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BERLIN  Montag 16. Juni 1930

Der Abend

Erfcheint täglich außer Sonntags. Zugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW68, Lindenstr. 3

Spalausgabe des Vorwärts

10 Pt.

Nr. 276

B 137 47. Jahrgang

" Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillézeile

80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Poßscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 37536. Fernsprecher: Dönhoff 292 bis 297

Plötzlich abgefagte Sißung.

Schwierigkeiten der Regierung Brüning Moldenhauer.

Die für heute in Aussicht genommene Sigung des Empörung in Mitteldeutschland  | Nazi- Strolche im Wannseebad.

Reichshaushaltsausschusses, in der Finanzminister Dr. Moldenhauer die Regierungsvorschläge begründen wollte, ist bis auf weiteres abgesagt worden. Die Schwierigkeiten der Lösung der finanzpolitischen Fragen sind so groß, daß der Reichsfinanzminister es in Augenblick ablehnt, die Ceffentlichkeit darüber zu unter­richten.

Soll uns der Brotforb noch höher gehängt werden?

Magdeburg  , 16. Juni.  ( Eigenbericht.)

Die freien Gewerkschaften Mitteldeutschlands   demonstrierten am Sonnabend und Sonntag in riesigen Kundgebungen gegen die Lohnabbauoffensive des Unternehmertums und gegen die Sozial­reaktion. Einstimmig wurde eine Entschließung angenommen, die sich gegen den Lohnabbau richtet. Eine Gruppe streifender Mans­Störungsversuche der Kommunisten verliefen ergebnislos.

Energisches Durchgreifen der Badeverwaltung.

Feuersprigen gegen die Rowdys.

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Einen lehrreichen Anschauungsunterricht über die Geistes­verfassung nationalsozialistischer Radaubrüder erhielten die fünfzig­tausend Berliner  , die gestern das städtische Strandbad Wann­see bevölkerten. Ein Trupp Nationalsozialisten wollte nämlich das große Bolksbad, das allein sozialdemokratischer

Bertrauenstrife des Kabinetts Brüning felber Bergarbeiter in Stärke von 100 Mann wurde lebhaft begrüßt. Initiative fein heutiges Geficht verdankt, für ihre Propaganda­

Das Kabinett Brüning hat die Dedungsvorschläge des Reichs­finanzminifters Moldenhauer ,, in voller Einmütigkeit" gebilligt. Es hat sich stark gemacht, die Vorschläge als einheitliches Ganze" durch zudrüden, und hat die Absicht erkennen lassen, das Programm in Galopp im Reichstag durchzufämpfen.

Der große Kampf hat heute damit begonnen, daß Herr Moldenhauer nicht an die Front gehen will. Für eine Re­gierung, die fo sehr auf die Markierung von Stärfe eingestellt ist, wie das Kabinett Brüning, ist das ein schlechter Anfang 3wischen den Kabinettsbeschluß vom Freitag und die Haushalts ausschußigung von heute hat sich die Tatsache eingedrängt, daß die Regierungsparteien nichts weniger als einmütig sind.

Herr Moldenhauer hätte heute ristiert, daß auf seine Bro grammerflärungen Protesterklärungen von Regierungsparteien er. folgten noch dazu von seiner eigenen Fraftion! Will das Kabinett fämpfen, so muß es auch dieser Tatsache ins Auge sehen es mill offenbar zunächst lieber verhandeln..

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aber

Die Krise in der Brüning- Koalition ist nicht mehr zu verbergen. Die Kölnische Zeitung  " schreibt über die Lage des Kabinetts: Das Brestige des Reichspräsidenten  , die Drohung mit der Auflösung des Reichstags, die Berufung auf die Frontgeneration alles ungewöhnliche Mittel, die eingesetzt wurden und das Bolt aufhorchen ließen.

Selten find einer Regierung bei ihrem Umtsantritt so viele Borschußlorbeeren gespendet worden wie dem Kabinett Brüning.

Die Zentrumspreffe überſtürzte sich förmlich in Bewunderung für den Kanzler und bescheinigte ihm schon nach seinem ersten Auftreten einen großen Sieg der Staatspolitit". Herr Schiele murde von seinen agrarischen Freunden über den grünen Klee gelobt, Herr Stegerwald von den chriftlichen Gewerkschaften in den Himmel gehoben, Herr Treviranus von seinen Front­

Pabst fliegt zu Mussolini  .

Einspruch gegen Ausweisung abgewiesen.

Wien  , 16. Juni.  ( Eigenbericht.) Amtlich wird mitgeteilt: Der deutsche Staatsangehörige ab ft. der am 14. Juni von der Bundespolizei aus dem österreichischen Staatsgebiet ausgewiesen wurde, hat gegen die Ausweisung bei dem Landeshauptmann von Wien   Einspruch erhoben. Dieser Einspruch wurde am Sonntag nachmittag abgewiesen. Pabst, der gebeten hatte, möglichst bald nach Italien   abreißen zu dürfen, hat nach der Ablehnung des Einspruchs Wien   am Sonntag nachmittag mit seiner Gattin mit Flugzeug verlassen. Er hat sich nach Benedig begeben.

In Desterreich herrscht völlige Ruhe. Vor dem Gebäude der Landesregierung in Innsbruck   demonstrierten am Sonntag etwa 200 Heimwehrleute gegen die Ausweisung von Babst. Der Bug löfte sich jedoch bald in Ruhe auf. Am Montag wird der Vor­stand der Heimwehr zu der Ausweisung von Pabst Stellung nehmen.

Die Tiroler Regierung ist, befremdet".

Jnnsbrud, 16. Juni.  ( Eigenbericht.)

Die Tiroler Landesregierung ließ die Bevölkerung nach am Sonn­fag durch Plakate wissen, daß sie von der Ausweisung des Ma­jors Pabst aus Desterreich mit Befremden Kenntnis genommen habe und die Ausweisung ohne jede Fühlungnahme der Bundes­regierung mit den zuständigen Tiroler Behörden erfolgt sei, froß­dem Pabst seinen ständigen Aufenthaltsort in Tirol gehabt habe. Die Tiroler Landesregierung habe ihr Befremden in Wien   bereits zur Kenntnis bringen lassen und die sofortige Aufhebung des Aus­weifungsbefehls gefordert.

fameraden als Mann der Tat gefeier: und Herr moi benhauer Polizei im Flugzeug- Weiterreise nach Rom.  

für ein paar rheinische Bonmots, die er im Haag zum besten gab, von demokratischen Wir Publizisten wohlwollen belobt. haben uns an diesem Spiel nicht beteiligt, aber erklärt, es sei ein Gebot der politischen Vernunft und der staatsbürgerlichen Ver antwortung, dem neuen Reichstanzler fair play zuzubilligen und seine Taten abzuwarten.

Seifdem ift noch kein Bierteljahr vergangen, und schon muß festgestellt werden, daß die Regierung, wie faum jemals eine andere, faft die ganze öffentliche Meinung gegen fich hat. Auch die Zentrumspresse ist sehr fleinlaut geworden und vermag ihre Matadoren eigentlich nur noch durch Hiebe auf die vorige Regierung zu verteidigen, an der doch das Zentrum ebenfalls be teiligt war. Gewiß verteilt sich die Schuld an der allgemeinen Finanzmifere auf eine ganze Reihe von Regierungen mit und ohne fozialistische Führung, und wir hätten gerade deshalb dem Kabinett Brüning eine längere Bewährungsfrist gegönnt. Daß das nun aber nicht mehr angeht, hat es sich selber zuzuschreiben, denn für die Lage, die durch seinen Notopferplan geschaffen wurde, ist es allein verantwortlich. Fest steht jedenfalls, daß die Ber: trauenstrise in den letzten Monaten nicht beseitigt, ja nicht einmal gemilbert, sondern im Gegenteil noch erheblich ver fchärft wurde. Und da muß man doch fragen: Wie war das möglich?"

Die sogenannte ,, Reichshilfe" hat in der Brüning- Koalition mie Sprengpulver gewirkt. Noch ist der offene Ausbruch des Krachs vermieden, da Herr Moldenhauer nicht vor den Hauptausschuß gehen will. Durch diese Taktik tritt natürlich eine Berzögerung in der Berabschiedung des Etats ein die Berantwortung dafür fällt auf die uneinige Regierungsfoalition.

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Diese Taktik der Enthaltsamkeit läßt sich jedoch nicht ewig fort­fezzen Herr Moldenhauer wird wohl oder übel doch sehr bald vor den Feind gehen müssen!

Benedig, 16. Juni.  ( Eigenbericht.)

Der aus Desterreich ausgewiesene Butschist Pabst ist am Sonn­tagabend in Begleitung von zwei österreichischen Polizei­beamten auf dem Flugplatz in Benedig gelandet. Pabst blieb über Nacht in Venedig  . Wie aus seiner Umgebung verlautet, be­absichtigt er, heute nach Rom   weiterzureisen.

Pabst gab österreichisches Bürgerrecht auf. Um die Pension aus Deutschland   nicht zu verlieren.

Im November 1929, unter der Regierung Hermann Müller  , wurde die Zahlung der Pension an Pabst eingestellt. Es hatte fich herausgestellt, daß Babst im Jahre 1921 in Mieming   in Tirol das Gemeindebürgerrecht und nach Auffassung der Tiroler Landes­nach Auffassung der Tiroler Landes­regierung damit auch die österreichische Bundesangehörigkeit er­worben hatte. Gegen die Einstellung der Pensionszahlung strengte Pabst sofort einen Prozeß an und erklärte zugleich den Verzicht auf sein Gemeindebürgerrecht in Mieming  . So ist Babst einstweilen zwischen zwei Stühlen auf dem Boden zu sitzen gekommen: von Deutschland   bekommt er als Desterreicher keine Bension, und Dester­reich hat ihn als Reichsdeutschen ausgewiesen.

Der Prozeß um die Pension schwebt noch. Aber ganz abgesehen von der Staatszugehörigkeitsfrage ist es ein Standal, wenn an Leute, die sich so wie Babst am Staate vergangen haben, Bensionen gezahlt werden.

Autobuskatastrophe in Spanien  . Bier getötet, 17 schwerverletzt.

3wede mißbrauchen. Sie richteten mitten im Bad eine riesen­große Hafenfreuzfahne auf. Als die Berliner   sich diese Provokation nicht gefallen laffen wollten, fingen die Stöten­friede an zu randalieren. Dank der erfreulich energischen Haltung der Badeverwaltung mußten sie das Bad verlassen. Am Abend versuchten sie auf ihre Art Ra che" zu nehmen. Da­bei wurde ihnen mit Feuerfprißen und durch das Ueberfallkommando friede zu wehren weiß. Zehn Personen, zum größten Teil zum Bewußtsein gebracht, daß man sich gegen derart üble Stören­Nationalsozialisten, wurden festgenommen und der Lib­feilung 1A des Polizeipräsidiums zugeführt. Die Festgenommenen werden sich noch im Berlauf dieser Woche wegen Hausfriedens­bruches und anderer Delikte vor dem Strafrichter zu verant­worten haben.

Ein anderer, von Nationalsozialisten provozierter Zwischenfall wird aus der Köpenider Straße gemeldet. Dort gerieten am Sonntag in aller Frühe Nationalsozialisten und Kommunisten aneinander. Auch hier entstand ein wüstes Handgemenge. Die Gegner gingen hauptsächlich mit Stöcken gegeneinander vor. Blötzlich zog ein Parteigänger der Nationalsozialisten, der Kellner Georg Wichmann   aus der Luckauer Straße, einen Revolver und feuerte mehrere Schüsse ab. Ein 19jähriger 2 rbeiter

brach, durch drei Kugeln schwer verlegt, auf der Stelle zu­sammen. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert. Der ver­brecherische Nationalsozialist wurde verhaftet. In Weißensee  wurden in der Berliner Allee Don einem Lastkraftwagen mit nationalsozialistischen Demonstranten Flaschen in das Publikum geworfen. Ein Unbeteiligter wurde leicht verletzt, zwei anderen unbeteiligten Passanten wurde die Bekleidung beschädigt. Eine Feststellung war nicht mehr möglich.

Wehretat nicht unantastbar!

Breitscheid   über den Kurs Brüning.

Godesberg  , 16. Juni.  ( Eigenbericht.) Auf dem Bezirksparteitag der Sozialdemokratischen Bartei für die obere Rheinprovinz   äußerte sich der Führer der sozialdemo'ra tischen Reichstagsfraktion, Abg. Dr. Breitscheid, am Sonntag in einer längeren Rede über die zur Zeit im Bortergrund der öffentlichen Diskussion stehenden politischen Probleme. Breitscheid   führte u. a. aus:

Es wird in der bürgerlichen Presse und nicht zuletzt in Bens trumsblättern so hingestellt, als ob das Kabinett Brüning vor jei: e höchst unerfreuliche und gefährliche Situation nur gestellt worden sei, infolge des Versagens seines Vorgängers, des Kabinetts Müller. Diese Angriffe sind schon deshalb unangebracht, weil in dieser Regierung Müller auch drei Bertreter des Zen­trums und zwei der Deutschen Volkspartei   faßen. Ist diesen Herren die große Erleuchtung erst gekommen, seitdem an der Spitze der Regierung nicht mehr Müller, sondern Brüning steht? Hätten sie nicht die Möglichkeit beseffen, schon in der Vergangenheit thre Bedenten anzumelden und energische Vorschläge zu einer auf die Gefundung der Finanzen gerichteten Reform in die Debatte zu werfen? Wenn Zentrum und Volkspartei jetzt die Schuld auf das Kabinett Müller zu schieben suchen, so schlagen fie sich damit im Grunde nur selbst ins Gesicht. Wenn die Sozialdemokratie ein Hindernis für die Sanierung der Wirtschaft und der Finanzen gra wesen ist, so sollte man sich doch freuen, fie losgeworden zu fein und ihr feine Vorwürfe wegen ihres Ausscheidens machen!

Die Sozialdemokratié hat von jeher den Standpunkt vertreten, daß ihre Oppofition eine fachliche sein muß, die auch die Borlagen einer ihr gegnerischen Regierung sorgfam prüft und die Pflicht nicht verabsäumen darf, durch positive Borfchläge den Gang der Dinge zu beeinflussen. Das gilt selbstverständlich auch von dem Reformprogramm der Regierung Brüning Gelingt die Abdeckung des Defizită nicht, so leidet darunter der In Polado in der Provinz Coruna   fuhr ein voll­Staat, seine Verfassung und in erster Linie die Arbeiter= befekter Autobus gegen eine Mauer. Vier der Intlasse, und dann steht vor uns die große Gefahr der An­sassen wurden getötet, 17 schwer verletzt.

Madrid  , 16. Juni.

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