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Nr. 251

47. Jahrgang

Technik

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Sonnabend

31. Mai 1930

Die Zweite Weltkraftkonferenz in Berlin 1930

In diesem Jahre wird Berlin zum ersten Male nach langer Zeit wieder der Schauplatz einer internationalen technisch- wirtschaftlichen Beranstaltung größten Stiles sein. Vom 16. bis 25. Juni werden in Berlin die hervorragendsten Vertreter der Technik und der Wissen schaften, der Industrie und der Wirtschaft sowie führende Staats­männer aus rund 50 Staaten zusammenkommen, um an den Ver­handlungen der Zweiten Vollsizung der Welt trafttonferenz

nehmen.

beilzu­

Die Weltkraftkonferenz, die von England ins Leben gerufen wurde, um durch internationale Zusammen­

Dolmetscher- Mikrofone

Rednermikrofon

L

Sprechtrichter

Le

Deutsch

English

Français

Ersatzmikrofone

L

arbeit die Erzeugung, Ver= teilung und Verwendung von Energie in jeder Form wissen­schaftlich und industriell zu fördern, fand als Vollkonfe= renz zum ersten und bisher einzigen Male im Jahre 1924 in London statt. Seitdem munden mur Teiltonferenzen abgehalten; in Basel ( 1926) standen Fragen der Wasser­traftnutzung und Binnenschiff­fahrt, in London ( 1928) Brennstoffragen zur Erörbe­rung. Auch die Veranstaltungen in Barcelona ( Mai 1929) über Wasserkrafterschließung und in Tokio ( Oktober 1929) über die Entwicklung der Energiequellen stellten Teiltagungen dar; die letzt. genannte fiel mit dem großen Weltingenieurtongreß zusammen. Die gesamte Leitung liegt in den Händen der vom Deutschen Nationalen Komitee geschaffenen Organisation, deren Geschäfts­

Deutsch English Français

יח

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und die größte Gleichrichter- Bahnstromversorgungsanlage der Welt; in der Nähe Berlins : Braunkohlengruben und bedeutende Braun fohlenkraftwerke; im Rheinland : Steinkohlen und Braunkohlenberg werke, Kofereien, Hüttenwerke, Elektrizitätswerke und Ferngasver­forgungsanlagen, ferner eine 220/380 kV- Anlage und das größte Pumpspeicherwert Europas ; in Mittel- und Süddeutschland : mehrere

Lichtzeichentafel

Deutsch English Français A

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6

Schaltkasten

Lautstärkeregler

Verstärkerschrank

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Redner

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Reserve

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Reserve

Français

Aufbau der Anlage

zu weiteren Anschlussen

große im Bau befindliche Bumpspeicheranlagen, chemische Fabriten, ein großes Dampftraftwert für Höchstdruckdampf in Baden und die 220/380 kV- Leitung von Rheinland- Westfalen nach der Schweiz . In Bayern ist die Besichtigung großer Wasserkraftanlagen und des Deutschen Museums in München vorgesehen, außerdem werden be deutende elektrochemische Anlagen gezeigt. In Schlesien werden die Stromversorgungswerte für die elektrischen Gebirgsbahnen, ferner betammte Kohlengruben und Hüttenwerte zu sehen sein. Weiterhin führen die Fahrten zu den Schiffswerften in Norddeutschland, ferner werden in vielen Städten die Technischen Hochschulen mit ihren Ein­richtungen gezeigt.

Das Interesse, das der kommenden Tagung von allen Staaten ent­gegengebracht wird, ist überaus rege. Der Stand der Vorbereitungen läßt erwarten, daß die Zweite Bollsitzung der Weltkraftkonferenz ebenso wie alle ihre bisherigen Beranstaltungen für die gesamte technische Welt ein Ereignis allerersten Ranges sein wird.

Der Mehrsprachenapparat der Berliner

Weltkraftkonferenz

Die große internationale Weltfrafttonferenz wird eine technische Neuerung in ihren Dienst stellen, die geeignet ist, bei allen Beranstaltungen, deren Teilnehmer verschiedene Sprachen sprechen, wesentlich zur Erleichterung der Verhandlungen beizutragen: den Mehrsprachenapparat. Diese in den Sigungsfälen der Kon ferenz eingebaute Uebersezeranlage bezweckt, die Rede des jeweiligen

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Vortragenden jedem Zuhörer unmittelbar in die von ihm verstandene Kongreßsprache, deutsch , englisch oder französisch), bereits übersetzt zuzuleiten. Vor dem Rednerpult nehmen soviele Dolmetscher Blaz, wie Uebersetzungen benötigt werden, und zwar vermag die für die Berliner Weltkraftkonferenz geschaffene Anlage sogar bis zu 5 Uebersehungen gleichzeitig zu verbreiten. Außer den drei genannten Sprachen fönnten also noch zwei meitere über­tragen werden. Die Dolmetscher, die selbstverständlich außerordent­fich gewandt fein müssen, übersehen sofort die Worte des Redners und sprechen die Uebersehung in ein Mikrophon besonderer Kon­struttion. Es ist mit einem schalldichten Trichter versehen, damit die Dolmetscher weder einander noch die Versammlung stören.

Um ein pausenloses Ablösen zweier Dolmetscher zu ermöglichen, find jeweils zwei Mitrophone parallel geschaltet. Die von den Mitro phonen ausgehenden Sprechströme gelangen in je einen Verstärker und von hier zu Schaltkästen, an welche die Zuhörer ihre Kopf­hörer anschließen. Der vor jedem Teilnehmer stehende Schalttaften weist außerdem noch einen Druckknopf auf, mit dem die Lautstärke zu regulieren ist. Da der Redner selbst gleichfalls in ein Mifrophon spricht, damit seine Ansprache auch mit Kopfhörern aufgenom men werden kann, hat jeder Zuhörer vorausgefeßt, daß sämtliche Dolmetscherplätze besetzt sind die Auswahl unter sechs Sprachen. Um allgemein erkennbar zu machen, welche Sprachen im jeweiligen Augenblick abgehört werden können, wird hinter dem Bortragspult eine Tafel mit sechs Signallampen angebracht, von benen soviele aufleuchten, wie Sprecher tätig sind. Die gleiche Signal tafel befindet sich auch an der Berstärkereinrichtung, um hier an< zuzeigen, welche Berstärker benötigt werden. Es werden dreistufige Nezanschlußverstärker benutzt, die zu sechs in einem Schrank zu

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Hörergruppe

sammengebaut sind. Für die gesamte Apparatur werden ungefähr 5 bis 6 Kilometer Doppelleitung verlegt, um 1000 Hörstellen in den Vortragsjälen anschließen zu können.

Blick in den Vortragssaal während eines Vortrages

stelle sich im 3ngenieurhaus, Berlin Nw 7, befindet. Mitglieder des Deutschen Nationalen Komitees sind die Ministerien, die Technischen Hochschulen, die bedeutendsten technisch- wissenschaft­lichen Vereine, die Spizenverbände der deutschen Industrie, die Reichsbahn und andere namhafte Körperschaften.

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Für die Konferenz wurden bereits umfassende Vorarbeiten ge­leistet. Nicht weniger als 300 der bedeutendsten deutschen Fach­männer sind seit mehr als einem Jahr dafür tätig, den Boden für eine fruchtbringende Arbeit auf den einzelnen Fachgebieten feste, feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe, Dampf-, Verbrennungs- und Wassertraft, mechanische Energie, Elektrizität, schließlich Normung, Ausbildung, Statistit u. a. m.- vorzubereiten. Von den 400 ange­meldeten Beiträgen, die bereits mehrere Monate vor Konferenz­beginn gedruckt vorliegen und Interessenten auf Wunsch zur Ver­fügung stehen, werden auf der Tagung selbst lediglich die wichtigsten Ergebnisse durch Generalberichterstatter vorgetragen.

Neben dem umfangreichen wissenschaftlichen Programm sind in den größten Sälen Berlins einige Vorträge allgemeiner Natur vorgesehen, in denen sich bedeutende Energiefachmänner

,, Chemische Kampfstoffe"

Ein Rückblick und Ausblick

Betrachtet man die Waffengattungen, die bei den einzel-| wesenheit anzeigen, unbewußt, d. h. unerkannt vom Gegner einge nen Völkern in den letzten zehn Jahren immer mehr vervollkommnet wurden, fo wird man finden, daß es sich um Verteidigungsmittel handelt, die dem neuesten Stande der Technit, des Verkehrs und der handelt, die dem neuesten Stande der Technik, des Verkehrs und der Wissenschaft entsprechen, um gegen Angriffe von außen gerüstet zu fein- troß der entfeßlichen Erfahrungen des Weltkrieges.

Und gerade nach dem Weltkrieg spielt das chemische Gas eine ganz bedeutende Rolle. Alle modernen Industriestaaten Europas und des Fernen Ostens beschäftigen sich in den letzten Jahren sehr ein. gehend mit der Gastech nit, ihrer Anwendung wie Abwehr. Auch die in den einzelnen Staaten gegründeten Organisationen haben in deren Rüstungsprogramm festen Fuß gefaßt.

Die richtige Bewertung des chemischen Krieges fett naturgemäß die Kenntnis seiner Mittel, der chemischen Kampfstoffe", voraus. Es handelt sich vorwiegend um organische Körper im komplizierten Berband. Man kann sie in zwei Hauptgruppen einteilen: in ,, Rei 3- stoffe" und in Giftstoffe". Entsprechend ihrer physiologischen Wirkung unterscheidet man folgende Untergruppen: Die tränen. erregenden Gafe" sind vornehmlich organische Halogen. verbindungen, d. h. Berbindungstypen von Kohlenstoffförpern mit Halogen Brom bzw. Chlor, wie z. B. Bromaceton, Bromessig ester, Benzylbromid, Chlorpifrin, Chloracetophenon u. a. Die ,, lungenschädigenden Gase" wie Chlor und der sogenannte Grünkreuz­fampfstoff: Phosgen COCl2), das neutrale Chlorid der Kohlen­fäure, das durch seine Reaktion auf die Lungenoberfläche ,. Ber­äzungen und Bronchiopneumonie hervorruft, und weiterhin, da lipoidlöslich, den sofortigen 3eiltod bedingt u. a. m. Es folgt alsdann die Blausäure- Gruppe", deren Hauptver treter eben die Blausäure, ein Chanderivat, ist. Ein sehr heftiges, schnell wirkendes Nervengift( Bittermandelölgeruch). 3ur ,, Senfgas Gruppe" zählt der sogenannte Gelbkreuzfampfstoff, und Wissenschaftler vor der breiten Deffentlichkeit über afturelle das Genfgas, chemisch benannt: Dichloräthylsulfid, ein Körper, der das Senigas, chemisch benannt: Dichloräthylsulfid, ein Körper, der Fragen und Zukunftsaufgaben der Energiewirtschaft äußern werden. auf der Haut Blasen zieht. In diese Kategorie fällt auch der ameri Außerdem finden mehrere groß angelegte gesellschaftliche Beranſtaltanische" Kampfftoff: Lewisit .- ,, Arfin- Gruppe". Als Füll­tungen sowie zwanglose Zusammenfünfte der Konferenzteilnehmer förper für die Blaufreuzmunition diente vorwiegend das Dipheny statt. Nach Schluß der Tagung werden auf mehreren sternförmig larfinchlorid, ein niefenerregender Stoff. 3u erwähnen von Berlin ausstrahlenden Reisen den Teilnehmern der Tagung die wäre noch als Spreng- und Kampfstoff, richtiger: Gas, das Stätten deutscher Arbeit und deutschen Schaffens gezeigt und dabei Kohlenmonogyd, ein Blutgift". rund 200 Industrieanlagen besichtigt werden. In Berlin: die he= deutendsten elektrotechnischen Fabriken, Kraftwerke, Gaswerke, wissenschaftliche Institute und u. a. die größte Dampfspeicheranlage

Dolmetschertisch

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Hinsichtlich der friegstechnischen Bewertung sind wohl diejenigen Kampfstoffe als die gefährlichsten zu bezeichnen, die, ohne durch irgendwelche äußeren Merkmale, wie durch Reizwirkung, ihre An­

atmet werden und unter Umständen erst nach einer gewissen Zeit­spanne ihre verheerende Wirkung hervorrufen. Durch Feststellung der Kennzahlen( lies: Eigenschaften), d. h. des spezifischen Gewichtes, des Siedepunktes, der Löslichkeit, Verdampfungstemperatur und Wärme und verschiedenes andere mehr der betreffenden chemischen Kampfstoffe ist man in der Lage, die Körper in die zugehörige Gift­gruppe einzufügen und zu verwerten.

Die Grünkreuztampfstoffe" dienten als kurzwirkende, schnellverschwindende Gase( durch leichte Berdimnung mit der Atmo­sphäre) dem Angriff, die Gelbkreuztampfstoffe" wurden zufolge ihrer langandauernden Wirkungsfähigkeit zur Verteidigung verwendet. Zu den Kampfgasen, die zwar nur furze Zeit gefechts­unfähig machten, jedoch die Gasmasken durchschlugen, zählte die Kategorie der Blaufreuzfampfstoffe".

Es ist nun nicht gesagt, daß die stärksten Gifte gastechnisch die führende Rolle spielen, auch hier gibt es verhältnismäßig nur wenige Substanzen, die für den fünftigen Massenmord in Frage kommen. Die oben angeführte Blausäure 3. B., eines der stärksten Gifte, iſt nahezu infolge seiner leichten Verflüchtigung als Kampfstoff unge­eignet. Einesteils muß der Kampfstoff leicht vergasbar sein und schnell wieder verschwinden, andererseits ergeht die Forderung nach langem Verweilen im Vergasungsgelände, d. h. möglichst erhöhte Beständigkeit des Kampfgajes gegen Berdünnung.

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,, Während man im vergangenen Kriege kaum ein Dußend giftiger Gase kannte, zählt die Chemie deren heute schon über 1000, und zwar Gase von solcher Furchtbarkeit..." Solche und ähnliche Alarm­nachrichten kann man des öfteren in den Tageszeitungen lesen. Dem gegenüber ist festzustellen, daß durch die während des Krieges erfolgte überaus vielseitige Bearbeitung die Entwicklung der chemischen Kampfstoffe zu einem Abschluß gekommen sein dürfte und daß es geringe Wahrscheinlichkeit hat, daß mesentlich neue chemische Produkte von Kampfstoffen in unbekannten Berbindungen auftreten.

Gelänge es jedoch, ein Mittel der Abwehrmöglichkeit, d. h. ein absolut wirffames Gasschutzmittel gegen die chemischen Kampfstoffe zu finden, so würde der Wert dieser augenblicklich noch furchtbaren Angriffswaffe gleich) Null sein. Das beste Mittel aber ist eine ver­nünftige Politif, die es versteht, Kriege zu vermeiden. Und sicherlich hat hier die Sozialdemokratie die Richtlinien, die einzuschlagen find, aufgezeigt.