(25. Fortsetzung.) So dachte Marin. Aber Ihm war, als kämen die Gedanken nicht aus ihm, sondern über»hn, nachdem sie der Quelle eines frem« den chirnes entsprungen waren. Unwillkürlich riß es ihn herum. Er sah in das Gesicht V's, der hinter ihm gestanden hatte. „Monsieur Marin." „Mister Smith." Marin stockte— ihm fiel die Vision vor den Pagoden«in, Duvals Worte und alles. Er dachte: B. Schon formte sich der Buchstabe in seinem Munde, aber er vermocht« ihn nicht auszusprechen. Jetzt, jetzt, hetzte es in ihm. Und mit einem Male fühlte er sich unmittelbar im Kampfe gegen diesen Mann. Kämpft« er denn mit ihm? Ja! Er wußte es wie noch nie. Alles, was er unternahm, war Kampf gegen den, der sich Mr. Smith nannte. Ob Anarchist oder sonst wer, es ging um Mensch gegen Mensch. Was sich hinter den lauten Ereignissen des Tages oer- barg, war Vorwand für zwei nach ihrer gegenseitigen Vernichtung strebenden Elementen. Das sagten sich ihre Augen. Den Grund aber verschwiegen sie. So lächelten sie sich zu. Dann wurden sie getrennt. Verloren sich plötzlich aus den Augen. Marin drängt« durch die dichte Menge, bahnte sich einen Weg zur Terrasse, deren blankes Gestein in seiner eintönigen Weise sich nüchtern abhob von den bunten ineinanderströmenden Farben des Gartens. Er lief die Stufen hinan, gelangt« so zu Kead, der von dort das Fest mit sichtlicher Genugtuung übersah. Von hier aus bot sich«ine pracht- volle Uebersicht. Marin erspähte wieder Mr Smith, knapp umer der Terrasie. Erregt fragte er Kead nach ihm. „Bestes Produkt aus einer Mischehe. Gentleman," antwortete gut gelaunt Kead. Marin fand keine Zeit zu weiteren Fragen, denn schon war Kead von einigen Herren umstellt, die sich mit ihm in einen unweit gelegenen Pavillon begaben. Die Erregung des Franzosen wuchs zusehends im Bewußtsein der Nähe dieses von ihm als Mr. Smith gekannten Mannes. Plötz- lich dachte er auch an Lillion. Planlos irrte er durch den Gansn, zwischen glühenden Körpern. Indes war Mr. Kead mit dem Gouverneur im tiefsten Ge- sprach, gab sich der Polizeichef einem schwülen Tango hin, war Mrs. Mabel in ihrem Schlafzimmer beschäftigt. Lillian aber hielt sich abseits. Jetzt wich sie zurück. Beinahe lief sie, in das Haus, in den kleinen Salon. Wie in einer Falle sah sie. P. stand vor ihr. 26. „Mylady, erinnern Sie sich, mich in diesem Hause gesehen zu haben?". „Nein," war die etwas unbestimmte Antwort Lillians. „Mylady, dann hoben wir uns anderwärtig getroffen," sagt« V. nachdrücklich. Lillian stand verwirrt, blutübergossen da. In ihren Augen war QJlanz. Die Leblosigkeit einer Statue schmolz in weiche, fein gezeichnete Linien einer lebendigen'Form.„Ja," öffnete sie halb die Lippen. „Es freut mich, daß Sie sich erinnern." Di« Stimme des Mannes nahm einen festen, bestimmten Ton an.„Es war in einer fremden Wohnung." Die Frau zitterte. Angst stand in ihrem Blick.„Ein Zufall," setzte P. gedämpft fort.„Es war ein«nt- scheidender Abend." „Vergessen Sie diesen Abend!" Lillian hatte mit einem Male ihre Art geändert. Nichts mehr von der Verlegenheit, kein Zittern, keine Angst mehr.„Sie haben mich nie gesehen, nie gesehen, oer- standen?" rief sie mit halberstickter Stimme. Di« Antwort Ys war Schweigen. Sie stand wie unter einer Hypnose. Schloß die Augen. Sesisame Bilder zöge« an ihr vor. bei. Sie sah sich völlig nackt aus einem schwindelhohen Piedestal stehen, durchbohrt von abertausend Augen, die sich schmerzend.n ihr Fleisch eingruben. Ihr gegenüber die ehelne Riesenstatue eines BudSha. die sie weit überragte, anlächelte— Lillian riß die Augen auf. Dieser Buddha!„Sagen Sie mir, wer Sie sind—" Sie schrie fast. Keine Antwort. Fühlte nur, wie sie Im Blicke dieses Mannes förmlich ertrank. Er sog sie auf. Marin war zwischen sie getreten. Lillian sah ihn geistesabwesend an. Y. war fort. „Wo Ist der—" ganz ohne Willen sagte sie das. „Du hattest Besuch, Geliebte," spöttelle Marin.„Mister Smith," er sah den Spuren des Verschwundenen nach. Um seinen Mund prägt« sich ein harter, gemeiner Zug. Dunkelrot färbte sich sein Ge> ficht. Es war wie Leidenschaft, die ihn überkam.„Mir gehörst du," stieß er zwischen den Zähnen hervor. Eine wuchtige Pranke legt« sich auf seine Schulter: es war wie ein Schlag. Kead! Marin starrt« ihn wild an. Keads Gesicht war zu einem breiten Grinsen verzerrt. Seine Pupillen waren groß und ließen nur einen Rand entzündeten Augenweißes frei. Sein Blick stier und verglast. Aus dem Mund« roch gewöhnlicher Absynth. Er trat auf Lillian zu. küßte ihr mit ungeschlachter Galanterie die Hand, hielt sie an der and'ren fest. Legt« seinen Arm um ihren Nacken. Schlug stehend die Füße über. einander.„Mein Freund, der Gouverneur, ist«in Genkleman wie ich." t Den Franzosen gelüstete es, ihn ins Gesicht zu schlagen. „Duval. dieser Hornochs«, geht zum Teufel. Man kann sich darauf Verlasien." Jetzt griff er Lillion um die Hüfte. Marin brannte. „Monsieur Marin, man wird sehen, wer das Geschäft in die Hand bekommt." Er zwinkert« mit den Augen, faßte das Kinn
Lillians und küßte sie. Sie schrie leise auf, es war wie der Schrei des Erstickens. Hinspringen, dieses Tier vernichten, flammte es in Marin auf. Duval fällt, Duval fällt, hämmerte es an seinen Schläfen. „Lache doch, mein Kind," umarmt« Kead immer stürmischer Lillian.„Du weißt doch, daß ich dich lieb«, daß dich kein« so lrcbt wie ich. Begeben Sie sich doch in den Garten, Herr Polizeichef. Man erwartet Sie." In Marin tobte ein schrecklicher Kamps. Er sah das unter der Gewalt des tierischen Mannes zusammenbrechende Weib, sah Kead, sah auch sich. Jetzt dem an die Gurgel springen, überfiel es ihn nochmals, alles hinwerfen, sich nicht verkaufen. Liebte er sie so? Nein! War das nur gcdemütigte Eitelkeit� Nein! Aber ein« Stadt in Atem halten, Leben von taufenden Menschen in der Hand fühlen, siegen, sich umschmeicheln lassen von dieser bestialischen Ge- sellschaftl Das! Ja! Das! Marin riß sich aus diesem Gedanken- gang. Sah sich inmitten ausschweifender Festlichkeit. Wußte nicht, wie er hierher gekommen war. Musik! Musik! Dröhnende Gongschläge, dazwischen das Ge- wirr trunkener Menschen. Die chinesische Nationalhymne. Wie zum Hohn über das ganze Reich. Das hatte Mr. Kead prachtvoll orran- giert. Marin biß an seiner Zigarette. Nun hatte sich der ver- heerende Sturm gelegt. Unerbitllich wurde er über sich einig. Sah zu den Fenstern des Salons hinauf, wo Kead und Lillian waren. War mit sich zufrieden. Das Wcchltätigkeitsfest zugunsten christlicher Ehinesenkinder nahm seinen ungestörten Verlauf. Es ging dem Morgen zu. Am Iangtsekiang ruderten in vollgepferchten Booten schlafend die Kulis. In den Webfabriken standen die Kinder mit eitrigen Augen bei der Arbeit. Die Dockarbeiter bluteten kalten Schweiß. In den Redaktionen Mr. Garricksons knatterten hunderte Schreibmaschinen. 27. Zwischen Kead und Garrickjon tobte ein nach beiden Seiten hin unentschiedener Kampf, ohne daß irgendwelche Veränderungen im ollgemeinen wirtschaftlichen Leben«intraten. Die Gegner stan- den sich gegenüber, hartnäckig und ausdauernd. Di« Orficntlichkcit schwankt« bald nach der«inen, bald nach der anderen Richtung Dadurch wurde«in Ausgleich hergestellt, der eine Entscheidung on- möglich machte. Mr. Kead stand mit der Regierung auf bestem Fuße. Der Gou- verneur wartete auf di« erste Gelegenheit, Duval zur Demission zu
zwingen. Marin, desien Geheimagenten immer neues kompromit- tierendes Material über die revolutionäre Gruppe zutage förder- ten, war insgeheim mit der Neugestaltung des Polizeikorps vetraul worden. Duval war also nur mehr eine Scheinfigur. Seine ein- zig« Stütze bildete Mr. Garrickson, der di« Loyalität des Franzosen in den höchsten Tönen pries. Besonders Scharssichtige erblickten darin eine bestimmt« Teilnahme für die Revolutionspartei, die da- hin ging, den unfähigsten Mann an der Spitze einer für den all- gemeinen Schutz unentbehrlichen Trupp« zu wissen. Mählich sickerte in den europäischen Konzessionen die Meinung durch, Garrickson mache mit den Anarchisten gemeinsame Sache. Ungeklärter konnte die Lage nicht mehr sein. Es war ein Lügennetz über die ganze Stadt gesponnen.(Fortsetzung folgt.)
eBuch
TTaUer von Holländer: SBehn Jahre— sehn Tage Der nrue Roman Walter von Hollanders„Zehn Jahre— zehn Tage"(Propyläen-Verlog). spielt in den Kreisen des schlestschen Wels. Aber nicht auf die Schilderung einer Gesell- schaftsschicht kommt es dem Dichter an:«r will etwas anderes zeichnen: eine Generation. Die Generation der Dazwischengeborenen, di« nicht mehr im Gestern und doch nicht im Heute Fuß. fassen können, und die heimatlos sind im tieften Sinn. Sie sind belastet mit den Traditionen längst verstorbener Vergangenheit: aber es hat bei chrer Geburt schon eine Zukunftsmelodie geklungen, die Verheißung eine» neuen eigenen Lebens, nach deren Erfüllung sie sich sehnen. Di« meisten gehen an dieser Sehnsucht zugrunde: der Weg im Neuland des Morgen ist ihnen zu schwer. Auch der Mann, der die zehn Jahr« und zehn Tage durchlebt, der Brudermörder Alfred Dahl, zerbricht an seiner Auflehnung gegen den ewigen Trott im Kreise der Vergangenheit: man kann auch sagen: er zerbricht an seiner Unfähigkeit, sich von diesem Trott fr«i- zumachen. Als er die schön« Bahnwärterstochter Henriette Kagen heiratete und seinen zweijährigen Sohn Jens Peter Kagen adoptierte, da versuchte er, auf neuen Wegen sein Leben weitkrznschreiten. Daß er seinen Bruder erschoß, der ihn mit Henriette betrog: war es altmodischer Zorn des Besitzers, der mit der Kaufsumme auch die Gefühle der gekauften Sache, der Frau, bezahlt haben wollte— war es die Empörung eines Menschen, der erkennt, daß Vater und Bruder den Betrug wollen, um ihn von der Bahnwärterstochter loszumachen? Beides. Der Tod des Bruders wird für Mfred zum Wendepunkt. Er hat nicht mehr den Mut, zu seiner Tat zu stehen. Mit dem Einverständnis der Familie flüchtet er ins Irrenhaus. Zehn Jahr« lang. Und dann beginnen di« zehn Tage des Romans, die zehn Tage, in denen der dem Irrenhaus entflohene Alfred Dahl noch einmal versucht, sich seinen eigenen Weg zu bahnen. Sein« Kinder, Alice, die Toller der ersten Frau, und Jens Peter, der„Stief", Wolfgang Haacke, der heimliche Mann Alices und Troplowitz , der Oberarzt in Dr. Hellwigs Heilanstalt bemühen sich, ihm zu helfen. Aber Generationen sind voneinander durch Wände getrennt Alfred Dahl müßte seinen Weg allein finden. Er hat nicht mehr den Mut, ihn zu suchen. Er hat überhaupt keinen Mut mehr: er kann nur noch eins: auf da» Nichts warten. Hollander, der klug« Analytiker menschlicher Seelen, hat sie hier seziert wie ein Arzt einen Körper: mit wissenschaftlicher Freud« an der Kompliziertheit des Falles und traurig darüber, daß soviel« Mängel an soviel Vollkommenheit haften können. Truäe E. Schulz.
Rätsel-Ecke des„Abend
66
MBBwiuiminNiiiiniininuuHiiminiimiuHnimnmraiiiuuiiuaMi
Kreuzworträtsel. Waagerecht: 1. Metall: 4. Sibirischer Fluß: 6. Vorhang: 9. Wärmegrad: 11 Schweizer Kanton: 13 Alpensluß: 14 Getränk: 15 Teil des Hauses: 18. Nahrungsmittel: 19. Planet. Senkrecht: 2. Farbe: 3. Stadt in Finnland : 5. Prophet: 6. Meeresstraß«: 7. Biblische Per- son: 8 Tonstück: 19 Präposition: 12. Aegyptischer Gott : 16. Laty- nisch Lust; 17. Spanischer Held, ttn
Rösselsprung.
1
ÄuchssaSenrätsel.
Aus den Buchstaben aaaabeeeegiklllmmmn oöprrrrstuu sind zehn Wörter von se drei Buchstaben zu bilden, deren Anfangsbuchstaben aneinande: gereiht«inen deut- schen Arbeiterdich�er nennen.— Die Wörter bedeuten: 1. Vor» gebirge: 2. Bergwiese: 3. Titel: 4. Schisseseite: 5. Schankftub«: 6. Getränk: 7. Befest gungsmittel; 8. Antilopenart: 9 Hoherpriester; 19. europäische Hauptstadt.— kr.—
Schieberätsel. Sollmann. Ditttnann, Leber, Bebel, Henk«, Landsberg , Rosen- feld, Scheidemann , Hertz.— Vorstehende Namen schieb« man seitlich so, bis eine senkrechte Reihe den Namen eines Vorkämpfer» der Sozialdemokratie ergibt,(ch— ein Buchstabe)— kr. Karree-Rätsel. «Wein« geschobt.) Jede Zahl der zu erratenden Wörter entspricht einem V»chstaben. der in das mit der gleichen Zahl bezeichnete Karree einzutragen ist.— Die Buchstaden, von 1 bis 42 fortlaufend gelesen, ergeben ein Wort von Friedr. Alb Lange.— Bedeutung der einzelnen Wörter: 1 Führer der deutschen Sozialdemo- traten 6 3 6 7 35: 2. Berg im Böhmer- wald 4 5 6 19 ll: 3 Betätigung l4 13 6 16 2 9: 4. Gepäckstück 23 3l 12 38 3 22; 5. mit Maschinentrast arbeitender Bettieb 12 84 6 25 8 23! 6 Hauptstadt eines deutschen Freistaales 1 29 16 18 20 21 26: 7. geflügeltes Wort 32 17 3 40 t9: 8. stachlige Blume 27 33 39 19 24 35: 9. Niederschlag 29 28 15 36 26: 19. Getreideart 39 31 41 15 42 37. (Auflösung der Rätsel nächsten Mittwoch.)
Auflösung der Rätsel aus voriger Rummer. Silbenrätsel: 1. Elise: 2. Znfierburg: 3. Niederwold: 4. Universität: 5. Nandu: 6. Jlcsud: 7 Uiuich; 8. Eöuard: 9. Theologie: 10. Zehlendors: 11. Liebermann: 12. Europa : 13. Botanik: 14. Erotik; 15. Nadel. —„Ein unnütz Leben ist ein früh«? Tod." Kreuzworträtsel. Waogerecht: 1. Mal: ,4. Ob: 5. Mai: 8. Rune : 19. Fis: 12. Alm: 14. Else: 15. Tee: 17. SO: 19. es: 29. Sau: 22. la; 23. Joe: 25. Urne: 28 Lu: 39. A.-G.: 32. in; 36. L.rge: 35. Ehe: 36. As: 37. Eis: 41. Al: 43. Ida; 45. Opal: 47. Ali: 48. da«: 59. Bern : 51. wer: 52. tt: 53 Bad.— Senkrecht: 2. Arm: 8. Lu: 4. Oel: 6. Ast: 7. Gas: 9 neu: 19. Fee: 11. Ter: 13. Los: 16. Esel: 18. Kurier: 19a. Verschluß: 21 Au: 22. l«: 24. aa: 26. nn: 27. da: 29. Ur: 31. Geld: 33. si: 34. Ei: 38. Sol: 39. Eid: 49. 508: 41. Al«: 42. Ria; 44. Ade: 46. Abt: 47. Ana: 49. Ar. Ergänzungsräts«!: 1. Berlin : 2. Oberau : 3. Zabe-n; 4. Gerber. Rösselsprung: Laß dich, o Freund, in diesem einen Punkt bedeuten: Dein ist die Schuld, wenn du das Leben dir oergöllst: So hoch als du dich selber stellst, So hoch stehst du der andern Leuten. E. v. Bauernfeld .