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Morgenausgabe Nr. 240

A 121

47.Iahrgang

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Sonnabend 24 Mai 1930 Groß-Äerlin 10 Pf. Auswärts 15 pf.

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Das neue Defizit. Neue Deckungsprojekte neue Parieiführerbesprechungen.

Amtlich wird mitgeleilk: wie sich aus.den Zahlen über die Arbeitslosen und die krisenunlerstützuagsemp. sänger ergib«, werden für diese Zwecke erheblich höhere Beträge erforderlich, als in den Haushaltsplan l9Z0 ein- geseht worden sind. Auch sind die Einnahmen des Monats April hinter den Schöhungen zurückgeblieben. Di« darüber in der presse wiedergegebeneu Zahlen sind jedoch stark übertrieben. lieber die Maßnahmen zur rechtzeitigen Deckung der zu erwartenden Aehlbelräge haben zwischen den beteiligten Minislern ausführlich« Pesprechnngen stattgefunden. Am Dienstag der kommenden Woche wird der Reichsfiaanzminisier dem Kabinett eine genaue Darstellung der Lage und seine Decknngsvorschläge unter- breiten. * Der Regierung Brüning ist als stärkstes Ber- dienst nachgerühmt worden, daß sie führe. So wenig diese Behauptung für die Vergangenheit zutrifft, so falsch ist sie auch für die Gegenwart. Auch die letzte Sitzung des Reichskabinetts am Donnerstag, die sich mit der schwierigen Finanzlage und der Sanierung der Arbeitslosen- Versicherung beschäftigte, hat infolge der großen Meinungs- Verschiedenheiten innerhalb der Regierungskoalition zu k e i- nem Ergebnis geführt. Es sind Parteiführer- besprechungen in Aussicht genommen, denen Anfang nächster Woche erneute Kabinettsberatungen folgen sollen. Man ist also notgedrungen zu den alten Methoden zurückgekehrt und ist in Handlungen wesentlich beschei- dener als in Worten. Dieses Ergebnis ließ sich unschwer voraussehen. Die Auf- fasiungen der Sozialdemokratie sind in einem Ausmaß be- stätigt worden, das weit über die Erwartungen hinausgeht. Die Wirtschaftslage hat sich weiterhin ungünstig entwickelt und damit auch die Reichsfinanzen ungünstig beeinflußt. Das zeigt sich sowohl in einem Rückgang der Einnahmen ' als auch in einem Steigen der notwendigen Aus- gaben. Wenn man auch das finanzielle Ausmaß dieser beiden

Umstände im gegenwärtigen Augenblick noch nicht im vollen Umfang zu übersehen vermag, so besteht doch kein Zweifel, daß der Etat nicht mehr als ausgeglichen an» gesehen werden kann und daß Fehlbeträge von vielen hundert Millionen Mark gedeckt werden müssen. Die Art und Weise der Befriedigung dieses neuen Finanzbedarfs ist gegenwartig das Hauptproblem der inneren Politik. Nie» mand wird leugnen wollen, daß die Lösung dieser Aufgabe außerordentlich schwierig ist. Die Sozialdemokratie hat diese Entwicklung seit Monaten vorausgesehen» daher vor den un- begründeten Plänen auf weitgehende Steuersenkung gewarnt und auf ausreichende Sanierung der Arbeitslosenversiche- rung bestanden. Jetzt zeigt sich, wie berechtigt ihr Verlangen war und wie gut die bürgerlichen Parteien beraten gewesen wären, wenn sie den Wünschen der Sozialdemokratie ent- sprachen haben würden! Vor welchen Schwierigkeiten die Regierungskoalstion steht, das zeigen die verschiedenartigen Deckung s- vorschlage, von denen gesprochen wird. Reben der Er- höhung der Beiträge für die Arbeitslosenversicherung ist das Rotopfer wieder aufgetaucht. Auch die Erhöhung der Bier st euer, die Verlängerung der Kontingentierung der Z i g a r e t t e n st e u e r scheinen in den Absichten der Regierung eine gewisse Rolle zu spielen. Das ist aber auch alles, was bisher an Borschlägen ersonnen werden konnte. Und wenn auch nur ein Teil davon verwirklicht werden würde, insbesondere die Erhöhung der Beiträge zur Arbeits- losenoersicherung, so dürfte Herr Dr. Brüning sicherlich in Verlegenheit geraten, wenn er die Frage beantworten sollte, warum denn gerade wegen e�ner Beitrags- erhöhung um ein Biertelprozent die frühere Regierung gestürzt werden mußte, wenn man jetzt eine Beitragserhöhung um ein Prozent vornimmt! Aber soweit ist man überhaupt noch nicht, daß man irgendeinen Ausweg sieht, der von den Regierungsparteien gemeinsam gegangen werden könnte. Die Ratlosigkeit und Unentschlossenheit ist kaum je so groß gewesen wie jetzt.

Ein weiterer Schritt gegen Krick. Die Frage der Hakenkreuzpolizeidirektoren.

Der Reichsmlnister des Innern Dr. wirlh hat die Frage der Besehung der Polizeidirektor stellen durch Ikatjonal- sozialisteu durch einen Brief an den Vorsitzenden des Thürin- gischeo Staatsmlnisleriums, Staasminister Baum, in Fluß gebracht. Das Thüringische Kabineit wird heute vormittag zu einer Sitzung zusammenlreien. in der zu dem Briefe des Reichsministers des Innern und der Frage der Schulgebete Stellung genommen werden soll. Deutschnationale Verfassungsfeinde für Frick. Die Deutschnationale Volkspartei veröffentlicht sin« Erklärung, in der der neue Schritt Wirths alsprovokatorisch« Ein- Mischung in die inneren Angelegenheiten Thüringens * bezeichnet wird. Es heißt weiter in der Erklärung:Der Brief des Reichs- mnenministers kann also nur als ein cwss bestimmteste zurückzuweisen- der Versuch ausgelegt werden, die öffentliche Meinung und die chüringische Regierung in einer Sache zu b l u f f e n, wo das Reichs- innenministerium weder moralisch noch tatsächlich das Recht auf seiner Seite hat.* Landtag lehnt Aufhebung der Schulgebete ab. Weimar , 23. Mai(Eigenberichl). Der Thüringer Landtag verabschiedete heut« abend den Etat des Landes Thüringen nach Ablehnung aller sozialdemokratischen Abänderungsanträge mit 169 758 006 Mk. in Einnahmen und Aus- gaben ohne Fehlbetrag. Im Etat sind allerdings noch vorhanden 26 Millionen Fehlbetrag aus den letzten zwei Jahren und 60 Millionen Mark schwebende Schulden. Die Sozial- demokratische Fraktion brachte vor der Schlußabstimmung nochmals chr Mißtrauen und ihre schärfste Opposition gegen die Baum-Frick-Regierung und deren finanziellen Ab- drosselungsmaßnahmen zum Ausdruck. Sozialdemokraten, Kommu- nisten und der Demotrat stimmten gegen den Haushalsplan.

Ein Antrag der Sozialdemokraten, der die Aufhebung der Thüringer Schulgebetverordnung forderte, wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien gegen die der Kommunisten, Sc�ialdemotraten und der Demokraten abgelehnt. Dagegen fand eine Entschließung der Deutschen Volkspartei durch die Rechtsparteien Annahme, wonach mit der Landes- k i r ch e und der Lehrerschaft über die Einführung der Schul- gebet« Verhandlungen stattfinden sollen. Vis dahin wird von der Einforderung von Berichten der Direktoren und Schulräte über die Handhabung der Schulgebete abgesehen. Krick verbiete! und diszipliniert. Weimar . 23. Mai(Eigenbericht). Der thüringisch« Dolksbitdungsminister Frick hat die Vor- führung des russischen FilmsDer Geiger Sonja Petrowka*, der das Problem des deuffchen§ 218 behandelt, wegen seiner angeblichen bolschewistischen Tendenz für dos Gebiet des Freistaates Thüringen verboten. Gleichfalls hat Frick ein Disziplinarverfahren gegen den V o l t s- schullehrer Zimmermann in Ruhla wegen kommu- nistischer Betätigung eingeleitet. Gegen die national- sozialistische Betätigung von P oliz ei v erwaliu ngs b eamte n hat man in Thüringen bekanntlich nichts einzuwenden. Hakenkreuz gegen Erwerbslose. Was ein Wahlsieg der Nationalsoziali st en für die Arbeiterschaft bedeutet, wird den Gothaer Erwerbslosen grausam klargemacht: das Gothaer Wohlfahrrsamt hat dem größten Teil der Unterstützungsempfänger angekündigt, daß sie von jetzt ab keine Unter st ützung mehr bekommen könnten Die Empörung dariitw ist nicht nur unter den Betroffenen groß. Der sozialdemokratischeV o l k s f r e u n d* erhebt den schärfften Protest. Die Maßnahm« sei, so stellt er fest, aus d:e National- so�ialisten zurückzuführen.

Obstruktion.

Gchlußabstimmung über preußen-Etat verhindert. Im Preußischen Landtag traten gestern bei der Schlußabstimmung über den Etat Deutschnationale» Deutsche Volkspartei , Wirtschaftspartei, Nationalsozia» listen und Kommunisten in die Lbstruktion und nahmen au der Abstimmung nicht teil. Es beteiligten sich an der Abstimmung nur die Regierungsparteien und einzelne Abgeordneten der Deutschen Fraktion unter Führung des Grafen von Posadowsky . Abgegeben wurden 222 Karten, während 226 zur Beschlußfähigkeit notwendig sind. Die Sitzung wurde darauf geschlossen, das Haus ver- tagt sich auf den 16. Juni.

Schluß mit Krach! Pie dritte Lesung des Haushalts im Preußischen Landtag endete am Freitag damit, daß sowohl bei der Schlußabstimmung über die Erhöhung der Grund- Vermögenssteuer als auch bei der Schlußabstimmung über den Etat selbst die vereinigten Rechtsparteien im Bund« mit den Kommunisten in die Obstruktion traten und das Haus beschlußunfähig machten. Die Regie- rungsparteien waren genügend stark vertreten, um bei allen Einzelabstimmungen ihre Mehrheit durchzusetzen, aber gegen- über der Obstruktion konnten sie allein ein beschlußfähiges Haus nicht zustande bringen. So ist der Landtag auseinandergegangen, ohne den Etat und ohne den Ausgleich im Etat sicherzustellen. Die Etat- beratung bot insofern ein von den letzten Jahren abweichen- des Bild, als das Theater der aussichtslosen Mißtrauens- antrüge diesmal unterblieb. Die Opposition war sich darüber klar, daß sie nicht die Kraft hätte, die Regierung Braun zu stürzen. So verkroch sich die Gesellschaft der Staatsfeinde Nazi und Kozi , Volkspartei(Geist Stresemanns!) und Deutsch- nationale hinter die Obstruktion, deren Augenblickserfolg sie mit lautem Jubel begrüßten. Kindereien! Die Steuer wird am Sonnabend durch Beschluß des Ständigen Ausschusses im Wege der Rot- Verordnung eingeführt werden. Und den Etat wird der Landtag am 17. Juni beschließen, wenn die Regierungs- Parteien gegen die Obstruktion ihren letzten Mann zur Stelle gerufen haben werden. Und wenn nicht, dann noch so. Die Verfassung gibt dem Kabinett das Recht, b i s z u r B e- wtlligung eines neuen Etats die Ausgaben nach dem alten Etat fortzuführen. Der Anschlag gegen den Staat, den die Ablehnung des Etats bedeutet, ist in der Verfassung vorhergesehen und vorbeugend abgewehrt. Kindereien wegen der politischen Unwirksamkeit! Ber- brechen gegen den Staat der Ge sinnung nach! Kommunisten, Nationalsozialisten, Deutschnationale wollen den Staat der demokratischen Republik, wollen das parla- mentarffche System diskreditieren und ruinieren. In diese Front der Staatsfeinde haben sich die Spießerbolschewisten der Wirtschaftspartei und die gekränkten Ehrgeizlinge der Deutschen Volkspartei eingereiht. Namentlich für die V o l k s p a r t e i, die Allgemeininteresse, Staatstreue, Pflicht- bewußtsein bis zum Ueberdruß im Munde führt, die alle bürgerlichen Mittelgruppen unter ihrer Führung im Rahmen einer Staatspartei sammeln möchte, ist diese staatsfeindliche Taktik vollendete Idiotie! Das demonstrative Votum des alten Grafen Posa» d 0 w s k y für das Zustandekommen des Etats, weil er den Staat nicht ohne Etat lassen wolle und dürfe, ist die schärffte Kritik an der staatspalitischen Gewissenlosigkeit der Stipendiaten der Großindustrie, die parieren, wenn Frick ihnen die Faust zwischen die Zähne setzt, aber keck werden, wenn eine ehrlich republikanische Regierung sie mit der bis» her in Preußen geübten Freundlichkeit behandelt. Die Zwischenfälle im Preußischen Landtag sollten aber auch das Zentrum nachdenklich machen. Auf dessen Preußen- Parteitag sind viele weife Reden gehalten worden, daß die Sozialdemokratie sich im Ton ihrer Reden mäßigen müsse, well sonst das Zentrum mit ihr nicht mehr zusammenarbeiten könne. Aber das Zentrum arbeitet im Reiche, mit Volks- partei und Wirtschaftspartei zusammen, die nach dem treffen- den Worte des Zentrumsabgeordneten Kölges das erforder- liche Mindestmaß politischen Anstandes vermissen lassen und die jetzt in ihrer Gewissenlosigkeit und Staatsfeindlich- keit sich bis zur Ablehnung des Gesamtetats ver- steigen! Wie lange wird dem Zentrum eine Zusammen- arbeil mit solchen Parteien möglich sein? Jedenfalls wird