Mit der Uebergabe der deutschen Antwortnote auf das Europa - Memorandum Briands, in der zum erstenmal offiziell
von der Reichsregierung das Problem der Revision ber Friedensverträge angeschnitten wurde, hat die Locarno politit eine entscheidende Belastungsprobe bestanden.
Nur dieser seit Jahren unermüdlich fortgesetzten Politik des Friedens und der Versöhnung ist es zu danken, daß die französische Presse auf das Stichwort ,, Revision des Versailler Bertrages" nicht in ein allgemeines, Wutgeschrei ausgebrochen ist. Selbst die nationalistischen Blätter finden es begreiflich, daß Deutschland die erste sich bietende Gelegenheit benutzt hat, um die Notwendigkeit einer mutigen Reform der einmal als unhaltbar erkannten Verhältnisse zu betonen. Die Debatte über die Revision der Verträge ist also eingeleitet und wenn auch heute ihr Ausgang längst noch nicht vorauszusehen ist, so ist es doch ermutigend genug, daß sie auf durchaus fachlicher und verständiger Basis begonnen hat.
Selbst der Te mps", der die Revisionsbestrebungen der Reichsregierung etwas mißbilligend als eine, abseitige Bemühung" charat. terisiert, gibt der Ueberzeugung Ausdruck, daß die Betrachtungen über die wirtschaftliche und administrative Ausgestaltung des Europabundes in der deutschen Note die prinzipiellen Grund. lagen zu einer Berständigung bieten, zumal die Note in Ton und Ausdrud eine mäßigung und einen Berzicht auf jede polemische Verärgerung zeige, die nur vertrauenermedend mirten fönnte. Nicht minder bedeutungsvoll ist das Urteil der schwerindustriellen Journée Industrielle", die in den durch aus ernst zu nehmenden und überaus brauchbaren" wirtschaftlichen Vorschlägen die notwendige Verständigungsbasis ge= funden haben mill. Gerade dadurch, daß die deutsche Note, wie das Petit Journal" ausdrücklich betont, sich der Verantwortlichkeit voll bewußt ist und sich stritt an den Geist von Locarno hält, fonnte sie ohne Gefährdung der Beziehungen zu Frankreich den entscheidenden Schritt magen, die Debatte über die Revision der Verträge zu eröffnen. Dieses Ergebnis wäre niemals der Politik der Gewalt und der großen Worte gelungen.
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Der Gaz der deutschen Antwort bezüglich der„, einmal als unhaltbar erfannten Verhältnisse" ist in der Tat einer der michtigsten in der deutschen Antwort. Er besagt eigentlich nichts anderes als das, was schon im Artifel 19 des Bölkerbundsstatuts steht, der ebenfalls von der Möglichkeit Nach prüfung unanwendbar gemordener Verträge und solcher internationalen Berhältnisse, deren Aufrechterhaltung den Welt frieden gefährden könnte", spricht.
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Bereits in seiner legten außenpolitischen Rede vor dem Reichstag am 25. Juni hatte Genosse Breitscheid auf die Bedeutung des Artikels 19 gerade für die deutsche Antwort auf das Memorandum Briands hingewiesen.
Lappo geht den vorhergesagten Weg der Gewalt.
Helsingfors , 16. Juli. ( Eigenbericht.) Die Lappo- Bewegung richtet jekt nach der Reichstagsauflösung und nach der Vernichtung der Kommu nistischen Partei ihren Hauptstoß gegen die sozial. demokratischen Organisationen. In Wiborg forderte eine Lappo- Abordnung vom Landeshauptmann das Berbot der sozialdemokratischen Tageszeitung ,, Kansan Työ". Der Landeshauptmann hat sich nach Helsingfors begeben, um der Regierung diese Forderung zu unter
breiten.
Am Mittwoch haussuchten etwa 20 Geheimpolizisten in den Büroräumen der Gewerkschaften. Zahlreiche Aften, Mitgliederlisten und der Schriftwechsel der Organisationen wurden beschlagnahmt.
Wien , 16. Juli. ( Eigenbericht.) Der Nationalrat verabschiedete das Notopfer für die Bandwirtschaft und die Erhöhung der Bier- und Zudersteuer. Um 19 Uhr trat der Nationalrat in dem festlich geschmückten Plenarsaal zur Festsitzung zusammen, in der dem Lande Kärnten anläßlich der zehnjährigen Wiederkehr der Boltsabstimmung, die Kärntens Zugehörigkeit zu Deutschösterreich sicherte, ein Zuschuß von 3 Millionen Schilling gewährt wurde, Der Bundeskanzler erklärte, daß dieser Beitrag nur vorläufig sei und, sobald es die finanzielle Lage des Staates erlaube, erhöht werde. Anschließend gaben alle Parteien Erklärungen ab, in denen sie die Treue der Kärntner zum Mutterlande feierten.
Dauerkampf gegen den Flottenvertrag. 3mmer neue Obstruktionsanträge im Genat. Washington , 16. Juli. ( Eigenbericht.)
Der Kampf im Senat um die Ratifizierung des Londoner Flottenvertrages geht mit verstärkter Bucht und immer neuen Ber ögerungsattionen der Vertragsgegner weiter. Die Oppo
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Vaterland über die
über die Partei?
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O nein! Das Baterland unter den Stahlhelm!
Konservativer Vorstoß gescheitert.
Labour Mehrheit mit liberalen Stimmen.
Condon, 16. Juli. ( Eigenbericht.)
Die am Mittwoch im Unterhaufe stattgefundene 3 o1ldebatte endete um 11 Uhr nachts mit der Ablehnung des fonjervativen Mißtrauensantrages gegen die Regierung. 312 Abgeordnete der Arbeiterpartei und der Liberalen flanden zum Schluffe der bewegten Sigung gegen 241 Konfervative. Das Abstimmungsergebnis wurde auf den Regierungsbänken mit großem Beifall aufgenommen.
Baldwin, der den Konservativen- Mißtrauensantrag begründete, hielt eine Rede, die weder Freund noch Gegner befriedigen fonnte. Lloyd George halfe es als Sprecher der Ciberalen leicht, mit ihm nach Strich und Faden abzurechnen. Mit Recht, sagte er zu den konservativen Führern, habe er die 3ollflagge auf halb mast gehißt. Moslen wandte sich ebenfalls gegen die Schutzölle. Eindringlich und überzeugend sprach Snowden und
Macdonald. Das wichtigste in den Reden der beiden Minister war die Erklärung, die Regierung werde vor der britischen Reichstonferenz keinerlei Aenderungen an der bisherigen Zollpolitik zulassen.
Kraftprobe in der Labour- Fraftion.
Die Unterhausfrattion der Labour Party beschäftigte sich am Mittwoch mit der Arbeitslosenfrage und lehnte mit 80 gegen 36 Stimmen einen zu dieser Angelegenheit gegen das Rabinett eingebrachten Mißtrauensantrag ab. Auf feiten der Opposition standen als Hauptwortführer Magton vom linken Flügel der Arbeiterpartei und Mosley vom rechten Flügel. Mosley mußte wegen seiner Haltung bittere Vorwürfe hören.
Zwei Kriegsschiffe nach Alexandrien entfandt.
London , 16. Juli. ( Eigenbericht.) die Interessen dieser Ausländer übernommen habe, sei Macdonald hielt am Mittwoch im Unterhaus die englische Regierung nunmehr verpflichtet eine Aufsehen erregende Rede über die Lage gewesen, zwei Kriegsschiffe nach Alexandrien zu entsenden. in Aegypten . Zunächst gab er den Beschluß der Regierung bekannt, zwei Kriegsschiffe nach Alexandrien zu entsenden. Dann erklärte der Ministerpräsident:
Die Regierung habe zu Beginn der ägyptischen Krise durch ihren in Kairo weilenden Oberkommissar dem König Fuad erklären lassen, England wünsche die strikteste Neutralität bei den innerpoli. tischen ägyptischen Auseinandersehungen zu bewahren und es werde sich unter feinen Umständen in diese Streitigkeiten hineindrängen lassen. Fuad möge davon überzeugt sein, daß England sich niemals als In strument gegen die ägyptische Verfassung misbrauchen lasse. Nach den Ereignissen in Alegandrien sei Fuads Ministerpräsident, Sidky Pascha, von dem Oberfommissar belehrt worden, daß die gegenwärtige ägyptische Regierung verantwort ich gemacht werden müsse für das Leben und das Eigentum der in Aegypten lebenden Ausländer. Da England jedoch die internationale Garantie für
Neue Zusammenstöße in Aussicht. Alexandria , 16. Juli. ( Eigenbericht.) Bor Alexandria liegen seit Mittwoch zum Schuh ber fremden Einwohner zwei englische Kriegsschiffe.
Die hier seit Dienstag zu verzeichnende fremden= feindliche Stimmung richtet sich hauptsächlich gegen die Griechen und Italiener . Sie werden beschuldigt, die Partei der Regierung des Königs Fuad ergriffen zu haben. Am 21. Juli beabsichtigt der Wafb, eine Barlamentssitung abzuhalten und das Parlamentsgebäude zu diesem Zweck gewaltsam zu öffnen. Die Hauptstraßen von Alexandria tragen deutliche Spuren der Kämpfe. Bahlreiche Läden wurden schwer beschädigt. Die Polizeistation in Manschich wurde in Brand gestedt. Die anrückende Feuerwehr wurde von der Menge überwältigt. Die Zahl der Todesopfer beziffert sich auf 12, die der Verwundeten auf 388.
zielten Bedingungen weiter gegeben werden.
Die sächsische Ministerpräsidentenwahl. nehmungen als Darlehen unter den bei der Anleiheaufnahme ers Nochmals Wahl vor den Landtagsferien?
Die zur Ausgabe gelangenden Schuldverschreibungen mit Zinsschein fönnen sämtlich oder teilweise auf ausländische oder nach einem bestimmten Wertverhältnis gleichzeitig auf in- und aus= ländische Währungen sowie im Ausland zahlbar ausgestellt werden. Das Finanzministerium soll ermächtigt werden, alle zur Durchführung der Anleihe erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
fition formulierte eine Entschließung, die die Ratifizierung von dem Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung befassen, dessen Schluß. Verbreitung von Zersetzungsschriften.
Abschluß eines internationalen Garantiepertrages zweds Sicherung der absoluten Freiheit der Meere und der unbehinderten Seefahrt aller Nationen zu Kriegs- und Friedenszeiten abhängig machen will. Die Entschließung ist ziemlich aussichtslos, fie gibt aber der Opposition eine neue Gelegenheit, die Beratungen hinauszuzögern.
Alois Wohlmuth gestorben. Der befannte Münchener Schauspieler Alois Wohlmuth ist gestern im Alter von 85 Jahren ge= storben. Wohlmuth gehörte seit Jahrzehnten zu den Stüßen des Bayrischen Landestheaters. Sein Fach waren die charaktertomischen Rollen Molièrs und Shakespeares und in früheren Zeiten die großen Intriganten im Stil Richard III. und Franz Moors. Bohlmath gehörte zu den Gestaltern, die pathetische, meitschwingende Deflanation mit scharfer Charakteristik verbanden. Er war einer der lehten aus der pathetischen Schule. Großen Malern wie Leibl und Lenbach hat er oft privat und in Rollen als Modell gesessen.
Amerikanischer Riefenbesuch in Europa . Die Zahl der nach Europa reifenden Amerikaner wird in den nächsten Tagen ihren höchsten Stand erreichen. Man rechnet damit, daß sich nicht weniger ais 13 000 Amerifaner nach Europa einschiffen werden,
In parlamentarischen Kreisen nimmt man an, daß sich der Landtag am 24. Juli bis zum Herbst pertagen wird. Bereits am Donnerstag wird der Landtag für den Ferienabschnitt einen 3wischenausschuß einsetzen. Die Donnerstagssigung dürfte nur von furzer Dauer sein. Nachher werden sich die Ausschüsse mit dem beratung durch den Landtag wahrscheinlich am 22. Juli in Angriff genommen werden wird. Dann dürfte man es noch einmal verfuchen, den Ministerpräsidenten zu wählen und die Regierung zu bilden. Mißlingt der Versuch wieder, dann bleibt die geschäftsführende Regierung Schied bis zum Herbst im Amte.
Bis zum Betrage von 126 Millionen.
München , 16. Juli. Der bayerische Finanzminister hat auf Grund eines Beschluffes des Staatsministeriums dem Landtag einen Antrag auf Ermächtigung zur Aufnahme einer Staatsanleihe bis zum Betrage von 126 Millionen Mark zugehen lassen. Die Anleihe foll Staates in Höhe von 84 millionen Mart in eine langfristige dazu dienen, kurzfristige Schuldverpflichtungen des Schuld umzuwandeln. Ein Teilbetrag bis zu 42 Millionen Mart die bayerischen Groß- Bassertraft Unter.
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Kommunist zu Festungshaft verurteilt.
Dem Fleischergesellen Franz Jarczyt aus Hindenburg in Oberschlesien wurde zur Last gelegt, im Oftober und November 1929 an der Verbreitung der Zersegungsschriften ,, Der Reichswehrsoldat" und„ Der Polizeibeamte" mitgewirkt zu haben. Jarczyk wurde wegen Vorbereitung zum Hochverrat angeflagt. In der Verhandlung, die am 16. Juli 1930 vor dem vierten Straffenat des Reichsgerichts unter Vorsiz des Senatspräsidenten Lorenz stattfand, bestritt der Angeklagte, die ihm zur Last gelegten Handlungen begangen zu haben. Der Reichsanwalt betrachtete es als auf Grund der Zeugenaussagen erwiesen, daß Jarczyk Knaben mit der Verteilung der Bersegungsschriften betraut und solche Schriften bereitgehalten habe und beantragte eine Strafe von 1½ Jahr Festung. Der Genat verurteilte der Begründung betonte der Borsigende, daß sich das Gericht auf den Angeklagten entsprechend dem Antrag des Reichsanwaltes. In Grund der Zeugenaussagen von der Berechtigung der gegen den Angeklagten erhobenen Borwürfe überzeugt habe.