Die Kirche im Automobil. Gchnellgoiiesdienst mit Fünfminutenpredigt.
Um es vorweg zu sagen: Es handelt sich noch nicht um e»ne europaische Angelegenheit, aber man scheint in den kirchlichen Kreisen wenigstens Deutschlands dieser amerikanischen Errungenschast nicht ganz ablehnend gegenüberzustehen. JedensaUs habe ich die hier beschriebenen Abbildungen des amerikanischen Kirchenautomobils in einen, deutsihen Pfarrblättchen gefunden, in welchem gleichzeitig auch ein« begeisterte Beschreibung dieses zweckmähigen Vehikels ab- gednickt mar. Da sehen wir also einen eleganten Autobus von gewaltigen Abmessungen, der sich auf den ersten Blick kaun, von anderen Fahr- zeugen seiner Art unterscheidet, nur daß er vorn auf dem Kühler und an anderen Stellen ein großes christliches Kreuz trägt. Auf der dem Beschauer zugekehrten Seitenwand ist ferner«in Bibel- spruch aufgemalt, der auf deutsch etwa so lautet:„Siehe, ich komme zu dir mit Brausen und mein Getöse wird dich erwecken!" Die Angabe der Bibelstelle, der dieser Spruch entnommen ist, ist leider nicht genau zu entziffern, und ich bin nicht genügend bibelfest, um sie auswendig zu wissen. Abbildung 2.zeigt den gleichen Wagen„fertig zum Gebrauch". d. h. nicht zum Fahren, sondern wie er seiner frommen Ausgabe zu dienen bestimt ist: und da staunte ich denn doch über die einzig- artige Genialität seiner Konstruktion. Die Rückwand ist herüber- gekloppt, und im Innern des Wogens steht man einen kompletten Altar mit Spitzcndeckchen, Bibel, einem Christus von Thorwoldsen und einigen Leuchtern mit elektrischen Kerzen darauf! chintcr den, Altar sind de Pfeifen einer kleinen Orgel zu erkennen, und an beiden Seiten der zusammenlegbaren Treppe, die zun, Altar hinauf- führt, sind zwei mahinmde Opscrkästen angebracht, die zu frommen Geldspenden ausfordern.— Eine dritte Abbildung zeigt dann noch einen Längsschnitt durch das Kirchenautomobil, aus den, man er- sehen kann, daß außer dem Sanktuarium noch eine Art Wohnraum in dem Fahrzeug vorhanden ist, in den« zwei schmale Klappbetten. ein Tische zwei Sessel und ein Schrank sich befinden, welch letzterer wiederum alles enthält, was man zur Pfleg« des Leibes gebraucht, Kleider, Wäsche, Lsbensmittel sowie Wasch-, Koch- und Eßgeschirr. Bedient wird das Ganze durch einen Prediger und den Küster, der gleichzeitig Organist und— Chauffeur ist, vermutlich aber auch noch als Koch und Dienstmädchen zu fungieren hat. Dieses amerikanisch« Kirchenauto, von dem in den Bereinigten Staaten einige Dutzend umherfahren sollen, ist— technisch gesehen— ein Wuickier an Zweckmäßigkeit und Ausstattung. Sogar ein kleines Glockenspiel befindet sich auf dem Verdeck des Wagens.
Aber dennoch wurde mir etwas unheimlich zumuie beim Betrachten dieses Wunders, in dem sich die modernste Technik in den Dienst einer betriebsamen christlichen Seelsorgc gestellt hat. Man vergegenwärtige sich: In einem entlegenen Siedlerdors des amerikanischen Westens, dessen Bewohner bisher ihren primi- tioen, privaten Gottesdienst durch schlichtes Gebet und unbeholfenes Vorlesen aus der Bibel begingen(wenn sie es überhaupt taten), er- scheint plötzlich fauchend und tutend ein solches Kirchenauto. Der Pfarrer steigt ab. entledigt sich des Automantels und der Schutz- drille und steht im schwarzen, geistlichen Gewand« da. Der Chauffeur verwandelt sich mit einigen Handgriffen in«inen würde- vollen Kirchendiener. Er drückt auf einen Knopf, und das Glocken- spiel beginnt hurtig zu bimmeln. Dann wird die 5iii,terwand des Autos heruntergeklappt, und vor den Augen der erstaunten Siedler erscheint ein« komplett«ingerichtete Kirche. Und schon beginnt der Gottesdienst mit Orgelspiel, Gebet und Predigt. Das alles geht schnell und ohne Stockung vor sich. Nach einer halben Stunde ist olle- wieder zusammengeklappt, und die„Kirche " fährt sauchend und tutend nach der nächsten Siedlung, denn—„es können mit diesen Kirchenoutomobilen an jedem Sann- und Feiertage viele einsame Gemeinden durch einen kurzen, aber innigen Gottesdienst herzlich erfreut und erhoben werden, die sonst vielleicht nur zwei- oder dreimal im Jahre einen christlichen Seelenhirten zu sehen bekamen!" Wir leben wahrlich m einer wunderbaren Zeit! Christus im Automobil! Di« Frömmigkeit auf Rädern! Schnellgottesdienst mit Fünfminutenpredigt hinter dem V0-?5-MotvrI In wenigen Minuten ist alles erledigt, denn ich, dein Gott , bin ein eiliger Gott und muß heute noch ein paar hundert Kilometer weiter! Tim«>s mvne)-! Ob das noch aufrichtige Frömmigkeit ist, die im Cilzugstempo gepflegt und wacherholtcn wird? Nach der Meinung jenes deutschen Pfarrblättchens scheint sie zu genügen, sonst würde man wohl kaum die Einrichwng des Kirchenautos so begeistert preisen! Nun, wer weiß, vielleicht werden wir es bald erleben, daß auch bei uns Kirchenautos jeder Konfession Sonn- und Festtags die Chausseen enllangsausen und ihren zusammenlegbaren lieben Gott durch das Land kutschieren, um den fortschrittlichen Geist der Kirche zu b<- weisen. Nötig hätte sie das schon. Aber ob sie nun verloren- gegangenes Terrain mit Dollgas und im dritten Gang wieder gut- machen wird, muß abgewartet werden. Ich halte es für ziemlich fraglich. Peter Folter.
Es lebe der Klempnerladen! Von Medaillen, Prinzen und Hunden.
„Stine Königliche Hoheit. Prinz Sllfon« von Bavern. hat Mr«aterlSnhische Perdlenst« nachstehenden Barltandsmitgliedern de, Dsuischen Kartells für Srnndawesen das Pring-Altons» ahrenzeichen au« Silber am blauen Band verliehen... l„D,r Deutsche Polizeihund", Brvantwortlich: Poligeioberinspektor...) Wir hatten einmal, es ist über sünszehn Jahre her, einen Stammtisch, der sich den schonen Namen Idiotenklub zugelegt hatte. Eine unserer Hauptbeschäftigungen bestand darin, daß wir uns voll- tönende Titel verliehen. Da gab es einen Obervizekanzler und einen Neichsgerichtsvollzieher, und auf Gründ eines eigenhändigen Schreibens von Napoleon , das freilich nicht echt war, da der Korse schon an die hundert Jahre tot war, zierte nicht weniger als drei Mitglieder der Titel„Marscholl von Frankreich". Daneben hatten wir aber auch Orden und Ehrenzeichen, wie den Großkordon der Ritterklassc de» Ordens zum Biersllz, mit der Sicherhestsnodel auf der rechten Brustseite zu tragen, und die feierliche Ueberreichung der Dekoration wurde von uns immer mit ungewöhnlichem Pompe begangen. Diese von un» mit viel Würde getragenen Bcrzierungen haben denselben Wert wie das.,Prinz-2llfons-Abzeichen aus Silber am blauen Bande". Nämlich: Gar teinen! Es hat im Deutschland von heute niemand das Recht, Orden zu verleihen, denn die Rettungsmedaille ist kein Orden, sondern ein Ehrenzeichen im schönsten Sinn« des Wortes. Aber wenn«ine sogenannte.Königlich« Hoheit", wie Alfons Prinz von Bayern, etwas oerleiht, dann hat das für den monarchistischen Staatsbürger alter Schule einen besonders erhebenden Beigeschmack. Das Groteske dabei Ist, daß auch im monarchischen Staate der Alfons Prinz niemal» dos Recht hätte, Orden und Ehrenzeichen zu verleihen. Dos stand den regierenden Herren, den Chef» der Häuser zu, niemals aber irgendeinem nachgeborenen Prinzen. Diese durften allenfalls im„Aller- höchsten Austrage" die Dekoration an die gierig vorgestreckte Brust heften. Alfons wird sich also nicht wundern dürfen, wenn ihm wohlmöglich Rupertus Rex eine Nase erteilt. Haben Orden überhaupt Wert? Ein witziger Mann hat gesagt, daß Orden verdient, erdient und«rdienert werden. In der Bor» kriegszeit freuten sich Offiziere, die an der weitverbreiteten Krank-
heit der ungeschmückten Brust litten, wenn sie zum thüringischen Armeekorps— es war dos XI.— versetzt wurden. Da gab e» so viele Residenzen, Weimar und Koburg , Meiningen und Aitenburg, Gera und Greiz , Sondershausen und Rudolstadt , und all« Landes- ferschten oerteilten ihre beliebten Hausorden. Da mußte bestimmt einer abfallen! Im Kriege rückte das IX. Armeekorps mit dem Sitz in Altona an bevorzugte Stelle: Die drei Hansestädte Lüdeck, Hamburg und Bremen hatten jede als souveräne Staaten ihr eigenes Hanseatenkreuz, und daneben gehörten zum Korps noch die Kontin- genie von Mecklenburg-Schwerin , Mecklenburg-Ärelitz und mit dem Eutiner Bataillon des Lübecker Regiments noch das Grohherzogtuin Oldenburg . Hatte ein Leutnant das Eiserne Kreuz II., so kamen sicher noch anderc Dekorationen hinterhergekleckcrt. Einem Ordens- legen nxiren viele, viele Schleusen geöffnet. Die Verleihung erfolgte im allgemeinen nach der berühmten Regel, die für Kasinofeste galt: Di« Herren setzen sich zwanglos— nach dem Dienstalter! War man an der Reihe, hotte man nicht vorher silbern« Lössel gestohlen oder beim Kartenspiel betrogen, so mußte der Rot« Adler IV. kommen wie das Amen in der Kirche. Aehnlich war es im Krieg«: In den letzten Iahren des Völker- nwrdens konnte ein Offizier dem Eisernen Kreuz I. nur durch den eigenen Heldentod entgehen. Orden waren«in Mumpitz geworden und das um so mehr, als die Brüste der Daheimgebliebenen, der Herren bei den stellvertretenden Generalkommandos, die oft von Besuchen hoher und höchster Herrschaften heimgesucht wurden, am prächtigsten geschmückt waren. Orden haben zum mindesten in Deutschland ihren Wert verloren. Der Bruftschmuck des Prinzen Alfons Königliche Hoheit steht im Range eines Bier- oder Faschingsorbens! Di« Sache hat aber doch auch eine ernst« Seite: Auch Re- publikaner wünschen in Deutschland die Wiedereinführung der Klempnerläden. Lernen wir au« dem Rummel der Vergangenheit! Ueberlassen wir die äußere Dekoration anderen Ländern, gerne beispielsweise auch Sowjetrußland. Al« Vergnügen für Kegel-, Skat- und Hundevereine sei aber der Ordensspaß gerne zugelassen. Der Staatsbürger trägt seine Verdienst« nicht aus der Brust, sondern in der Brust. b.<1.
Silberlager am Wannsee ? Auf der Suche nach dem Versteck der Einbrecherkolonne. In der letzten Zeit wurden in Wa n ns« e mehrfach Einbrüche in Villen verübt, bei denen es den Dieben offenbar hauptsächlich aus Silber und echt« Teppiche ankam. Sie bevorzugten Villen, deren Gärten an das Waldgelände anstoßen, weil dadurch der Anmarsch- und der Fluchtweg besser gedeckt sind. Heute morgen um t Uhr sah ein Schupobeamter«inen Mann herankommen, der eine schwer angepackte Aktentasche trug. Er wechselte plötzlich aus den anderen Gehsteig hinüber und b e- j ch l e u n i g t e auffällig seine Schritt«. Der Beamte schöpft« jetzt Verdacht und wollt« den Träger der Tasche anhatten. Dieser »lachte aus einmal kehrt und rannte, wa» die Beine hergeben wollten, dem Waide zu. Der Beamte verfolgte ihn und hatte ihn auch fast eingeholt, als der Flüchtige sich umdrehte und ihm die schwer« Tasche in» Gesicht schlug. Durch einen Fußtritt brachte er den Beamten zu Fall und entkam in den Wald hinein. Die Tasche hatte der Beamte dem Flüchtigen entrissen. Auf dem Polizeirevier zeigte es sich nun, daß sie Silber aus den beiden Einbrüchen in der Molttestraße und der Straß« zum Löwen enthielt. Die Vermutung liegt nah«, daß die Einbrecher die Beut« in einem versteck im Walde untergebracht haben und sie nach und nach in Berlin zu Geld macheu wollen. Wo dieses Versteck ist, hat man noch nicht feststellen tonnen. Ob der Entkommene zu der Kolonne gehört, die vor etwa 1'/» Jahren die Villen in Wannse«, Zehlcndorf und Schlachtensee plan- mäßig heimsucht«, kann mit Sicherheit noch nicht gesagt werden. Fest steht ober, daß zu der Zeit, als die Mitglieder jener Einbrecherband« hinter Schloß und Riegel saßen, die Einbrüche plötzlich aus- hörten. Neue Einbrüche sind erst wieder verübt worden, nach- t«m einige, die kürzer« Strafen erhalten hatten, wieder entlasten worden sind. Don dem sonst gestohlenen Silber und den Teppichen ist trotz Nachforschungen bei Händlern noch nichts aufgetaucht. Es >st möglich, daß die Beute nach der Provinz oder gar ins Ausland verschoben worden ist.
„Wagt der„Vorwärts" zu leugnen..?" Kommunistischer Wahlschwindel und unsere Antwort. Joden Tag tischt die„Rote Fahne" ihren Lesern irgendeinen blöden Wahlschwindel auf, der mit der schwülstigen Phrase einge- leitet wird:„Wagt der„Vorwärts" zu bestreiten?" usw. Jawohl, wir wagen zu bestreiten. Wir wagen festzustellen, daß es sich bei diesen Angriffen um ganz gewöhnliche und dabei s a n» blöd erfunden« Wahllügen handelt. Wir wollen das an eini- gen Beispielen illustrieren: Frage der„Roten Fahne": Wogt der„Vorwärts" zu leugnen, daß die sozialdemokratische Reichstagsfrattion gegen die Amnestie gestimmt hat? Unsere Antwort: Wir wagen festzustellen, daß in der Amnestiefrage d!« sozialdemokratisch« Reichstagsfraktion Schulter an Schuller mit der kommunistischen Reichslagssraktion in zweiter Lesung gegen die Amnestierung der Fememörder gefkimml hat. Richtig ist allein, daß zwischen zweiter und dritter Lesung die Kommunisten plötzlich umgefallen sind und in der Endabstimmung für die Fememörder gestimmt haben. Warum es nun ein Verbrechen ist, zu einem Gesetz die gleiche Stellung einzu- nehmen, die noch in der zweiten Lesung die kommunistische Fra 'kti�n selber für richtig ansah, bleibt Geheimnis der „Roten Fahire". Richtig ist allerdings, daß an dem geheimen Kuhhandel, der in der Zeit zwischen zweiter und dritter Lesung zwischen Rechtsparteien, Regierung Brüning und Kommunisten vor sich ging, die Sozialdemokr'atie unbeteiligt gewesen ist. Frage der„Roten Fahne": Wogt der., Vorwärts" zu bestreiten, daß die SPD. noch noch der Berhängung der Artikel-�- Diktatur gegen den kommunistischen Mißtrauens- antrag gegen die Regierung Brüning gestimmt Hot? Unsere Antwort: Zunächst hat die Sozialdemokratie nicht gegen den kommunistischen Mißtrauensantrag gestimmt, sondern sich der Stimme enthalten. Dies letzter« bestreiten wir allerdings genau so wemg, wie die„Rote Fahne" bestreiten kann, daß die Kommunisien selber zwei Tage daraus ihren eigenen Mihtrauensantrag gegen die Regierung Brüning, der doch erst recht nach Anwendung des Artikel» 48 gestelli war. au» freien Stücken zurückgezogen haben. Beides geschah genau aus dem gleichen Grund«: nämlich die Entscheidung über die Auffösung des Reichstages nicht bei einem Mißtvauensantrag, sondern bei der Abstimmung über die Auf- Hebung der Notverordnung herbeizuführen. Wäre vor- her ein Mißtvauensantrag angenommen worden, so wäre der Reichs- tag sofort aufgelöst worden und nicht mehr in der Lage gewesen. die Notverordnungen außer Kraft zu setzen. Frage der„Roten Fahne": Wagt der„Vorwärts" ab- zuleugnen, daß die SPD. noch am Dienstag vor der Reichstags- tfoflösung dem entscheidenden Artikel 1 de» Brüningschen Hungerprogromms durch Stimmenthaltung zur Annahme verHaff? Unsere Antwort: Da» ist genau so richtig, wie dl« Tat- fache, daß beim Artikel 8 die Sozialdemokratie die ganze Verordnung und damit auch den Artikel 1. der also gar nicht enkscheideod war. zum ScheNern gebracht hak. Richtig ist. daß durch die Stimmemhaltung der Sozialdemokratie der Regierung Brüning nur eine Galgenfrist von 24 Stunden gegeben wurde, während derer sie sich entscheiden konnte, ob sie auf ihrer unsozialen Rotoerordnung beharren oder zusammen mit der Sozialdemokratie eine gerechter« Steuerregelung treffen wollte. Als die Regierung dies ablehnt«, Hot die Sozialdemokratie die Not- Verordnung durch Ablehnung des Artikel« 2 zerschlagen. Di« Stimmenthaltung bei Artikel 1 hat also wester keine Folge gehabt, als den bösen Willen der Regierung Brüning 5 sfentkich vor dem Lande festzustetken. Wir wünschen der„Roten Fahne" Glück zu dem weiteren Schwindel. Wenn man schon aus Prinzip lügt, muß man es BKNjgftetis«twas ölügtr anjonge». v
Gegen jede Schulreform. Den Vorwurf der Fortschristlichkeit darf man jedenfalls gegen die„Deutsche Zeitung" nach keiner Richtung hin erheben. Ihre kuliurpolsttschen Ideal« entstammen dem Umkreis der wilhelminischen Kaserne, und man braucht sich nicht zu wundern, daß sie jeder Art von Schulreform mit großem Mißkauen begegnet. Besonders hat es ihr das feit einigen Jahren in Berlin bestehende Abend- gymnajium angetan. Run soll, wie das alldeutsche Blatt behauptet, ernsthast das Projekt emer Abendunioerfität erwogen werden. Das ist jür die Zeitung des Herrn Dr. Elaß em Grund, am Fortbestand der deutschen Kultur zu zweffeln. Dein, einmal wird durch die Errichtung von Abendgymnasien und Abend- umoersstäten das Bildungsprivileg der regulären höheren Schulen in Frage gestellt. Damit könnte sie— leider nur zu einem kleinen Teil— Recht haben. Interessant ist aber vor allem die weitere Begründung gegen jede derartige Schulreform. Nach der„Deutschen Zeitung" sehen die Dinge nämlich so aus:„Die Jugend auf höheren Schulen und Universitäten kann allgemein keine Begeisterung für das neu« Deutschland von 1S18 ausbringen. So steht zu erwarten, daß aus der Schicht der Intellektuellen in unserem Volk kein allzu großer Zufluß Ins demokratisch-morxfftlsch« Lager kommt." Hier wird wenigsten» offen zugegeben, daß die heutige höhere Schule und Universität ein sicheres Bollwerk der Reaktion darstellt. Nur darum sträubt man Hch natürlich gegen oeuzchtlZch« Jnststuttonen. i» denen
in erster Linie werktätige Schichten zu Bildung und Wissen gelangen sollen. Man wird das Eingeständnis des so wahrhaft„nationalen" Blattes im jetzigen Wahlkampf noch de» öfteren gut verwenden können.
Ein neues Werk Voltaires? Di«„Evinnerungen" der Frau de Caylus gelten jest langem für eine besonders wichtige und anschauliche Quelle zum Studium des Hofe- Ludwigs XIV. und der Gejellschaft jener Zeit. Seit der Veröffentlichung im Jahr« 1770, die über 40 Jahre noch dem Tode der angeblichen Verfajferin erfolgte, ist das Buch immer wie- der für die geschichtliche Darstellung der Epoche des Sonnenkönigs benutzt worden. Man pries das Werk zugleich als ein klastisches Muster des französischen Prosastilr aus jener Zeit. Bei der Her- ausgäbe schrieb Voltaire «ine Dorrede und steuerte Anmerkungen bei. Nun tritt der bekannte Historiker Prof. Funck-Brentano mst der aufsehenerregenden Behauptung hervor, die„Erinnerungen" seien gar nicht von der Frau von Eaylu» verfaßt, die eine intime Freundin der Frau de Maintenon war und von ihr mit„Meine liebe Nichte" angeredet wurde, sondern der wahre Urheber sei Voltair«, der nur die Maske dieser Hofdame vorgenommen hat. Der Gelehrte will bei der nächsten Sitzung der fünf Pariser Akademien eine ausführliche Begründung dafür geben, daß der Verfasser tes „Jahrhunderts Ludwigs XIV," auch diese Erinnerungen geschrieben und dornst«in» Fälschung begangen hat.