Einzelbild herunterladen
 

Beilage

Mittwoch, 30. Juli 1930

"

ЯЗИНАЧИНДЕ

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärt

Warum hat das Zebra Streifen?

-

Warum hat das Zebra Streifen?" Eine dumme Frage! werden viele sagen! Das fann uns doch ganz gleich sein, warum dies nette Pferdchen aus der afrikanischen Steppe Streifen hat; von uns aus fann es auch fariert sein! Und was hat die Zeichnung des Zebras mit den Dentgefeßen zu tun? Gewiß, das Zebra denkt sicher nicht darüber nach! Uns aber führt diese dumme" Frage an die letzten Probleme menschlichen Denkens, ja an die Welt anschauung heran! Dumme Fragen" sind nämlich meistens solche, an denen unser Denten scheitert, die wir nicht beantworten

fönnen.

"

Wir wollen es aber doch mal versuchen.

Drei Antworten

1. Antwort: In der Haut und dem Fell des Zebras ist ein dunkler Farbstoff so verteilt, daß die Gesamtanordnung eine Streifung ergibt. Diese Erklärung befriedigt uns nicht. Die Er. scheinung wird zwar erheblich genauer gekennzeichnet; aber eine noch so genaue Beschreibung ist doch keine Erklärung. Es bleibt immer noch die Frage offen: Warum hat der Farbstoff ( Pigment) gerade diese und teine andere Anordnung?"

-

2. Antwort: Das Zebra hat Streifen bekommen, weil es dadurch in seiner Umgebung, der Steppe, vor seinen Feinden sicherer ist. In der Bewegung verschwimmen die Streifen und das Tier verschwindet geradezu im Meere des hohen Grases. Das ist schon besser! Wir haben eine wirkliche Erklärung. Wir verstehen den Sinn, den 3 wed der Erscheinung und viele werden sich damit zufrieden geben. Wir fragen aber weiter: Wie ist der Zwed, der Schutz erreicht worden?"

Die 3. Antwort mußte erflären, welches die Ursachen der besonderen Brigmentverteilung find, was die schüßende Streifung bewirft, verursacht, hervorgerufen hat. Und da find wir mit unserem Wissen zu Ende. Hier beginnt die Phantasie!

Auf zwei Wegen ist man an das Problem herangegangen. Nach Lamar hat jedes Lebewesen die Fähigkeit, sich zweckmäßig unter der Einwirtung der Umwelt abzuändern, sich der Umgebung anzupassen. Die äußeren Kräfte Klima, Lichtverhältnisse, Er nährung usw. veranlassen die aus dem Leben eigener Kräfte hervorgehende Umgestaltung. Darwin   wieder geht davon aus, daß Geschwister( bei Tieren und Pflanzen wie bei Menschen) niemals gleich sind. Unter den zahlreichen Exemplaren einer Gene. ration sind einige, die gegenüber der Umwelt günstiger gestellt, lebensfähiger sind als die übrigen. Die Umwelt, der Daseinstampf bewirkt nicht selbst Aenderungen, sondern lieft die Geeigneten aus; die anderen gehen zugrunde.

Hier haben wir zwei Erklärungen, die beide auf Ursachen zurückgehen, die uns zufriedenstellen müßten. Nur schade, daß sie beide erstens nicht stimmen, und zweitens nicht ausreichen. Lamards Erklärung scheitert daran, daß fein Fall befannt ist, in dem eine durch die Umwelt hervorgerufene Anpassung sich vererbt hätte. Die Aenderungen verschwinden mit einer Aenderung der Umwelt. E. Baurs und Morgans fünstlich hervorgerufene erbliche Aenderungen find feine Anpassungen. Gegen Darwin   wiederum läßt sich einwenden, daß die Geschwisterverschiedenheiten( Variatio­nen) zu geringfügig find, als daß die auslesende Kraft der Umwelt ansezzen könnte. Beide, Lamard wie Darwin  , lassen Fragen offen. Lamard: nach der besonderen Abänderungsfähigkeit lebender Organismen; Darwin  : nach den Ursachen der Variation.

Die Frage nach der Ursache

Wir haben uns also auch mit dem Fragen nach der Ursache festgerannt. Wo stedt der Fehler? Hat vielleicht das Zebra doch etwas mit den Gesetzen unseres. Den lens zu tun? Welche Frage: stellung ist die richtige: 3wed oder Ursache? Am besten ist es wohl schon, sich mit Antworten in der Art von Nr. 1 zufrieden zu geben. Viele Naturforscher sind dieser Ansicht: Aufgabe der Forschung ist zunächst die Beschreibung, die immer genauere Untersuchung und Feststellung von Tatsachen. Wiederholen sich zwei Erscheinun gen immer in derselben Verbindung, so nennen wir die eine Urfache", die andere Wirkung" und die regelmäßige Wieder: holung selbst Naturgeseh". Naturwissenschaftliche Erklärung" würde dann bedeuten: Burückführung eines zunächst unverständlichen Borganges, einer besonderen Erscheinung auf andere, länger be­fannte und geläufige, im Grunde aber ebenso unverständliche Vor­gänge oder Erscheinungen, eben die Naturgesetze.- Antwort 3 und Antwort 1: Ursache" und Beschreibung" fallen zusammen und Antwort 1: Ursache" und Beschreibung" fallen zusammen und es bleibt wieder die Entscheidung: 3wed" oder Ursache".

"

=

Um die Jahrhundertwende hatte man sich klar für die Ursache entschieden. Die Ursache ist die Fragestellung der Physik. Bom Standpunkt materialistischer Weltanschauung gibt es feinen wirt lichen Unterschied zwischen lebender und nicht lebender Natur. Die Gefeßze der toten Materie, der Phyfit, der Mechanit gelten auch für die Lebenserscheinungen. Leben, Seele, alles löst sich in eine Summe physikalischen und chemischen Geschehens aus. Seelenleben, Dentvorgänge find elektrochemische Erscheinungen. Ernst Haeckels materialistisch mechanisch monistisches gewaltiges, Glaubensbekenntnis Die Welträtsel" gab die großartige 3u fammenfaſſung. Einheitlich ist die Materie, ob lebend oder tot, alles wird regiert von den Gesezen der Physik, alles löst sich auf in die Wechselbeziehung von Ursache und Wirkung. Das Denken in den beiden Formen Ursache" und" Wirkung"( Raufalitäts. prinzip) ist der einzige Weg zur Erkenntnis. Für eine Be­sonderheit des Lebens bleibt kein Erfag. Seele gibt es nicht. Auch der Sozialismus hatte schon vorher eine Begründung gefunden in materialistischer Ausdeutung des darwinistischen Daseinskampfes. Ein geschlossenes, flares, einfaches, allumfassendes Weltbild, auf­gewachsen aus jahrhundertelanger Erforschung der physikalischen Gesetze. Aber nur deshalb so einheitlich, weil auf den Beweis verzichtet wurde. Auch dadurch schon gefährdet, daß sein letzter Gestalter nicht Physiker, sondern Erforscher des Lebens, Biologe war. Smmerhin, so groß die Persönlichkeit Haeckels, daß noch zwei Jahr zehnte lang fast alle Menschen in Haedels Monismus die einzige wissenschaftlich bewiesene Weltanschauung sahen. Haeckel fonnte noch sterben in dem Glauben, der Menschheit einen großen Dienst eamiefen zu haben.

Das Zebra und die Denkgesetze

Nicht Urfache, sondern Zufall?

wälzung eingesetzt. Zusammenbruch auf der ganzen Linie: Und doch hatte mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts die U m= Staats- und Wirtschaftstheorien, Physil, Chemie, Biologie, Welt­anschauung; überall stürzen die scheinbar so festen Fundamente. In der Physit selbst vollziehen sich Wandlungen derart, daß ihre Gefeße nicht mehr die Alleinherrschaft in der ganzen Natur für fich in Anspruch nehmen können: Relativierung von Raum und Zeit; Ersatz der Ursache durch Zufall und Wahrschein lichkeit  .

Die fortschreitende Erforschung der Lebensvorgänge( Biologie) aber hat ganz eindeutig gezeigt, daß es mit der fausal- mechanischen Auffassung des Lebens nicht weiter geht, daß die uralte Bormacht stellung des physikalischen Dentens uns hinsichtlich der Erkenntnis des Lebens in eine Sadgasse geführt hat. Alle physikalischen und chemischen, also ursächlichen Erklärungen von Lebensvorgängen haben sich als irrtümlich oder doch als unzulänglich erwiesen. Bir tennen teine physikalische oder chemische Gesetzlichkeit, die scheinbar fo einfache Vorgänge wie die Nahrungsaufnahme der Pflanzen oder das Saftsteigen in den Bäumen erklärt, ohne eine nicht erklärbare reine Lebens funktion zu Hilfe zu nehmen. Man könnte an nehmen, daß dieses Nichtwissen nur vorläufig sei und darauf hoffen, daß die Zukunft die Aufstellung der betreffenden Geseze bringe. Aber die Borgänge des Lebens- selbst die eben genannten stehen in flarem Widerspruch zu bewährten und anerkannten physikalischen Gesetzen. Daran kann auch die Zukunft nichts ändern. Physikalische Gefeße sind eindeutig. Ein Gesetz, das einmal so und das andere mal anders funktioniert, darf es in der Physit nicht geben!

-

Bollends die Vorgänge der Entwickelung eines Lebewesens aus der Eizelle bis zum erwachsenen Organismus lassen sich wohl be­schreiben; die dabei zutage tretende Gesetzlichkeit der Formwand­ung ist aber feine physikalische.

In der nichtlebenden Natur fann eine Gleichgewichts­Störung im günstigsten Falle völlig ausgeglichen werden: die durch einen ins Wasser geworfenen Stein erzeugte Vertiefung füllt sich wieder, die Wellen glätten sich, alles aus dem umgebenden Material heraus. Die lebende Natur geht über den bloßen Ausgleich hinaus. Wird einer Eidechse der Schwanz angebrochen, so heilt er nicht nur fest, sondern oft wächst ihr noch ein zweiter Schwanz dazu! Und noch mehr: zerschneidet man einen Seestern in be= stimmter Weise in mehrere Stüde  , so wird aus jedem Stüd ein Dollständiges Tier. Werden die Schnitte aber anders geführt, so erfolgt die Ergänzung nicht vollständig uff. Die Heilung selbst vollzieht sich nicht durch bloße Wiederherstellung des Zusammen hanges, sondern durch völlige Neubildung von Zellen und Geweben. Physikalische Geseze liefern feine Erklärung!

Warum nicht? Weil mechanisch- physikalische Erklärung nur auf die Frage nach der Ursache antwortet. Für die Lebensvorgänge bedeutet die Frage ,, warum?" aber meist nicht aus welcher

Ursache?", sondern sehr oft heißt das warum?" richtiger: 3 welchem 3 med?, auf welches Ziel hin?" oder ,, mas ist der Sinn der Erscheinung?" Das aber sind Fragen, auf die die Physik nicht sonst hört sie auf Physik" zu sein. Zum Verstehen des Lebens antwortet. Sie fann nicht darauf antworten und sie darf es nicht, brauchen wir notwendig die Aufstellung eigener, nur für die lebende Natur gültiger Gesetze. Das Leben hat aber über die Physik und Chemie hinaus, die natürlich für das Leben nicht ungültig find

-

-www

Eigengeselichteit, und diese eigenen Geseze tennen wir nicht. Mit Schrecken erkennen wir jetzt, daß wir im Abend land in Jahrhunderten ganz verlernt haben, anders als mechanistisch, anders als fausal zu denken. Wir können heute eine Gefeßlichkeit gar nicht anders als physikalisch formulieren, fönnen sie uns gar nicht anders vorstellen. Kommen wir zur Aufstellung besonderer biologischer Gesetze, so werden sich auch viele Erscheinuengen, die uns jetzt übernatürlich, überfinnlich vorkommen, int die wahre Natur­wissenschaft einordnen.

Der Bitalismus

Damit hängt auch das Problem der Abstammungslehre, der Entwicklungstheorie eng zusammen. 3ahllose Beispiele weisen darauf hin, daß die heutigen Lebewesen, auch der Mensch, in der langen Zeit der Erdgeschichte sich aus anderen, niedriger organisierten Formen herausgebildet, entwickelt haben. Auf unser Zebra über­tragen: dieses Tier muß Vorfahren ohne Streifen gehabt haben. Aber trotz Lamard, Darwin, Haeckel, die die Ursachen der Ent­widlung begründen wollten, ist noch jeder Versuch mißlungen, u beweisen, daß überhaupt eine Entwicklung vor sich gegangen ist. Jeder Beweis muß mißlingen, solange er mechanisch faufal geführt werden soll. Gibt es aber für das Leben eigene Gesetze, die für die nichtlebende Natur feine Gültigkeit haben, so ist es möglich, daß gerade die Entwickelung ein Musterbeispiel dafür ist. Wir brauchten uns dann nicht den Kopf über die Ursachen der Entwicklung zu zerbrechen. Die Fähigkeit zur fortschreitenden aufsteigenden Ab­änderung wäre dann selbst eine solche nicht physikalisch erklärbare Lebenserscheinung, ein biologisches Grundphänomen.

Die Frage der Entwicklung mündet also wieder in die Welt­anschauung ein, in die Frage der Dentgesetze, ob der 3 med neben der Ursa che als Erkenntnisquelle gleichberechtigt ist. Man fann an Entwicklung glauben oder nicht! Darin aber steckt die große Bandlung:

Das Entwicklungsproblem, das eine der wichtigsten Grundlagen materialistisch- mechanistischen Dentens war, ist auf diesem Wege nicht zu lösen, sondern führt zur Lehre von der Eigengeseßlichkeit des Lebens, zum Vitalismus" Drieschs und O walds. Die Um­formung des naturwissenschaftlichen Weltbildes hat den Gedanken der Höherentwickelung, des Aufstieges nicht mit vernichtet. Und das ist gut fo: denn noch wissen wir nichts Befferes! Dr. Kurt Lewin  ..

Der Sportpalaft des Geiftes

Impreffion aus der Staatsbibliothek

-

-

der

Da geht

figieren. Der Firierte wendet empfindlich die Augen hin Firierende hört nicht auf, aufreizend herüberzusehen. plöglich eine Anzahl von Glühbirnen aus. Lautlose Erregung tobt durch den Raum. Die in's Dunkel Versetzten beginnen herum­zuziehen, an den Schaltern knipsend, suchen sie nach einem von der Betriebsstörung nicht betroffenen Platz. Endlich gehen sie mutlos in die belebte Wandelhalle hinaus.

-

Ein riesenrunder Raum mit aberhundert grünglasbefuppelten| plößlich fällt es Jemandem ein, Jemanden auf fünfzig Meter zu elektrischen Lampen über Tischreihen, die, durchzogen von Gängen, in fonzentrischen Kreisen stehen: Der Lesesaal der preußi ichen Staatsbibliothet. Alle Rennfahrer sizen im Sattel: junge Mädchen, junge Männer, ältere Damen und Herren. Neu Hinzukommende irren, die Ledermappe zwischen Arm und Hüfte ge­flemmt, nach Blägen suchend, umber; gierig schweifen ihre Blicke nach dem Punkt, wo jemand sich zum Fortgehen erheben will. Aeltere Leute mit hohen, weißüberdachten Stirnen schleppen mit unvermuteter Kraft in den Armen gewaltige Stapel von Bänden zehn, zwanzig, ja, dreißig gar von der Bücherausgabe zu ihrem Blah. Sie gehören zu der Armee der Rastlosen, die den funden haben und die deshalb Tag für Tag an ihrem gewohnten Sinn und die einzige Möglichkeit des Lebens in der Arbeit ge­Blaz in der Runde zu finden sind, bis ihnen der Tod die Brille von der Nase nimmt. Hier arbeiten sie, wie der Soldat in der Kolonne marschiert; dies ist eine Zone, wo es einer selbständigen Attion beinahe gar nicht mehr bedarf, weil der Gleichfritt, un­Kreis, der teine Nebengedanken, tein verlangsamtes Tempo zu hörbar hier, mitreißend ist. Sie fühlen sich eingespannt in den läßt. Sie brauchen diesen Takt, der ihnen täglich den vollen Einsatz ihrer Arbeitskraft garantiert, um Appetit und Schlaf zu haben. Sie sind diejenigen, die um der Sache selbst willen den Lesesaal besuchen, sie sind die Denter, die Konzentrierten, die Nichtabzu lenkenden. Sie würden sich im Lesen und Notizenmachen nicht stören lassen, selbst wenn Helena, die bekanntlich in Griechenland  Schönheitskönigin gewesen ist, mit schlenkernden Hüften an ihrem Tisch vorbeischweben würde.

-

Gegen diese Familie der Konzentrierten hebt sich, schon äußerlich leicht zu erkennen, die Familie der Unruhigen ab. Sie sind durch jedes laute und leise Borkommnis durch ein auf den Rücken fallendes, schallendes Buch, sowie durch ein geflüstertes Gespräch leicht abzulenten; sie sind stets auf dem Quivive: wer iſt es, der( die) vorbeikommt? Und wenn ihre Augen sich erst einmal in blonden Haaren verfangen haben, so verlieren die Buchstaben jeg­Das ist ein Schielen über den Folianten hinweg, ein Durch- die- Finger- Blinzeln!

lichen Sinn.

Schwingungen verschiedenster Art fligen durch den Raum. Der Sportpalast des Geistes hat eine Stammteilnehmerschaft, die immer auf ihren alteingesessenen Plätzen zu finden ist. So sind viele, ohne einander mit Namen zu kennen, alte Bekannte. Der Herr mit dem Pullover sitzt im innersten Kreis der Tischreihen; neben ihm die Dame im weißen Jumper; der alte Herr mit der griechischen Stirn und dem furzen melierten Bart; das Fräulein im blauen Samt leid; der kahlköpfige, durch die Nase pustende Herr, dessen Nähe man flieht; und dann die Seniorin der weiblichen Leserschaft eine lächelnde Dame in grauem Haar, die soeben aus dem vorigen Jahrhundert durch eine mystische Tür in die Gegenwart herein gestiegen zu fein scheint. Man fennt sich untereinander. Aber

-

-

Ein anderer

Heilige Stille im Sportpalast. Ein Müder schnarcht leise und träumt von einer Schlaftabine unter seinem Platz, in die er sich nur hineinplumpfen lassen müßte... Sein Nachbar sieht ihn von der Seite an. Ein anderer, zurückgelehnt, die Hände in die Hosen­hinausgerutscht und träumt nun als schräg im Raume liegende taschen gegraben, ist fast über die Borderkante seines Stuhlsizes Gerade in die Weite oder in die Kuppel hinauf. verarbeitet einen Gedanken und bewegt die Lippen. Ein Neger mit seinen afrikanischen Augen in der braunschwarzen Haut wirft das Weiße seiner Netzhaut beunruhigend hin und her. Aber alles bleibt Beitungsbänden und Büchern; die schnurrenden Schritte der Kom­still. Nur das Gewoge vom emsigen Wenden der Seiten in alten menden, Gehenden, die hie und da, zum Verdruß der Betroffenen, an die Stühle stoßen; und die nervösen Bewegungen der vom lesenden Geist überwältigten Körper... Heilige Stille... Bis­

Bis ein heller Trompetenton durch die Luft stößt, den Raum zerreißt: Irgendwer hat sich ausgeschnaubt. Einen Augenblick bedient sich ihrer zwecks Tönens. Welch eine Variationsfülle inner­später bricht eine Ausschnaubeepidemie aus. Alles was Nasen hat, halb der menschlichen Gesellschaft gibt es da!

Um sieben herum lichten sich die Reihen. Einer der Beamten an der Bücherausgabe bekommt mit einem der Leser Krach. Plötzlich fladert ein Dialog in die Höhe- richtiger: ein Monolog( denn der Beamte läßt sich über die vorgeschriebene Lautstärke nicht hin­reißen, aber seine Dittion hat's in sich). Bitte nicht so laut hier," sagt der Vorsteher und sieht den unvorschriftsmäßig sprechen­Staat und schon ist die zerbrochene Ruhe repariert. den Besucher über seinen Kneifer weg an. Dieser Blick ist der Publikum an den Tischen, ein ganz flein wenig enttäuscht, liest

weiter.

Das

Ueber dem Eingang geistert erhellt mit goldenen Ziffern die Uhr. Es geht gegen Neun. Fieberhafte Arbeit an einigen Tischen, Endspurt... Die Lampen sind abgeknipst, nur vereinzelt stehen noch graue Töne im Dunkel. Die riesige Ruppelwölbung hoch oben ist nächtig. Auch die Uhr in der Höhe liegt nun in Finsternis Much die Uhr in der begraben.

Dann dröhnt das letzte Signal durch den Raum. Die Bücher werden zu Bett gebracht. Die letzte grünhelle Glaskuppel stirbt in die Nacht. Die Worte der Beamten geistern durch die Stille Der Sportpalast des Geistes schläft. Iwan Heilbut