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BERLIN  Freitag

25. Juli 1930

Der Abend

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Nr. 344

B 171

47. Jahrgang

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Maffenentlaffung bei Siemens.

Mindestens 10 Prozent der Angestellten und Arbeiter!

Der frühere demokratische Abgeordnete C. F. von Sie- 1 mens, der Vorsitzende des Verwaltungsrales der Reichs­bahn, hat sich schon in dieser Eigenschaft mehrfach als Scharfmacher gegen das Personal und gegen entsprechende Löhne betätigt. Neuerdings legt er es auch in den Betrieben, die seinen Namen fragen, darauf an, mit allen Mitteln einen Lohn abbau herbei­zuführen. Er hat dadurch bereits sämtliche Gewerkschaften gegen fich aufgebracht und vor allem die Angestellten in schwerste Erregung versetzt.

Jetzt läßt er in den Siemens- Betrieben in Form eines Platates den Wortlaut des Briefes anschlagen, den er in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender der Sie­mens- Gesellschaften an deren Borstände geschrieben hat. Darin stellt er die Behauptung auf, daß die Betriebe mit Unterbilanz arbeiten und daß sie deshalb mit allem Nachdruck auf eine Herabfehung der Un­tosten beda ch t" sein müßten. Dann heißt es wörtlich:

Der Vorschlag, in all den Abteilungen und Werken, in denen es aus geschäftlichen Gründen möglich ist, mit verkürzter Arbeits­zeit unter dementsprechender Kürzung des Gehalts vorläufig zu arbeiten, ist von den Gewerkschaften als Tarifbruch bekämpft und die Angestelltenschaft aufgefordert worden, fich dagegen zu wehren. Unsere Betriebsvertretung glaubte fich auch nicht für diese Maß­nahme aussprechen zu können. Unter diefen Umständen fann dieser Gedante... nicht weiter verfolgt werden. Wir können aber das augenblickliche Mißverhältnis nicht be­

Vor neuen Erdbeben?

Die Bergungsarbeiten in Italien.  -Immer neue Erdstöße.

Rom  , 25. Juli.

Gestern nachmittag wurden in Avellino   und dem übrigen Erdbebengebiet neue Erdstöße verspürt, die eine Anzahl der bei dem ersten Erdbeben beschädigten Häuser zum Einsturz brachten. Auch aus Apulien  werden neue Erdstöße gemeldet, die die Bevölkerung nicht zur Ruhe kommen lassen. Die apulischen Küsten­städte haben jedoch bisher die Beben gut überstanden, wenn auch eine Anzahl Gebäude Risse erhielt.

dort, wo die Häuser nur noch einen Haufen von Schutt und Holz­splittern darstellen. Mehrere Stunden versuchte eine Gruppe von Milizleuten eine Frau zu bergen, deren Hilferufe unter einem Berg von Trümmern zu hören waren. Traurige Szenen spielen sich ab.

Da sieht man einen Mann und eine Frau, die Leichen zweier Kinder auf einer notdürftig gezimmerten Bahre forttragen. Sie haben ihre Kinder selbst ausgegraben.

Weiter abseits hat ein jüngerer Mann ebenfalls ohne fremde Hilfe

Aus den am stärksten betroffenen Gebieten treffen erst allmählich die Leichen seiner beiden Schwestern unter dem Durcheinander von zusammenhängende Berichte ein.,

Danach dürfte sich vor allem die Zahl der Todesopfer noch beträchtlich erhöhen,

denn allein in der Irpina wurden bis jetzt 1500 Tole geborgen, darunter in Billa   nove 400 und 500 Berletzte, in Aquilonia   400 Tote und 400 Berlette, in Lacedonia   300 Tote und 150 Verletzte, in Tre­vico 200 Tote und 100 Berletzte. Das malerische San Offio ist faft vollkommen 3 er stört. Fast sämtliche Häuser sind eingestürzt. Bon dem Orte Aquilonia   aber ist nur das Kriegerdenkmal stehen ge­blieben, alle Häufer wurden zerstört.

Noch imemr fehlt ein. Ueberblick über die endgültigen Berluft­ziffern im Erdbebengebiet. Die bisher angegebenen Totenzahlen

Ballen hervorgezogen. In weit geringerem Umfange wurde ein Teil des jetzt am schwersten betroffenen Gebietes schon im Juni 1910 von einem Erdbeben heimgesucht.

Erdstöße auch in Mexiko  .

Merifo, 25. Juli.

In Pinofeja im Staate Oaxaca   wurden gestern abend mehrere Erdftöße, denen ein unterirdisches Grollen und wolken­bruchartiger Regen vorausging, verspürt. Die Bewohner stürzten, von einer Panit erfaßt, auf die Straße. Todesopfer werden nicht gemeldet.

ftehen laffen. Wir haben das Haus finanziell gesund wachsen ständig durch die ergänzenden Meldungen aus den zer- In der ganzen Welt Wetterfatastrophen.

zu erhalten, da wir sonst in fommender Zeit unsere Stellung in der Welt sowohl finanziell als technisch nicht aufrechterhalten fönnten. Wir müssen daher neben den anderen Maßnahmen einen

starken personellen Abbau vornehmen.

Ich bitte Sie daher, sich sofort mit den Herren des Vor­ffandes in Berbindung zu sehen und die Wege zu besprechen und zur Durchführung zu bringen, die eine

möglichst schnelle Reduzierung des Personalstandes um wenigstens 10 Pro3.

gewährleisten; außerdem erwarte ich Ihre Vorschläge, soweit sie organisatorischer Natur find. Ich muß von allen Oberbeamten erwarten, daß fie fich mit aller Energie und unter Beiseite­fehung aller einseitigen Ueberlegungen in den Dienst dieser Maß­nahmen stellen.

Da der Wunsch des Aufsichtsratsvorsitzenden für die A.- G.- Direktoren Befehl ist, so wird er unmittelbar erfüllt werden. Es wird rücksichtslos an die Entlassung von zahlreichen Angestellten herangegangen werden, ohne Rücksicht auf das Schicksal der Familien und auf die Intereffen der Reichsfinanzen, wenn nur das Haus finanziell gesund" bleibt. Was es mit dieser finan­ziellen Gesundheit auf sich hat, das zeigen u. a. allein die Neubauten, die in den letzten drei Jahren in Siemens­ stadt   entstanden sind, wie zum Beispiel das Schaltwert mit etwa 11 millionen Mark, das Funkwerk   mit etwa 20 Millionen Mark, die Tischlerei mit etwa 10 mil­lionen Mark, Wernerwert, Berwaltungsgebäude etwa 20 Millionen Mark, Neubau der evangeli­ichen Kirche in Siemensstadt 500 000 Mart, und die übri­gen Neu- und Umbauten, die ebenfalls noch mit 10 Millionen Mark veranschlagt werden können.

Man sieht, daß es bei Siemens auf viele Millionen nicht antommt, wenn es sich um die Repräsentanz der Firma nach außen handelt. In Zeiten der Geschäftsflaute aber wird rüdsichtslos gegen Arbeiter und Angestellte die Geißel des Arbeitsloswerdens geschwungen. Augenscheinlich will Herr Siemens den Arbeitern und An­gestellten noch vor der Reichstagswahl demonftrieren, welches der Kern der Abstimmung sein wird, die am 14. September erfolgen foll. Das Scharfmachertum der Induftriellen will auch dem blindesten Arbeitnehmer begreiflich machen, wie notwendig der Zusammenschluß in den freien Gewerkschaften und die Wahl von Sozial­demokraten in den Reichstag jei. Sie können sich darauf perlaffen, daß diese Lehre vollkommen verstanden wird!

streuten kleinen Siedlungen, die noch nicht alle von dem Rettungs­werk erfaßt werden konnten. Am schwersten betroffen wurde ein Gebiet von 180 Quadratkilometern in der Provinz Avellino  , das verhältnismäßig dicht bevölkert war, da es sich um eine landwirtschaft­lich fruchtbare Gegend handelt. Fast alle Berichte stimmen darin überein, daß die Landbevölkerung besonders gelitten hat, da die leicht gebauten Bauernhäuser den heftigen Stößen wenig Widerstand boten. Auch in den Städten dieses Haupterdbeben gebietes und den angrenzenden Teilen der Provinz Foggia   und Potenza find die Bergungsarbeiten noch lange nicht zu Ende. Aus Aquilonia   wird zum Beispiel berichtet, daß zwei Drittel der Bevölkerung, die 4000 Seelen zählt, von den Trümmern begraben wurden.

Bis Donnerstag waren etwa 100 Leichen geborgen; man rechnet damit, daß die Zahl der Toten auf 500 steigen wird. Die Bergungsarbeiten sind äußerst schwierig, besonders

Die Bürgerlichen

Partei

Wirtschafts

Es muß sich erweisen, ob wir ein Intereffenten. haufen oder ein Staatsvolk sind." Finanzminister Dietrich

Bayr

volksparte

Bier

Reservate

Konsu

Volksparter

Kopfleger

Konserv

Deutsches

Volkspartei

Pensionen

Landbund

Zölle

Demokrater

Schank- Steuer

3nteressentenhaufen oder Staatsbolt? Selbst verständlich sind wir Staatsvolf!"

Hochwasserverwüstungen in 3ndien.

Bombay, 25. Juli.

Die 24ftündigen Wolfenbrüche haben große Gebiete in den Provinzen des unteren Sindh unter Wasser gesezt. Die Telephon- und Telegraphenverbindungen find unterbrochen. Wege und Straßen find ungangbar. Zahlreiche Häuser wurden überflutet und zum Teil fortgeschwemmt. Die Zuder-, Baum­woll- und Getreideernte ist an vielen Stellen fast vollkommen ver­nichtet. Die beiden Städte Shikarpur und Larkana   mußten wegen Dammbrüchen geräumt werden. Auch der Indus   führt Hochwasser, sc daß weitere Dammbrüche befürchtet werden. In Karachi  stehen die Straßen über einen Meter unter Wasser. Der Verkehr ist vollkommen ftillgelegt. Die Straßen find mit fortgespülten Möbelstücken und in Stich gelaffenen Autos versperrt.

Woldemaras verhaftet.

Das Ende des litauischen Diktators.

Kowno  , 25. Juli. In der Nacht zum Freitag wurde auf Verfügung des Kommandanten von Kowno   Professor Woldemaras verhaftet und nach einem noch unbekannten Provinzort verschickt.

Wie amtlich zu der Verhaftung Woldemaras mitgeteilt wird, ist seine Ausweisung aus Kowno   wegen seines die öffentliche Drd­nung gefährdenden Verhaltens erfolgt. Ueber den Verbannungsort wird nichts mitgeteilt, doch vermutet man, daß er nach einem Dorfe im Kreise Mariampol   verbannt worden ist; von anderer Seite wird dagegen ein Ort im Kreise Krottingen genannt. Vor der Berhaftung Woldemaras wurde seine Wohnung ausgeräumt und sämtliche Möbel auf die Straße gestellt. Die mehrere tausend Bände zählende Privatbibliothek Woldemaras soll am Freitag nach einem Speditionslager gebracht werden. Wie weiter bekannt wird, wurden in den letzten Tagen wiederholt Putsch versuche der Woldemaras- Anhänger befürchtet. Der Kommandant von Kowno  hat angesichts dieser Gefahr sein Büro während mehrerer Nächte nicht verlassen. Zu gleicher Zeit mit Woldemaras soll noch eine Reihe seiner Anhänger verhaftet und verbannt worden sein. Es ist noch nicht abzusehen, welche Folgen die Verhaftung Woldemaras haben wird und ob die Anhänger Woldemaras, die man auf 20 000 schäßt, sogleich irgendwelche Gewaltschritte unternehmen werden. Es kann jedoch mit Bestimmtheit angenommen werden, daß Woldemaras nunmehr als Märtyrer hingestellt werden wird und seine Anhänger vor Kampfmaßnahmen nicht zurückschrecken werden. Das Organ Woldemaras ,,, Der Völkische Weg  ", wurde auf Beranlassung des Kommandanten gleichfalls verboten.