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A.M. Frey: Der Urgroßvater

Bon A. M. Frey, dem Besfaffer des in unserem Feuilleton vet öffentlichten Romans Die Pflastertäten, erfcheint demnächst bei Riepenheuer eine Parodie auf den autobiographischen Roman unter dem Titel Das abenteuerliche Dasein". Wir bringen daraus das nachstehende Kapitel.

Ich habe eine zähe konstitution; das bewies ich als Säugling und als Jüngling durch Ueberwindung von Enttäuschungen, die einen zarteren vielleicht zeitlebens aus den Angeln gehoben und zum erotischen Sanderling gemacht hätten. Ich war aber nicht attionslos geworden; ich konnte mich immer noch dorthin drehen, mo schöne Frauen zu erblicken waren, nur daß ich sie mit einem flammenden und einem fohlenden Auge betrachtete, nur daß die Berdüsterung meiner Glut bei jungen Jahren seltsam fein mochte; aber sie bot für die Partnerinnen den Reiz des Ungewohnten und fam mir zustatten.

Während ich das niederschreibe, blinkt mir aus der Kette der Borfahren ein Glied entgegen, dem ich mich besonders verbunden und zu Dank verpflichtet fühle wegen meiner Widerstandsfähigkeit.

Einer meiner Ahnen mütterlicherseits war Teilnehmer am spanischen Erbfolgefrieg. Es herrschte damals die Mode bei den Offizieren, ihre Familie mit ins Feld zu nehmen. Das Tempo der Kriegführung war dazu angetan. Beim letzten weltumspannenden Schlachtfest freilich war es nur Etappenoffizieren, die das Meffer in der Scheide beließen, möglich, eine Variation dieser ehemaligen Mode vorzunehmen: sie gründeten in Belgien , und wo es sonst war, neue Familien um die sie sich später wenig fümmerten, denn ihnen allen war ja vergönnt, wohlbehalten in die Arme der lieben alten zurückzufinden.

Aber mein Ahne nahm seine Familie mit hinaus in die Aus­einandersetzungen wegen der spanischen Erbfolge. Bei dieser Ge­legenheit wurde mein Urgroßvater geboren. Eines Tages, in der Haft des Zusammenpadens, als man Reißaus nehmen mußte, ob­wohl der Troß gerade die gemütlichsten Feuerchen angezündet hatte, um eine Herde von Spanferkeln zu rösten, geriet er nicht mit in ben finderreichen Planwagen, sondern blieb diegen zwischen den rosigen Leibern der geschlachteten Schweinchen, denen er wohl in einer verhängnisvollen Weise glich.

Die Art von Mimitry wurde für ihn zum Unheil: man übersah thn, man entdeckte im Trubel nicht gleich sein Fehlen und polterte davon. Als ihm das Alleinsein zwischen den Kadavern zu ein­tönig wurde, fing er an zu schreien. Gud , da lebt noch so ein Säulein", sagte ein vorbeimarschierender Soldat zu seinem Rame­raden und packte den Urgroßvater an der Nackenhaut. Als er ent­deckte, daß er einen Menschen aufgelesen hatte, wäre er beinahe der Versuchung erlegen, das unbrauchbare Ding wieder fortzuwerfen. Aber schließlich nahm man den Säugling einstweilen mal mit Jug und zuletzt fette man seinen spielerischen Ehrgeiz darein, ihn großzuziehen.

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aus

So wuchs er unter den Soldaten auf, eine Rohorte war seine Amme, der eine gab ihm Schnaps, ein zweiter Kautabat, ein dritter Kandiszuder und er gedieh. Wurde ein handfestes Wesen gleich mir. Und darauf wollte ich hinaus: auf diese Parallele, die ich zum Urgroßvater bilde. Meine Eignung für Robbenmilch und Rum­pudding im zartesten Kindesalter habe ich offenbar von ihm geerbt; er war ein vorzüglicher und notwendiger Vorläufer für die Art meiner Aufzucht.

Natürlich wußte niemand, wer er fei, wie er hieß; er wurde

Dagmar Sperk:

von den Soldaten Ferfelchen genannt- wegen der Umgebung, in der man ihn gefunden hatte, und wegen seiner eigenen Leistungen. Als Glied in der Kette einer Familie aber wäre er für immer ver­loren gewesen, häte er nicht ein Muttermal in der verblüffenden Form einer gespreizten linken Hand neben dem Nabel sitzen gehabt. Dieses Mal führte ihn zurück in geordnete Verhältnisse und stellte ihn auf den Plaz zwischen den Vater, der ihn erzeugt hatte, und den Sohn, den er erzeugen sollte.

Er war schon mannbar und hing noch immer in der Luft. Ferkel Spreizhand hieß er da nahm sich eine Marketenderin seiner innigst an. Aber sobald sie das Mal sah, schlug sie erstaunt die Hände über dem Kopf zusammen, so gut ihr das in der gegebe nen Lage möglich war schlug sie mehrmals und immer fräftiger zusammen, so daß die Läuse in ihrem Zottelhaar sich duckten, und rief: Jefus Maria! Ferfelchen, weißt du, mer du bist?" der Deine Kurzweil", sagte der Urgroßvater, der im Augenblid von nichts anderem wissen wollte.

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Du bist der Sohn des einstigen Feldhauptmannes und jetzigen Obristen José Grafen Almaviva. Bor sechzehn Jahren jammerte er nach einem verschollenen Sprößling, der ihm der wohlgeratenste von allen gewesen sei. Findest du ihn, Mercedes leicht zu erkennen, weil er ein Bäuchlein hat, als habe der Teufel und er ist die Take hineingebrannt so sollst du einen neuen Marketender­wagen bekommen und zwei Maultiere davor", was ich mir immer sehr gewünscht habe, denn mein Wagen war damals schon brüchig. " Vor sechzehn Jahren" sann mein Urgroßvater. Und dein Wagen war damals schon alt? Wie alt bist dann du selber?" Er schaute sie kritisch an; sein Ungestüm fiel von ihm ab.

Sechzehn war ich damals", schwor sie rasch.

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Aber dein Wagen war doch schon morsch!" beharrte er. Wie tönnte man in folchen Jahren bereits einen brüchigen Wagen haben? Ach, du warst damals so alt, wie du heute angibst und bist heute um jene Jahre älter; also etwa fünfzig. Jetzt sehe ich es. Was fällt dir eigentlich ein?" warf er sich in die Brust. Du bist viel zu alt für die Geliebte eines jungen Grafen Almaviva."

Jetzt aber sollte er die Marketenderin in ihrem vollen Umfang fennenlernen. Kert", pfiff fie, ich verbrenne dir mit diesem Lodeneisen, weil's gerade glühend ist, den Bauch freuz und quer, daß feine Seele mehr, auch dein Vater nicht, die Spreizhand ent decken kann. Dann geh hin und plärre, du seist ein Graf Almaviva."

Und das robufte Weib fchwang einen im Kohlenbeden geröteten Bratspieß gegen den geschmeidigen Knaben, der sich nicht zu helfen wußte und an die Zeltwand zurückwich.

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Sie ließ von ihm ab. Wenn du aber willig bift, so werde ich dich nachher deinem Vater zuführen und gleich den neuen Wagen von dort mitnehmen und die Maultiere."

Was konnte der unerfahrene junge Mann dagegen beginnen? Er mußte seine Legitimität erkaufen mit einer illegitimen Hand­lung. Mercedes tam so zu ihrem Späßchen und dann zu einem neuen Marfetenderwagen und zu zwei prächtigen Zugtieren.

Mein Urgroßvater aber fam in die Lage, den ehelichen Sohn Juan Grafen Almaviva zu erzeugen, der seinerseits eine eheliche Tochter Juana ins Leben rief, als welche von ihm an den Astrachas ner Beluga- Malofjol Kaviargroßhändler Andreij Nitiforowitsch Gogol , einen Better des großen Dichters Nikolai Gogol , verheiratet wurde. Sie ist die Mutter meiner Mutter geworden.

Wie es kam, daß sie zu schreiben anfing

Frühjahrstälte, ein grauer, gleichgültiger Tag. Seit drei Stun ben ist sie unterwegs, geht irgendwohin und wieder zurück. Und feit fast einer Stunde sind ein paar Säge in ihrem Kopf, die sie beinahe Wort für Wort immer wieder denkt: ,, Entweder ich ersticke an all dem Ungesagten oder ich fresse mich selbst auf, weil ich mit niemandem spreche, immer nur mein Schicksal sehe, meine Gedanken benfe, immer ,, ich, ich"; dieses ewige Sch" ist mir schon zum Etel!" Seit vierzehn Tagen hat sie eigentlich mit niemandem mehr ge. sprochen.

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längst aus ihrem Leben Verschwundenen. Sie begreift 3ufammen hänge, die sie damals nicht einmal ahnte. Und alle, alle diefe Bilder drücken, drücken von neuem.

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Jeden Tag mit dem Erwachen beginnt die Flucht vor der Ein­famkeit und jetzt auch langfam die vor ihrer Erinnerung. Und jeden Tag opfert fie etwas mehr von ihrem Selbstgefühl, von dem, was noch an Stolz übrig ist, auf dieser Flucht.

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Bei einem ihrer stundenlangen Gänge verirrt sie sich und muß nach dem Wege fragen. Es ist gegen Abend. Kommen Sie", jagt Es sind noch 4 Stunden jetzt bis zu ihrem zu Hause", dieser der Mann, den sie um Auskunft gebeten hat; einer mit einem grauen elenden Kammer, die sie gemietet hat. Die Straße liegt lang und Geficht und zwinkernden Augen ,,, ich habe ein Stück denselben Weg, gerade vor ihr. An einer Ecke ist die Bude einer Straßenverfäufe gehen Sie mit. Dann erkläre ich Ihnen, wie Sie weitergehen rin: Milch, Kaffee, Backwaren. Den Hunger fönnte sie noch über- müssen." Während sie gehen, erzählt er. Er ist seit 15 Jahren in minden , aber das endlose Schweigen... Sie verlangt eine Tasse einem Exporthause als Magazineur, ist verheiratet, hat Kinder, die Kaffee und ein Brötchen. Die Verkäuferin ist eine schon Weiß- Chefs sind ein fchmugiges, tnauferiges Pack; er hat eine schlechte, haarige. Ja, so vom Laufen friegt man Hunger. Das Fräulein feuchte Wohnung, davon ist das eine Kind viel frant. Man hat ist wohl Studentin?" ,, Nein, ich bin arbeitslos." ,, Ach, du Sorgen genug. Das alles hört fie. Dann trennen sie sich. fiebe Zeit, stempeln gehen. Sind wohl ins Büro gegangen?" In der Nacht denkt sie, während sie schlaflos daliegt, an den Meinen, Nein, ich war beim Theater." Ist heute auch schwer." Sie ist blaffen Mann und sein Leben. Einmal etwas anderes! Daneben fast fertig mit ihrem Kaffee. Zwei Leute sind an die Bude heran- ist noch ein Gedanke, dessen wird sie sich aber erst bewußt, als sie getreten. Die Frau wendet sich ihnen zu. Langsam, gleichsam einige Tage später wieder durch die Straßen geht. Erst fommt es widerwillig, löst sie den auf den Ladentisch aufgelegten Arm und ihr fast lächerlich vor, dann fühlt sie sich davon beängstigt und am geht. Geht wieder weiter. Ende muß sie es doch tun. Sie fragt irgendein Mädchen, das auf fie zukommt, nach dem Weg, dem Weg, den sie so genau tennt, wie ein Kind seinen Schulweg. Das Mädchen erflärt rasch, nicht un­freundlich. Zum Schluß sagt sie: Am besten ist, Sie fragen noch einmal." Nachher fühlt sie sich arm und verprügelt.

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Seit Monaten ist sie nun da, von irgendwoher an den Etrand der Riefenstadt geworfen. Glück, daß fic, wildfremd damals, am dritten Tag, im Theater als Statistin genommen wurde. Durd) gwei Monate stand am Ende jedes einsamen, langen Tages: die Garderobe mit den Kolleginnen. Man hörte erzählen und sprach selbst. Nach Schluß der Vorstellung entwickelten die anderen täglich wüste Eile. Alle hatten sie etwas vor; wollten entweder bloß rasch nach Hause oder gingen noch zu irgendeinem Vergnügen. Sie allein hatte feinen Grund zu ungeduldiger Eile! Alle Tage das ewig gleiche Unbehagen ihrer Kammer.

Und jetzt? Jeden Tag wird es ärger. Es ist schon faft Wahn­fimm dieses Leiden. Am nächsten Tag vergißt sie in dem Laden, wo sie ihre kleinen Einkäufe macht, ein Päckchen. Sie muß zurück­gehen. Der Laden ist leer. Da fragt sie die Besitzerin allerhand: wo sie wohnt, wie lange sie schon in der Stadt ist, wo sie vorher Von dem Tag an teilt sie es so ein, daß sie immer zweis, breimal in den Laden kaufen gehen tann.

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An den folgenden Tagen gibt sie Geld aus, unverantwortlich. Sie fauft sich innerhalb von 2 Stunden dreimal Kaffee bei Straßen verkäuferinnen. Nur wieder einmal zu jemandem sprechen fönnen, jemand anderen sprechen hören.

Mädchen, die allem durch die Straßen spazieren, besonders des Abends, werden angesprochen, von abenteuerluftigen Kavalieren.- In Erinnerung an früher hat sie ihre feste Meinung darüber und fefte Grundfäße: Man antwortet auf sowas nicht und geht ruhig seiner Wege." Meist sind es Leute, die ihr schon dem Aussehen nach mißfallen. Das schweigende Weitergehen ist noch nicht schwer gewesen, aber die letzten Tage ändert sich das. Sie wartet fast darauf, daß sie irgendeiner, der seit zehn Minuten hinter ihr her­geht, fie anspricht, will schon antworten und tut es doch wieder nicht. Sie handelt noch nach ihrem Grundsay, aber er steht nicht mehr so feft für sie.

Wenn sie auf stundenlangen Wegen durch die Stadt oder in Threr Kammer, halbe Tage auf dem Bettrand hockend, daran denkt, fühlt sie Angst und Scham. Sie weiß nicht, wie lange fie fich mit diesen Empfindungen abquält. Mit einem Male gleiten sie ins llnter: bewußtsein und geben nicht endenwollenden Bilderreihen Raum. Sie erinnert sich an Szenen aus ihrer Kindheit, die eigentümlich mystisch und traurig sind. Wie seltsam das alles damals war, jeßt erft weiß sie es und fühlt sich durch diese Absonderlichkeit, die so lange vergangen ist, wieder von neuem bedrückt. Man müßte mit jemandem davon sprechen können, dann wäre man's los. Dann, an anderen Tagen, stehen Menschen vor ihr. Weiß der liebe Himmel, wo sie ihr Schicksal inzwischen hinderschlagen hat. Ob sie nicht fchon längst gestorben sind? Sie sieht das Leben vor sich, das sie damals vor vielen, vielen Jahren führten, ihre fleinen Eigenheiten. Und trotz der täglich neuen Qual ihrer Einsamkeit, die sie mehr Und es erfaßt fie nublos unendlich verstehende Zuneigung zu diesen I als Hunger drüdt, sagt sie am Ende: Nein. Nein, ich habe wenig

An anderen Tagen wieder, wenn sie erleuchtete Auslagen an­fieht oder irgendein Plakat betrachtet, fangen Leute an zu ihr zu sprechen. Sie lernt bald diesen Typ tennen. Das sind andere als die abenteuerluftigen Kavaliere, das sind solche wie sie selbst, Einsame, die hier gelandet sind. Sie geht mit ihnen durch Straßen, über Plätze, durch halbdunkle Parkwege. Was weiß sie alles nach einer halben Stunde von ihnen! Sie tennt ihr ganzes Leben, wie's jetzt ist, ihre Vergnügungen' und ihren Aerger. Aber wenn sie mit diesen Leuten geht, soll sie immer nur Echo sein, das antwortet, und sie, die anderen, sind die Stimme. Nein, das ist nichts für fie, sie braucht auch Echo, will auch Stimme sein.

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Zeit." So wie wilde Tiere einen Instinkt haben, ber es thnen verbietet sich zu Artfremden zu gesellen, so fühlt sie sich selbst gegen­über eine starte Verpflichtung zur Ertlufivität in der Wahl ihrer Freunde. Dann wieder allein in ihrer Kammer, versinft fie in den Genuß dieses Gefühls einer doch noch vorhandenen Stärke, vor­läufig die Erinnerung an dieses fremde Schicksal.

Nach Tagen, die kleine Siegesfreude ist längst von den nach folgenden Stunden der Einfamkeit aufgefressen worden, formen sich langsam in ihrem Innern alle diese Details zu einem Bild. Es ist ähnlich wie die Bilder derer, die sie einst vor vielen Jahren tannte, und die jetzt manchmal vor ihr auftauchen, aber nicht so peini­gend. Das Malen dieser Bilder ist etwas, das oft Stunden und Stunden füllen fann. Aber dann, wenn sie fertig vor ihr stehen, ist ihr Elend größer als je. Irgend jemanden finden, um Gottes willen, nur irgend jemanden, dem man es sagen, erzählen könnte.

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Zweimal in der Woche winkt eine Aussicht. Das Arbeitsamt! Dort kann man Kolleginnen aus dem Theater treffen. Die werden zwar nur mit Widerstreben ihre Sachen anhören, aber immerhin ist das doch jedesmal eine Hoffnung, nach deren Erfüllung fie sich fagter interitat fast frant sehnt. Bielleicht treffe ich eine", fie sagt es sich jedes Mal. Und je verzweifelter sie wird, mit desto größerer Intensität wiederholt sie es. Sie wartet und wartet und drückt sich stunden. lang im Abfertigungsraum herum. Mit Hoffnung beginnt sie. Dann tommen Zweifel. Bielleicht sind schon gestern alle dagewesen." Entsetzliche ist: diese Stala der Empfindungen wiederholt sich immer Dann schlägt es mit einem Male in Verzweiflung um. Aber das mieder von neuen. Und jedes folgende Mal ist fie intensiver, er schöpfender. Der Heimweg ist unendlich müde, hoffnungslose Wundheit.

In der dritten Woche, an einem Montag, ist alles wieder genau so gewesen. Donnerstag hat sie Glück! Maßloses Glück! Schon auf der Treppe trifft sie eine Kollegin, eine ältere Frau, die sie mur gonz flüchtig fennt. Aber die Frau spricht mit ihr und läßt sie er zählen, ziemlich lange! Im Abfertigungsraum, fie ist noch ganz erfüllt von ihrem Glüd, kommt dann, während sie auf Erledigung wartet, eine zweite, ihre liebste Kollegin". Sie ist in Eile, aber sie ladet sie für Sonntagnachmittag ein zum Ausplaudern". Von diesem Moment an denkt sie zwischen allen ihren Gedanken nur immer wieder das eine: ,, Sonntag". An diesem Tage steht

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fie früher als sonst auf. Er hat ja einen herrlichen Inhalt. Man braucht ihn nicht durch langes Schlafen künstlich zu kürzen.

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Es ist ein schöner Tag, sonnig, mit weißen, schleierartigen Wölkchen, die von einem leichten Wind über den Himmel geweht werden. Der Weg ist weit. Aber sie ist so zeitig meggegangen, daß fie 20 Minuten zu früh an ihrem Ziel ist. Ob sie schon jetzt hinaufgehen fann? Sie tut's. Läutet freudig erregt. Niemand iſt drin zu hören. Ach, mein Gott, sicherlich halten sie noch Mittags­schlaf. Und sie geht rasch wieder die Treppe hinunter. Sie schlen­dert auf der Straße herum, spielt mit einer Kaze, fragt dann nach der Zeit und steigt wieder die zwei Treppen' hinauf. Läutet, nichts ist drin zu hören, läutet und läutet. Sie kann die Klingel hören, die ist in Ordnung! Aus der Tür einer Nachbarwohnung kommt eine Frau, zum Fortgehen angezogen. Sie fragt. Ach, Sonn­tags essen die manchmal bei den Schwiegereltern, da kommen sie wohl erst ein bißchen später heim." Wieder geht sie hinunter, ist voll Unluft und hat doch noch immer etwas Hoffnung. Sie geht durch fremde Straßen und schiebt den Zeitpunkt, wieder hinaufzu gehen, immer weiter hinaus. Sie geht durch andere Straßen und denkt: Während ich hier herumispaziere, fönnen sie nach Hause fommen sein, ja, natürlich." Dann endlich nach einer Stunde geht sie wieder hinauf. Der Zettel, den sie zwischen die Türe geklemmt hat, stedt noch). Sie brauchte gar nicht mehr bis hin zu gehen. Es ist hoffnungslos, das mußte sie doch endlich einsehen. Aber sie geht doch und läutet noch einmal Sturm. Dann nimmt sie den Bettel und zieht sich langsam die Treppe hinunter.

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Es ist wie ein dunkles, bodenloses Loch. Ein verzweifeltes Wünschen, von dem sie weiß, daß es hoffnungslos ist. Ach, ach, ein armer, verprügelter, herrenloser Hund ist sie! Sie weiß nichts mehr. Wann hört das nur auf, mein Gott? Wann? Das ist ohne Ende!" Sie geht weit, weit und hat immer nur diese Emp­findungen.

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Aber wie wir nicht wissen, von wannen der Wind kommt und wohin er meht", so springt irgendwo ein Gedanke in ihr auf. Sie will einen Ausweg aus all dem finden. Man muß eine Sache bis in ihr Letztes durchdenken." Sie ist müde. Ihre Gedanken haben nicht Schärfe und Klarheit. Sie sieht alles nur wie durch eine Art Mattscheibe. Ja, das ist sicher. Sie sucht der Einsamkeit zu entfliehen und ihrer Erinnerung. Aber man kann unmöglich einer Sache Herr werden, der man zu entfliehen sucht. Ich werde mich in meine Einfamfeit versenden und in meine Bilderphantasien, dann wird mich die Flucht davor nicht mehr zermürben. Und ich werde die Bilder von fremden Schicksalen, die sich meinen Auge zeigen, und die Erinnerungen, die mich beschweren und quälen, ich werde sie aufschreiben. Es ist besser zu vielen zu sprechen als 311 einem."

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Sie geht weiter, träumend von diesem Weg, der so seltsam und neu ist. Der Himmel über ihr ist wie eine Berlmutterschale schillernd; gelblich- rosa Gewölt, das über bläulichen Grund gleitet. Wie wunderbar, ungeahnt ist das, was jetzt kommen wird!

Es ist eine Wendung in einem Menschenschicksal!

Waldbrände der Borzeit. Waldbrände find nicht nur eine Gegenwartserscheinung, sondern schon vor vielen Millionen Jahren hat das Feuer die Wälder, aus denen sich unsere Braun und Steinfohlen bildeten, verheert. Genau wie nach jetzigen Wald­bränden der Boden mit Holzkohlenstückchen überstreut ist, finden sich diese Brandspuren auch in den Stein- und Braunkohlenlagern. Die urweltlichen Waldbrände wurden nach Untersuchungen von diese Art ließe sich die Entstehung der holzkohlenführenden Schichten R. Potonié wahrscheinlich durch Blizschlag hervorgerufen. Auf in den Kohlenlagern erflären.

Wie dick ist das Eis der Polarländer? Das Inlandeis, das die Polarländer, zum Beispiel Grönland , bedeckt, war bisher noch nicht gemessen worden. Nunmehr hat die Deutsche Inlandeis­Expedition nach Grönland solche Messungen ausgeführt. Das dabei angewandte Berfahren von Dr. Mothes, Göttingen , beruht auf der Aufzeichnung fünftlicher Erdbeben, die durch Dynamiterplosionen auf der Eisoberfläche erzeugt werden. An vier Stellen wurde diese Messung durchgeführt, und sie ergab vom Rand des Inland­eijes nach innen zu gerechnet der Reihe nach die Werte 300, 600, 750 und 1200 Meter. Der letzte Wert von 1200 Meter bedeutet die größte überhaupt bisher gemessene( Gisdicke. Weitere Eisdicken­messungen sind für diesen Sommer geplant.

Die tleinste Republik Europas ist die fleine Insel Tavolara, die etwa 12 kilometer von Sardinien entfernt im Mittelländischen Meere liegt. Dies Eiland hat eine Länge von faum zwei Milo. meter und wird von 55 Menschen bewohnt. Tavolara erlangte feine staatliche Selbständigkeit im Jahre 1836, als die Insel der Barto Baul I. als König. Bei seinem Tode aber erklärten die Inſel loni- Familie überlassen wurde. Bis 1882 regierte hier friedlich Bräsident für zehn Jahre gewählt, und sowohl Männer wie Frauen bewohner ihr Land als Republik . Nach der Berfaffung wird der haben Stimmrecht.