Die Geschichte des Notars von Douai
In ben legten Tagen hörte ich nach 13 langen Jahren wieder| Ludwig van Betihonens göttliche Uppaffionata. Sie löfte in mir die Erinnerung an ein feirfames Erlebnis im Weltkriege aus. Ich hatte die Geschichte des Notars pon Dougi damals gleich nieberge sdyrteben; aber die Niederschrift hatte ich im Taumel der Ereigniffe verlegt. Ein mertwürdiger Umstand spielt fie mit an dem Tage wieder in die Hände, an dem ich die 2ppaffionata mieber hörte. Ich schrieb in der Gluthize der letzten Juli- Tage des Jahres 1917 unter dem Getöse eines Großfampftages vor Arras in Douai dies nieder: Ueber der Stadt liegen englische Flieger. Sie werfen menfchen mordende Bomben erbarmungslos auf Freund und Feind. Bon Arras dröhnt unaufhörlicher dumpfer Donner schwerer Geschüße. Daheim läuten mohl Kirchenglocken feierlich den Sonntag ein. Aber hier ruht der Kampf nicht. Was heißt Sonntag? Der Kriegs falender hat ihn längst gestrichen, das Kriegshandwert ist unheilig. Es gewährt feine Baufe. Immer tötet man. Jetzt schon seit Jahren, ohne Unterlaß! Es gibt teine Ruhe. Immer darfst du fämpfen und fterben. Man kann die Toten dieses Krieges faum noch zählen. Und immer größer wird ihre Zahl. Stündlich, in jeder Minute!
Jetzt schießen tollkühne Flieger vermegen auf marschierende Truppen. In den Straßen von Douai , auf dem Wege nach Arras . Rananendonner erschüttert die Luft. Unter dem Hagel feindlicher Geschosse soll in Douai ein Konzert sein. Ein Sonntags- Ronzert für ruhende Krieger. Zur Erbauung. Musica inter armes!
*
Hotel de ville! Ein alter Rathaussaal mit ehrwürdigem Schmuck. Festsaal für feierliche Begebenheiten in friedlichen Zeiten. Warum nicht auch würdige Stätte für flüchtige Erbauung im Kriege?...
Ein Konzert für feldgraue Kämpfer. Die Reihen sind dicht besetzt. Gestern noch lagen fie im Graben vor Arras . Beim Trommelfeuer, das hören und Sehen vergessen läßt. Haben sic noch Sinn für Musik? Man muß etwas tun für abgefämpfte Frontfrieger, Warum nicht auch ein Konzert? Fast teilnahmslos hört man zu. Was ist schon dabei? Warum nicht auch die Melodie von Morgenrot und frühem Tod? Das ist doch die Losung!! Wer lebt übermorgen noch?
-
-
Auf dem Podium steht ein Flügel. Aus dem Kreis der Feld grauen löst sich ein Mann. Ein Gefreiter, flein , fast unscheinbar, mit scharfen Zügen. Ein feiner Kopf. Einer der Herren mit farmesinroten Biesen bietet Ruhe, durch befehlende Geste. Auf dem Programm steht:
.
-
-
II. Teil.
flucht in Stellern. Oft dauert es bis zum frühen Morgen. Man hat fich auch daran gewöhnt. Selbst die Rinder weinen nicht mehr Kriegsteilnehmer" im Kindesciter nach göttlicher Vorsehung. Das eine Mädchen schläft in den Armen der tutter. Die Jungen fizen oft auf meinem Schoß und warten geduldig, bis die ersten Sonnen. ftrahlen die nächtlichen Flieger für Stunden perfcheuchen. Dort hat mir die junge Französin die Geschichte des Notars erzählt:
-
Er war ein Freund der Deutschen , ein Gegner der Striege. Ein feinsinniger Gelehrter, ein Künstler vielleicht. Jeber Gewalt abhold. Borfämpfer ewiger Menschenversöhnung. In Deutschland hatte er studiert; las deutsche Bücher; liebte deutsche Mufit mit Leidenschaft; und spielte nächtelang auf einem deutschen Flügel. Regelmäßig besuchte er Deutschland. --- Dann brach der Welt frieg aus. Feindliche Armeen ergossen sich über Nordfrankreich. Douai wurde befeßt, Der Notar flagte nicht. Man behandelte den Deutschsprechenden nicht schlecht. Die Bejagung drückte ihn faum. Aber er war still geworden. Er sprach taum, ganz felten nur spielte er noch. Und dann wurde das Mufitzimmer verschlossen. Der Notar spielte nicht mehr auf seinem Flügel. Er zweifelte an den Menschen, die sich immer noch, fast vor seinen Augen, sinnlos mordeten. Das erste Kriegsjahr ging zur Neige. Aber noch fein Ende des entsetzlichen Menschenmordens. Immer noch Krieg. Blut floß ftündlich, wie Wasser in reißenden Strömen, unaufhörlich. Immer mehr Tote, Berstümmelte, mehr Bermundete. Die Klagen schuldloser Witwen und Waisen schreien zum Himmel! Aber keine Hoffnung auf Frieden. Und immer noch das Leben unter feindlichen Soldaten. Der Notar war ganz still geworden. Er war frant, sehr frant. Er litt an den Menschen! Er verzweifelte an der Menschheit, die, von Wahnsinn getrieben, alle Güter der Kultur frivol zerschlug..
Eines Tages, im Frühjahr des zweiten Kriegsjahres, begehrt er Säuberung des Musifzimmers. Er will wieder spielen, aber erst am Abend. Das Zimmer wird hergerichtet. Die Mutter ist längst bei ihren Kindern. An der Front herrscht Ruhe. Auf dem Pflaster draußen dröhnen dumpfe Schritte patroullierender Wachen. In dem Erdgeschoß seines Hauses spielt der Notar. Der Klang feines Flügels dringt in herrlichen Sätzen durch die stille Nacht. Er spielt deutsche Musik. Und die Wachen lassen es geschehen. Wer spielt in Douai schon deutsche Musit?
,, Am nächsten Tag tam der Notar nicht," sagt die Franzöfin mit zitternder Stimme, und dann tränenerftit: Il s'était tué, monsieur!" Man fand den Notar in seinem Bett, blutüberströmt, tot, seiner Hand war das Rasiermesser entfallen.
ganzen Jahren, aus Pietät.
Der Gefreite greift in die Tasten. Es herrscht Todesstille. Die Das Musitzimmer war verschlossen. Niemand hatte es feitdem Kunst des großen Meisters reißt alle mit, nimmt alle gefangen.| betreten. Auch kein Soldat. Es mar verschlossen geblieben, in den Und erfüllt den Saal mit muchtigen Afforden. Kanonendonner bringt nicht mehr hierher. Krieg vergessen, Welt entrückt; alles in Einheit verbunden durch die göttliche Macht der Mufit; durch die Allgewalt des schöpferischen Berkes, gespielt von einem Namenlosen. Die letzten Töne grenzenlos leidenschaftlicher Musik verflingen. Noch steht alles in ihrem Bann.... Wieder sausen Bomben nieder, die nichts von dem Meister wissen, aber töten tönnen, nicht die unsterbliche Musit, aber Menschen. Auf der„ Grande Place" schlagen Bomben wuchtig ein; che noch die Appassionata in uns Derflungen ist.--
M. Sigier, Notaire.
So steht auf dem Schild an dem Hause, das mir Wohnung gewährt. Der Notar ist zu seinen Bätern versammelt. Eine junge Frau bewahrt den Besiz. Ihr Mann, früher Gärtner in dem Hause, tämpft auf der anderen Seite. Die Mutter betreut drei Kinder, ein fleines Mädel mit blonden Zöpfen und zwei pausbacige Bubent. Sie wollte nicht durch die Schweiz nach Südfrankreich ; sie will hier aushalten. Solange es geht. Das hat sie dem Notar versprochen. Versprechen soll man halten. Und eines Tages fommen die Franzosen doch wieder. Das ist ihr unerschütterlicher Glaube. In den Nächten fommen immer Flieger. Dann sucht man 3u
H.Hesse: Auf der Löwenfarm
Eine der ungewöhnlichsten Züchtereien besteht in der Umgegend von Los Angeles . Nähert man sich im Kraftwagen auf der Landstraße, so taucht die Farm ganz urplötzlich auf. Man könnte fich fünftausend Meilen entfernt im afrikanischen Dschungel glauben. Das niedrige Gebäude von ansehnlicher Ausdehnung ist mit Palmen und Gras gedeckt wie eine Urwaldhütte. Der Zaun wird durch eine Hede von Palmenbäumen verdeckt. Ein großes Schild verrät alles: ,, Gays Löwenfarm."
Charles Gan baute diese ungewöhnliche Züchterei auf. Er hält zur Zeit gegen 150 Löwen in jedem Alter. Ein alter, intelligenter Königslöwe ist ein berühmter Filmschauspieler und brachte feinem Besitzer in den letzten fünf Jahren 50 000 Dollar ein. Die Haupteinnahmequelle bilden jedoch die 50 000 Dollar, die jährlich von Besuchern der Farm als Eintrittsgeld gezahlt werden. Wie es in Amerita öfter vorkommt, wurde das ganze Geschäft durch einen bloßen Zufall ins Leben gerufen.
Bor acht Jahren brauchte eine große Filmgesellschaft einige Tiere für ein großes Wandelbild. Man ließ aus England brei Löwen kommen mit Gay und seiner Frau als Bärterin. Nachdem der Film fertiggestellt, hatte die Gesellschaft keine weitere Verwen dung für die Löwen, und verkaufte sie daher für einen Bruchteil des Wertes an Gay. Dieser entschloß sich, in den Vereinigten Staaten zu bleiben, anstatt nach England zurückzukehren. Er brachte die Löwen im Hofe unter und begab sich auf die Suche nach Arbeit. Da kam ein großes Ereignis: Rofie, eine der Löwinnen, bescherte ihrem glücklichen Befizer drei Junge! Die ganze Nachbarschaft tam, um die drolligen Tiere zu sehen, und bald folgte die ganze Stadt.
Das brachte Gay auf eine große Idee: warum aus der Stadt fortziehen? Eine Löwenfarm hat ihre Reize, und Neugierige zahlen trog aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten Eintrittsgeld. Dieser Gedanke hat sich im Laufe der Zeit zu einem Geschäft entwickelt, das eine Viertelmillion Dollar wert ist. Gay faufte eine Farm und legte einen künstlichen Urwald an. Da einige der benachbarten Farmer den Löwen nicht recht trauten, baute Bay einen Baun, deffen Pfähle Telegraphenpfosten gleichen. Er benutzte extra starten Stahlmaschendraht, um die Löwenherrschaften und ihre Sprößlinge davon abzuhalten, Streifzüge in die Hühnerhäuser der Umgegend zu unternehmen. Dann wurde der ganze Dschungel" in einzelne 2b teilungen abgeteilt, so daß sich die Löwen bequem hierhin und dort hin dirigieren ließen. Als die Neuigkeit der Löwenfarm ruchbar rourde, schüttelten alte 300- und Zirkusleute den Kopf. Das ist ja nicht möglich!" erklärten sie. Löwen vermehren sich nicht in Gefangenschaft, und täten sie es, würde es noch immer unmöglich fein, die Jungen aufzuziehen." R: sie, die im vorigen Jahre starb,
Mit mir mar ein junger Feldbuchhändler im Festsaal, mit ihm hörte ich die Appassionata . Mein Kamerad spielte fie auch. Er wollte schon immer auf dem Flügel des Notars spielen. Seine Geschichte fannte er nicht. Seit dem Freitob waren nun schon Jahre vergangen. An diesem Sonntag bedrängte mich mein Freund wieder. Einmal wollte er spielen. Die Frau würde den Schlüssel wohl geben. Und sie gab ihn. Wir öffneten die große Flügel tür des Musikzimmers. In stiller Ehrfurcht traten wir ein. Staub und Stickluft schlug uns entgegen. Die junge Französin zündet Licht. Alles ist unberührt. In der Ede des Zimmers steht der deutsche Flügel, mit aufgeschlagenen Noten. Wir lesen Appassionata
-
-
Am nächsten Mittag traf ich meinen Kameraden.( Dr. Br. aus München .) Er bewohnte das Zimmer des Notars, benutzte fein Bett. Mein Freund war ganz verstört. Denfen Sie," so sagte er, immer noch bestürzt ,,, ich habe geträumt, in meinem Bett hätte sich ein Mensch getötet." Am Abend habe ich ihm die Geschichte des A. Nottebohm. Notars von Douai erzählt.
bewies jedoch, daß dies nicht der Fall war. Sie hatte 48 Junge zur Welt gebracht und bemuttert.
Die Löwenfarm ist täglich zur Besichtigung offen, mit Ausi nahme des Montags, der als Ruhetag gilt. An diesem Tage ist alles ruhig. Die Löwen erhalten kein Futter. An den übrigen Wochentagen aber bietet sich ein fesselndes Bild. Die Besucher werden von einem 3winger zum anderen geleitet, und in jedem führen die Löwen ihre Stunststücke aus.
Jeder Tag beginnt mit der Fütterung der Raubtiere. Die fleinen Jungen erhalten ihre Milch auf die von der Natur vorgesehene Weise. Zuweilen meigert sich eine Löwenmutter, ihre eigenen Babys zu fäugen, so daß die Frau Gay sie mit der Flasche großziehen muß. Nach und nach werden dann die Jungen an Fleischloft gewöhnt. Die Tiere erhalten ihre Nahrung einzeln in einem winger und verzehren täglich etwa 1360 Bjund Jie: fch. wird ihnen das Fleisch in den 3winger geworfen, so schleichen sich die Löwen heran, bis sie schließlich mit lautem Brüllen jäh darauf zustoßen, als erlegten sie ihre Beute im Urwalde.
Nach der Fütterung werden in den verschiedenen Zwingern einige Künste versucht. Zuweilen ist ein Tier allein, zuweilen arbeiten mehrere zusammen. In einer Gruppe männlicher Löwen hört jeder auf seinen Namen und führt einen Trick aus. Pluto , der Löwenmonarch dieses Reiches und einer der ersten Abkömmlinge Rosies, wäscht seinem Herrn den Kopf, indem er ihn fräftig leckt. Dazu gehört, daß Bluto alle Augenblicke die Zähne fletscht und ein wildes Gebrüll ausstößt. Die männlichen Zuschauer sind sich jedoch darübec einig, daß es besser ist, wenn sich der Friseur an den mehr oder weniger rasierten Stellen abmüht.
Die Sterne der Vorstellung sind die Jungen. Sie haben das Gebaren fleiner Kazen und es scheint sie zu vergnügen, der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu sein. Knaben und Mädchen wie auch Erwachsene lieblosen die jungen Löwen gern.
" Es war nicht immer Spielwert ohne Arbeit, die Löwenfarm in Betrieb zu setzen," erklärte Gay." Wir hatten feinerlei Anhaitspuntte. Zieht man Hühner auf oder befaßt sich mit Apfelerzeugung, so fann man allerlei nützliche Auskünfte einholen. Für Löwenzucht gibt es jedoch keine Handbücher. Wir mußten uns auf unserem Wege selbst vorantasten und Versuche anstellen. Standen wir vor einer neuen Aufgabe, so mußten wir fie selbst lösen. Manche unserer Besucher scheinen anzunehmen, die Löwenzucht sei ein bloßes Ber gnügen. Es ist jedoch harte Arbeit und erfordert in tausend Dingen schärffte Aufmerksamkeit. In einigen Kunststüden legen die ausge wachsenen Löwen ihre Pfoten auf meine Schultern. Sie haben je doch einiges Gewicht, denn etliche wiegen bereits fünfhundert Pfund."
Auf die Frage, ob Löwen wirklich zahm sind oder ob jederzeit Vorsicht geboten ist, antwortete Gay:
Jawohl, Lömen sind ebenso temperamentvolf mie Hundeoder Künstler. Jeder Löwe ist ein Problem für sich. Sie mögen uns mehr oder weniger lebhaft leiden oder nicht leiben. Bei den Sunststücken sind wir mit einigen Bestien recht vertraulich, bei anderen jedoch sehr auf der Sut. In einige 3winger magen mir uns überhaupt nicht hinein. Wir würden unser Leben buchstäblich aufs Spiel fegen."
Krankheiten sind eine Bebrohung der Farm. Tierärzte wissen nichts über Löwen warum sollten sie es auch? Wurde also ein Lome trant, so turierte Gay thn, so gut er es vermochte. Schließlich stelte es fich heraus, daß lleberfütterung die größte Gefahr bilbete. Ein hungriger Lose ist gesund", meint Gay. Jetzt wird auf Menge und Güte des Butters scharf geachtet.
Die Zahl der Tiere nimint jährlich zu. Obgleich bisher nur manige verfauft wurden, ist es doch die Absicht des Besizers, es soweit zu bringen, um endlich einmal zoologische Gärten, Barts und 3irtusse au beliefern. Hin und wieder wurden männliche Löwen mit führenden Tiergärten ausgetauscht, um Inzucht zu verhüten, die Entartung an Größe und Intelligenz zur Folge hat. Ist die Farm eines Tages so weit, so werden sich die Einnahmen beträchtlich erhöhen, denn untrainierte junge Löwen bringen auf der Löwenbörse etma 1500 Dollar.
Die Löwen erhalten Pferdefleisch, und die Jungen Ziegenmilch, wenn die Mutter sie nicht säugt. Krante Löwen werden mit Hühnern gefüttert.
Gelegentlich erheben alle Tiere der Farm zugleich ihre Stimme. Das ist dann ein wahres Höllenkonzert. Das drohende Gebrüll der Löwen vereint sich mit dem Wiehern der Pferde, während Ziegen und Hühner in das Konzert einstimmen. Jeder Jazzfabrikant kann davon lernen.
Pflanzenveredlung
Die Probleme der Pflanzenveredelung finden in der Deffentlichfeit gewöhnlich nicht die Beachtung, die sie verdienten. Stellt doch die Pflanzenveredlung ganz allgemein den Versuch dar, die Befriedigung der menschlichen Lebensbedürfnisse auf ein höheres Niveau zu heben. Besonders für die Länder wie Deutschland , die auf die Einfuhr von Nahrungsstoffen angewiesen sind, eröffnet sich hier die Aussicht, durch Einführung wissenschaftlicher Methoden Unabhängigkeit und Verbesserung der Lebensmittelversorgung zu erreichen. Die Versuche, die in letzter Zeit in dem noch jungen Institut für Züchtungsforschung( Müncheberg ) und im KaiserWilhelm- Institut( Berlin- Dahlem) durchgeführt wurden, lassen bereits andeutungsweise die auf diesem Gebiete erzielbaren Fortschritte erkennen.
Man hat sich die Aufgabe gestellt, an Pflanzen durch Behand4 lung mit bestimmten Chemikalien erbliche Veränderungen hervora zurufen. Daß Pflanzen durch chemische Einwirtung gewisse: t Aenderungen unterliegen, war schon längere Zeit bekannt. Es war aber bisher noch nicht geflärt, ob diese künstlich herbeigeführten Wandlungen im Aufbau der Pflanzen erblich sind. An den verfchiedenartigen Chemikalien murde mun untersucht, ob und welchent Einfluß sie auf die Bellbestandteile der Pflanzen ausüben. Dabei gelangten zur Verwendung: Schwermetallfalze, Leichtme: allverbin Dungen, einfache und komplizierte Kohlenwasserstoffe, organische Säuren, Alkohole, arsenhaltige organische Verbindungen u. a. Die gebrauchten chemischen Stoffe erwiesen sich dann für die vorliegenden 3wede als geeignet, wenn sie so auf den chemischen Charakter der Pflanzenzelle einwirkten, daß sichtbare erbliche Veränderungen der Pflanze( Mutationen) auftreten. Unter den geprüften chemischen Substanzen fonnte eine solche mit einer ihr eigentümlichen Wirkung noch nicht aufgefunden werden. Dagegen wurde festgestellt, daß entsprechend der Stärke des ausgeübten Reizes und der Art der chemischen Verbindung die mannigfaltigsten Formveränderungen an den Pflanzen erzeugt werden, und daß sich diese Aenderungen auch Es ist auf die nachfolgenden Pflanzengenerationen vererben. bemerkenswert, daß hier also durch chemische Behandlung eine erbliche Beeinträchtigung der pflanzlichen Fruchtbarkeit eintreten kann, die in einzelnen Fällen bis zur völligen Sterilität ansteigt. Interessant ist auch die Beobachtung, daß zahlreiche unter der gefundenen Formveränderungen mit den durch Radiumbestrahlung erzielten übereinstimmten.
-
Die bisherigen Bersuche sind als ein vielversprechender Anfang zu betrachten. Von dem Umfang des untersuchten Materials und der Planmäßigkeit der Forschung wird es abhängen, ob sie weiterhin auch zu praktisch wichtigen Ergebnissen führen werden. Immerhin
murden schon im Jahre 1929 in Müncheberg und Dahlem etwa 150 000 Pflanzen angebaut. Sie und ihre Eltern und Großeltern wurden als Samen, Keimling oder junge Pflanzen in Chemikalienlösungen behandelt und auf ihr Verhalten geprüft. Allerdings waren die Mutationen wohl meist frankhafter Natur, die veränderten Formen zeigten sich weniger leistungsfähig als die ursprünglichen. ( Diese Beobachtungen sind für die Erforschung der hierbei grundbeträchtlichen Anzahl von Fällen waren die erzeugten Formen auch fäglichen Erscheinungen natürlich auch wertvoll.) Aber in einer größer und üppiger, war also eine Veredelung erreicht worden. Demnach ist durchaus die Möglichkeit gegeben, die Mannigfaltigkeit der Pflanzenformen willkürlich zu erhöhen, die Leistungsfähigkeit der Pflanzenraffen( und vielleicht auch der Tierrassen?) künstlich zu steigern. Bon besonderer Bedeutung würde es sein, wenn es gelänge, die Pflanzen mit Hilfe dieser Methoden gegen Schädlinge unempfindlich zu machen. Gehen doch heute noch durch Pflanzenfrankheiten und schädlinge unermeßliche volkswirtschaftliche Werte verloren.
Wie die Japaner ihre Zwergbäumchen fultivieren. Die Kunst, Bäume im Zwergwachstum zu erhalten, wird in Japan seit dem 13. Jahrhundert systematisch ausgeübt. Sie besteht darin, das Wachstum des Baumes aufzuhalten, so daß dieser bei voller Bahrung aller Eigentümlichkeiten seiner Art nicht über eine Höhe von 50 bis 60 Zentimeter hinausgelangen fann, selbst wenn er ein Alter von 200 Jahren erreicht. Die Mehrzahl der in Japan heimischen Baumarten eignet sich vortrefflich zu dieser künstlichen Züchtung. Das gilt für den Ahorn, die Eiche und die große Zahl von Koniferen, zu denen Kiefern, Bedern, Lebensbäume und andere gleichartige Pflanzen gehören. Man fät den Samen der ausgewähl ten Art in außerordentlich fleine Kästchen aus, die nur eine geringe Menge Erde enthalten. Stach erfolgter Reimung wartet man, bis die junge Pflanze mit ihren Wurzeln alle ihr zur Verfügung stehende Nahrung aufgezehrt hat. Dann verpflanzt man fie in ein Gefäß, das ein flein wenig größer ist. Ist dieses seinerseits von den Wurzeln des Sprößlings ganz durchfeßt, so tritt ein etwas größerer Topf an seine Stelle, und dieser Umpflanzungsprozeß feßt fich während der ganzen Dauer der pflanzlichen Eristenz unaufhörlich fort. Diese Zuchtmethode, die, wie man sielyt, darauf beruht, der Bilanze die Nahrung zu entziehen, wird in Japan durch Spezialisten betrieben. Nach der gärtnerischen AnJapan durch Spezialisten betrieben. Nach der gärtnerischen Anschauung und Erfahrung des Westens würde mcn indessen mahrfcheinlich durch lieberpfropfen von Zwergarten der Koniferen solche Bergbäume, wie sie die japanische Mode bevorzugt, viel rascher erhalten.