Morgenausgabe
Ar. 337
A 170
47.Jahrgang
Wöchentlich 85 Pf., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Postbezug 4,32 m. einschließlich 60 Pfg. Postzeitungs- und 72 Pfg. Poftbestellgebühren. Auslands. abonnement 6,- M. pro Monat. *
Der„ Borwärts" erscheint wochentäg lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit" und ,, Kinderfreund". Ferner Frauenstimme", Technit",„ Blid in die Bücherwelt"," Jugend- Vorwärts" und Stadtbeilage".
asd ajink
Dienstag
22. Juli 1930
Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.
Die einfpaftige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen das lettge druckte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.
Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .
-
Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten
Postschecktonto: Berlin 37 536.- Vorwärts: Verlag G.m.b.H.
Brüning sucht einen Wahlblock.
Burgfrieden der Bürger.- Kampf gegen die Sozialdemokratie.
Die Regierung Brüning will den Wahlkampf aktiv| die Herren Trepiranus und Lindeiner Bildau führen. Das fing an mit ihrem Wahlaufruf, und der war von den Volkskonservativen sollen fich ihnen unterordnen. Das danach. Dann kam Herr Wirth mit seiner Rede im Rund- Schwergewicht dieser neuen Parteibildung würde sehr weit funk, und demnächst soll Aktion Nummer drei steigen. Herr rechts liegen, viel mehr nach den Deutschkonservativen hin Brüning will den Versuch einer bürgerlichen als nach den Volkskonservativen. Die Führer der GroßSammlung machen. Man redet von einem ,, bürger agrarier werden sehr bald die ausschlaggebende Rolle darin lichen Nichtangriffspaft", vom Abschluß eines Burgfriedensvertrags zwischen den Parteien, die an der Regierung beteiligt waren.
Die Sammlungsparole tut ihnen not! Auf der Rechten des Brüning- Blocks steht die christlich- nationale Bauern- und Landvolkpartei neben den Volkskonservativen, Graf Westarp
neben Herrn Schiele.
=
Auf dem andern Flügel war man bis in die letzte Reichstagssigung hinein nichts weniger als einig und fürchtet sich coreinander. Das alles will Herr Brüning sammeln und unter den großen Burgfriedenshut bringen! Ein schöner Mischmasch: Konservative neben Liberalen und Zentrum, und zu allen noch hinzu die Herren Interessenten von der Wirtschaftspartei!
ſpielen!
Der Reichslandbund wird dieser neuen Partei zwar nicht eine regelrechte Parteiorganisation, aber doch ein organis satorisches Gerippe bieten, vielleicht auch die Wahltasse.
und Beamten, Wallstr. 65. Dt. B. u. Disc.- Gef., Depofitenkaffe Lindenstr. 3.
Stalins Triumph.
Das Fazit des bolschewistischen Parteitages.
Von Peter Garwy.
ebenso mager wie vielfagend: Stalinist zum Dittator Das Ergebnis des langen Parteitages" in Moskau ist gefrönt worden.
endet. Mehr als sieben Jahre dauerte der erbitterte Kampf Die Personifizierung der Parteidiktatur ist damit vollendet. Mehr als sieben Jahre dauerte der erbitterte Kampf um die Macht unter den Diadochen des Bolschewismus. Nun ist es endlich Stalin gelungen, den erledigten Thron Lenins zu besetzen. Diktator und Papst in einer Person, wird er nunmehr unbeschränkt und unfehlbar" sowohl über Sowjetrußland als auch über die Komintern schalten und walten.
In diesem Zusammenhang muß auf eine Auseinander segung verwiesen werden, die vor einigen Tagen zwischen Stalin hat auf dem Parteitag, den er mit fester Hand der Grünen Wochenschau", dem Organ des Reichsvorbereitet" hatte, den Sieg über seine Widersacher davon= landbundes, und der Deutschen Zeitung" stattge- getragen. Es war nicht schwer. Die längst zertrümmerte funden hat. Die Deutsche Zeitung" führte die Auseinander Lintsopposition war auf dem Parteitag überhaupt nicht verdie Grüne Front". Die Grundlage der Auseinander- opposition, die mehr eine Stimmung als eine organisierte segung unter der Ueberschrift Industriegelder für treten. Dasselbe gilt für die absichtlich formlose Rechtsjetzung bildete die Tatsache, daß das Kalisyndikat der Fraktion ist. Nur ihre reumütigen Führer Rykow , ,, Grünen Front" mehrere Millionen Mart zur Tomski und Uglanom fonnten zu Wort kommen- Örganisierung des Milchabsazes in Berlin gestiftet hat und aber nur um vor dem mißtrauischen und höhnischen Parteidaß diese Millionen bisher für diesen Zweck nicht ver- tag der Stalinschen Mameluken ihre erniedrigenden Reue= wendet worden sind. Die ,, Deutsche Zeitung" hat die Dis- bekenntnisse zum zweiten Male abzulegen. fussion mit der folgenden Bemerkung abgeschlossen:
Das alles soll geeinigt werden gegen die Sozial demokratie. Herr Brüning will seine politische Idee des ,, Man kann sich wohl denken, daß die Landwirtschaft auf die neuen Bürgerblocks nicht untergehen lassen und möchte sich Beantwortung der Frage gespannt ist, was denn nun eigent schon vor der Wahl für fünftige Bürgerblockerperimente nachlich mit den im vorigen Herbst vom Kalisyndikat der Wahl die Basis schaffen. Er fängt früh an- aber er bereitgestellten, Millionen geschehen ist oder ge schehen soll. Vielleicht weiß der jo gut unterrichtete Reichs macht seine Rechnung ohne die Wähler. landbund darüber Auskunft zu geben."
Sammlung von den Demokraten bis zu Westarp: alle Gruppen, die für Brüning gestimmt haben, sollen nach seiner Ansicht solidarisch haften für die Taten der„ reaktionärsten Regierung seit der Revolution".
Wird auch eine gemeinsame Kasse geschaffen und wer soll sie speisen? Soll dieser ,, bürgerliche Nichtangriffs= paft" die angenehme Nebenwirkung haben, daß alle Beteiligten der Subsidien der Schwerindustrie teilhaftig werden?
Die Krise der Rechten. Gammlungsversuche um den Reichslandbund. Heute tritt der Bundesvorstand des Reichslandbundes zusammen, um über die Gründung einer neuen konservativen Partei zu beraten. Die a grarischen Interessen wollen sich in den Vordergrund schieben, und
Die Stimmlisten.
Auslegung vom 24. bis 31. Auguft.
Hier sind sehr interessante Zusammenhänge und Möglichkeiten angedeutet, und diese Millionensubvention durch das Kalisyndikat erfordert die Aufmerksamkeit der gesamten Deffentlichkeit!
Der Reichstagsabgeordnete General a. D. von 2ettom Vorbed hat in einem Schreiben an Hugenberg seinen Austritt aus der Deutschnationalen Partei mitgeteilt. Es heißt darin u. a.:
" Durch die letzte Abstimmung im Reichstag bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daß ich Ihrer Führung nicht mehr zu folgen vermag. Die Gründe sind die gleichen, die ich Ihnen in
engerem Kreise und nachher in der Fraktion auseinandergesetzt habe. Ich erkläre daher meinen Austritt aus der Deutschnationalen Partei."
Kanossa war ein erhabenes Schauspiel im Vergleich zu dieser echt asiatischen Bußszene, zu diesem demütigen Waffenstreden vor dem allmächtigen Rhan...
In der akuten Periode des Scheiterns der blizzartigen 3mangsfollektivierung im Frühling dieses Jahres hat die Rechtsopposition vielleicht die einzige Möglichkeit verpaẞt, durch ein kühnes Eingreifen die Führung an sich zu reizen und den Diktator zu stürzen. Das Wagnis hätte den Appell an das Land und an die vergewaltigte Bauernschaft erfordert. Die das Volk scheuende Rechtsopposition, die gleich den Stalinisten und Trozkisten auf dem Boden der Diktatur steht, vermochte nicht, die geschichtliche Chance auszunuzen. Ihre Unentschlossenheit, die durch ihre diftatorische Einstellung bedingt war, mußte sie auf dem Parteitag mit der Bußfolter ohnegleichen bezahlen. Der Sieger aber war flug genug, die reumütigen Widersacher an seinen Triumphwagen zu fesseln. Rykow ist ins Politbüro gewählt, Tomsti und sogar Bucharin , der trozig schwieg, in das Zentralkomitee. Denn die formlose und kampfscheue Rechtsopposition hat starke und verzweigte Wurzeln in der Partei und im Lande. Immerhin ein faules Kompromiß.
Der Parteitag war in erster Linie ein Plebiszit für Stalin . Kein Wort der Kritik, kein Zweifel in die
Wieder einer Weniger! Hugenbergs Kreis wird immer enger. Richtigkeit seiner Generallinie war auf dem zweitausend
Allgemeine
Funktionär- Versammlung
heute, am Dienstag, dem 22. Juli, 19%, Uhr, Der Reichsminister des Innern hat bestimmt, daß die im Saalbau Friedrichshain, Am Friedrichshain 16-23. Stimmlisten und Stimmkarteien für die Reichstagswahl vom 24. bis 31. August 1930 auszulegen sind.
Neuer Sowjetbotschafter in Berlin . Krestinski stellvertretender Außenfommiffar.- Litwinow rückt an Tschitscherins Stelle.
Moskau , 21. Juli. Das Präsidium des Zentralfomitees der Sowjetunion hat Tschitscherin auf seine persönliche Bitte(!) hin seines Postens als Außenkommissar enthoben. An seine Stelle wurde Litwinow zum Außenkommissar ernannt, Krestinski zum ersten und Karachan zum zweiten Stellvertreter. Das Kollegium des Außenkommissariats besteht aus Krestinski , Karachan und Stomonjakow.
*
Die Abberufung Tschitscherins, der seit Jahren schwer leidend, aber obendrein bei Stalin in Ungnade gefallen ist, war längst fällig. Seine Ersegung durch Lit winow , der faktisch den Posten des Außenkommissars seit mindestens drei Jahren bereits bekleidete, war ebenfalls allgemein erwartet.
zum
Die einzige Ueberraschung ist die Ernennung Krestinskis Stellvertretenden Kommissar. Für Karachan, der bisher Litwinows Stellvertreter war, ist es fein Rompliment, daß nunmehr ein anderer dazwischengeschoben wird. Und bei Krestinski liegt die Vermutung nahe, daß er nicht gerade mit Begeisterung den Berliner Botschafterposten, zweifellos den wichtigsten, den die
Tagesordnung:
töpfigen Parteitag zu hören. Mit Recht brandmarkte Troti in seinem Pariser Bulletin" die plebiszitären Methoden Stalins als automatische Vorbereitung des Bonapartismus". Und in der Tat ist die Personifizierung der Diktatur, die auf dem Parteitag zum Vorschein kam, die Wegbereitung für den Bonapartismus. Stalin selbst wird kaum der kommende Napoleon sein. Aber er ebnet ihm durch seine Partei- und Staatspolitik den Weg. Nicht umsonst bemühte sich der Volkskommissar für Heer und Marine, Moros chilom, auf dem Parteitag zu beweisen, daß die Rote Armee ein vollkommen zuverlässiges Werkzeug. der Parteidiktatur bilde und daß jedes Gespräch der Oppo sitionellen über die bonapartistischen Tendenzen in der Roten Armee eine Erfindung und Berleumdung sei. Selig, mer
Zutritt nur mit Funktionärausweis für 1930 und Partei- da glaubet... mitgliedsbuch.
Der Bezirksvorstand.
USSR . im Ausland unterhält, gegen eine weniger selb= ständige Stellung in der Zentrale eintauschen wird.
Im allgemeinen haben die Auslandsvertreter der Sowjet union in den letzten Monaten eine wachsende Abneigung gegen die Befolgung solcher Rückberufungsorder ins Sowjetparadies an den Tag gelegt. Viele ließen sich sogar lieber in Abwesenheit von der GPU. zum Tode verurteilen und eine Vermögensfonfistation über sich ergehen, als daß sie dem Befehl der Obrigkeit Folge leisteten.
Bei Herrn Krestinski liegt natürlich der Fall wesentlich anders. Er wird zweifellos nach Moskau zurückkehren. Ob gern, das ist eine andere Frage.
Es war
Der Parteitag hat Stalin auf den Schild gehoben und seine Generallinie natürlich ,, einstimmig" gebilligt. Hiermit hat der Parteitag die Generallinie Stalins zum Staatsgesetz erhoben. Der Generalstaatsanwalt der Sowjetunion Krylenko hat in seiner Rede erklärt, daß Parteibeschlüsse als Staatsgefege gelten. übrigens ein offenes Geheimnis. Die Partei und der Staat sind in Sowjetrußland eins. Die Beschlüsse des 16. Parteitages sind daher keine Direktiven für Parteimitglieder, sondern Gesetze für die Staatsbehörden.
Stalins Generallinie ist vor allen Dingen forcierte Industrialisierung und Kollektivisierung. Es handelt sich um die Utopie der Errichtung des integralen Sozialismus" in wenigen Jahren. Nach den Beschlüssen des Parteitages soll der Fünfjahrsplan in vier, z. T. in drei, ja
Finnisch Russischer Notenkrieg. sogar in zwei Jahren verwirklicht werden. Die allgemeine
Proteste in Helsingfors und Moskau .
Helsingfors , 21. Juli. ( Eigenbericht.)
Die russische Regierung hat in Helsingfors eine Protestnote über die Grenzverlegungen durch finnische Staatsbürger Protest erhoben und vor allem darauf hingewiesen, daß in letzter Zeit zahlreiche finnische Kommunisten illegal und 3wangsweise über die russische Grenze gejagt worden sind.
Eine finnische Note protestiert in Mostau gegen schlechte Behandlung verhafteter Finnen in Rußland .
Kollektiviſierung der Bauernschaft und die Sozialisierung der Landwirtschaft" soll im letzten Jahre des Jahrfünfts, also im Jahre 1932/33 vollendet werden.
Der Zahlenrausch, mit dem Stalin und seine Handlanger die Durchführbarkeit der Generallinie zu beweisen suchten, hat den Parteitag betäubt. Die Nachprüfung der Angaben ist übrigens unmöglich. Nach der jüngsten Absägung der parteilojen, wenn auch sowjetfreundlichen und loyalen Statistiker ist die Sowjetstatistit zum gefügigen Werkzeug des Diktators geworden. Jedenfalls sollten die Zahlen