poltttfche Avbri-flchk. Berlin , 31. März. Noch ein Zengnißzwangs-Verfahren. Das„Volks- blatt für Halle und den Saalkreis * theilt unterm 30. März folgendes mit: „Heute Vormittag wurden dem Redakteur und dem Verleger des„Bolksblattes" sowie dem gesammten Setzer- personal der Äenossenschaflsdrucfuei und dem Geschäftsführer Genossen Jähnig Vorladungen zugestellt. Sie alle sollen morgen vernommen werden in einer Disziplinaruntersuchung gegen„Unbekannt". Das Verfahren geht von der Regie- rung zu Merseburg aus. Wir haben keine Ahnung, was das bedeuten soll; daß die Untersuchung auch ans sämmtliche Setzer ausgedehnt worden ist, giebt der Sache einen stark humoristischen Beigeschmack. Nun, wir warten in Ergebenheit der Dinge, die da kommen sollen." Die Peters- Gesellen entwickeln eine flohartige Thätigkeit. Jetzt schreibt angeblich zur Widerlegung der gestrigen Erklärung Bebel's einer der Sippe in der „Deutschen Tageszeitung*: Der Fall Peters. Berlin , 31. März. Wir hatten von einer Mittheilung der„Rheinisch- Westfälischen Zeitung" Notiz genommen, ivonach Bebel sich schon seit dem September 1834 im Besitz des den Dr. Peters belastenden Materials befunden habe. Bebel erklärt nun, daß diese Mittheilungen Erfindung seien, daß er vielmehr das Material über Dr. Peters erst wenige Wochen vor seiner Rede im Reichstage, zum theil sogar erst'während der Verhandlung im Reichstage erhalten habe.— Wenn diese Angaben Bebel's richtig sind: wie war es dann mög- lich, daß er das Material, das ihm während der Reichstagssitzung zugetragen wurde, auf seine Richtigkeit prüfen konnte? t) sancta simplicitas! Kann der Peters-Geselle sich nicht denken, daß es möglich ist, Material in einer Gestalt und unter Umständen zu erhalten, die jede längere Prüfung überflüssig machen? Ist er wirklich so schwer von Begriffen? Oder thut er nur so in seiner Ver- legenheit und Verlogenheit? Inzwischen arbeitet der Mädchen-Henker nach wie vor im Weinberge der Herren Kolonialpolitiker. Wir lesen in der„Freisinnigen Zeitung": Dr. Karl Peters fährt fort, in der Berliner Mtheilung der deutschen Kolonialgesellschaft an den Vorstandssitzungen t h e i l z u n e h m e n, obgleich er selbst nach den Vorgängen im Reichstag die Disziplinaruntersuchung gegen sich beantragt und den Vorsitz in der Abtheilung an den stellvertretenden Vorsitzenden Karl v. d. Heydt übergab. Infolge der Spaltung im Verein soll ein mcht unbeträchtlicher Theil der Mitglieder nach der„Magdeburger Zeitung" den Austritt aus der Ab- theilung Berlin und die Neubegründung einer Abtheilung Berlin-Charlottenburg in Aussicht genommen haben, welcher Schritt bekanntlich schon gleich nach der Neuwahl des Präsidiums in Erwägung gezogen ward. Nun— bei den Herren Kolonialpolitikern ist alles möglich. Sie haben ihre eigene Moral.— Zunftzopf in der Eisenbahnverwaltung. Man hätte glauben sollen, daß kein Betrieb so frei sein könnte von jedweden zünstlerischen Neigungen, von jedweder Ab- schließung gegen andere Berufe als das Eisenbahn- wesen, dieses Kind des 19. Jahrhunderts. Aber das Eisenbahn amt in Nürnberg belehrt uns eines besseren. Der„Nürnberger Anzeiger" veröffentlicht nämlich ein Zirkular, das wir— dessen Echtheit vorausgesetzt— hier wiedergeben: „Die Aufnahme von Professionisicn in den Arbeitcrstand für die Bahnverwaltung und für den Neubau wird hiermit aus- drücklich verboten. Auszunehmen davon find Bau- Handwerker von auswärts, wogegen in Nürnberg und Fürth Eingesessene nur dann in loko ausgenommen iverden dürfen. wenn die Nachforschungen bezüglich ihres Vorlebens ganz günstig aussallen.— Ferner ergeht hiermit strengste Weisung an die Bahnmeister- Distrikte, in der Auswahl der neu aufzunehmenden Arbeiter so vorsichtig als möglich zu sein, die Auf- genommenen gründlich zu überwachen und solche, welche nicht alsbald in jeder Hinsicht entsprechen, ohne Verzug zu entlassen. Die Vorarbeiter haben ihre vorgesetzten Bahn- meister dabei jederzeit unparteilichst zu unterstützen und alle Ver- antwortung mitzutragen, gegen gleichgiltige Vorarbeiter müßte eingeschritten werden!" bringt. Sie werden verdeckt durch den reißenden Ge- birgsstrom, verstopft von Aesten, die er mit fortgerissen. Dieser verläßt dann, zum Aerger der Ingenieure, das ihm bestimmte Bett und wählt den Weg früherer Jahre wieder. Es ist beschämend, diesen Weg von Tunis nach Kairuan zu sehen. Statt für Menschen und Wagen auf dieser Strecke eine Hilfe zu sein, macht er sie unpassirbar und schafft un- zählige �Gefahren. Man hat den alten guten arabischen Weg zerstört und an seine Stelle eine Reihe zerstörter Brückenbogen, ausgefahrner Geleise und Schlammlöcher ge- schaffen. Alles muß schon wieder ausgebessert werden, ehe es fertig ist. Man fängt bei jedem Regen Arbeiten an, ohne daß man sich gestehen will, daß man immer wieder aufs neue mit diesem Rosenkranz zusammen- gestürzter Brücken anfangen muß. Die Brücke von Enfidavike ist zweimal wieder hergestellt worden, und sie ist schon wieder weggerissen, die von Ued- el- Hamman ist zum vierten Male zerstört, vordem Die alten arabischen Brücken leisteten genügend Widerstand. Man fängt an, sich zu ärgern, denn der Wagen muß in die fast unzugäng- lichen Schluchten hinabgleiten, wo man in der Stunde zehn- mal umschlagen kann. Um diese schrecklichen Brücken zu vermeiden, muß man große Umwege machen, nach Norden gehen und. nach Süden zurückkommen. Die armen Ein- geborenen waren genöthigt, mit Beil und Hacke eine neue Passage durch das Dickicht der jungen Eichen, Lebensbäume, Pistazien und alappischen Fichten zu hauen, da der alte Weg von den Ingenieuren zerstört worden war. Bald verschwanden die Bäume und wir sahen nur noch eine wellenförmige, von Schluchten durchzogene Ebene, wo hie und da fleischlose, gebleichte Gerippe oder zur Hälfte von Raubvögeln oder Hunden ausgesreffenes Aas lag. Seit fünfzehn Monaten ist nicht ein Tropfen Regen in diesem Lande gefallen und die Hälfte der Thiere sind vor Hunger gestorben. Ihre Kadaver bleiben überall liegen, verpesten die Luft und geben dieser Ebene das Aussehen eines von der Pest verheerten und von der Sonne aus- gedörrten Landes. Nur die Hunde sind fett genährt von diesem in Fäuluiß übergegangenen Fleisch. Oft sieht man zwei oder drei über dasselbe verendete Thier herfallen. Mit ihren haarigen Pfoten ziehen sie an den Beinen eines Kameels oder einer Antilope, oder sie zerfleischen die Brust eines Pferdes oder einer Kuh. In der Ferne sieht man noch welche umherirren auf der Suche nach Aas und mit vorgestreckter Schnauze wittern. Ter Gedanke ist absonderlich, daß dieser seit zwei Klar geht auS diesem merkwürdigen Aktenstück hervor, daß nur aus Angst vor der Sozialdemokratie die Nürn- berger Eisenbahn-Verwaltung sich den Zunftzopf angehängt hat. Was das„Entsprechen in jeder Hinsicht" zu bedeuten hat, braucht Kennern schwarzer Listen nicht weiter erläutert zu werden. Interessant wird es sein, nun aber die zünstlerischen Handwerksmeister zu hören, die ihr eigenes Gewerbe gegen alle anderen abgeschlossen sehen wollen, denen nun aber die Eisenbahnthürjvor der eigenen Nase zugemacht wird. Vielleicht trösten sie sich darüber mit dem Gedanken hinweg, daß ja der Arbeiter-Reserve- Armee ihres Gewerbes der Rückzug in den Eisenbahnbetrieb abgeschnitten wird und dadurch den Meistern selbst die Be- knapfung der Löhne erleichtert wird.— Unterrichtsreaktiou in England. Die konservative Regierung sucht den Volksschnlunterricht der Geistlichkeit in die Hände zu spielen. Im Unterhause legte der Vize- Präsident des Unterrichtsdepartements, Sir I. E. Gorst, die Unterrichtsbill für England und Wales vor. Er führte aus, in den freiwilligen Schulen sei Raum für 3Vs Millionen Kinder. Wenn für diese Zahl von Kindern Raum in den Schul- rathsschulen geschaffen werden müsse, so würde das ein Kapital von 25 Millionen und jährlich für Unterhaltungs- kosten Ü1/* Millionen erheischen; hierin liege das Hinderniß für die Aufhebung der freiwilligen Schulen. Redner er- klärte dann, allen bedürftigen Schulen solle ein Zuschuß von vier Schilling pro Kind bewilligt werden, die Schulen würden von Abgaben befreit und die Schulpflicht werde bis zum zwölften Lebensjahre ausgedehnt werden. Die Wahl des Religionsunterrichts für ihre Kinder solle den Eltern freistehen. Acland erklärte, die Vorlage werfe das jetzige Schulwesen vollständig um, dieselbe müsse daher sorg- sältig geprüft werden. Jene„freiwilligen" Schulen sind nämlich sammt und sonders in den Händen der Geistlichkeit und die geplante Unterstützung würde ihnen dauernde Lebensfähigkeit ver- leihen, während es gerade der leitende Gedanke des jetzt geltenden Volksschulgesetzes war, durch Einrichtung von staatlichen Schulen allmälig die vorhandenen Parochial- schulen überflüssig zu machen. Dieser Prozeß war auch im besten Gange. Der Plan des Ministeriums Salisbury ist darauf angelegt, diese gesunde Eutwickelung rückgängig zu machen.— Vom Matabili-Aufstand. Die englische Regierung hat eine Depesche aus Buluwayo vom 31. März mitgetheilt, nach welcher die Matabili sich bei den Matopo-Hills sammeln und die Verbindungen mit dem Süden abzuschneiden drohen. Buluwayo habe Lebensmittel für einen Monat; die Eingeborenen scheinen gut bewaffnet zu sein. Nach einer weiter mitgetheilten Depesche von Sir H. Robinson aus Kapstadt hat Hauptmann Nicholson an diesen von Bnlu- wayo am Montag telegraphirt, es seien genug Mann- schaften zur Vertheidigung des Platzes vorhanden, aber es mangele an Waffen. Das Land in einem Umkreis von 15 engl. Meilen sei im Ausruhr. Die Depesche drückt außer- dem die Befürchtungen aus, daß die Vorgänge ernster Art seien. Danach liegt die Sache nicht so rosig, wie die ansäng- lichen Berichte von Buluwayo hatten glauben machen. Es sollen ungefähr 3000 Weiße in Rhodesia leben, von denen die meisten wohl in Buluwayo und Umgegend zusammen- gezogen werden konnten. Aber die Entfernungen sind groß in Südafrika ; es kann noch lange Zeit vergeben, ehe aus dem Kaplande Hilfe auf den Schauplatz der Kämpfe mit den Matabili geschafft werden kann.— «*:» Deutsches Reich . --FrauGnauck-Kühn«, RobeZpierre. Börne, Tölcke, Hasselmann und die neumodischen Literaten. Wer bringt diese alle in engen Zu- sammenhang in einem Leitartikel? Die hochoffijiöse „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" natürlich, die in letzter Zeit die Stumm'fche„Post" in Klassenverhetzung und Unternehmerverherrlichung zu übertreffen sucht. Frau Gnauck- Kühne hat in dem soeben erschienenen Hefte des Schmoller'schen Jahren von der unerbittlichen Sonne gedörrte Boden, nach- dem er einen Monat lang von Regengüssen überschwemmt ist, gegen März und April eine endlose Wiese sein wird, bedeckt mit unzähligen Blumen und mannshohen Krälitern, wie wir sie kaum in unseren Gärten sehen. Jedes Jahr, wenn es regnet, verwandelt sich Tunesien aus der ödesten Sandwüste in die saftigste Wiese. Aus der Sahara ohne ein Grashälmchen wird sie in einigen Tagen wie durch ein Wunder eine üppige von frischem Grün bedeckte, von Wärme berauschte Normandie , die so von Saft strotzt, daß man sie förmlich aus der Erde sprießen und wachsen sieht. Sie wird von den Arabern stellenweise auf eine sehr einfache Art bebaut. Diese bewohnen helle von ferne ficht- bare Dörfer oder Zelte, Hütten aus Zweigen oder verdeckte Baracken, die wie ungeheure Pilze hinter dem trockenen Ge- sträuch oder Kuktusgehölz hervorragen. Wenn die letzte Ernte reichlich gewesen ist, entschließen sie sich bei Zeiten, mit der Arbeit anzufangen, aber wenn die Dürre sie hat fast verhungern lassen, warten sie meist die ersten Regengüsse ab, um ihre letzten Saatkörner zu riskiren, oder um sich von der Regierung Saatkorn zu leihen, die es ihnen zu billigen Bedingungen giebt.'Wenn dann die schweren herbstlichen Regengüsse den Boden ausgeweicht haben, suchen sie den Kaid(eingeborenen Gouverneur) auf, der das fruchtbare Land inne hat, oder den neuen euro - päischen Gouverneur, der es oft theurer verpachtet, aber sie nicht bestiehlt, und der ihnen bei ihren Streitigkeiten eine unparteiische Rechtsprechung bietet. Da bezeichnen sie die von ihnen gewünschten Läudereien, markiren die Grenzen und nehmen sie dadurch für eine einzige Saison in Pacht. Dann machen sie sich an das Bestellen. Da sieht man ein erstaunliches Schauspiel. Immer wenn man aus den steinigen und sandigen Gegenden in fruchtbare Gegenden kommt, erscheinen in der Ferne die fabelhasten Silhouetten der au den Pflug gespannten Arbeitskameele. Das sehr phan- tastische Thier zieht mit seinem langsamen Schritte das hölzerne Instrument, das der mit einer Art Hemd bekleidete Araber stößt. Bald vervielfältigen sich diese interessanten Gruppen, denn man nähert sich einer gesuchten Gegend. Sie gehen, kommen und kreuzen sich durch die ganze Ebene, indem sie das unbeschreibliche Profil des Thieres mit dem Menschen und dem Pfluge herumführen, die zusammen- geschweißt und nur ein einziges, wunderbares und feierlich- drolliges Wesen zu sein scheinen. (Fortsetzung folgt.) Jahrbuches für Gesetzgebung, Verwaltung und Volk?- ivirthfchast(SS. 373—440) eine durch Sachlichkeit, Ernst, gründliche Verarbeitung selbstgesammelten statistischen Materials sich auszeichnende Untersuchung über die Lage der Arbeite- rinnen in der Berliner Papierwaaren- Industrie publizirt, deren Resultate beweisen, daß die Lage der Arbeiterinnen in diesem Großgewerbe sowohl was die Lohnhöhe, die Dauer der flauen Zeit und der Ueberstunden�die Wohnungs- Verhältnisse als auch die sanitären und moralischen Verhältnisse anlangt, eine tieftraurige ist und nach? gründlicher Aenderung ruft. Die Arbeit bietet bedeutende Einblicke in das Wesen der Aus- beutung der Arbeiterinnen und hält mit einer rückhaltlosen, sich aber stets streng an die Thatsachen haltenden Kritik nicht zurück.*) Das Organ der Regierung und des Unternehmerthum?, die„Nordd. Allgemeine Zeitung ", kann das Material, das Frau Gnauck theils als freiwillige Arbeiterin, theils als wissenschaftliche Forscherin mühsam gesammelt und ehrlich verarbeitet hat, nicht entkräften, keine einzige Thatsache erwähnt sie, ja den Titel der Arbeit unterdrückt sie, dafür geifert das Blatt, das über das angebliche Halbwissen anderer sich entrüstet, über diese wissenschaftliche Untersuchung, als ob Frau Gnauck mit einigen Dynamitbomden in der Nähe der Redaktion des ärgsten deutschen Reptils gesehen worden wäre. Wir hätten des Artikels dieses Schmutzblattes nicht so aus- führlich Erwähnung gethan, wenn es nicht noch heute un- bestritten als ein Organ der Regierung gälte. — Für und wider Stöcker tobt jetzt der Kampf in den konservativen Parteiversammlungen Berlins . Gestern be- schäftigte sich der Kreisverband des 6. Reichstags- Wahlkreises des Berliner deutschkonservativen Wahlvereins mit der Stelluug zur christlich-sozialeu Partei. Schließlich wurde eine Resolution angenommen:„Die Versammlung bedauert allerdings den Aus- tritt des Hofpredigers Stöcker aus der konservativen Partei, spricht aber dem Vorstande der konservativen Partei nach wie vor ihr volles Vertrauen aus und gelobt, nach wie vor demselben treu zur Seite stehen zu wollen!"— — Dem antiagrarischen Schutzverband hat das Zentralkomitee jetzt auch einen geschäftsführenden Ausschuß von fünf Personen gegeben. Es befinden sich darunter an politisch bekannten Persönlichkeiten Stadtrath Weigert und der ehemalige Reichstags-Abgeordnete Schräder. Vorsitzender ist der Kommerzienrath Herz, gleichzeitig Vorsitzender des Aeltesteii- Kollegiums der Kaufmannschaft. Freisinnige Zeitungen versichern triumphirend, daß in Bremen bereits 1000 Mitglieder dem Ver- bände beigetreten seien und daß in Berlin schon 100 000 M. für die Zwecke des Verbandes gezeichnet wurden. Dann kann also der frische fröhliche Krieg des mobilen Kapitals gegen den Großgrundbesitz losgehen.— — Bismarck's Schwiegersohn, der zur Disposition gestellte frühere Gesandte in Holland , ist zu Bismarck's Geburts- tag zun, wirklichen Geheimen Rath mit dem Prädikat Exzellenz ernannt worden.— — In Weimar ist eine Reichstagsnachwahl wahrschein. lich geworden, weil die Wahl des bisherigen Abg. Reichmuth (freikonservaliv) beanstandet wurde und demnächst deshalb durch den Reichstag kassirt werden kann. Für eine Koalition der Ordnungsparleien sucht die„Nordd. Allg. Ztg." jetzt bereits Pro- paganda zu machen. Das offiziöse Blatt schreibt nämlich: „Soll das Mandat nicht an die Radikale» verloren gehen, die jetzt schon sehr lebhaft in die Wahlagitation ein- treten, so muß bald thunlichst eine Auseinandersetzung mit dem Bund der Landwirthe erfolgen, bei welcher festzustellen wäre, welche Zielpunkte er festhalten und welche er preisgeben will, denn die Aussicht,«in Mitglied dieser wirthschaftlichen Vereinigung durchzubringen, halten wir für die größte. Hoffentlich werden der Antrag Kanitz und der Bi- metallismus, für welche Freikonservative und Nationalliberale unter keinen Umstände» hier zu haben sind, nicht wieder dem Einigungswerk hinderlich in den Weg treten." Es ist sehr bezeichnend, daß das offiziöse Blatt auf solche Weise für den Bund der Landwirthe Propaganda macht, un- mittelbar nach dem Renkontre des Reichskanzlers mit dem Grafen Mirbach und der gestern von uns erwähnten offiziösen Charakterisirung der Bündler als einer geiueingefährlichen Gesell- schaft. Die sanfte Abweisung des Antrages Kanitz und der Silberwährung ändert wenig daran. Wie können nach solchen Proben die Agrarier den offiziösen Grimm noch enist nehmen?— — Eine recht nette Zensur stellt die konservative .Badische Landpost" den Nationalliberalen anläßlich der Flach- schen Rüpelei aus, die sie zu beschönigen sucht, indem sie schreibt. daß Ohrfeigen bei den Liberalen keine so großen Seltenheiten seien. Wörtlich fährt sie fort:„Wir sind zederzeit bereit, den Beweis dafür anzutreten, �daß der Austausch von Ohrfeigen in den liberalen Kreisen zu den sanktionirten Gebräuchen gehört." Werden die Vertreter„der Bildung und des Besitzes" den Nachweis fordern?— i — Die Verstaatlichung der städtis chen Polizei i n H e s s e n soll demnächst, wie das„Offenbacher Abendblatt" meldet, in den Ständen zur Verhandlung kommen. Motivirt wird der Schritt insbesondere mit der Nothwendigkeit einer energischen Handhabung der Polizeigewall in den größeren Städten des Landes, deren Bevölkerung und Verkehrsverhältnisse stetig steigen. Die Organisation soll Preußen und Baden nachgebildet werden. In den Städten Darmstadt , Mainz , Offenbach . Worms und Gießen soll die örtliche Polizeiverwaltung dem Kreisrath des Kreises, dem die Stadt zugetheilt ist, zustehen. Jedoch kann auf Antrag der Stadtverordneten- Versammlung dieser Städte die Handhabung der Bau-, Messe-, Markt-, Hafen-, Schlachthaus-, Viehhof-, Armen- und Feldpolizei dem Bürgermeister vom Ministerium übertragen werden. In diesem Fall hat auch die Stadt die Kosten dieser Polizeiverwaltungskosten zu bestreiten. Im übrigen trägt die Kosten der Polizeiverwaltung der genannten Städte der Staat, während die Stadtgemeinde einen bestimmten Zuschuß leistet. Die sonstigen Bestimmuligen des Gesetzeutwnrss betreffen die Polizeiverwallung in den übrigen Gemeinden und Ge- markungen des Landes. Der Gesetzentwurs wird angesichts der bevorstehendeu Schließung des Landtags wohl erst im Herbst zur Beralhung in den Kammern gelangen.— Oesterreich. Wien , 31. März. Wie die„Neue Freie Presse" meldet, schlägt die österreichische Quotendeputation die Quote für Oester- reich zu S6.84 pCt. und die für Ungarn zu 43,18 pCl. an dem Gesammtantheil zur Deckung der gemeinsamen Auslagen vor. Außerdem stehe die Deputation auf dem Standpunkt, daß, falls Oesterreich durch das Uebercinkommen betreffend die Vertheilung der Verzehrungssteuer mehr belastet würde, dasselbe einen weitere» Anspruch auf Kompensation besitze. Frankreich . — Bei derBerathung des Kredits für Mada- gaskar im Budget-Ausschusse theille Minister-Prästdent Bour- geois mit, die Mächte, insbesondere England und die Vereinigten Staaten , hätten Ausklärungen über die Folgen des neuen Regimes in Madagaskar verlangt. Bisher hätten die Ausklärungen nicht gegeben werden können. — Leo Frankel. Dem schönen Nachruf, den der französische Abgeordnete Gerault-Richard Leo Frankel widmet, entnehmen wir noch die folgenden Angaben: Er starb an der Schwindsucht. ") Wie wir ans einer Anzeige des„Buchhändler-Börsen- blattes" ersehen, wird ein Separatabdruck dieser Arbeit in den nächsten Tagen bei Duncker u. Humblot zum Preise von 80 Pf. erscheinen.
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