Zitronenwasser uniAls der Kranke sichDesinfektionsanstalt führen, der heute davor zurückschreckt, weiler die Gebühren nicht zahlen kann und die geforderte Bedürftigkeits-Erklärung und-Nachweisung nicht geben mag.Zur Desinfektion von Putzlappen bemerkt der neueste.das Jahr 1893/94 behandelnde Hauptverivaltungsbericht desMagistrats:„Wie schon im Vorjahre, so kann auch jetzt nichtverschwiegen werden, daß die Desinfektion von Putzlappen nichtim richtigen Vcrhältniß zum Verbrauch derselben steht." Gegendas Vorjahr ist das desinfizirte Quantum sogar noch zurückgegangen. In beiden Desinfettions- Anstalten zusammenwurden 1892/93 200S Zentner. 1893/94 1730 ZentnerPutzlappen desinfizirt. Als Putzlappen werden, wie b*könnt, meist Lumpen verwendet. Die Desinfektion dieserLumpen wäre im Interesse der Arbeiter, die damitputzen müssen, dringend zu wünschen. Um aber dieGebühren, pro Zentner 1 M., zu sparen, lassen manche Händlernur einen ganz kleinen Theil ihrer Lumpen desinfiziren, verkaufenaber trotzdem große Mengen angeblich desinfizirter Lumpenals Putzlappm. Im Bericht über das Vorjahr wurdegegen diesen nichtswürdigen, die Gesundheit der Ar-deitcr aufs höchste gefährdenden Schwindel strenge be-hördliche Kontrolle gefordert. Ob inzwischen etwas dagegengeschehen ist. wird in dem neuesten Bericht nickt gesagt. Imübrigen ist die Klage über diesen Schwindel schon ziemlich alt.Schon im Hauptverwaltungsbericht über 1390/91 wurde gesagt:„Nach dem Geschäftsumfange, den der Handel mit Putzlappenin Berlin hat. müßte, wenn der beabsichtigte Zweck, die Be-Nutzung der Putzlappen gefahrlos zu machen, erreicht werdensollte, die Zenmerzahl derselben auf Zehntausende anwachsen."Eigenthümliche, in ihrer Sparsamkeit weit über das Maßdes Erlaubten hinausgehende Verwaltungsgrundsätze scheinen inder Bauhandwerker-Krankenkasse für Berlin undUmgegend zu herrschen. Ein Arzt schreibt uns: Ich behandleein Mitglied dieser Kasse an Lungenentzündung. Zur Löschungdes infolge� des Fiebers reichlichen Durstes verordnete ichund verschrieb zwei Zitronen k 10 Pf.in der Rekonvaleszenz befand, verschrieb ichzur Kräftigung seines heruntergekommenen Zustandes einen LiterMilch täglich für eine Woche, eine Verordnungsweise, die ich beiallen Hilfs- und Orts-Krankenkassen bei einer Reihe von Krank-beiten ohne einen Widerspruch von feiten der Kassen durchführe.Die Bauhandwerkerkasse verweigert jedoch die Bezahlung der Milchund der Zitronen!Die geologische Wand im Hnmboldthain hat in diesenTagen noch zwei An- resp. Vorbaue erhallen. Der eine trägtrostrothe versteinerte Abdrücke von Schalengehäusen sogenannterTintenfische, verändere eine aus Thüringen stammende Sandsteinplatte mit Fußspuren von scheinbar vorweltlichen Bärenthiereu,Riesenechsen oder-Vögeln herrührend. Gestern wurde dasinstruktiv wissenschaftliche Mauerwerk durch Waschen und Auslegen der durch winterliche Einflüsse schadhaft gewordenen Stellenfür heutige photographische Ausnahme präparirt. Die Photographien werden für unterrichtliche Zwecke an die hiesigen Lehr-anstalten abgegeben. Das ganze hat nunmehr eine Länge von23 Metern bei ü'/s Metern Höhe und ist übersichtlich in18 Gruppen oder Felder gegliedert, die durch Etiquettes markirtsind. Feld 1—4 zeigt Urgebirge in Quarzformalion mit hervor-tretenden Krystallen: Bergkrystall und Rauchtopas, letzteren inriesigen Prachtexemplare», die geglüht zitronengelb werden und„Cytrine" heißen. Die Glanzgruvpe ist die 3.. ausgezeichnet durchgoldschimmernde Schwefelkies-Krystalle. Feld 6 und 7 enthält pro-duktive Steinkohle, Feld 3 das Modell einer Tropfsteinhöhle mit denan Decke. Wänden und Boden als Stalaktiten und Stalakmiten be-zeichneten eigenthümliche« Kalkgcbilden, wie sie durch Herabtröpfelnvon durch Wasser gelösten Kalktheilen entstehen. In Feld 9 wird dassogenannte rothe Todtliegende dargestellt, unter dein die Stein-kohlenflöze lagern. Feld 10 zeigt den urgebirgischen Zechstein,Gruppe 12—13 die TriaS, 16 die nordweftdeutsche Kreide-formation, die mit dem Kollektivnamen„Jura" bezeichnet wirdund deren Charakter in Wasser- resp. Quellenarmuth undHöhlenreichthum besteht. Feld 17 enthält die obere Kreide-formation und Gruppe 18 das tertiäre Diluvium. Der Bau der„Wand" wurde im Jahre 1392 begonnen und ist der dritte imHain neben den„Humboldtsteinen" und dem„Vivarium", derenbeider Bau im Jahre 1837 erfolgte.Eine Verhöhnung des Gesetzes, wie sie der verschrienfte„Umstürzler" sich erst leisten soll, bringt das„Kleine Journal",das dem Zeremonienmeistcr v. Kotze in der elenden Schmutz-affäre bekanntlich zu Diensten steht, in seiner Nummer vomMontag. Das Blatt schreibt:Die Affäre v. Kotze, welche, soweit sie die Person desZeremonienmeisters v. Kotze anbetrifft, durch die dem letzterenvom Kaiser ertheilte Warnung ihren offiziellen Abschluß erhaltenhat. wird nunmehr in den allernächsten Tagen, vielleicht schonheute, privatim auf dem Wege des Duells zwischen demZeremonienmeister v. Kotze und v. Schräder ausgetragen werden.Bekanntlich hatten sowohl das Ehrengericht des Osfizierkorpsder Ziethenhusaren in Rathenow, wie auch dasjenige der Königs-ulanen in Hannover gegen Herrn v. Kotze ein Urtheil gefällt, welchesauf Ausstoßung des Herrn v. Kotze aus dem Heere erkannte. DerKaiser hat, wie man weiß, diese beiden Urlheile nicht bestätigt,vielmehr dieselben in eine einfache Warnung an Herrn v. Kotzeumgewandelt. Damit ist die Satisfaktionsfähigkeitdes Herrn v. Kotze wieder hergestellt und derselbe ist nunmehr inder Lage, seinen Hauptgegner in der leidigen Affäre der anonymenBriefe, Herrn Zeremonienmeister v. Schräder, zur persön-lichen Rechenschaft zu ziehen. Daß das Duellunter besonders schweren Bedingungen statt-finden ivird, ist nach Lage der Sache selb st-verständlich.Für un? Sozialdemokraten ist es ja immerhin eine Augen-weide, zu sehen, wie man für Ordnung, Religion und Sittekämpft. Wie aber mag den Patentstützen des heutigen Systemsbei der Betrachtung solcher Kämpfe zu Muthe werden.Ueber das Familicnglück des von seinem Schwiegervaterim Duell angeschossenen Rittmeisters a. D. v. H ü n e r b e i nweiß das„Volk" noch folgendes zu berichten: Der Schwieger-vater, Herr v. Sprenger auf Malitsch, ist einer der reichstenZuckerfabrikinhaber und Großgrundbesitzer Schlesiens. DenZwistigkeiten mit seinem Schwiegersohn liegen die ehelichen Ver-Hältnisse v. Hühnerbein's, dem übrigens von allen, die ihnkennen, das befie Zeugniß ausgestellt wird, zu gründe. Frauv. Hünerbein wollte von ihrem Manne getrennt werden, und inder That ist es dahin gekommen, daß v. Hünerbein für geistes-krank erklärt, entmündigt und in eine Irrenanstalt gebrachtwurde. Und das alles, obwohl er nach Ansicht aller seiner Be-kannten durchaus nicht zur Geisteskrankheit neigt! Mit dein„Geisteskranken" oder doch wenigstens bis vor kurzem„Geistes-kranken" hat sich nun der Schwiegervater geschossen.Ein Gewerbegericht soll endlich in Spandau errichtetwerden.„Um dem ewigen Drängen nachzugeben,"so erklärte der Magistratsvertreter, hat der Magistrat die Er-richtung eines Gewerbegerichts beschlossen und der Stadtverordneten-Versammlung eine dahingehende Vorlage gemacht. Somit ist diejahrelange Agitation der Sozialdemokraten nach dem eigenenGeständniß der Herren doch von Nutzen gewesen! Ein An-sporn für unsere Parteigenossen, unverdrossen weiter zu wühlen!Ueber die gewerbliche Beschäftigung der Schulkindersind auch in Spandau auf Veranlassung des Magistrats undder Schnldeputation Erhebungen angestellt worden; dabei ist er-miltelt, daß zahlreiche Kinder in ganz unzulässiger Weise zu ge-winnbrinaender Thätigkeit, z. B. zum Austragen von Back-waaren, Kegelauijetzen jc., herangezogen werden; Knaben werdenschon morgens in der vierten Stunde bezw. bis in die späteNacht hinein beschäftigt. Der Magistrat hat darauf im Em-verständniß mit der Schuldeputation beschlossen, die gewerblicheBeschäftigung der Schulkinder durch ein Ortsstatut zu regeln, wo-durch eine allzu große Ausbeutung ihrer Arbeitskraft verhütetwerden soll.— Wir sind gespannt, wie dies Ortsstatut ausfällt.Der Teltower Kreistag hat am Schlüsse seiner gestrigenTagung den Antrag des Kreisausschusses, wegen Errichtung einesKreiskrankenhauses in Dahlem im Anschluß an das staatlicheInstitut für Infektionskrankheiten einen Verlrag mit dem Staateabzuschließen, abgelehnt. Der ablehnende Beschluß erfolgte nurmit einer geringen Majorität. Die absolute Majorität der Anwefenden war sogar für den Antrag des Kreisausfchusses, nämlich23 von 39 anwesenden Abgeordneten. Da der Beschluß aber einedauernde Belastung des Kreises in sich schließt, gehören zur Annahmezwei Drittel der Stimmen(26), und diese Zahl wurde nicht erreicht.Wie der zur Sitzung erschienene Staatskommissar Geh. RathAlthoff darlegte, muß infolge dessen der Staat davon absehendas Koch'sche Institut nach Dahlem zu verlegen, und muß nacheinem anderen Ort suchen, wo für das Institut Anschluß an einKrankenhaus gefunden werden kann. In weiterer Folge kanndie bereits ausgearbeitete Regierungsvorlage, die nicht nur dieVerlegung des Koch'schen Instituts, sondern auch des BotanischenGartens und den Umbau der Charitee betrifft, dem Parlamentenicht vorgelegt werden; der Umbau der Charitee wird dadurchmindestens um ein Jahr verzögert.Herr Dr. Lange dementirt die Mittheilung der„Tägl.Rundschau", daß er einen Angestellten dieser Zeitung zu Durchstechereien habe verleiten wollen, in bestimmter Form.Einen Ulk hat sich der kürzlich verstorbene Millionär SimonBlad mit den Stadtgemeinden Berlin, Mainz und Bingen erlaubt,denen er zu gleichen Theilen sein Vermögen vermacht hatte. Erhat u. a. bestimmt, daß Berlin ihm am Kolumbarium zuFriedrichsfelde ein Denkmal aus Erz und zwar„in ganzerFigur" fetzen lasse. Diese Bestimmung hält man für unerfüllbarund zwar wegen— des L e b e n s w a n d e l s des Erblassers,der zweimal gerichtlich bestraft worden ist. Herr Bladwar ein Vokativus. Das eine Mal wollte er durchaus im Tamenkoupee fahren und wich selbst derGewalt nicht. Ihm trug diese Affäre wegen Beamtenmißhandlungund Widerstands gegen die Staatsgewalt eine Gefängnißstrasevon sechs Wochen ein, welche aber später im Gnadenwegein eine Geldstrafe umgewandelt wurde. Das andere Mal wurdeBlad wegen Mißhandlung eines Dien st mädchensund versuchter Bestechung eines Polizeilieutenants zu300 M. Geldstrafe verurlheilt. Dem Mädchen hatte er einSparkassenbuch vorenthalten, zahlte auch den Lohn unpünktlich undals sie beides forderte, prügelte er die Geliebte einfach durchund warf sie die Treppe hinab; den Beamten versuchte er indieser Sache zu bestechen und zwar durch einen Hundertmark-Schein. Aber auch sonst soll sich Blad nicht so geführt haben,daß eine Stadtgemeinde ihn. aushauen" lassen könnte. So hatder Bürgermeister von Kissingen den Nachlaßpfleger brieflichgebeten, seine Gemeinde wenigstens von der Pflicht des alljähr-lichen Bekränzens der ihrem„Ehrenbürger" zu errichtendenMarmorstatue entbinden zu wollen."— Da der lose Bogel Bladein Privatmann ohne Rang und Titel war. so wird Berlin denBraven wohl nicht im Denkmal verewigt haben könne».Das Pech der elektrischen Bahn. Die„Charl. Ztg."bringt folgende Nachricht:„C h ar l o t t e n b u r g hat mitseiner elektrischen Bahn großes Pech. Erst ist der Widerstandder physikalisch-technischen Reichsanstalt zu überwinden; bishier alles im Reinen ist, läßt die Pferdebahngesellschafteinen Akkumulatorenwagen laufen, um den Charlottenburgern dadurch den guten Willen zu zeigen. Und nun ist dasVergnügen mit einem Male aus: der„blaue Anton" ist seitvorgestern gepfändet! Der blaue Anton, die Freude der Schul-jugend, die immer mit ihm wettzulaufen versuchte, der Stolz derCharlottenburger, führt jetzt ein traumreiches, thalenloses Daseinim Schuppen. Was nützen ihm alle Pferdekräfte, die in seinemInnern aufgespeichert find— gegen das blaue Siegel des kgl.preußischen Gerichtsvollziehers sind sie machtlos."— Weshalbder Wagen gepfändet worden und wem er gehört, ist in der Notizleider nicht angegeben.Arbeiterrisiko im Eisenbahnbetriebe. Sein Leben hatim Eisenbahnverkehr der 26 Jahre alte Eisenbahnarbeiter WilhMeincke eingebüßt, der aus Karolinenhof stammt und in demHause Kirchstr. 23 wohnte. Am Sonnabend Nachmittag gegenV/i Uhr befand er sich auf dem Bahnkörper der Stadtbahn undgerieth hinter dem Grundstück Holzmarktstraße 4 zwischen zweiin entgegengesetzter Richtung jährende Züge. Meincke wurdeso eingeklemmt, daß ihm der Brustkasten eingedrücktwurde. Dann scheint er gefallen zu sein; denn erhat auch noch an den Beinen erhebliche Verletzungendavongetragen. Als man ihn ausfand, gab er noch Lebenszeichenvon sich; die Verletzungen waren aber so schwere, daß der Todbereits eingetreten war, als die Eiscnbahnbehörde ärztliche Hilfeherbeigerufen hatte. Wem die Schuld an dem Unfälle trifft, hatsich bisher nicht feststellen lassen. Der Vorfall ist um fo be-trübender, als Meincke bei dem jammervollen Lohn, den er fürseine lebensgefährliche Arbeit bezog, seinen betagten Eltern, diein der Marck leben und demnächst nach Berlin übersiedelnwollen, eine Stütze sein sollte.Die Ausweisungen hier anwesender russischer Unterthanenfinden noch fortgesetzt statt. Dieser Tage erhielt, wie ein Berichterstatter meldet, eine seit 19 Jahren in Berlin seßhafte Frau A.und deren Familie eine Ausweisungsordre und zwar nachdemdie Frau ein Naturalisationsgesuch eingereicht hatte. DieseAusweisung ist um so auffälliger, als die A. eine Wittwe, sichund ihre Kinder in anständiger Weise ernährte, die Kinder abersämmllich in Berlin geboren sind und Frau A. nach russischemGesetz nicht russische Unterthanin ist. In solchen Dingen warder preußische Staat ja immer groß.Gekränktes Ehrgefühl hat die sechzehn Jahre alte TochterElse des Tischlers Thieme zu einer Verzweiflungsthat getrieben.Das junge Mädchen, dem im Hause ein gutes Zeugniß ausge-kellt wird, wohnte in der väterlichen Häuslichkeit und arbeitetein einem Geschäft der Frankfurterstraße. Sein Verhältniß zuder Stiefmutter war nicht besonders gut, und auch amSonnabend morgen haben Nachbarsleute gehört, wie ElseThieme der Stiefmutter zurief, daß sie sich nicht mehrschlagen lassen und beim Vater Beschwerde über die Be-Handlung führen werde. Was weiter in der im viertenStock des Hauses Grüner Weg 78 belegenen Wohnung vor-gegangen ist. hat niemand gesehen. Am Sonnabend Abend gegenneun Uhr hörte ein Brautpaar, daß auf dem Bahnkörper derRingbahn zwischen Friedrichsberg und Zentral-Viehhof jemanddumpf stöhnte. Auf eine Anzeige begab sich der diensthabendeStationsbeamte aus Friedrichsberg an den Ort und fand einjunges Mädchen, das sich von einem Zuge hatte überfahrenlassen, aber noch lebte. In einem Kleidungsstück fand maneinen Zettel mit dem Namen und der Angabe, daß die BeHand-lung der Stiefmutter die Ursache zu der That sei. Die sürchter-lich Verletzte wurde in einem Lück'schen Wagen nach einemKrankenhause gebracht, dürste aber ihren Verletzungen bereitserlegen sein.Die Errichtung einer Sanitätswache auf dem Zentral-Viehhofe ist bei dem zuständigen Kuratorium beantragt worden.Die Zigcunerfamilie, welche fast anderthalb Jahre aufdem Polizeipräsidium zubringen mußte, ist nunmehr nach Oester-reich„abgeschoben" worden. Die Leute sollen den preußischenSteuerzahlern 2300 Mark Kosten verursacht haben. Ueberdieshat man den armen Burschen selber drei Pferde und Wagen ab-genommen, welche versteigert wurden.Der Portier Kraft, welcher am Sonnabend wegen schwererSittlichkeilsverbrechen, begangen an seinen eigenen minder-jährigen Töchtern, zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren ver-urtheilt wurde, hat sich in der folgenden Nacht in feiner Zelleerhängt.Wiederum ein Selbstmord aus Arbeitslosigkeit. AlsLeiche ist der 31 Jahre alte Krankenwärter Hugo Ziemer wieder-gefunden, der bis vor kurzem im Krankenhause im Friedrichs-Hain beschäftigt war. Vor etwa zwei Monaten erhielt er ausnicht bekannten Gründen feine Entlassung und ist nicht im ständegewesen, sich ein anderes Unterkommen zu verschaffen. Schließ-lich ist er im Kampfe um das Dasein erlegen und hat den Todim Wasser gesucht. Man fand ihn am Sonnabend Abend um6 Uhr im Landwehr-Kanal am Maybach-Ufer.Das in dem Geschäft von P. Schirmer, Falckensteinstr. 7.entstandene Feuer, über welches wir am Sonntag berichtet haben,ist nicht durch Hantirung mit Benzin entstanden, sondern durchdas Ueberschlagen eines mit Kleidern behängten Ständers, dereiner Petroleumlampe zu nahe kam, verursacht worden.Die Schüstenstraße von der Friedrichstraße bis zur Char-lottenstraße und von der Charlottenstraße bis zur Markgrafen-straße wird wegen Herstellung einer elektrischen Bahn bis aufweiteres für Fuhrwerke und Reiter gesperrt.Infolge eines Falles ist am Sonntag Abend der 37 Jahrealte, wohnungslose Arbeiter Paul Heckert gestorben. Der Armewar auf dem Dönhoffplatz zu Boden gestürzt, hatte sich dann einStück weiter geschleppt und war schließlich ohnmächtig zusammen-gebrochen. Ein Schutzmann brachte den bewußtlosen Mann nachder Unfallstation V in der Brüderstraße, wo ein Arzt einen Becken-bruch feststellte und für Ueberführung des 5?ranken nach derCharitee Sorge trug. Dort ist Heckert infolge der Verletzunggestorben.Verschwunden ist seit Sonnabend die 13 Jahre alte TochterElsa des Gaftwirths Krasselt in der Oranienstraße 69. DasKind besuchte die 112. Gemeindeschule in der Wasserthorstraßeund soll, wie vermuthct wird, wegen der schlechten Zensur, diees erhalten, sich geschämt haben, nach Hause zu gehen. Ueberden Verbleib des Mädchens ist bis jetzt nicht das geringste zuermitteln gewesen.WitterungSnbersicht vom Z0. März 1896.KühleS. ziemlich trübes Wetter mit geringen Niederschlägenund schwachen nördlichen Winden.Berliner Wetterbureau.Nunst und IvistcnpchnN.Nansen. In dem kürzlich erschienenen Märzhefte von„Petermann's Mittheilungen"(Gotha. I. Perthes) schreibtH. Wichmann:„Die mit so großer Spannung erwartete Be-stätigung der Nachricht von Dr. Nansen's Ankunft in Ostasien istausgeblieben, und der bedeutende Zeitraum, welcher seit demersten Auftauchen des Gerüchts verflossen ist, berechtigt nicht allein.ja zwingt sogar zu der Annahme, daß klatschhaftes Vermischen vonWahrheit und Dichtung zu einer Legendenbildung geführt hat.Wäre Nansen mit seine» Gefährten, sei es auf den NeusibirischenInsel», fei es an irgend einem Punkte OstsibirienS, aufgetaucht,oder hätten die Promyschlenniks(Sucher von Mammuthzähnenund-Knochen) auf den Neusibirischen Inseln irgend welche Nach-richten über Nansen gefunden, so hätte jedenfalls ein GefährteNansen's oder eine Abschrift der gefundenen Nachrichten in-zwischen den Weg nach Europa gefunden. Baron v. Toll legtenach seiner Erforschung Neusibiriens den Weg von Ustjansk nachSt. Netersburg in wenig mehr als zwei Monaten zurück; beiden heute auch in Sibirien bedeutend verbesserten Ver-kehrsmitteln hätte also, wenn der Kaufmann Kuschnarewwirklich am 10. November 139» die betreffenden Nachrichtenüber Nansen erhalten hätte, eine Bestätigung längst eintreffenmüssen. Die Untersuchung, welche von der russischen Regierungangeordnet ist, wird hoffentlich den Ursprung dieser Gerüchte er-mittel». Die von dem Amerikaner E. B. Baldwin aeplante Auf-snchungsexpedition von Wladiwostok aus dürfte viel zu spät ihrZiel erreichen.In der letzten Sitzung der Physikalischen Gesellschaft,die unter dem Vorsitz des Professor Warburg am Freitag imPhysikalische» Institut tagte, beherrschten Röntgen- und Kathoden-strahlen wieder einmal die Tagesordnung Professor Goldstein,bekanntlich eine Autorität auf diesem Gebiete, berichtete überverschiedene Methoden, durch welche es gelingt, in viel kürzerereit als bisher photographische Aufnahmen nach dem Röntgen'schenerfahren herzustellen. Ma» hat die Lichtempfindlichkeit der Plattenbereits dadurch verstärkt, daß man dieselben mit sogenannten fluores-cirenden Stoffen bestrich; Prof. Goldstein empfiehlt dazu einen che-mischen Stoff, das Kaliumplatincyanür. welches eine Aufnahmebereits in fünf Sekunden bis zu zwei Minuten gestattet. Einjunger Ingenieur der Siemens u. Halske'schen Fabrik, Remans,hat sogar Platten konstruirt, welche dreimal so empfindlich fürRöntgen-Strahlen sind als die bisher gebrauchten und welche nurzehn Sekunden Expositionsdauer beanspruchten, der kürzeste bis-her erzielte Record! Mit solchen„Ferrotinplatten" hat ProfessorGoldstein eine Durchleuchtung der Leibeshöhle zustande gebracht,dergestalt, daß auf dem Bild das vorzüglich wiedergegeben«Knochengerüst des Rückgrats erschien; auch die Oberschenkelknochenwurden durch die dicke Muskulatur hindurch photographirt.Eine interessante Mittheilung machte im Beginn der Sitzungder Astronom Archenhold von der königlichen Sternwarteüber das sogenannte„schwarze Licht". Der Genannte wollteversuchen, ob Kathoden oder X-Slrahlen auch im Sonnenlichtnachweisbar seien; zu diesem Zwecke hatte er Metallkassetten, inwelchen sich lichtempfindliche photographische Platten befanden,längere Zeit den Sonnenstrahlen ausgesetzt. Es zeigten sich aufden Platten eigenthümliche Lichterscheinungen, die Archenholdnicht etwa auf besonders wirksame Strahlen, sondern aufLicht bezieht, welches durch feine, kaum sichtbare Seiten-öffnnngen der Metallkassette hindurchdringt. Machteman die Kassetten vollkommen lichtdicht, so daß keineStrahlen an irgend einer Stelle hineingelangen konnten,so blieb jede phototechnische Wirkung auf den Plattenaus. Daraus geht hervor, daß hier keine eigenen Strahlen,weder Kathoden- noch Röntgen'fche Strahlen, einwirken, sonder»daß es sich lediglich um seitlich eindringende gewöhnliche Licht»strahlen handelt. Aehnliche Erscheinungen hatte der französischePhysiker Le Bon vor einiger Zeit gefunden und dieselben einenganz neuen Agens(Wirksamen) zugeschrieben, welches er„schwarzes Licht" nannte. Nach den Versuchen Achenhold's undeiniger anderen französischen Physiker, die kürzlich der PariserAkademie mitgetheilt wurden, handelt es sich dabei aber nichtum eine neue wichtige Entdeckung, sonder» lediglich um Versuchemit fehlerhaften, d. h. nicht vollständig geschlossenen Metall-kassetten.