WolMsche Mebevstchk.Berlin, 30. März.Auch der Eventual- Dolus überflüssig! UnsereRechtspflege vervollkommnet sich mit unheimlicher Geschwtndigkeit. Ehedem erachtete man zur Konstruirung derstrafbaren Beleidigung die völlig ausgereifte böse Absicht,den Dolus, für nothwendig. Dann vermummte sich derDulus zu höheren politischen Zwecken mit der Tarnkappe„eventualis*. Welche staunenswerthen Leistungen er indieser Vermurmimng vollbracht hat, braucht hier nichtnäher aufgeführt zu werden. Doch selbst den Eventual-Dolus zu konstruiren, kann unter Umständen zu einerauch für den findigsten Juristen unlösbaren Aufgabewerden. Da hat denn das Reichsgericht durchein Erkenntniß die Berurtheilungsmöglichkeit aufsneue derart erweitert, daß nunmehr, wenn diese Rechteauschauung sich eingebürgert hat, auch den weitgehendsten Ansprüchen an die Berurtheilung wegen Beleidigung genüge geleistet werden kann. Es wird dann ein Redakteur verurtheiltwerden können wegen Beleidigung, auch wenn er gar nichtahnt, wer durch seine Ausführungen sich getroffenfühlen könnte. Die„Vossische Zeitung* bringt darüberfolgende Mitheilung:Zu ansang dieses Jahres verfaßte der Maschinenmeisterdes„Haynauer Stadtbl." nach den ihm von glaubhafterSeite zugetragenen Mittheilungen einen Artikel, in demgegen einen mit Namen nicht genannten konservativenAmtsvorsteher der Vorwurf der Chikane erhoben wurde�weil dieser zu unrecht einem ländlichen Gastwirth die Aus-dehnung der Tanzerlaubniß über 8 Uhr abends untersagt hatte,und daß es erst des Eingriffs des Landraths bedurft habe, umdas Tanzvergnügen bis um 11 Uhr ausdehnen zu können. Durchdiesen Artikel fühlte sich der Amtsvorsteher von Ue. beleidigtund stellte Strafantrag gegen den verantwortlichen RedakteurAugust Jllmer. Dieser behauptete in der Verhandlung vor demLandgericht zu Liegnitz, er habe nicht gewußt, daßder Artikel gegen den Kläger gerichtet gewesen sei; er habeweder diesen beleidigen wollen, noch überhaupt das Be-wußtsein einer Beleidigung gehabt. Der Gerichtshofschenkte auch diesem Einwände Glauben und erkannte aufFreisprechung, obgleich der objektive Thatbestand der Be-leidigung als vorliegend erachtet wurde. Auf die von feiten derStaatsanwaltschaft gegen das freisprechende Urtheil eingelegteRevision hat jetzt das Reichsgericht dieses Urtheilaufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung andie Liegnitzer Strafkammer zurückverwiesen, und zwar mit derBegründung, daß eS zur Berurtheilung g e-nüge, wenn der Angeklagte sich bewußt gewesen sei. irgend jemand durch den Artikel zubeleidigen.Das muß zu einer ganz uferlosen Rechtsprechung inJnjurienprozessen führen.—Gegen das Ministerium Bourgeois wird nichtblas von den französischen Panamisten, sondern auch vonder russischen Regierung aufs heftigste gewühlt. Wir hobenschon früher hervor, daß die radikale Regierung inFrankreich sich mit Nothwendigkeit von Rußland entfernenmüffe, und einen Umschwung auch in der auswärtigenPolitik bedeute. Auf Rußlands Einfluß ist es zurückzu-führen, daß der Minister des Auswärtigen Berthelotzurücktreten und Bourgeois das Ministerium des Aus-wältigen übernehmen mußte. Obgleich dieser Um-schwung zur Lockerung und schließlich zur Auflösungdes Bundes(oder„Verhältnisses") mit Frankreichführen muß, kann unsere angeblich„patriotische"Presse doch auf das neue französische Ministerium nichtgenug schimpfen. Dieser reaktionären Sippschaft ist esganz schnuppe, was aus Deutschland und dem Weltfriedenwird, wenn nur das Volk geknechtet und ausgebeutet wird.Und darum sind ihr die kriegerischen, deutschfeindlichenPanamisten und Kosaken lieber als die den Frieden ver-bürgenden Demokraten und Sozialisten.Eine internationale Konferenz wegen der egyptischcnFrage wird von dem seit kurzem in Paris erscheinenden Blatt,Le Grand Journal" angekündigt. Das Blatt will wissen,Frankreich und Rußland beabsichtigten, die Konferenz einzu-berufen zur Regelung der Fragen betreffend die Kommission fürdie egyptische Staatsschuld und betreffend die Räumung Egyptensseitens Englands. Die Nachricht muß indeß mit aller Reserveaufgenommen werden.die Grenzen Deutschlands hinausreichen, nicht nur weil dasGefühl der Gemeinsamkeit unserer Bestrebungen an den Erfolgender Arbeiterschaft in einem Lande alle Arbeiter wie an eigenenErfolgen theilnehmen läßt, sondern weil Liebknecht einer derwirksamsten und treuesten Förderer der Idee der Jnternationalitätunserer Bewegung ist. Liebknecht feiert seinen 70. Geburtstag inder Rüstigkeit ungebrochener Kraft, mitten in der vollen Thätig-keit des Mannes; so ist es auch heute noch lange nicht die Zeit,den Werth und die Bedeutung eines Lebens abzuwägen, dessenZukunft wohl noch eine reiche Fülle von Thaten und Wirkungenin sich schließt."Von den vielen Feiern, die unserem Geburtstagskindegeboten wurden, war sicherlich die erhebendste und eindrucks-vollste der ihm von seinen Reichstagswählern in der Nachtvom 28. auf den 29. im Feen-Palast dargebrachte Fest-kommers. Der große Saal mit seinen zahlreichen Neben-räumen<var von Männern und Frauen, denen allen dieFreude über den Anlaß des Festes aus den Augenleuchtete, dicht gefüllt. Nicht der kleinste Mißton störte dieherrliche Feier, die allen, die daran theilgenommen haben,unvergeßlich bleiben wird.Nach einigen Konzertvorträgen der Zivil-Berufsmusikerund Gesangsaufführungen des Gesangvereins„Typographia"und des Gesangvereins der Hutmacher„Einigkeit" begrüßteGenosse Albert Massini in einem schwungvollen, vonErnst Preczang gedichteten Prolog den Jubilar. Diebegeistert aufgenommenen Verse, in denen des Wirkens unseresLiebknecht für die Sache des Proletariats gedacht wurde,fanden lebhaften Beifall, der besonders deutlich bei der aufdie letzte Berurtheilung Liebknecht's sich beziehenden Stellezum Ausdruck kam:„Und doch-- auch heute schonen sie noch nicht Dein silber-weißes Haar;Schon wieder winkt der Kerkerknecht;— und wenn besiegeltwird die Hätz,Tann hinter Gitterstäben nimmst wie ehemals Du den Ehren-platz."Kurz vor Mitternacht ergriff Genoffe Borgmanndas Wort zu der Festrede. Er führte beiläufig aus:Der Personenkultiis ist in unserer Partei unbekannt, eshandele sich aber heute um ein Jubiläum in doppeltem Sinne.Es gelte nicht nur, den 70jährigen Geburtstag unseres Genossenzu seiern. sondern auch den Tag, an dem Liebknecht vor50 Jahren in den Kampf für die Arbeitersache getreten sei.Vor 50 Jahren sei der Jubilar zum ersten Male ausgewiesenvon der Polizei, die ihm bis heute unausgesetzt ihre lebhaftesteAufmerksamkeit geschenkt habe. Indem wir dies JubiläumDer frühere französische Minister des Aeußeren, B e r t h e l o terklärte dem Vertreter des„Matin" in einer Unterredung, dieauswärtige Lage hätte sich durchaus nicht verschlimmert. DieUnterhandlungen mit England nähmen ihren normalen Verlauf.—Erklärung.„Die„Rheinisch-Mestfälische Zeitung" bringt eine Mit-theilung, welche lautet:„Eine Bemerkung des Abgeordneten Liebknecht im Reichstage vom 23. März giebt uns Veranlassung, nochmals auf dieBeschuldigungen Bebel' s gegen Dr. Peters zurückzukommenHerr Liebknecht sagt, um hinsichtlich des Aktendiebstahls den„Vorwärts" zu vertheidigen:„Wir stehen thurmhoch über derartigeAngriffe. In der französischen Kammer haben unsere Genossendas Panamadiebesnest ausgehoben, hier im Reichstage haben dieVertreter der Regierung die Schandthat des Peters jahrelanggekannt, und es hat eines Sozialdemokraten bedurft, der hier alsStaatsanwalt auftritt und den Reichstag und die Regierung zurScham rufen mußte."— In der That hatte der Reichstag recht,wenn er mit„Gelächter und Zuruf" diese Prahlerei beantwortete.Die Thatsache» liegen nämlich, wie wir bereits einmal feststelltenund nochmals genauer wiederholen wollen, geradezu umgekehrt.Im September 1SS4 ist unserem Gewährsmann in Zürich vonzuverlässiger Seite die bündige Mittheilung gemacht worden, daßHerrn Bebel die ganzen Beschuldigungen gegen Dr. Peters ein-schließlich des Beweismaterials übersandt wären. Die Ereignissewurden unserem Gewährsmann auch genau so beschrieben, wiespäter Bebel im Reichstage sie darstellte; insbesondere wurde dieBehauptung aufgestellt, Peters habe seinen Diener und seineDienerin wegen Ehebruchs aufhängen lassen und einen Brief anden Bischof Tucker geschrieben, welcher diese Verbrechen zugiebt.Es wurde unserm Gewährsmann serner mitgetheilt, die An-gelegenheit werde von der sozialdemokratischen Partei sofortin der Session 1L94/9S zur Sprache gebracht. Herr Bebelbefand sich also seit dem September 1894 imBesitz desjenigen Materials(wenn man derartigeBeschuldigungen Material nennen will) welches er erst imMärz dieses Jahres, also nach l'/s Jahren, zuveröffentlichen für gut befand. Di« Veröffentlichungerfolgte, weil Peters für die Flottenvermehrung eintrat undBebel im Bunde mit dem wegen der Affäre Arenberg geärgertenZentrum mit Dr. Peters die Flotteubeivegung zu treffen hoffte.Zir nageln also fest, daß nicht die Regierung oder der Reichstag,sondern der Abg. Bebel und die sozialdemokratische Partei die„Schandthaten" Peters kannte und unterdrückte. Was von diesen„Schandthaten" aber auf Wahrheit beruht, wird man ja wohldemnächst erfahren."Diese Mittheilung der„Rheinisch-Westfälischen Zeitung"ist, soweit sie sich auf meine Person oder die Partei bezieht,von A bis Z Erfindung.Ich habe das gegen den Dr. Peters gerichtete Materialerst wenige Wochen vor meiner bezüglichen Redeim Reichstag, zum theil sogar erst während der Ver-Handlungen im Reichstag erhalten. Auch der Ab-geordnete Prinz von Arenberg und das Zentrum stehen derVeröffentlichung fern.Berlin, den 30. März 1896.A. Bebel.Zu der vorstehenden Erklärung Bebel'» wollen wirnoch hinzufügen, daß die Peters-Gesellschaft des weiterenlügt, Liebknecht habe die Regierung verleumdet, indem erim Reichstag sagte, erst das Auftreten des Sozialdemo-i'roten Bebel habe die Regierung und den Reichstag indem Falle Peters zur Pflichterfüllung veranlaßt. Reichstagund Regierung hätten von dem, was Bebel vorgebrachtnichts gewußt. Die Thatsache aber, daß so ziemlich alleSchandthaten des Peters den Gönnern desselben seitJahren bekannt waren, und zwar durch desseneigenes Geständniß— kann aber durch alles Wasser desWeltmeeres nicht weggewaschen werden. Und daß derSozialdemokrat Bebel es war, der die Brandmarkung desVerbrechers im Reichstag erzwang, das können auch dieReptilien Deutschlands nicht aus der Welt lügen.—Chronik der Majestätsbeleidigungs- Prozesse.Im eine überraschende Neuerung hat die Staatsanwaltschaftn Breslau unsere Rechtspflege bereichert. Wegen„Bei-Hilfe zur Majestätsbeleidigung" ist, wie dieBreslauer„Volksmacht" meldet, gegen den Redakteurderselben, Genossen Gerhardt, das Untersuchungs-verfahren eingeleitet worden. Es handelt sichum die konfiszirte„März- Nummer", in der sichzwei Majestätsbeleidigungen befinden sollen. Ebensoeiern, ehren wir zugleich auch uns selbst, denn es ist eine Ehreür unS, einen Jubilar in unseren Reihen zu besitzen, der ,denNamen Wilhelm Liebknecht führt. Liebknecht istvon Anfang an unser gewesen und er ist der unsrige geblieben.Redner gab sodann einen Ueberblick über das Leben des Jubilars,er schilderte, wie Liebknecht von einem Exil in's andere gehe»mußte, wie gerade das bittere Brot der Verbannung und Rothund Hunger sein Gemüth gestählt und ihn zu neuem Kampfebegeistert hätte». Obwohl Liebknecht in England 10 Jahre langEntbehrungen aller Art erduldet hatte, wies er doch, als er end-lich hier in Berlin bei der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung"ich eben eine Existenz zu gründen im Begriff war. mit Trotz dieForderung zurück, ein Verrather an dem Volk zu werden; er kehrtewieder in Noth und Elend zurück. Diese Thal wird ihm dasVolk nie vergessen. Viele, die 1843 demokratisches Blut in ihrenAdern zu haben glaubten, haben inzwischen einen faulen Friedenmit den Machthaber» geschlossen und ihre Gesinnung verleugnet.Ich unterlasse es, die Namen dieser Männer zu nennen, weil iches für eine Schande halte, diese Namen heule zugleich mit demunseres Jubilars auszusprechen.(Beifall.) Es sei nur daranerinnert, daß sich Leute unter ihnen befinden, die später geradedie gefährlichsten Feinde des Volkes geworden sind. Rednerchilderte dann weiter das Wirken Liebknecht's, seine Ver-lindung mit Bebel, sein unverdrossenes selbstloses Kämpfen,'eine Leiden unter dem Sozialistengesetz. Aber alle diese Leidenhaben nicht vermocht, ihn in seiner Gesinnung zu erschüttern, imGegentheil, die Schläge, die er führte, wurden nur noch kräftigerund der Sieg ist nicht ausgeblieben. Wenn heute die sozial-demokratische Partei die stärkste Partei Dentschlands gewordenist, so ist das neben dem Opfermuthe und der Ausdauer derArbeiterklasse in erster Reihe auch Wilhelm Liebknecht zu danken.50 Jahre Deines Lebens, Genosse Liebknecht, waren Jahre deselbstlosesten Kampfes für die Befreiung des arbeitendenVolkes. Wir danken Dir, dem unverdrossenen, unverwüst-lichen Kämpfer für unsere Sache, der immer das eigene Jnter-esse der allgemeinen Sache hintangesetzt hat. Jetzt, woin ehernen Schlägen die Glocke den Anbruch des neuen Tageskündet, des 29. März, bringe ich Dir im Namen Deiner Wählerund der gesammten Genossen Berlins die herzlichsten Glück-wünsche zu Deinem Geburtstage dar. Bleibe uns noch langeJahre der Alte, gehe Du uns voran, wir folgen Dir! Ihr aber,"Genossen, stimmt ein in den Ruf: Unser Geburtstagskind, dereteran unserer Partei, Wilhelm Liebknecht, er lebe hoch!"Von der Begeisterung, die diese» Worten folgte, kann manich schwer eine Vorstellung machen. Es war keine künstliche,andern eine von Herzen kommende Freude, es war der spontaneAusbruch des Dankes, den das Volk dem Mann abstattete, deres zum Siege geführt, und der beute trotz seiner 70 Jahre, trotzaller Verfolgungen und Entbehrungen in jugendlicher Frischeunter ihm weilte, ein Muster für kommende Geschlechter.sollen die Kolporteure, welch» die be«treffende Nummer ausgetragen, zur Ver-antwortung gezogen werden. Damit sind wirja denn glücklich bei der Mitschuld auch der Zeitungsaus-träger augelangt, zu der bisher nur die Witzblatter sich insatirischer Phantasie über unsere Rechtspflege bekannthatten.In Düsseldorf war der Redakteur Stoffersvon der„Bürger-Zeitung" wegen Majestätsbeleidigung, die inKritiken der Sedanrede des Kaisers und des bekannten kaiser-lichen Telegramms an die Wittwe des ermordeten FabrikantenSchwarz in Mülhausen im Elsaß enthalten sein soll, am 13. De-zember 189S von der Strafkammer zu Düsseldorf zu neunMonaten Gefängniß verurtheilt. Das Reichsgericht hob auf die ein-gelegte Revision wegen Verstoßes gegen die strasprozessualischen Be-stimmungen das Urtheil auf und verwies die Sache an das hiesigeLandgericht zurück. Dieselbe Straflammer verurtheilte nun denRedakteur Stoffers heute abermals zu neun Monaten Ge-f ä n g n i ß.In Köln wurde der 44jährige Dachdecker HeinrichSchubach zu zwei Monaten Gefängniß verurtheilt;er hatte angeblich beleidigende Bemerkungen über den Kaiser,den Fürsten Bismarck und den Grasen Moltke gemacht.—Deutsches Reich.— In bezug auf den Leitartikel in unserer Sonnabend-Nummer:„Die Haftung wegen Verletzung einer Amtspflicht",der von einem gelegentliche» Mitarbeiter stammt, gehen uns vonGenossen Stadthagen folgende Zeilen zu:Mit den Darlegungen des Artikels kann ich mich aus poli-tischen und juristischen Gründen nach einigen Richtungen hinnicht voll einverstanden erklären. Die ZA 823 und 824des Entwurfs enthalten nicht„ein paar wunderschöne Be-stimmungen über die Hastung der Beamten wegen Ver-letzung einer Amtspflicht"— der Verfasser meint dies wohlironisch— sondern wollen auch auf zivilrechtlichem Ge-biete fast unbeschränkte Verantwortungslosigkeit der Beamten ein-führen. Dies Bestreben wird in den Motiven offen damit ge-rechtfertigt, daß die nöthige Bewegungsfreiheit den Beamte»fehlen würde, wenn man sie für amtliche Versehen haftenließe. Im Gegensatz zu dieser Auffassung steht nundie bestehende Reichs-Gesetzgebung und die Gesetzgebungder allermeisten Bundesstaaten. So lautet§13 deSReichsgesetzes vom 31. März 1873:„Jeder Reichsbeamteist für die Gesetzmäßigkeit seiner amtlichen Handlungenverantwortlich". Selbst Lab and nimmt an, daß dem-gemäß ein Reichsbeamter für jedes Versehen civilrechllichhafte. Für st er, Dernburg, theilweise auch Wind«scheid sind bezüglich der gemeinrechtlichen Theile undder Theile Preußens, für die das allgemeine Land-recht gilt, auch bezüglich aller nichtrichterlichen Beamtenähnlicher Ansicht. Bezüglich der Richter bestehen ähn-liche Bestimmungen in den meisten Staaten, soweit die Richterals Vormundschaftsrichter oder Hypothekenrichter sungiren(sobayerische Gerichtsordnung von 17S3, bayerisches Landrecht I 7§ 29,§§ 25—29 des bayerischen Hypothekengesetzes,württembergische Notariatsordnung vom 14. Juni 1843,Art. 67, Pfandgesetz vom 15. April 1825, b r e m e r Verordnungvom 14. Mai 1882§§ 112—116, preußisches Landrecht I.12,§§ 140, 141, ferner preußische Grundbuchordnnng§ 29,00 6 e civil Art. 1282, 1283, 4, 2063, 57, 52,2197—2199,2202, codc procedure Art. 505—516 u. s. w. Die Frage, obder Sprnchrichter für j e d e s Verfahren haste, ist erst vom Ober-tribunal und Reichsgericht entgegen den gesetzlichen Bestimmungenund der Doktrin nicht unbedingt bejaht, aber immerhin noch weilgünstiger für den Geschädigten als durch den Entwurf geregelt.Für ungerechtfertigte Freiheitsentziehung haben eine Reihevon Einzelstaaten klarere Bestimmungen. Die ZZ 823,824 des Entwurfs sind nicht nur für Sozialdemokratenunannehmbar und haben Abänderungsvorschläge in derKommission bereits gezeitigt. Neben einer besseren Gestaltungder Haftung von Beamten läuft die Frage der Haftung desStaates her. Auch diese ist von sozialdemokratischer Seite stetsbejaht, hat überdies aber in einer Reihe deutscher Gesetzetheilweise Anerkennung gefunden. So kann in An-lehnung an die deutschrechtlichen Sachsenbuchen— nach derthüringer Strafprozeßordnung Art. 143 und nach dem koburg-gothaischen Gesetz vom 3. Mai 1352 Art. 25— der widerrechtlichVerhastete eine Entschädigung aus der Staatskasse von 15 Groschenfür jeden Tag und jede Nacht begehren, auch noch höhere Schädengegen den Staat geltend machen. Der braunschweiger Staathaftet nach§ 2 des Gesetzes vom 4. Januar 1851 und der Recht-sprechy'ig dem zu unrecht Verhafteten auch dann, wenndie Verhaftung ohne des Beamten Verschuldung eintrat. Dieweiteren Bestimmungen ausführlich darzulegen würde zu weitführen. Nur zwei Bestimmungen von Kleinstaaten seien er-Bevor der Jubilar aus die Worte des Festredners erwidernkonnte, überreichte ihm Frau Scholz im Namen der BerlinerGenossinnen ein prachtvolles Blumengewinde. In ausgezeichneterWeis, trug Genossin Scholz hierbei die folgenden Vers« vor:So nimm von uns auch diese Blüthen,Im Kampf ergrauter Jubilar;Es bringt Verehrung Dir und LiebeDen Strauß als stillen Glückwunsch dar.Du hast der Hoffnung güld'ne SterneIm Frauen herzen auch entfacht...Und sieh'! Der Winter zieht zur Ferne»Und Frühling ward es über Nacht.Und was Jahrtausend fest gewurzelt:„Das Weib sei Sklavin nur dem Mann!"Da legtest Du mit starken HändenDie Axt der neuen Lehre an.Der neuen Lehre, die gewaltigIn tiefste Schmach und Schande drancUnd uns in Töne» mannigfaltigDas hohe Lied des Rechtes sang.Wo in dem Staube der FabrikenDes Weibes Jugendblüthe stirbt,Wo noch zur Mitternacht die NadelDaheim um karge Bissen wirbt,Wo mit dem Mangel alle TageDes Proletars Gefährtin ringt,Da ist es, wo die neue SageErlösend einen Lichtstrahl bringt!Und Du, Du Haft ihn ausgebreitet,Hast unfern schwachen Arm bewehrtUnd uns den Weg zum Ziel bereitet:Du hast auch uns den Sieg gelehrt!D'rum nimm ihn hin. den Strauß des Märzen.Die rothen Rosen— nimm sie hin!So gratulirt aus vollem HerzenDir auch die Proletarierin.Sichtlich gerührt über die zahlreichen Beweise treuerLiebe und Anhänglichkeit ergriff sodann Liebknecht das Wortzu folgender Ansprache:„Genossinnen und Genossen! Die Art, wie Sie mich hierempfangen haben, hat mich wahrhaft gerührt. Es war das emeUeberraschung für mich, nicht etwa daß ich an ihrem Herze»gezweifelt hätte, aber ich bin an derartige Dinge nichtgewöhnt. So lange ich in dem Kampfe stehe, bin ichdaran gewöhnt, die Zielscheibe aller Angriffe z» sein,