Morgenausgabe Nr. 244
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Das blutige Wochenende. Göll es zur ständigen Einrichtung werden? Am Schluß der vorvergangenen Woche haben sich in Berlin — von einem Dutzend kleinerer Raufereien ab- gesehen— folgende Bluttaten ereignet: Ecke Haupt- und Stierstraße in Schöneberg überfallen die nationalsozialistischen Abteilungen„Sturm 9", Sturm 4",„Sturm 3", nachdem sie in ihrem Vertehrslokal den Kampfplan festgelegt haben, gegnerische Passanten. Der Arbeiter Heinburger wird von ihnen mit dem Messer niedergestochen, auf der Flucht ein- geholt und buchstäblich zu Tode getreten. Aur gleichen Zeit schlagen sich in der Naugarder Straße die Angehörigen des nationalsozialistischen„Sturm 2" gegen einen Sportklub. Die Hakenkreuzrowdys feuern 15 Pistolenschüsse ab, durch die zwei Arbeiter, Schumann und Selenowski, getötet werden. Die jüngst vergangene Woche hat für Berlin und Um- gegend ähnlich geendet: In der Lützowstraße kommt es zu einer regulären Schießerei zwischen Nationalsozialisten und ihnen auflauernden Kommunisten. 15 bis 20 Schüsse werden gewechselt. Zwei unbeteiligte Frauen werden ver- mundet, bei der Verfolgung ihrer Gegner stechen die National- sozialisten den ebenfalls unbeteiligten Möbelträger Satzewa nieder.— In Fürstenwalde an der Spree wird der Kommunist Jopp von 8 bis 10 Nationalsozialisten über- fallen, niedergeschlagen und durch einen Messerstich g e- tötet. Es bedarf keiner besonderen Phantasie, um sich auszu- malen, wie das nach st e und das übernächste Wochenende in Berlin aussehen werden, falls nicht bis dahin die staatliche Autorstät mit ganz anderen Mitteln als bisher eingreift. Denn von den söge- nannten„politischen Führern", deren Blutsaat in diesen Taten aufgeht, irgendwelche freiwillige Einsicht und Umkehr zu erwarten, wäre eitle Utopie. Hakenkreuzler- und Kom- munistenpresse gießen eifrig Oel ins Feuer, sie stacheln ihre Anhänger weiter auf, indem sie einander wechselseitig die Schuld zuschieben, die beide Teile in ganz gleicher Weise trifft. Unerschütterliches Prinzip ist es im„Angriff" wie in der„Roten Fahne", die eigenen Leute in Schutz zu nehmen und ihnen den Rücken zu stärken, mögen sie noch so ersichtlich die Angreifer gewesen sein. Wenn zwanzig revolverbewaffnete Nazis ein Lokal umstellen und hinein- schießen, wenn sie ohne eigenen Verlust fünf Gegner töten und verwunden— in den Redaktionen der Goebbels und Strasser findet sich immer ein Berufslügner, der eine Legende von den angegriffenen und provozierten Braunhemden zu- sammenphantasiert und ihr„korrektes Verhalten" preist. Bei den Kommunisten und in der„Roten Fahne" ist es das gleiche mit umgekehrten Borzeichen. Danach kann kein Zweifel sein, daß die Führer der radikalen Gruppen eine Mäßigung des Auf- t r e t e n s, ein Abstoppen der Bandenkämpfe nicht wünschen. Sie wollen vielmehr ihre Leute an Gewalt- taten und Blutvergießen gewöhnen, sie wollen sie auf diese Weise für den Bürgerkrieg einexerzieren, sie wollen sie — nicht zuletzt— durch das Bewußtsein gemeinsam verübter Straftaten unlöslich aneinander kitten. Und wenn sie auch anders wollten, sie könnten nicht mehr: denn wie das Licht die Motten, so haben die Stoßtrupps und Sturmabteilungen all das an mordlustigem Gesindel an sich herangezogen, was sich in einer Viermillionenstadt verbirgt. Die, Ali".„Pipel" und„Eierschlamm" sind hüben wie drüben keine Einzel- erscheinungen. Um so mehr muß die Staatsgewalt sich Gedanken darüber machen, wie den zu Dauereinrichtungen gewordenen Straßenschlachten Einhalt zu gebieten ist. Sie muh um ihres eigenen Ansehens willen, aber auch der allgemeinen Sicher» hett wegen— sind doch die Todesopfer vielfach Unbetelligtel — diesen Zuständen ein Ende machen. Freilich, wer nach der Staatsgewast ruft, soll ihr auch Mittel und Wege weisen. Doch scheint uns, daß die vorhandenen staatlichen Machtmittel im Kampf gegen das politische Rowdytum noch keineswegs erschöpft sind. Von Polizeiverboten versprechen wir uns dabei nicht viel. Auf kommunistischer Seite hat das Verbot des Rotfront- kämpferbundes nicht verhindert, daß die zu Gewalltaten neigenden Elemente sich in anderer Weise zusammenge- schlössen haben und als Stoßtrupps jederzeit in die Erschei- nung treten. Eins ist jedenfalls sicher: schlimmer als die nationasozialistischen Sturmabteilun- gen hat es der Rotfrontkämpferbund zu keiner Zeit getrieben, und in jedem Falle müsien dies« beiden Organisationen mit dem gleichen Maß gemesien werden. Es dürfte interessieren, daß einige national- sozialistische Sturmabteilungen sozusagen„geschlossen" in die Strafverfolgung eingerückt sind: so schwebt fast gegen den gesamten„Sturm 25" die Unter- suchung wegen des Uebersalles am Görlitzer Bahnhof vom Dezember 192g, gegen„Sturm 29". Gruppe Röntgental und Kruppe Pankow wegen der Bluttat in Röntgental, Die
Partei des Bürgerkriegs. Reue Mordhetze der Hakenkreuzler/ Militärische Vorbereitungen
München , 26. Mai. (Eigenbericht.) In welch skrupelloser Weise die Führung der National- sozialisten ihre Anhänger in den SA. -Abteilungen zu M o r d- taten und zum Bürgerkrieg treibt, dafür bietet das Organ Hitlers täglich neue Beweise. Den bisherigen Höhe- punkt dieser verbrecherischen Hetze leistet sich das Blatt in seiner Ausgabe vom 27. Mai, in der ein verantworllicher Redakteur unter einem Pseudonym folgendes schreiben darf: „Hoch müssen wieder und wieder INeascheo sterben, vm unsere Idee der Erfüllung näher zu bringen. Hoch steht über dem Kapitel der verbundenen Köpfe nicht: e, war einmal. Hoch klingt das alte Lied der Sturmabteilungen: Das Krachen und Splittern und Schreien der verfammlungsschlachten. das Ersterben der Internationale, die von unserem Sang übertönt wird da und dort. Es wird nicht anders werden, bis wir die Macht im Staate haben." In der gleichen Zeitungsspalte wird dann in Fettdruck mitgeteilt, daß innerhalb der Reichsleitung der Partei eine besondere Aerztekommission, der Hochschulprofessoren und leitende Chefärzte angehören, geblldet wurde, um die Ein- führung eines Kopfschutzes für die SA. -Männer mit sachverständigen Ratschlägen zu unterstützen. Die Not- wendigkeit eines solchen Kopfschutzes werde aus der Praxis der Bersammlungsschlachten hergeleitet, wo � es sich gezeigt habe, daß fast alle schwere Verletzungen Kopfverletzungen seien. Gefordert werde in erster Linie ein Schutz gegen seit- liche Einwirkungen, vor allem gegen die Schläfen. Di« Sturmabteilungen der Hstler und Frick sollen dem-
nach künftig ihr blutiges Handwerk der Versammlungs- schlachten und der Straßenüberfälle mst einem neuen Stahl- Helm auf dem Kopfe betreiben. Frtcks Sturmabteilungen üben Straßenkampf. Weimar . 2S. Mai.(Eigenbericht.) Die Leitung des Reichsbanners S ch wa rz- R o t- G o ld Gau Thüringen teilt dem„S o z. Pressedienst" mit: „In letzter Zeit ist im Lande Thüringen ein« verstärkte militärische Tätigkeit der Rechtsradikalen wahr- zunehmen. Di« Uebungen werden in oller Oeffentlichkeit durchgeführt, nahezu unter Duldung der Landespolizei. Bezeichnend hierfür ist eine dieser Tage bei Gotha durchgeführt« Fddüfmng. Dort waren rund 250 uniformierte und feldmarschmäßig au»- gerüstete Hationalsozialisten zusammengezogen. Sie benutzten ein früheres Uebungsgelände neben dem Schießplatz der Landespolizei. In zwei Abteilungen eingeteilt, wurde ein streng durchgearbeitetes Manöver vollführt. Alle Schützengräben dieses Geländes wurden neu ausgehoben und aus- geputzt. An der feldmarschmäßigen Ausrüstung der Be« teiligten fehlten lediglich Seitenwasi« und Gewehr. Eine ähnliche Hebung wurde kürzlich von Stahlhelmern und Hationalsozialisten vereint bei Rudolstadt durchgeführt. . In einem, Steinbruch bei Altenburg übten Nationalsozia- listen Straßenkampf. Die Anzahl der Veteillgten war nicht genau festzustellen, da sie Veobochter in diesem Gelände fernzuhalten vermochten."
Einbruch in RorOwestindien. Ltnruhe der Polizei.— Siraßenschlachi in Nangoon.
Peschawar , 26. Mai. (Eigenbericht.) Der der indische« Nordwestgrenze benachbarte M o- Hammedaner-Stamm der Hadschk(eigentlich Ehrenname aller Mekkapilger) hat dieser Tage die Grenze überschritten, um sich der indischen Auf- standsbewegung anzuschließen. Die indische Regierung hat den Stammführer jetzt ultimativ aufgefordert, sich mit seinen Anhängern binnen 24 Stunden zurückzuziehen, andernfalls soll ein Luftangriff gegen die Mohamme» daner-Törfcr unternommen werde«. Die Mohammedaner werden dem Ultimatum aller Wahrscheinlichkeit nach Rechnung trage» und sich zurückziehen. Oie eingeborenen Polizisten schwanken. London , 26. Mai.(Eigenbericht.) Der Sonderkorrespondent de»„Daily Herald" in Zudien be- richtet, die eingeborenen pollzeibeamteu seien nur noch sehr schwer
zu bewegen, gegen die Anhänger Gandhis vorzugehen. Die briilsche Regierung müsse bald zu einem Uebereinkommen mit der Gandhi - Bewegung kommen, sonst müßte fle noch mehr Truppen hinschicken. Schweres Blutbad in Rangoon . In Rangoon , dem Haupthafen von Hinterindie». dem Gebiet zwischen Indien und Siam, haben sich im An- schluß an das Ende eines Dockarbeiterftreiks schwere Zusammen st öße ereignet. Nach den letzten Schätzungen wurden bei den gestrigen Zusammenstößen 26 Personen getötet und 2» 6 so schwer verletzt, daß sie im Krankenhause Ans- nähme finden mußten. 466 Personen wurden w e« uiger schwer verletzt. Zahlreiche Zusammenstöße. Die Lag« in Indien hat sich in den letzten 24 Stunden sehr verschärft. Streiks und Kämpfe mchren sich an zahlreichen wich-
eingangs dieses Artikels erwähnten Bluttaten wurden eben- falls geschlossen von nationalsozialistischer Sturmabteilungen (Nr. 2. 3, 4 und 9) ausgeführt. Ferner sind beteiligt an Bluttaten„Sturm 5 und 1". Damit ist der Charakter der nationalsozialistischen Sturmabteilungen gekennzeichnet. Aber eins tut bei allem not: eine prompte Justiz, die auf die Tat unmittelbar die Sühne folgen läßt. Wir erheben keinen Vorwurf, aber wir stellen rein objektiv fest: nachdem jetzt üblichen Verfahren dauert es meist vier bis sechs Monate, wenn nicht noch länger, ehe auch nur in erster Instanz eine Gerichtsverhandlung wegen derartiger Taten zustandekommt. Bis dahin ist die Tat halb vergessen, auch die Erinnerung der Zeugen unsicher geworden. Wir halten es für notwendig, daß spätestens vier bis sechs Wochen nach der Ergreifung der Täter ein Richterspruch erfolgt. Eine prompte und exemplarische Bestrafung der Täter würde Eindruck auf die Oeffentlichkeit. auch auf ihre eigenen Kreise machen. Vielleicht wäre es zu den Taten der letzten Wochen nicht gekommen, wenn die Morde vom Görlitzer Lahnhof und von Röntgental bereits vorher zur Aburteilung gelangt wären. Die jugendlichen Raufbolde wissen meist gar nicht, welcher strafrechtlichen Folgen sie sich bei derartigen Taten
aussetzen. Deshalb sollte der Herr Iustizminister die nötigen stattsanwaltlichen und richterlichen Kräfte freimachen, die dafür Sorge zu tragen hätten, daß in diesen Fällen ohne jede Verzögerung Recht gesprochen wird. Das ist ohne jede Gesetzesänderung möglich. Natürlich sind auch noch andere Maßnahmen diskutabel. Nur möchten wir darauf hinweisen, daß die jetzt von der Reichstagsmehrheit geförderte Amnestie für Feme - Mörder uns als das d e n t b a r s ch l e ch t e st e Mittel erscheint. um dem Blutvergießen in den Straßen Berlins Ein- halt zu tun. Sie weckt naturgemäß in den jugendlichen Raufbolden die Vorstellung, daß im schlimmsten Falle«ine Ergreifung und Berurtellung auch ihnen sehr rasch im Amnestiewege die Strafe erlassen werden würde. Alle Be- teuerungen, daß solches nicht beabsichtigt sei, werden keinen Eindruck machen angesichts der Tatsache, daß Zentrum und Demokraten, die im Jahre 1928 gemeinsam mit der Sozial- demokratie die Amnestierung der Klapproth und Fahlbusch ablehnten, unter dem Drucke der Rechtsagitation zwei Jahre später darin einwilligen. Menschenleben sind vernichtet, weitere werden als Opfer fallen, wenn der Staat nicht seine Aufgaben erkennt. Wir forden auf. zu handeln, ehe es zu spät ijtl