Nr.
222-47. Jagand1. Beilage des Vorwärts
Die zukünftige Sperlingsgasse
Zo- Raabel
BE
Mittwoch, 14. Mai 1930
Unbegründete Borwürfe gegen die Wohnungsfürforge. Gine unter Ausschluß der Deffentlichkeit erscheinende Zeitschrift Wohnungsfürsorgegesellschaft und ihren Direttor Schallenberger er hoben. Die haltlosen Behauptungen hatten den Magistrat veranlaßt, gegen den Redakteur der Zeitschrift Strafantrag zu stellen, außer dem hatte Dr. Schallenberger Privatbeleidigungsflage erhoben. Der betreffende Redakteur hat nun eine Ehrenerflärung für Schallenberger abgegeben, in der es heißt:
Ich erkläre hiermit, daß ich Behauptungen, wie sie nach Anficht des Herrn Baurat Dr. Schallenberger den Fragen unterliegen, nicht aufstellen wollte und derartige Behauptungen auch jetzt rid stelle. Ich bedauere die Beröffentlichung dieser Frage, da sie zu einer folchen Auffassung des Magistratsbaurats Dr. Schallen. berger Veranlassung gegeben haben, zumal ich mich auf Grund des mir nach Beröffentlichung des Artikels vorgelegten Materials überzeugt habe, daß die Geschäftsführung des Herrn Magistratsbaurats Dr. Schallenberger zu den aus meinen Fragen gefolgerten Bermutungen feinen Anlaß gegeben hat."
Unter den Werken Wilhelm Raabes nimmt jeden Sonntag, 10.30 Uhr, auf dem Spittelmarkt Arbeit und Eigentum" hatte türzlich Vorwürfe gegen die Berliner die„ Chronik der Sperlingsgasse" einen beginnen. hervorragenden Platz ein. Jeder Berliner weiß, daß Raabe dieses Buch in Berlin geschrieben hat. Die Straße, in der Raabe roohnte, hat der große Dichter mit den Gestalten seiner Phantasie, aber auch seiner Beobachtung bevölkert, und so ist gerade dieses Werk Raabes ein Berliner Buch, das uns einen tiefen Blick tun läßt in die soziale Struktur des alten Berlin . Die Stadt Berlin hat ihren Dichter geehrt durch eine Erinnerungstafel, die an dem Wohnhaus Raabes, Spreestr. 11, angebracht ist. Eine neue Ehrung soll ihm zuteil werden. Die Witz Spreestraße soll in Sperlingsgasse umgetauft werden. Diese Umtaufe ist zu begrüßen, vielleicht hilft sie dazu, daß Raabes Buch eine weitere und größere Verbreitung gerade in Berlin findet. Den vielen Raabe- Verehrern, die diese Stätte aufsuchen, wird sie dadurch sicher noch anziehender. Unser Bild zeigt die Sperlingsgasse", deren Namensschilder zwar immer noch Spreestraße lauten. Man sieht von der Spree aus in die enge Straße hinein. Das Restaurant neben dem Wohnhaus Raabes nennt sich stolz: Zur Raabe- Diele". Es gibt sicher sehr viele Berliner , die diesen Winkel ihrer Stadt nicht kennen. Es sei deshalb an dieser Stelle nochmals auf die„ Führungen durch AltBerlin" des Bezirksamts Schöneberg verwiesen, die
Auf der Suche nach Mördern. Düffeldorfer Maffenmörder in Berlin ?
Ju der Düsseldorfer Mordierie ist gestern in Berfin eine Verhaftung erfolgt. Es handelt sich um den 30jährigen Maurer Fritz L., der in der Höchstenstraße auf dem Wedding wohute.
2. war vom März bis November vergangenen Jahres in Düse feldorf beschäftigt. Im Verlaufe der Suche nach dem Waffenmörber murde 2. bei einer Razzia in Düffeldorf schon einmal festgenommen, mußte aber wieder entlassen werden. Er wandte sich um nach BerIin, um hier Arbeit zu finden. Von einer bestimmten Seite wurde 2. abermals der Düsseldorfer Morbtaten bezichtigt: Jo murde be hauptet, daß er bei seiner Ankunft in Barlin Blutbefledte Kleiber getragen habe. Die Polizet schritt baraufhin zu feiner Festnahme. Nach den bisherigen Ermittelungen scheint& wohl faum für die Mordtaten in Frage zu fommen. 2., deffen Beg nach Berlin über Stolp i. B. führte, war dort nämlich in eine Schlägerei perwidelt, wobei er fich die Kleidung wahrscheinlich mit Blut befleckt hatte. In Stolp schwebt deshalb auch ein Berfahren gegen ihn. Die Bernehmung des 2. und die leberprüfung seines Alibis find noch nicht abgeschloffen. Kriminalrat Gennat hat sich sofort mit der Düsseldorfer Polizei in Verbindung gesezt, um weitere Feststellungen zu treffen dan
Bei den Nachforschungen zur Aufklärung des am Ostersonne abend an Frau Marie Grosser in Rubleben verübten Mordes hat die Morokommission bisher et ma 130 Spuren
A
581
Rolle
Dist
Herausgegeben Esther Grenen
Das find alles nur boshafte Berleumdungen, Herr Untersuchungsrichter, und was mein feliger Mann ist, der immer so auf die Ehre gehalten hat, der hätt' fich schon zu mehren gewußt, der hätt das Andenken seines Kindes ver teidigt, aber was so eine arme, verlassene, schuglofe Mitme ift...
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Schon gut, ich schließe die Einvernahme." Kgl. Amtsgericht Sändrup, 17. Juli 1929.
gez.: Petrine Jensen. H. G. Jacobsen.
un Protokoll Protokolltuous aufgenommen mit dem Zeugen Christian Hansen. Herr Hansen, ich habe Sie holen laffen, um Ihnen eine überraschende Mitteilung zu machen: ber Mann im schwarzen Mantel, den sie am 11. Juni um 12 Uhr nachts nach Lynö übersegten, hat sich bei mir gemeldet."
So... Kann schon sein."
Und passen Sie mal auf, Herr Hansen, dieser Mann mar feineswegs Herr Torben Rift.
Natürlich, der heißt doch jetzt Thorvald Stirre." Unfinn. Weichen Sie mir nicht aus. Es war also nicht Herr Rift, der jetzt Herr Stirre heißt. Es war ganz ein
anderer."
Na ja. Schen möglich."
Heute Spreestraße, später Sperlingsgasse
perfolgt, die fich aber fast alle als belanglos ermiesen haben. In den Kreis der Berdächtigten gehört auch ein 37 Jahre alter Hausdiener Georg D., der seit dem Mordtage aus Spandau verschwunden ist. Ein ihm anvertrautes Fahrrad hat er unter schlagen. Ob der auf ihm ruhende Verdacht zu Recht besteht, fäßt fich noch nicht fagen. Die Kriminalpolizei fudyt den Hausbiener jetzt, um ihn befragen zu können.
Um eine halbe Million geschädigt! Die Unterschlagungen des Gemeindevorstehers von Schöneiche .
Die Gemeindevertretung Schöneiche hielt jeht eine Sigung ab, la der der neuernaunte fommiffatliche Gemeindevorsteher Friedrich die bisherigen Feststellungen über die Unter fchlagungen des früheren Gemeindevorstehers 2lbrecht und des Staffentendanten Steffen darlegte. Man müffe vorläufig mit eluer Unterschlagungssumme von etwa 550 000 2 art rechnen, wobei die Machenschaften bis in das Jahr 1919 zurüdreichen.
In der Versammlung wurden gegen die früheren Gemeinde vertreter, die jahrelang mit Albrecht zusammengearbeitet haben, Vorwürfe erhoben, daß Albrecht ihnen Gefälligteiten" er miesen habe, so daß er frei schalten und walten konnte. Auch gegen die Geschäftsführung der Straßenbahn Friedrichshagen - Kalfberge, mo Albrecht Geschäftsführer war, wurden schwere Anschuldigungen laut.
Hören Sie mir auf mit Ihren Schwüren. Sie geben also zu, daß der Mann im schwarzen Mantel auch ein anderer als Herr Rift gemesen sein tönnte."
Man wird sich doch irren dürfen."
Mein, das darf man nicht. Und warten Sie mal Hansen. Sie können noch nicht gehen, bleiben Sie nur. Was ist denn nun mit der Geschichte mit Ihrer Tochter. Ist das auch vielleicht ein anderer gewesen?"
Kann schon sein.
Mensch, Kerl, wenn einer ins Gefängnis gehört, dann sind Sie es. Da fommen Sie erst her und machen ein Gewinsel mit Ihren grauen Haaren und mit Ihrer perführten Tochter Sie wollten doch sogar eine Anzeige erstatten, Notzucht, Schändung, Vergewaltigung. haben Sie das vielleicht vergessen?"
Oder
,, Das war nicht ich. Das waren doch die Herren vom Aftenbladet."
Sie haben also nicht den geringsten Grund, anzunehmen, daß das Kind, das Ihre Tochter erwartet, von Herrn Torben Rist oder meinethalben Herrn Thorvald Stirre ist?"
Herr Richter, was fann ich dafür, menn das Mensch mich immer so anlügt."
Schaun Sie, daß Sie weiter fommen, Sie alter Komödiant. Und schicken Sie mir Ihre Tochter. Heute noch oder spätestens morgen."
Kgl. Amtsgericht Sändrup, 17. Juli 1929.
gez.: Christian Hansen. H. G. Jacobsen. Telegramm aus Anacapri . Richter Jacobsen, Amtsgericht Sändrup. gratuliere zu geniestreich stop überglücklich stop nur nicht locker laffen stop fomme längstens zehn tage ftop werde sie in allem unterstüßen stop dante für benachrichtigung stop
Sie find großartig. Sie waren doch bereit, zu begrüße ihr after niels wessel. schwören, daß es Herr Rift gewesen sein mußte." Rann mich nicht erinnern."
,, Aber hier steht's, hier in diesem Aft. Wissen Sie, was Das bedeutet, eine falsche Beugenaussage?"
Herr Amtsgerichtsrat, ich mar in meinem ganzen Leben noch nie bei Gericht, ich bin unbescholten, bas tann ich beschmoren."
Protokoll
aufgenommen mit Graf Kai Aaresund.( Verlangte selbst, vargelassen zu roerden.)
Jawohl, mein lieber, diesmal merden Sie nicht um mich herumtönnen. Außer Sie wollen meiner Frau bis Stod bolm nachreifen. Sanatorium Dr. Bergström. Sie macht mieber einmal eine ihrer fleinen Entziehungsturen."
Der Magistrat hat sich daraufhin damit einverstanden erflärt, daß der Strafantrag und die Privatklage des Baurats Dr. Schallen berger zurüdgenommen werden.
Strafanträge Nydahls.
Reichstagsabgeordneter Genoffe Landsberg hat im Aufe trage feines Mandanten Stadtschulrat Genossen Nydahl gegen die Rote Fahne" und die Deutsche Tageszeitung" megen ihrer verleumderischen Behauptungen Strafantrag gestellt.
Die Reisebeilage eines demokratischen Berliner Blattes ist mit einem Aufruf des Bürgermeisters Scholz geschmückt. Der Herr Bürgermeister appelliert an das Nationalgefühl aller Deutschen und ruft ihnen unter der Devise ,, Bleibt in Deutsch land !" mit erhobenem Zeigefinger zu:
auch
,, Es ist nicht zu leugnen, daß nach jahrelanger Absperrung von der Welt durch Krieg und Inflation gerade wir Deutsche Sehnsucht nach fernen und fremden Ländern empfanden. Aber nun, nachdem der erste Rausch vorüber ist, kann wieder daran erinnert werden, daß alle Reiseziele ob Berg oder Meer in unserer deutschen Heimat gefunden werden können von dem, der sie sucht. Abgesehen von der wirtschaftlichen und nationalen Pflicht, por jebem ausländischen Reiseziel einem gleichwertigen deutschen Plag den Borzug zu geben, muß es innerste Ueberzeugung merden, daß feine Pläge der Welt beffere heilende Fattoren und allen Ansprüchen gerecht werdende Entspannungsmöglichtetten aufweisen als deutsche Bäder und Erholungsorte.
பபாடு.
Es ist febr verdienstnoll, daß sich der Berliner Bürgermeister temperamentnoll und überzeugend für das fchöne Deutschland einu fest. Im fo perbienstvoller, als ja seine Freunde von der Deutschen Bollspartet ben größten Teil jener Leute stellen, die thre Ferienreife mit gutgefüllter Brieftasche und nie ner fagendem Scheckheft antreten tönnen. Nur scheint Herr Scholy selbst es mit der nationalen Pflicht" nicht gar so ernst zu nehmen holungsorte doch nicht genügend Entspannungsmöglichkeiten" von wie sein Aufruf. Für ihn scheinen die deutschen Bäder und Erden Berliner Strapazen zu bieten. Herr Scholz sist nämlich augenblicklich, Erholung und Entspannung suchend, in Locarno , als Gast der schönen Schweiz ...
verordnetenversammlung haben anfäßlich des hinscheidens des Stabt Juu Tode des Stadtältesten Rojenom. Magistrat und Stapt ältesten Stadtrat. a. D. Leopold Rosenam, der über brei Jahr zehnte für die Allgemeinheit gemirft bat, ein Beileidsfreiben an die Witwe des Verstorbenen gerichtet.
,, Herr Graf, so leid es mir tut
,, Sie werden doch nicht schon wieder darauf bestehen wollen, sie einzuvernehmen. Haben Sie denn von dem einen Mal nicht genug?"
,, Herr Graf, ich fühle mich nicht berechtigt, Sie über das Protokoll zu informieren. Aber einige Angaben, die die Gräfin uns machte, bedürfen dringend einer Aufklärung.
Ich bitte Sie, laffen Sie doch die Geheimnistuerei. Ich meiß alles, was in dem Protokoll steht. Ich weiß sogar, daß eine wichtige Unterschrift fehlt, weil meine gute Frau rechtzeitig in Ohnmacht fiel. Ich weiß, daß die ganze Geschichte von dem gräßlichen Ueberfall ihr nur von Ihnen aufgezwungen wurde."
Herr Graf, dagegen muß ich mich denn doch auf das energischste verwahren.
... und sie hat mir sogar gestanden, daß sie sich über unsere Autostraße durch den Buchenwald bei Ihnen beschwert hat. Sehen Sie sich die Straße einmal an, Herr Jacobsen. Wurzeln und Löcher! Die Straße ist asphaltiert vom Schloß bis in die Stadt. Und repariert wurde sie erst in diesem Frühling. Ein dreijähriges Kind könnte da jederzeit mit neunzig Kilometern"
"
Herr Graf, ich muß Sie leider unterbrechen. Ihre Anschuldigung, daß ich der Gräfin eine Aussage aufgezwungen haben soll Herr des Himmels, mein lieber Jacobsen, ist es denn ganz unmöglich, sich Ihnen anders als in der plumpften Weise verständlich zu machen. Ich sagte Ihnen doch soeben, daß mir eine herrliche Autostraße haben, die beste in ganz Dänemart. Und ich sagte Ihnen auch, daß meine Frau eine Entziehungstur macht, Morphium natürlich, falls Sie noch nichts davon gehört haben sollten, und wenn ich Ihnen außer dem noch sage, daß alle Morphinisten pathologische Lügner find, so weiß ich wirklich nicht, warum Sie sich gegen die Anfchuldigung meiner Frau so besonders verwahren müssen." Ich glaube, ich verstehe, Herr Graf."
,, Bißchen lange hats gedauert. Na, nichts für ungut, mein lieber Jacobsen feit Sie bie Dame von Dagens Ny heder" ins Kittchen gestedt haben. genießen Sie meine vollsten Sympathien. Ist es wahr, daß fie gestern nacht schon wieber auf und davon ist?
Ja
( Fortfegung folgt.)