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Beilage

Dienstag, 24. Juni 1930

Der Abend

Shalausgabe des Vorwärts

Erkrankungen der Haut

Furunkel

Furunkulose

Von Dr. J. R. Spinner- Berlin  .

Lange Zeit hat man die Furunkel als eine bloße lokale Er­frankungserscheinung aufgefaßt und ihr demgemäß eine geringere Bedeutung zugemessen, als wir es heute tun müssen. Denn wenn auch ein Furunfel eine lokale Erkrankung darstellt, so ist dies mur scheinbar, denn diejenigen Bazillen, welche sie verursachten in der Hauptsache sind es Staphylokokken Traubenbazillen -freifen sehr bald auch im Blute und haben dann die Eigenschaft, fich an irgendeiner schwachen Stelle anzusiedeln und neue Erfran­tungen zu verursachen.

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Die Voraussetzungen zur Entstehung von Furunfeln find überall vorhanden, denn überall finden wir diese Bazillen auf der Haut. Dringen sie min, vor allem durch Reiben und Scheuern, in einen Haarbalg oder eine Schweißdrüse ein, so können sie dort einen Furunkel verursachen, müssen es aber nicht unbedingt. Sigen sie nur ganz oben, so fann es zu einer kleinen Bustel kommen und die ganze Angelegenheit verläuft reaktionslos. Wenn nämlich die Ab­wehrkraft des Organismus besonders start ist. Wo sie sich aber an­siedeln, da vermehren sie sich rasch und sondern Gifte ab, die auf die Umgebung reizend wirken. Dadurch wird das Blut zur Abgabe feiner Kampftruppen, der weißen Blutkörperchen und der im Serum freisenden Schuß stoffe, an die betreffende Stelle ver­anlaßt, es entsteht Schwellung, Schymerz, Röte und Hize. Bazillen und Phagozythen- Freßzellen, weiße Blutkörperchen, bleiben als Leichen auf dem Kampfplatz, es entsteht Eiter, der sich zuerst um das Haar herum in der Tiefe anlagert, Gewebe ringsherum stirbt ab, wird nefrotisch, der Entzündungsherd vergrößert sich rapide und die Einschmelzung lebenden Gewebes nimmt zu, da die Freßzellen in immer größerer Menge sich einfinden, um die Eindringlinge niederzufämpfen.

Greift die Erkrankung auf weitere Haarbälge über, so entsteht ein Karbunt el, der bis tief ins Bindegewebe und in die Muskeln hineinragen kann. Siegt der Organismus, dann bricht sich das Zentrum nach außen durch und Eiter und Bazillen entleeren sich nach außen, die Freßzellen räumen auf und es bleibt nur noch eine geringfügige Narbe zurück. Dies im günstigsten Falle. Oft genug sind die Bazillen aber stärker als die Verteidigungskräfte und dann wiederholt sich dort der analoge Rampf mit erheblichem Fieber. Das ist die von den Laien als solche benannte Blutvergiftung. Irgendeine andere geringfügige Berlegung fängt ebenfalls zu eitern an oder es bilden sich da und dort am Körper wie hergeblasen neue Furunkel. Es ist dabei feineswegs immer das Verschleppen der Keime durch Unsauberkeit die Ursache, sondern oft genug die Be­förderung durch das Blut und die Ansiedlung an besonders schwachen Stellen. Das ist die Furunkulose.

Furunkulose beweist uns, daß ein Körper getroffen worden ist, dessen Abwehrkräfte in feiner Weise zur Bewältigung der Eindring linge geeignet ist, daß ihm die Schuhkräfte fehlen. Gelingt es uns dann nicht, diese durch geeignete andere Maßnahmen zu ersetzen, so ist der betreffende Patient verloren, insbesondere wenn noch andere Bazillen sich dann an der Krankheit beteiligen. Es entsteht das Eiterfieber, die Sepsis, die wir auf ähnlicher Basis beim Kindbett­fieber kennen.

Bet Furunkulose ist dieser Ausgang relativ felten, weil wir meist genügend Zeit haben, uns mit rationeller Bekämpfung zu befaffen. Nur Wangen  , Oberlippen und manchmal als furunfel haben schlechte Aussichten, weil der Weg von ihnen zum Gehirn besonders furz und ohne nochmalige Sperrforts an Lymphzentralen verläuft. Diese sind selbst von den geübtesten

Chirurgen gefürchtet,

Früher gab es eine Zeit, wo man mit Kreuzschnitten, die tief ins Gesunde hinein geführt wurden, die Leute lebenslänglich verstümmelte und mit den Reimen gefährdete. Das ist heute streng verpönt und die Chirurgie ist start in den Hintergrund getreten. Höchstens, daß man etwas die Kuppe abträgt, um dem Eiter Abfluß zu verschaffen. Es gilt aber dabei der Grundsatz, kein gesundes Gewebe anzuschneiden.

Die heutige Behandlung nähert sich mehr voltsmedizini. schen Grundsätzen, als denen vergangener Medizin. Jodtinktur aufzupinseln, ist ein zweischneidiges Schwert, denn man verhärtet Damit die Haut zu Leder und hindert den Durchbruch, abgesehen von, der mangelnden Tiefenwirkung. Dagegen haben heiße Leinsamfataplasmen einen zugleich erweichenden und Blutzufuhr steigernden Einfluß.

Will man Medikamente anwenden, so dürfen es grundsätzlich nur solche von großer Tiefenwirtung sein, wie z. B. Jod in fett löslicher Form, Jodvasogen, Jodipin und insbesondere Bernisan, das zugleich schmerzftillend wirkt. Quecksilberpflaster find wenig wirksam, besser sind noch Schwefelpräparate mie Ichthyol, Zumenol. Sie alle müffen in einem Berbande aufgelegt werden, der zugleich jedes Scheuern und somit jede äußere Reim verschleppung verhindert.

Auf jeden Fall dürfen Furunkel nicht leicht genommen werden, denn vernachlässigte Furunkel können zu langwierigen, ja jahrelang andauernden Krankheiten führen, weil vor allem die Disposition zu Rezidiven( Rüdfallserkrankungen) vorliegt. Bei jedem größeren Furunkel konsultiere man den Arzt, bei jedem fleineren aber schon, wenn er im Gesicht oder am Halse auftrtitt. Die äußerst häufigen Nadenfuruntel haben seit der Preisgabe der steifen Bater mörder nachgelaffen und sind in fich weniger gefährlich als die vorn am Halse auftretenden.

Wir müssen bei Furuntulose eine Umstimmung des Organismus Dornehmen, um ihn widerstandsfähig zu machen. Im Momente der Furunkulose muß in erster Linie dem Körper die Abfuhr und die Bewältigung der Gifte erleichtert werden, indem man die Ausscheidung beschleunigt. Der Darm muß fofort geöffnet und offen gehalten, die Urinausscheidung durch Tee­trinten gesteigert werden. Wo es vertragen wird, kann man mit relativ hohen Aspirindosen, d. h. 2 Gramm auf einmal zusammen mit einem Gläschen Rum die im Blute freifenden Bazillen erheblich schädigen. Jedoch darf diese Kur höchstens alle drei bis vier Tage vorgenommen werden. Man vermeide es aber, Aspirin in kleinen Dosen, dafür aber oft zu geben. Eine einmalige große Dosis mit Affohol nügt mehr als das doppelte Quantum fufzeffive in fleinen Dosen genommen.

Bon ganz besonders guter Birtung aber hat sich eine über lange

fallen Je nach der Art der Fadenpilze verläuft die Erkrankung in milderer Form mehr an der Oberfläche, oder sie geht unter schwereren Infektionserscheinungen mehr in die Tiefe. Am häufigsten finden sich die Trichophytien in der Gegend des Backenbarts und der übrigen behaarten Gesichtspartien, am seltensten am Schnurrbart. In der leichteren Form verursacht die Krankheit einen starken Juckreiz, und es treten schuppige, scharfabgegrenzte Ringe auf, die am Rande eine Entzündung und in der Mitte ein Bläschen oder eine Kruste aufweisen. Die Mitte heilt zuerst aus und die Entzündung pflanzt sich vom Rande aus weiter fort, so daß schließlich girlanden­förmige Figuren entstehen. Die Haare brechen meist dicht über der Hautoberfläche ab.

Zeit fortgesetzte Kur mit Hefe erwiesen. In Verbindung mit| bildung zerstören sie die Haare, die dann abbrechen oder auch aus­reichlichem Aufenthalt in frischer Luft und Sonne ist Hefe ein be­sonders günstiges Mittel zur Konstitutionsänderung der Furunfu­lösen. Es muß feineswegs etwa präparierte medizinische Hefe sein, die bereits abgetötet ist, sondern es eignet sich ganz besonders gut, vielleicht am besten, die frische Bäckerhefe dazu, von der jeden Morgen und jeden Abend ein Teelöffel voll einzunehmen ist, entweder gelöst in Milch oder Wasser oder die so gegessen wird. Sie wirft auch hochgradig regelnd auf den Stuhlgang ein. Es ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die Konstitutions­schwäche gegenüber Furunfeln mit einer Anomalie der Darmfunktion zusammenhängt, d. h. mit der Ausscheidung zusammenhängt. Irrig wäre es aber anzunehmen, daß man durch Schwißturen dasselbe erreichen fönnte. Man hat vielmehr jedes Schwitzen bei Furunkulose zu vermeiden, da die aufgeweichte Haut gegen weitere Infektion bedeutend empfindlicher ist und die Darmtätigkeit dabei feineswegs in dem notwendigen Maße gefördert wird. Ebenso wenig nüßen Bäder, die ebenfalls nur die Haut erweichen. Im Gegenteil sind erfrischende Abreibungen mit zu einem Drittel verdünntem Franzbranntwein, Abwaschungen mit etwa 30prozentigem Salizylfpiritus besonders angezeigt, da sie die Haut widerstandsfähiger machen. Dazu soll man aber Wattebäusche be.. nutzen, die man nach dem Gebrauche verbrennt.

Deplaciert ist auch die Verwendung von Seife, da dieselbe die Haut unnötig auflodert, geradezu bedenklich ist Seifenfpiritus.

Schließlich ist noch zu bedenken, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß auf einem derartig schwach widerstandsfähigen Körper sich die Birulenz( Lebenskraft) der Bazillenstämme steigert und diese somit vermehrtanstedungsfähig auch für andere werden. Furunkulöse find deshalb so zu behandeln, wie andere Infektionstrante, d. h. mit peinlicher Sauberkeit und Sorgfalt. Die Hefetur mag langweilig scheinen, da sie über zwei bis drei Monate genau durchzuführen ist( immer nur frische Sefe verwenden!), aber sie hat einen unzweifelhaften Schuß­effekt gegen Wiedererkrankungen derselben Art. Ein Mann, der lieben Jahre an Furuntelo ferezidiven litt, hatte nach dreimonatiger efetur seit sechs Jahren teine Rückfälle mehr.

Unreine Haut

Von Ewald Bohm

Die Verunreinigung der Haut mit Mitroorganismen( fleinsten Lebewesen) kann zu den verschiedensten Erkrankungen führen, deren gefährlichste die hier an anderer Stelle behandelte Furunkulose ist. Weit weniger gefährlich sind die Mitesser und die Hautfinnen, etwas ernster schon die Flechten.

Unliebsame Erscheinungen auf Gesicht, Brust und Rücken, häufig zusammen mit der Hautfinne, sind die miteiser, eingedickte Ab­sonderungen der Talgdrüsen der Haut, die durch Verschluß der Talgdrüsenbälgchen entstehen. Ihre Behandlung geschieht am einfachsten durch häufiges Waschen mit Seife und durch Aus­drücken. Zur Unterstützung fann man auch mit Essig, Zitronensaft oder stark verdünnter Salzsäure einpinseln. Ebenso sind Abtreibungen der Haut mit Sandfeife zu empfehlen. In schweren Fällen muß eine Schälfur mit Reforzinpasten vorgenommen werden.

Wesentlich unangenehmer ist schon die Hautfinne, gewöhn lich bekannt unter ihrem lateinischen Namen acne; sie ist das, was man unter ,, unreinem Teint" versteht. Die Afne ist eine Ent zündung der Talgdrüsenbälgchen, die ebenfalls häufig im Gesicht, auf der Brust und auf dem Rücken zu finden ist.

Neben schwereren Formen, die mit Gewebswucherungen oder absterbenden Gewebspartien verbunden sind, ist die verbreitetste die absterbenden Gewebspartien verbunden sind, ist die verbreitetste die gewöhnliche Hautfinne( acne vulgaris), bei der sich Buſteln( Eiterbläschen) und fleine Eiterpidet zeigen. Diese Form Der Afne ist eine häufige Begleiterscheinung der Pubertätszeit. Die Eiterbläschen entstehen auf etwa erbsengroßen geröteten Bickeln. Außer ihnen finden sich häufig tiefergehende, schmerzhafte verhärtete Knoten, die weniger sichtbar als fühlbar sind.

Unzweifelhaft besteht ein Zusammenhang zwischen der Atne und gewiffen Stoffwechselstörungen. Häufig findet sie sich bei Diagen­und Darmstörung, besonders bei Verstopfung. Entsprechend ist die beste Behandlung eine Diät gegen diese Berstopfung: weniger Fleisch, Fisch, Eier, Milch, Käse, Zucker und scharfe Gewürze; dagegen viel Gemüse, Brot, Kartoffeln und Obst, reichlich Butter, aber mög­lichst keine anderen Fette; kein Bier und füße Weine; erlaubt sind fäuerliche und Obstweine. Sehr empfehlenswert ist die Unterstützung dieser Diät durch eine dreiwöchige Kur mit Karlsbader Salz.

Zur direkten äußerlichen Behandlung können Einpinje­fungen mit Schwefelmigturen angewendet werden, noch beffer in Berbindung mit grüner Seife. Bildet sich ein Abszeß, so muß er chirurgisch geöffnet werden.

Die Zahl der verschiedenen Flechtenarten ist ziemlich groß und da die meisten von ihnen nicht allzu häufig vorkommen und außer­dem stets der Behandlung durch einen Spezialarzt bedürfen, so wollen wir hier nur die wichtigste, wohl verbreitetste Gruppe der Flechten erwähnen, die Bartflechten. Die häufigste Form ist wohl die der Sykosis staphylogenes. Sie ist erkennbar an der Bildung von Eiterbläschen, die rund um die einzelnen Haare entstehen, vorzugsweise an den barttragenden Gefichtsteilen, wobei die von der Flechte befallene Partie etwas gerötet und verdickt er­scheint. Die Erreger dieser Flechte sind die Staphylotoffen, das sind fehr leicht übertragbare Bazillen. Infolgedessen breitet sich die Flechte rasch aus, und thre Befämpfung ist meist ziemlich langwierig.

Bei der Behandlung dieser Bartflechte ist es vor allen Dingen wichtig, ihre Ausbreitung zu verhindern. Dazu werden die Haare einzeln entfernt, und die betreffende Hautpartie wird mit Sublimatfpiritus desinfiziert. Dder man macht auch Brießniz- Um schläge mit Sublimatlösung( 1: 5000) oder essigsaurer Tonerde ( 1:10). 3ur eigentlichen Behandlung der Flechte empfiehlt sich Schälung mittels einer Refozinschwefelsalbe. Auch Röntgen oder Lichtbehandlung hat sich als sehr prattisch erwiesen.

Die andere wichtige Gruppe der Bartflechten sind die Tricho phytien. Bei diesen Bartflechten handelt es sich um aut pilgertranfungen durch gewiffe Fadenpilze( Trichophyten), die in die oberen Schichten der Haut eindringen und sich in den Haar­bälgchen und auch in den Haaren selbst festsetzen. Durch ihre Sporen

Bei den schwereren Formen finden wir entzündete rundliche Schwellungen mit starker Rötung und Bustelbildung. häufig entstehen Abszesse. Die Haare fallen meist aus, manchymal brechen sie auch nur ab. Diese schwereren Trychophytien sind ziem­lich schmerzhaft. Vielfach finden sie sich auch in Gemeinschaft mit der leichteren Form.

Die Behandlung geschieht bei der leichteren Form anfangs durch Einpinseln mit einer verdünnten Jodtinktur( 1:10) oder mit 2prozentigem Salizylsäurefpiritus. Nach einigen Einpinse­lungen wird die Behandlung mit Salben( Schwefelvaseline oder anderen) fortgesetzt. 3intpaste ist nicht zu empfehlen. Die einzelnen Haare sind mit einer Pinzette zu entfernen. Röntgenbehandlung ist bei dieser leichteren Form nicht ratsam. Selbstverständlich ist das Rasieren bis zur Heilung der Krankheit zu unterlassen.

Die Behandlung der schwereren Form beginnt mit Ber­bänden mit 10prozentiger Salizylsäurevaseline. Dann folgen feuchte heiße Umschläge mit einer stärkeren Lösung von effigiaurer Tonerde ( 1: 5). Am besten sind heiße Breiumschläge. Die erkrankten Haare sind ebenfalls zu entfernen, Abszesse sind chirurgisch zu öffnen. Bei diesen Formen der Bartflechten kann eine Röntgenbestrahlung gute Dienſte leisten.

Zur Bekämpfung der Bartflechten, die sehr ansteckend sind, ist natürlich in den Barbierläden auf größte Sauberkeit zu halten. Selbstverständlich ist es aber auch wichtig, daß der Patient selbst seine Erkrankung möglichst früh erkennt und behandeln läßt. Das Aus­suchen des Barbierladens hat er dann tunlichst zu unterlassen, auch wenn dort alles aufs peinlichste desinfiziert ist. So müssen sich Bublifum und Friseure gegenseitig unterſtüßen, um zum Wohle der Allgemeinheit die Verbreitung dieser läftigen Hautfrankheiten mög­lichst zu verhindern.

Tuberkulöse Erbanlage?

In dem von Prof. Eugen Fischer   geleiteten Kaiser- Wilhelm Institut für Anthropologie   in Berlin- Dahlem   befindet sich eine be­fondere Abteilung für 3 willingsforschung. Es scheint zu nächst verwunderlich, daß es eine besondere, Zwillingsforschung" benannte Wissenschaft geben soll. Wie jedoch die Arbeiten von Dr. v. Verschuer im Dahlemer Institut gezeigt haben, handelt es sich hier um einen neuen 3 weig der Erblehre, von dem sehr aufschlußreiche wissenschaftliche Ergebnisse zu erwarten sind.

So haben die neuesten Arbeiten von Dr. v. Verschuer einen außerordentlich wichtigen Beitrag zu der heiß umstrittenen Frage der Erblichkeit der Veranlagung zur Tuberkulose geliefert. In einem Vortrag in der Berliner   Medizinischen   Gesellschaft erklärte er, auf Grund seiner Forschungen den eindeutigen Beweis erbracht zu. haben, daß die Veranlagung tatsächlich erblich ist. Diese Feststellung ist um so wichtiger, als erst vor turzem ein führender Tuberkulosearzt in Deutschland   erklärt hat, daß es bisher in feiner Weise gelungen sei, die Erblichkeit der Veranlagung zu beweisen.

Verschuer   hat 75 tuberkulöse Zwillingspaare aus den ver­schiedenen Gegenden Deutschlands   untersucht. Unter diesen befanden fich 19 eineiige, also erbgleiche und 56 zweieiige, d. h. erbverschiedene Zwillingspaare. Unter den letzten waren 38 gleichen und 18 ver­schiedenen Geschlechts. Alle diese Zwillingspaare, die erbgleichen und die erbverschiedenen, befanden sich in gleichen oder sehr ähnlichen Umweltbedingungen, so daß die äußeren Einflüsse als gleichartig angenommen werden können.

Die Zwillingspaare wurden in drei Aehnlichkeits= gruppen eingeteilt, je nachdem, wie sich die einzelnen Zwillings­partner zur Tuberkulose verhielten. In die erste Gruppe wurden diejenigen Zwillingspaare eingereiht, bei welchen eine völlige Ueber­einstimmung im Berhalten gegenüber der Tuberkulose zu finden war. In die zweite Gruppe famen diejenigen, bei denen der eine Zwillingspartner nur vorübergehend tuberkuloje krant gewesen war, bei denen die Krankheit in zeitlich größeren Abständen auftrat oder bei denen sich die Tuberkulose in verschiedenen Organsystemen zeigte. In die dritte Gruppe tamen schließlich diejenigen, bei denen ein Zwilling an Tuberkulose schwer erkrankt oder bereits verstorben, während der andere völlig gesund war.

Bei der Einteilung der Zwillingspaare ergab sich nun, daß von den 19 erbgleichen Paaren 13 in Gruppe I und 4 in Gruppe II gehörten. Die zwei übrigen Paare fönnen zu feiner Gruppe gerechnet werden, weil ein Zwilling des einen Paares erst ganz fürzlich erfrankt ist und ein Zwilling des anderen Paares einen Lungenspizenprozeß nicht infolge Tuberkulose, sondern infolge eines Rippenbruchs aufwies.

Bei den erbgleichen 3 willingen war also eine sehr große Aehnlichteit beim Auftreten der Tuberkulose festzustellen, obwohl sich die meisten von ihnen getrennt voneinander und in gänzlich andersartiger Umwelt be= fanden.

Die erbverschiedenen Paare wiesen dagegen keinen einzigen Fall so ähnlicher Tuberkuloseprozesse auf. Von den 56 erb­verschiedenen Paaren gehören 44 der zweiten und dritten Gruppe an, Davon entfielen allein 24 Paare auf die dritte Gruppe. Der Von diesen waren jedoch ersten Gruppe gehörten 12 Paare an. 11 Baare völlig gesund.

Es geht aus diesen Untersuchungen hervor, daß bei den erb­gleichen Zwillingspaaren das Auftreten der Tuberkulose sehr viel Hierdruch ist nach ähnlicher ist als bei den erbverschiedenen. Berschuer der eindeutige Beweis dafür erbracht, daß die Erb­anlage für den Verlauf der Tuberkulose von maßgebender Be Dr. A. L deutung ist.