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BERLIN Sonnabend

10. Mai

1930

Der Abend

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Nr. 217

B 108

47. Jahrgang

66 njetgenpreis: Die einfaltige Nonpareillezeile

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2000 Erdbebenopfer.

Eine persische Stadt mit ihren Bewohnern verschüttet.

London , 10. Mai.

Das von verschiedenen Erdbebenwarten verzeichnete große Erdbeben in der Gegend von Salmas in Per. sien soll nach den dem amerikanischen Staatsdeparte. ment zugegangenen Mitteilungen 2000 Zobesopfer gefordert haben. Eine Reutermeldung aus Teheran besagt, daß das Erdbeben großen Häuserschaden ange richtet hat. Die Mehrzahl der Bevölkerung lagerte außerhalb der Stadt, als ein zweites heftiges Erdbeben folgte. Die in der Stadt zurückgebliebenen Personen wurden bei dem darauf folgenden Einsturz fast aller Gebäude unter den Trümmern begraben. Die Berichte über die Zahl der Opfer und die Größe des Schadens gehen jedoch in den persischen Zeitungen stark auseinander, was darauf zurückgeführt wird, daß sich die beiden Erschütterungen in einem Abstand von 12 Stunden creigneten.

Ofereinbruch in Vienenburg .

Das Waffer einstweilen zum Stehen gelangt.

Braunschweig , 10. mai.

Das Waffer in den kalischächten bei Bienenburg ift bis heute früh nicht mehr gestiegen. Es wird angenommen, daß der Waffereinbruch abgedämmt worden ist, und zwar vermutlich durch die Tonschichten, die sich selbst an die gefährdeten Stellen geschoben und weitere Waffermaffen abgeriegelt haben. Auch die Kraterbildung ist anscheinend zum Abschluß ge­fommen. Nur am Harly- Berge sind wohl noch einige Erdrutsche zu erwarten.

Die Ursache der Katastraphe.

Am Freitag sind von den Ingenieuren der Preußag Meffungen und Untersuchungen in der weiteren Umgebung Bienenburgs por genommen worden. Dabei hat sich herausgestellt, daß der

Der Dichter als Regimentsarzt. Ortschaft Bledelah seit einigen Tagen verſiegt ist. Offen

Er erflärte alle Refruten für untauglich.

Prag , 10. Mai.

Um geftrigen Freitag wurde in Prag der Regimentsarzt Dr. Dvoraf zum Divisionsgericht vorgeladen und unter dem Ber­dacht, daß er sich unregelmäßigkeiten beim Mufferungs­dienst habe zuschulden kommen lassen, verhaftet. Dvorat, einer der bekanntesten tschechischen Dichter und Schriftsteller, foll Jahre hindurch von den Mufferungspflichtigen oder von ihren Bätern Bestechungsgelder angenommen und die jungen Leute bei der Unterfuchung für untauglich erklärt haben. Wie verlautet, follen in diesem Zusammenhang noch weitere Berhaftungen in hohen Militärkreisen bevorstehen.

Die Kriminalpolizei in Brür verhaftete am geftrigen Freitag den 36jährigen Kaufmann Dahltamp aus Berlin , der sich im Auto auf einer Geschäftsreise befand und in Brüg übernachtete. Die Ber­haftung erfolgte auf Grund eines Sted briefes des Kreisgerichts in Laipach. Der Verhaftete erklärte, sich nicht des geringsten Ver gehens bewußt zu sein und ist der Meinung, daß ein Irrtum vor­liegen müsse.

Generalangriff auf den Lohn.

Lohntariffündigung auch in Sachsen .

Chemnih, 10. Mai.

Die Bereinigung der Verbände fächsischer Metallindustrieller hat die Lohnabtommen für die Bezirke Dresden , Leipzig . Chemnih, Zwidau und Baußen unter Forderung eines Cohn­abbanes zum 30. Juni bzw. 31. Juli dieses Jahres gekündigt.

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Damit stehen die großen Bezirke der Metallindustrie Rheinland- Westfalen , Mitteldeutschland und Sachsen - im unmittelbaren Konflikt. Während es in Rheinland- West­ falen in der Hauptsache um die Arbeitszeit geht, greifen in Sachsen die Unternehmer die Löhne der Arbeiter an. In Sachsen allein tommen in den vier Bezirken etwa 150 000 Arbeiter in Betracht. Da die Arbeiter unweigerlich mit Gegenforderungen antworten werden, besteht die Gefahr eines Riefenfampfes, der, falls er auf der ganzen Linie ent­brennen sollte, an Umfang die Aussperrung vom November 1928 noch weit übertreffen würde.

Die unentschuldbare Flottenvorlage. Angriffe gegen Dollar Milliarde- Programm.

Washington, 10. Mai. ( Eigenbericht.) Die Flottenvorlage von einer Dollarmilliarde führte im Bundes fenat zu lebhaften 3ufammenstößen. Die Gegner der Flotten­porlage treten für einen begrenzten Bau ein und bezeichnen die Flottenausgabe von 125 Millionen Dollar jährlich angesichts der Londoner Konferenz und der bisherigen Jahresausgaben von 50 Millionen Dollar als unentschuldbar. Der Vater der Flottenvorlage Britton erflärt, daß die Vorlageziffern von dem Marinefetretariat stammen und die Bauforderungen der Bundesregierung wiedergegeben. Amerika müsse jeder anderen See­madt gewachten jein,

Wassereinbruch durch den Okerfluß verursacht worden ist, der in der Nähe des Brockens entspringt und bei der bar hat das Flüßchen eine unterirdische Höhlung in der Nähe der Gruben angefüllt, so daß das Wasser von dort sich einen Durchbruch nach dem Schacht I gesucht hat. Die Frage ist nun, ob es gelingen wird, eine

Umleitung der Ofer

herzustellen eder die Einbruchsstelle derartig nach unter hin abzu­dämmen, daß in Zukunft weitere Durchbrüche des Fluffes vermieden werden fönnen. Die Grubenleitung ist entschlossen, die Retting der Schächte unter allen Umständen zu versuchen, obwohl man sich dar­über klar ist, daß das Auspumpen der Kalischächte und die

Wiederinstandsetzung mit sehr hohen Kosten verknüpft

Die Katastrophe von Vienenburg Durch einen großen Wassereinbruch in das Kalibergwert von Bienenburg erfolgten gewaltige trichterförmige Erdrutsche. So ist die zwanzig Meter hohe Eisenbahnböschung mitsamt den Gleisen und der nach Schacht II führenden Chaussee in einem Umkreis von 50 Metern etwa 70 Meter in die Tiefe gerissen worden. Unjer Bild zeigt die über dem 70 Meter tiefen Trichterloch liegenden Gleije,

ift. Abgesehen von dem Wert der Gruben fiegen auf den Schächten seitens des Ralisynbitats sehr hohe Quoten, die bei Schacht I z. B. fieben Tausendstel betragen und die der Preußag verloren gehen würden, wenn es ihr nicht gelingt, binnen zwei Jahren die Produk tion in Bienenburg wieder aufzunehmen. In etwa vier bis fünf Tagen glaubt die Berwaltung in der Lage zu sein, über die Abdäm­mung des Waffereinbruchs und die Bieberingangsegung der Produk­tion endgültige Auskünfte geben zu können.

Am Sonnabendmorgen war am Berwaltungsgebäude durch Aushang befanntgegeben, daß von der 450 Mann starken Belegschaft

der drei Schächte

100 Arbeiter fofort nach Bleicherode verseht

und von der dortigen Grubenverwaltung übernommen werden sollen. In der Belegschaftsversammlung verlangten die anderen Arbeiter, daß die Direktion auch für sie Sorge tragen resp. ihnen Arbeitsmöglichkeit schaffen solle, da die Ortschaft Bienenburg felbst­verständlich nicht in der Lage ist, plöglich für 350 Arbeitslose jorgen zu fönnen.

Goebbels neue Vornamen.

Das Duett am Abstimmungstag. Der Fränkische Bauern und Mittelstandsbund schreibt in Nr. 18 feiner Zeitschrift:

,, Anläßlich der legten entscheidenden Abstimmungen im Reichsa tage berichteten mir auch davon, daß der nationalsozialistische Ab­geordnete Goebbels die Frechheit hatte, dem Abg. Eisen berger nach echt jüdischer Art 1000 Mart anzubieten, menn dieser mit seinen Freunden gegen die Steuergesetze stimmen merde. Eisenberger quittierte dieje seltene Unverschämtheit mit einer Antwort, für die man sonst beim Gericht schwer zahlen muß. Nun wird, reichlich spät, im Böltischen Beobachter" der Bersuch gemacht, diese Darstellung als glatt erlogen" zu bezeichnen. Troß dem nehmen wiran unserer Darstellung fein Wort zurüd. Wir sind jederzeit in der Lage, unsere Behauptung vor Gericht durch Zeugen zu beweisen. Für was denn hat dann Eisenberger den Herrn Goebbels einen& ad 1", 3igeuner" ufm. geheißen?-"

Die Front der Antimargiften ist zwar von jeher brüchig, aber es wachsen an ihr doch recht heitere Blüten.

Schüffe auf ein Kommunistenlofal.

In der vergangenen Nacht wurde auf das Verkehrslokal der KPD. in der Bornholmer Straße 9a ein Revolverattentat verübt. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.

Wie Passanten beobachteten, fam furz nach Mitternacht aus der Richtung der Schönhauser Allee ein Motorradfahrer die Bornholmer Straße heraufgefahren. Kurz vor dem fommunistischen Berkehrstotal verlangsamte er das Tempo und feuerte aus einer Pistole mehrere Schüffe ab. Die Schaufensterscheibe der Gastwirt­schaft wurde zertrümmert; es ist nur einem glücklichen Zufall zu danken, daß von den zahlreichen Anwesenden niemand verletzt wurde. Nach seiner Heldentat" fuhr der Revolverschüße in rajender Fahrt davon; seine Berfolgung verlief leider ergebnislos. Nach den bisherigen Feststellungen scheint es sich um den Ra che. att eines Hafentreuglers zu handeln.

Staatsanwalt Jacoby mußte gehen.

Staatsanwalt Jacoby, der eine große Rolle im Brozeß gegen Bergmann gespielt hatte und der wegen Beihilfe zum Be truge zu einer Gefängnisstrafe von 9 Monaten und Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer non 5 Jahren verurteilt worden war, ist jetzt aus dem Justizdienst a us geschieden. Staatsanwalt Jacoby hatte gegen das Urteil, das gegen ihn ergangen war, Revision eingelegt, die jedoch vor etwa 14 Tagen verworfen worden war. Damit hatte das Urteil Rechtstraft erlangt, und Jacoby hat daraufhin selbst sein Amt zur Verfügung gestellt, da sonst ein entsprechender Schritt des Justiz­ministeriums erfolgt wäre.

In Franzöfifch- Indochina sind vier Eingeborene, bie an der blutigen Meuterei in Den Bai teilgenommen haben, hingerichtet morden. Neun Hinrichtungen werden in den nächsten Tagen voll­zogen. Unter den Hingerichteben befinden sich drei eingeborene Unteroffiziere und ein als tommunistischer Agitator befannter ein. geborener Bauer.