Satz von allen St ielen. Er wird gespiell, kkidem man angibt, daß von den fünf gespielten Zahlen— ein- und zweistellige— mindestens drei bei der Ziehung heraus- kommen müssen. Beim nächstbesten Spiel müssen zwei bis drei Zahlen gewinnen; es heißt cm'.bo terno. Ganz bescheidene Leute spielen nur den ambo', bei dem schon zwei Zahlen einen kleinen Gewinn bringen. � Nun kann ma» dann feine Zahlen noch für eine oder für alle
sechs Städte, in denen gespiell wird, güllig erklären. Letzteres bezeichnet man mit, flutte le ruote". Di« Gewinnchancen sind dabei zwar versechsfacht, der Gewinn aber auch entsprechend gering. Ziehungen finden jeden Samstag, mittags 12 Uhr, in Florenz , Turin , Rom , Bari , Neapel und Palermo statt. Sie werden von armen Waisenkindern getätigt, und da sie öffentlich geschehen, fliegen den Unschuldskindern nicht selten die schlimmsten Schmähungen und Verwünschungen aus der temperamentvollen Menge an den Kopf, wenn die gezogeney Zahlen nicht die ersehnten sind. Befindet sich aber ein seltener Gewinner unter dem harrenden Volk, so wird natürlich ebenso laut und begeistert alle Gnade des Himmels auf das Glückskind herabgefleht. Im Gegensatz zu uns in Deutschland gibt es in Italien kaum einen Menschen, der nicht in der Lotterie spielt. Dem Staat er- wächst dadurch eine jährliche Einnahme von vielen Millionen, an- dererseits kommt cs nicht allzu selten vor, daß sich ganze Famckien mck dem Spiel ruinieren. Trotzdem ist wohl fast jeder Italiener bereit, lieber zu hungern und zu frieren, als auf den Kitzel seines wöchentlichen Lottospiels zu verzichten. Selbst wer Analphabet ist. kann an den Abbildungen des Traumbuchs die gesuchten Nunnnern erkennen(Sogar hierfür ist also gesorgt!) Teuer sind unsere Löse. Wahllos nehmen wir eins Nummer, die uns nichts besagt, lieber den Bergen aber können schon zwei von fünf gespiecken Zahlen Gewinn bringen. Reichtum. Glück und da» ersehnte dolce far niente für ganze 44 Pfennige! Gesegnetes Land!
Die Apfelsine wurde um 1500 von den Portugiesen unter dem Namen chinesischer Apfel im Süden von Europa angepflanzt. Im 18. Jahrhundert kam dann der Name Apfelsine, d. h. Apfel aus Sia oder Sina auf. Das Gehirn des Mannes wiegt im Durchschnitt 140(Srcnnti mehr als das der Frau. Da« erste Leihhaus wurde 1498 in Nürnberg »rrichtet.