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Beilage

Mittwoch, 25. Juni 1930

Arm und Reich

Zum Problem des Geburtenrückgangs

Vor einigen Jahrzehnten bestand zwischen der Geburtenhäufig­

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Der Hunnenkaiser

keit( Geburtenzahl auf 1000 Einwohner berechnet) in reichen Wie Wilhelm II. vor dreißig Jahren den deutschen Namen schändete

und in armen Stadtteilen der deutschen Großstädte ein sehr bedeutender Unterschied. Die wohlhabenden Stadtteile wiesen eine verhältnismäßig sehr geringe Geburten­häufigkeit auf, während die armen, die proletarischen Stadtbezirke eine sehr große Geburtenzahl zu verzeichnen hatten. Das hat sich aber von Grund auf geändert, seit der Geburtgurückgang auch die proletarischen Bezirke zu erfassen begann. Wir können diejen Borgang am Beispiel von Berlin furz veranschaulichen. Im Jahre 1880 3. B. hatte Berlin noch eine Geburtenhäufigkeit von 39,9 auf 1000 Einwohner, während im gleichen Jahr im Durchschnitt für das ganze Reich Die Geburtenhäufigkeit 37,6 pro Tausend betragen hatte, also niedriger war als die für Berlin . Erst um die Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts beginnt die Geburtenhäufigkeit in Berlin unter den Reichsdurchschnitt zu finfen. Sie hält sich aber bis zum Jahre 1912 auf einer Höhe von über 20 pro 1000 Einwohner, ein Stand, der bei der verhältnismäßig niedrigen Sterblich feit( 14-15 auf 1000 Einwohner im Jahr) immer noch eine erhebliche natürliche Bevölkerungsvermehrung gewährleistet hat. Aehnlich lagen die Verhältnisse in den neisten anderen Großstädten Deutschlands .

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Die Kriegszeit führte sowohl in den Großstädten wie im ganzen Reich zu einem starten Ueberwiegen der Sterbefälle über die Geburtenzahl und damit zu einem großen Rückgang des natürlichen Bevölkerungszuwachses. Während aber in den unmittelbar auf die Kriegszeit folgenden Jahren in fast allen am Kriege beteiligten außer deutschen Ländern und Großstädten die Geburtenhäufigkeit wesentlich höher war als in den letzten Vor­Priegsjahren fie betrug z. B. in Paris 1920: 19,2 pro 1000, 1913: 16,9, erreichte in Deutschland und in den meisten deutschen Großstädten die Geburtenhäufigkeit selbst in diesen Jahren mit ihrer ganz besonders großen Ehehäufigkeit nicht einmal die Höhe der letzten Borkriegsjahre. In Berlin 3. B. betrug die Geburtenhäufigkeit 1920: 16,5, 1921: 13,9, während sie 1913 noch 19,3 pro Tausend betragen hatte. In Hamburg - Stadt betrug fie 1920: 20,6; 1921: 18,3; 1913 dagegen 22,2 pro Tausend.

Der Rüdgang der Geburtenzahlen wird gewöhnlich damit erklärt,

daß die politischen und wirtschaftlichen Berhält nisse in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Deutschland so un fichere waren, daß der präventive Geschlechtsverkehr und die Schwangerschaftsunterbrechung als ein Gebot der Vernunft in weitesten Kreisen der Bevölkerung sich durchsetzten und einen starten Rückgang der Geburtenzahl bewirkten. Wir wollen an dieser Stelle nicht auf die Ursachen des Geburtenrüdgangs eingehen. Im folgenden soll nur dreierlei veranschaulicht werden:

Erstens, daß unabhängig von der wirtschaftlichen Konjunktur die Geburtenzahl in den Großstädten seit 1920 eine aus­gesprochen sinkende Tendenz zeigt und vielfach die Neigung auf weist, unter die Zahl der Todesfälle zu finden, wodurch ein Rückgang der Bevölkerung der Städte bewirkt würde, wenn nicht durch Zuwanderung die Lücken reichlich ausgefüllt würden. 3weitens, daß der Geburtenrückgang der Großstädte durch die sinkende Geburtenhäufigkeit in den proletarischen Stadtteilen verursacht wird, und intensiver als in den reichen Stadtbezirken.

Drittens, daß die deutschen Großstädte neben Wien , Stoc holm, Oslo und Brüssel in Europa hinsichtlich der Geburtenhäufig­feit erheblich hinter anderen europäischen Großstädten zurückstehen.

In Berlin , das unter den deutschen Städten in der Nachkriegszeit die ungünstigste natürliche Bevölkerungsbewegung aufweist, betrug die Geburtenhäufigkeit in den einzelnen Jahren von 1920 bis 1929( pro 1000 Einwohner): 16,5; 13,9; 11,6; 9,9; 10,5; 11,7; 11,0; 10,3; 10,2; 10,0. In dieser Zeitspanne find Jahre guter wirtschaftlicher Ronjunttur, wie 1926 und 1927 und Jahre schlechter wirtschaftlicher Konjunktur, mie vor allem das Jahr 1923, enthalten. Die Geburtenhäufigkeit reagiert aber auf die Konjunkturschwankungen so gut wie gar nicht. In sämtlichen deutschen Großstädten über 100 000 Einwohner schwankte die Geburtenhäufigkeit in der Zeit zwischen 1925 bis einschließlich 1928 zwischen 14,9, 14,1, 13,4 und 13,6 pro 1000 Einwohner bei einem Durchschnitt für das Reich von 19,1 für die gleichen Jahre. Wir sehen also, daß die Geburten­häufigkeit in den Großstädten eine sehr viel niedrigere war, was als Anzeichen für die kommende Entwicklung zu betrachten ist. Arme und reiche Stadtteile.

Wie verteilt sich nun die Geburtenhäufigkeit in den Großstädten nach der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Einwohnerschaft, nach den wohlhabenden und den armen Stadtteilen?

In Groß Berlin ist infolge der Reorganisation der Stadt­verwaltung im Jahre 1920 erft für die letzten Jahre eine zuver­fäffige Einteilung und ein Vergleich der Stadtbezirke nach der wirt­schaftlichen und sozialen Lage möglich. Der folgenden Einteilung in proletarische und in wohlhabende Stadtteile sind als Kenn zeichen die Zahl der Kleinwohnungen und deren Belegung, die Zahl der unterstüßten Erwerbslosen und die Zahl der Bolfsschüler und der Schüler höherer Schulen zugrundegelegt worden.

Die Geburtenhäufigkeit in proletarischen Stadtteilen Berlins befrug: 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 ( auf 1000 Einwohner)

Wedding Friedrichshain

Kreuzberg Neukölln

9,8 10,9 12,5 11,8 11,3 10,9 11,0 9,2 12,9 15,0 11,1 10,1 10,6 10,5 9,4 8,8 10,4 10,5 9,8 9,6 9,2 10,8 11,4 13,7 13,7 12,4 12,0 11.8 Sie befrug in wohlhabenden Stadtteilen Berlins : 1923 1924 1925 1926 1927 1928 1929 ( auf 1000 Einwohner) 11,6 12,5 12,3 10,9 11,3 10,0 11,0 8,9 9,6 9,5 8,4 8,0 8,0 6,9 10,4 10,6 10,8 11,3 10,6 11,0 10,8 8,5 8,4 9,5 8,8 7,8 7,7 7,1 Groß- Berlin.. 9,9 10,5 11,7 11,0 10,3 10,2 10,0

Zehlendorf Wilmersdorf

Steglitz

Schöneberg

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Vom ersten Tage des Weltkrieges an, noch ehe das Schimpf­wort Boche" Flügel bekam, bezeichneten die Blätter der Gegner die Deutschen als hunnen. Fette Ueberschriften: lleber. fall der Hunnen auf Belgien ! Angriff der Hunnen auf Lüttich ! Die Hunnen in Brüssel ! Wie verfiel die Ententepropaganda auf diese Benennung, die wahrhaftig kein Ehrentitel sein sollte? Hatte fie fie frei erfunden? Ach, sie hatte lediglich ein gutes Gedächtnis und erinnerte sich zur rechten Zeit an Reden, die Wilhelm II. im Sommer 1900, jetzt genau vor einem Menschenalter, von sich gegeben hatte.

Damals war das Vierhundert- Millionen- Reich China in. hefti­ger Gärung. Die Ausbeutung und Bergewaltigung des Landes durch die europäischen Großmächte und ihre unverhohlene Absicht, bei sich bietender Gelegenheit das Ganze aufzuteilen, peitschten einen sehr rabiaten Nationalismus auf. Die geheime Gesellschaft des großen Messers", gemeinhin Boger genannt, predigte wilden Fremdenhaß und überschwemmte unter der Losung: Schlagt die weißen Teufel tot! mit ihren Banden mordend, fengend und plündernd das Land. Im Mai 1900 waren sie in Pefing, wo die Regierung teils mit ihnen unter einer Decke steckte, teils gute Miene zum bösen Spiel machte. Der Kanzler der japanischen Ge­sandtschaft und der deutsche Gesandte Freiherr v. Ketteler fielen dem Fanatismus dieser gelben Hafenkreuzler zum Opfer; Meze­leien unter einheimischen Christen folgten; die Mächte landeten Marinemannschaften, um thre in Pefing eingeschlossenen und be lagerten Landsleute zu retten.

Für niemanden war das mehr ein gefundenes Fressen als für Wilhelm von Hohenzollern . Der spätere Generalstabschef Graf Moltke erkannte fühlen Blicks, daß es Geldgier sei, die uns bewogen hat, den großen chinesischen Kuchen anzuschneiden. Wir wollten Geld verdienen, Eisenbahnen bauen, Bergwerfe in Betrieb segen, europäische Kultur bringen, das heißt, in einem Worte ausgedrückt, Geld verdienen". Wilhelm aber, romantisch- phantastisch- fitschigen Geblüts, fühlte den Beruf in fich, als Ritter Georg der christlichen Zivilisation gegen den chinesi schen Drachen auszureiten, und da er stets ein haltloser Schwächling war, geilte er sich an blutrünstigen Vorstellungen von Mord und Brand an. Machtentfaltung" hieß sein Stichwort, seine Absicht: sofort eine friegsstarke Division oder gar ein ganzes Armeekorps nach Ostafien zu werfen, sein Ziel wortwörtlich: Beting muß regelrecht angegriffen und dem Erdboden gleichgemacht werden, Pefing muß rasiert werden." Auch schob er sich bei der geplanten gemeinsamen Aktion der Mächte beslissen in den Bordergrund: Ich werde den Obergeneral gern stellen." Bergeb lich warnte Bülow, damals Staatssekretär des Auswärtigen Amis, alleruntertänigst" vor unkluger Bordringlichkeit, Wilhelm wußte den anderen den Grafen Waldersee als Weltmarschall" aufzuschwatzen.

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Als das deutsche Expeditionsforps, Infanterie, Kavallerie, Ars tillerie, nach Ostasien abdampfte, herrschte bei den Hurrapatrioten ein Begeisterungstaumel, der in der Rückschau als Vorläufer der Stimmung von August 1914 erscheint. Eine besondere Güte tat fich, jeder Zoll ein Heimfrieger am Schoppentisch, der Hohenzoller an. Er redete, redete, redete. Ganz wild gebärdete er sich am 27. Juli in Bremerhaven bei Abfahrt einer neuen Truppenfendung; unter dem gefträubten Heldenschnurrbart entfloh es dem Gehege seiner Zähne:

Kommt ihr an den Feind, so wird derselbe geschlagen! Bardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch ver­fallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter

Bon einer beachtenswerten Differenz der Geburtenhäufigkeit in proletarischen und in wohlhabenden Stadtteilen tann demnach in Berlin nicht mehr die Rede sein. Die Geburtenziffer ist allenthalben außerordentlich niedrig. Sie ist so gering, daß Berlin nebst Bien und einigen skandinavischen Großstädten zu denjenigen Städten gehört, die aus eigener Kraft ihren Bevölkerungsstand felbft bei der heutigen geringen Sterblichkeit( 1928= 11,7 pro 1000; 1929 12,5) faum zu erhalten vermögen.

In Hamburg Stadt zeigt zeigt die Geburtenhäufigkeit folgendes Bild:

Stadtteile

ihrem König Ezel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Ueberlieferungen und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf tausend Jahre durch euch in einer Weise betätigt werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur schiel an­zusehen!"

Der Vergleich mit Hunnen ließ nichts zu wünschen übrig, und eine Karikatur war, in einem Gedicht, das begann: der Simpliziffimus" faritierte diese Ansprache, die schon an sich

Ich will euch gelbem Schweinepad, Euch schäbigen Chinesen,

Geht mir nicht ganz die Puste aus, Den Tert mal gründlich lesen. Schnedderengdeng!

Ihr seid mir z'meng! Bierhundert Millionen, Keinen will ich schonen, Alle bring' ich um! Tidingbum!

Aber zu lachen war da eigentlich nichts, denn das tattlose Mundwerk des Monarchen richtete, wie so oft, unmittelbar und mittelbar schlimmen Schaden an. Waldersee mit seinem Expeditionsforps langte zu spät an, um die reichlich erhaltenen " Borschußlorbeeren" abzuverdienen; mit der Einnahme von Peling am 14. August war auch ohne ihn das Wesentliche schon getan. Teilnehmer der deutschen Ostasien - Armee durch ihr Verhalten dem Aber angefeuert durch ihren allerhöchsten Kriegsherrn fügten viele deutschen Ansehen schweren Nachteil zu. Es kam zu Wassen­erschießungen der Bevölkerung; an einem Tag wurden achizig ausheben müssen; in Liangfianghfien ließ man beim Eindringen in Chinesen an die Wand gestellt, nachdem sie ihr eigenes Grab hatten

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die Stadt Pardon wird nicht gegeben! wahllos Boger und die Erlaubnis zum Plündern erteilt, und da die Heeresleitung friedliche Bürger über die Klinge springen; mehrfach wurde offiziell mit dem Raub der wertvollen alten astronomischen Instrumente der Pekinger Sternwarte das böse Beispiel gab, wurde das Plün­Mitgliedern des Expeditionstorps über diese Untaten, die sogenann dern bald auch inoffiziell allgemein. Als die Presse Schreiben von rium gegen einige sozialdemokratische Blätter Strafantrag. Den ten unnenbriefe", veröffentlichte, stellte das Kriegsmmiste Wahrheitsbeweis lehnten die Gerichte durchweg ab und warfen da­für harte Strafen Robert Schmidt und John vom Vor­wärts" sechs und sieben Monate Gefängnis! gegen die angeflag­ten Redakteure aus. Das hinderte Bebel nicht, im Reichstag den Bölker der Welt" anzuprangern. ganzen China - Feldzug als ein Schandmal für die zivilifierten

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Im August 1914 aber war es für die Ententepropaganda ein Kinderspiel, der Welt den Glauben an die den Deutschen an­gedichteten Greuel beizubringen. Hatte nicht der Kaiser felbft 1900 seine Soldaten aufgefordert, wie die Hunnen zu hausen? Was mochte er ihnen erst 1914 befohlen haben? Wilhelms renommistisches Ziel, daß niemals wieder ein Chinese einen Deut­ schen scheel anzusehen wage, wurde nicht erreicht; dafür bewirt.e seine Ansprache, daß ganz Europa famt den neutralen Staaten die Deutschen im Weltkrieg scheel ansah. Daß dem deutschen Bolt 1914 fofort das Brandmal des Hunnentums aufgedrückt wurde, dankt es einzig und allein dem unverantwortlichen Schwäger, der ein ganzes Menschenalter als ein Imperator Reg zeichnen durfte.

Hermann Wendel .

Die Entwidlung in anderen Weltstädten.

die Geburtenhäufigkeit in den deutschen Großstädten zu der aus. Um zum Schluß einen Hinweis darauf zu bringen, wie fich ländischer Großstädte verhält, laffen wir im folgenden eine Uebersicht der Entwicklung der Geburtenziffer in London = Stadt für die Jahre 1906/10 bis 1928, auf 1000 Einwohner berechnet, folgen:

Geburtenziffern ärmerer Stadtteile in London :

1906/10 1923 1924 1925 1926 1927 1928 24,3 22,1 22,0 20,9 20,0 19,0

mit überwiegend wohlhabender Bevölkerung:

1910 1926 1927

1928

Bethnal Green Shoreditch Bermondsey Stepney

33,0

32,9

13,6 10,6 10,7 10,5 11,1 11,9 10,2 11,2

27,0 25,0 24,5 23,3 20,7 20,7 32,0 24,8 24,3 22,6 20,7 19,9 19,8 34,9 23,3 21,3 20,8 19,7 18,3 18,5 in reicheren Stadtteilen:

Kensington

19,5

17,5 16,3 15,8 15,1 15,0 14,3

Westminster

16,9

Hampstead

Chelsea

16,2 21,6

14,0 11,7

9,9

.

10,6

London Stadt

12,3 11,2 10,7 11,3 10,1 10,4 14,2 13,5 12,2 12,3 11,9 11,6 15,7 14,3 14,4 13,3 13,4 12,7° 20,1 18,6 17,9 17,1 16,1 15,9

Harvestehude Rotherbaum

mit überwiegend bürgerlicher Be­völkerung: Hohenfelde

.

mif fleinbürgerlicher, aber auch Arbeiterbevölkerung:

Heimsbüttel.

M

St. Pauli Nord St. Pauli Süd Horn

C

mit nahezu reiner Arbeiterbevöl­ferung:

Beddel

Billwärder Ausschlag

St. Georg Süd

Barmbed

Hamburg Stadt

27,8 12,5 11,8 11,7 17,8 14,2 13,0 13,2 20,1 13,5 13,9 14,1 27,6 15,2 13,4 14,1

20,9 11,9 15,7 16,8 28,1 14,4 15,5 15,7 24,6 14,3 14,1 15,1 29,4 15,4 14,4 15,0 24,0 14,1 13,6 14,1

Die Einteilung der Stadtbezirke ist auf Grund des versteuerten Einkommens auf den Kopf der Bevölkerung für das Jahr 1913 erfolgt.

Aus den Zahlenreihen ist zu ersehen, daß in den wohlhabenden Stadtbezirken Hamburgs die Geburtenhäufigkeit bereits 1910 eine fehr niedrige war. In der Nachkriegszeit ist eine weitere wenn auch nur geringe Senfung in diesen Stadtvierteln erfolgt. Dagegen zeigen die proletarischen Stadtteile eine außerordentlich starte Senfung der Geburtenziffer von 1910 auf 1926/28. Diese Stadt­teile haben fich den wohlhabenden Bezirken sehr start angenähert. Diese Entwicklung ist durchaus kennzeichnend für den überwiegenden Teil der deutschen Großstädte.

* Jahresdurchschnitt.

Als Kennzeichen für reichere" bzw. ,, ärmere" Stadtteile Londons hat die 3ahl der Hausangestellten in den ein­zelnen Stadtbezirken, die bei der legten Zählung von 1921 ermittelt worden ist, gedient. Auch in London hat sich die Differenz zwischen der Geburtenziffer in den reicheren und ärmeren Stadtteilen im Laufe der Jahre sehr stark verringert. Aber verglichen mit den Berliner und Hamburger Verhältnissen weist London , sowohl in den ärmeren wie in den reicheren Stadtteilen, besonders aber in den ärmeren, eine wesentlich höhere Geburtenhäufigkeit auf. Da zu gleicher Zeit die Sterblichkeit in London nicht höher ist als in Berlin bzw. Hamburg , so hat London eine natürliche Bevölkerungs­zunahme aufzuweisen, die erheblich größer ist als die in Berlin bzw. in Hamburg .

Als allgemeine Schlußfolgerung ergibt sich, daß erstens zahlreiche deutsche Großstädte die Tendenz zeigen, mehr Todesfälle als Geburten aufzuweisen, daß zweitens zwischen der Geburtenhäufigkeit in den proletarischen und in den wohlhabenden Stadtteilen ein größerer Unterschied. in Deutschland kaum noch besteht, daß drittens der Rückgang der Geburtenhäufigkeit in den proletarischen Bezirken in der Nachkriegszeit sehr viel intensiver war als in den wohlhabenden Stadtteilen, und die Tendenz zum lleter. wiegen der Sterblichkeit über die Geburtenzahl in der Hauptfache auf den Geburtenrückgang in den proletarischen Stadtbezirken zurückzuführen ist. R. von Ungern- Sternberg.

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