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355.

Nr. 355 47. Jahrgang

11.

1. Beilage des Vorwärts

Ein neuer Zierbrunnen.

Binnen wenigen Monaten wird das Dreieck| Symbolik der einzelnen Figuren herrscht, ist bei der Südwestkorso-- Kreuznacher Straße, etwas vermirrenden Fülle von Figuren und Figürchen das noch vor Jahresfrist von Laubenkolonien bedeckt kaum verrounderlich. mar, vollkommen erbaut sein. Nur zwischen den beiden riesigen Blocks der Künstlerkolonie, die bekanntlich von der Bühnengenossenschaft er­richtet wurden, bleibt ein kleines Stück Grün er­halten: der Laubenheimer Platz, dessen gärtnerische Ausgestaltung in der nächsten Zeit zu erwarten ist. Der dritte Block der Künstlerkolonie ist für den Herbst dieses Jahres geplant und wird sich bis zum Breitenbachplatz erstrecken. Ein guter Ge­danke war es, vor einem dieser Wohnblocks, die sich oft in ermüdender Weise gleichen, einen Zier­brunnen aufzustellen; er ist in Muschelkalkstein ausgeführt und stammt von dem Bildhauer Hase­mann, dem Schöpfer des Heimatbrunnens" in Zehlendorf   und der Gesamtplastik am Aboag- Bahnhof in Treptow. Sämtliche Figuren sind nach uralter Methode frei aus dem Stein gemeißelt worden. Die zerklüftete Architektur soll die vielen Wirrnisse und Irrgänge des menschlichen Lebens darstellen. Die Figuren des Brunnens stellen die sieben großen Laster der Menschheit dar.( Müßiggang  , Spielerei, Verleumdung, Geiz, Trunkenheit, Unzucht und Mord.) Den versöhnlichen Abschluß bildet oben eine kniende Mutter mit Kind. Daß bei der Mehrzahl der Vorübergehenden völlige Unklarheit über die

Polnische Arbeiterjugend in Berlin  .

Die Delegation nimmt an der Antifriegsfundgebung teil.

Augenblicklich weilf eine aus 33 Teilnehmern beffehende Dele. gafion des polnischen fojialistischen Jugendverban­des hier in Berlin  , die von dem Sejmabgeordneten, Genoffen Dubois, Redatteur am Robotnit", geführt wird. Die polnischen Genoffen wollen die politischen, sozialen und fulfurellen Einrich fungen Deutschlands   und vor allem der Arbeiterbewegung tennenlernen. Eine Reihe von Veranstaltungen und Besichtigungen haben bereits ftattgefunden und wurden von unseren Freunden mit lebhaftem Intereffe aufgenommen. Die polnischen jungen Sozia­listen nehmen heute an der Antikriegsdemonftrafion im Luftgarten mit ihrer Fahne teil. Der Besuch der polnischen Sozia­listen dient gleichzeitig in hohem Maße dem Gedanken der Bölker­verständigung und der Bölkerverföhnung und ist somit eine ernste Mahnung an die Kriegsheher hüben und drüben.

Todessturz eines Maurers.

Auf dem Grundstück Wrangelstraße 11 war am Donners­tag nachmittag der 54jährige Maurer August Rörid aus der Meyer Straße 30 mit dem Abriß einer alten Regengoffe be­schäftigt, Hierbei verlor K. den Halt und stürzte aus beträcht= licher Höhe hinab. Die Feuermehr brachte den Ver­unglückten ins Bethanien- Krantenhaus, mo bei seiner Einlieferung jedoch nur noch der Tod festgestellt merden fonnte.

SINCLAIR LEWIS  

37]

DER ERWERB

4.

ROMAN

Nun, da Walter die Gegenwart eines Mannes für sie notwendig gemacht hatte, brauchte Una einen Mann, die erregende Wirkung seiner Berührung, das Beruhigende seiner Stimme. Sie fonnte eine flösterliche Leere nicht mehr geduldig ertragen.

Sogar während sie sich energisch flarmachte, daß er unmöglich sei, mard Una widerstrebend gemahr, daß Phil doch männlich wirkte. Seine Nägel maren start, sie fühlte ihren Drud an ihren Händen. Er ist ein Etel. Wenn er nur nicht so viel spuden würde!" Sie schüttelte sich. Doch ihre Verachtung hatte auch etwas von Sympathie an sich. Ein Mann, nicht viel von einem Mann, aber doch ein Mann hatte ihre Hand in der seinen zu halten gemünscht, ihre Ge fellschaft gesucht. Gefühle, so unfaßbar mie die Nacht oder der Ozean, schmirrten durch ihr fleines, weißes Zimmer. Sehnsucht, und mehr noch Neugier, machten sie so ruhelos

wie eine Welle.

Während sie an dem Aermel ihrer schwarzen Bluse zupfte, ertappte sie sich bei den Gedanken: ,, Ich möchte missen, ob das braune Kleid mit dem orangefarbenen Aufpuz, das ich mir machen lassen mollte, ehe Mutter starb, mir besser gestanden, hätte als die Trauerkleider?... D, mas für eine Schande!"

Und doch sprang fie von dem, meißladierten Schaufel stuhl auf und stellte sich in den wenig tafetten baumwollenen Miederleibchen nor den Spiegel, starrte thr Bild an und fuhr glättend mit der Hand über den Hals, bis er rot murde.

5.

.

Am Sonntag, nach dem Mittagessen, unterhielt sich Bhil eine Stunde lang mit ihr. Sie war vormittags in der Kirche gemesen, fam fich sehr ehrbar vor und zeigte es auch. Phil begriff den Wint. Er opferte all die wizigen Dinge, die

П

R 100 vor der Landung. Dzeanüberquerung durch englisches Luftschiff gelungen.

Wie aus Quebec   berichtet wird, hat das Cuftschiff R 100 durch Funffpruch mitgeteilt, daß es voraussichtlich um 7 Uhr abends amerikanischer Offzeit( 1 Uhr nachts ME3) über den Flugplatz Saint Hubert bei Quebec   eintreffen werde.

Das englische Luftschiff nähert sich nach lleberquerung des nord­atlantischen Ozeans in Rekordzeit in schneller Fahrt seinem 3iel Montreal  . Nach dem Ueberfliegen von Belle Isle bei Neu­ fundland   in der Nacht folgt R 100 nunmehr dem Lauf des Lorenzstromes mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 110 Kilometern. Die letzten Berichte besagen, daß an Bord alles wohl auf ist und das Luftschiff um 7 1hr fanadischer Zeit( Mit­ternacht ME3.) auf dem Flugplay von Montreal   zu landen ge­dente, wo das Luftschiff an dem besonders errichteten Ankermast festgemacht werden soll.

Eine große Schar Neugieriger hat sich bereits auf dem Flug­

Freitag, 1. August 1930

Faltbootunglück auf dem Crossinsee.

Die Znsessen vor den Augen der Retter ertrunten.

Auf dem Crossinsee bei Wernsdorf, unmeif mufferhausen, ereignete fich am Donnerstag nachmittag ein fchweres Bootsunglüd, bei dem zwei Personen. offenbar handelt es sich um ein Ehepaar, erfrunten find. Bon Ausflüglern wurde vom User des Crossinsees aus beob= ootet, mie sich ein mit einem Mann und einer Frau beseztes Falt­boot auf dem sehr bewegten Wasser mühselig seinen Weg bahnte. Durch den plötzlich einschenden Gemittersturm wurde der See noch mehr aufgewühlt und plötzlich wurde das Boot von einer Welle erfaßt und schlug um. Die beiden Insassen stürzten ins Wasser und fämpften verzweiseit mit den Bellen. Den Berunglückten eilte trotz des stürmischen Wetters ein Boot zur Hilfe, ehe es aber die Unfallstelle erreicht hatte, waren die beiden Paddelbootfahrer untergegangen. Bisher gelang es mur, die Leiche der Frau, die etwa 50 Jahre alt ist, zu bergen.

Die Räuber aus der Linienstraße.

3hr Schuldfonto ist groß.

Nach dem versuchten Einbruch in Strumeshof wurden, wie wir berichteten, die Stiefbrüder Mar Biel und Alfred Luscher festgenommen, die auch den schweren Raub­überfall auf den Geschäftsboten Rönnfeld in der Linien­straße verübt hatten.

Die beiden haben ihr Geständnis inzwischen noch bedeutend er­weitert und Einzelheiten bekanntgegeben. Nach ihrer Dar­stellung hatten sie schon vor dem lleberfall eine Reihe von Ern= brüchen in Konfettions- und andere Geschäfte verübt. Sie gingen stets durch die Kellerdecke vor. Bei ihren Aussagen beschul­digen die Brüder auch ihre Mutter, die sie zu den Einbrüchen ver­anlaßt und die Beute mitvertauft haben soll. Die Frau ist cuf Grund dieser Angaben jetzt ebenfalls festgenommen morden, außerdem eine Frau H. und ein Schneider E., die mit im Berdacht der Hehlerei stehen. Bei einer Durchsuchung in den Wohnungen dieser beiden wurden noch Sachen gesunden, die bei Geschäftseinbrüchen mitgestohlen wurden. Sowohl die Brüder wie die anderen Festgenommenen werden jegt dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden.

Biel   und Luscher erklären, daß sie durchaus Berlin   hätten ver­laffen mollen, um auf dem Lande ein neues Leben zu be­ginnen. Den Raubüberfall hätten sie verübt, um Geld in die Hand zu bekommen, und in Strumeshof erwarteten sie Papiere zu finden, die ihnen weitergeholfen hätten.

Brand auf ,, President Harrison".

Jersey- City  , 31. Jufi.

In einem Laderaum des Dampfers President Harrison" von der Dollar- Linie, der mit hundert Passagieren eine Weltreise antreten sollte, ift Feuer ausgebrochen. Acht Fever­boote und zwölf Löschzüge find mit Löscharbeiten beschäftigt. Der Laderaum enthält Tee und Olivenöl Jnfolge der Menge des eingepumplen Wassers jank der Kiel des Schiffes allmählich auf den Grund des Hudson- Flusses. Die Decks werden vom Wasser überspielt. Das Feuer ist noch nicht gelöscht. überſpielt. Das Feuer ift noch nicht gelöscht.

platz eingefunden. Bolizei und Militär werden zur Hülfeleistung Desterreichischer Jungflieger abgestürzt.

bei der Landung in Bereitschaft gehalten.

Der Stand des Europafluges.

Bon den am 20. Juíi zum Europarundflug gestarteten 60 Flugzeugen sind bis Donnerstag mittag 34 wieder in Berlin  eingetroffen. Endgültig ausgeschieden sind 19 Teilnehmer.

er über Frau Grans Pudding hatte jagen wollen; schweigend starrte er aus dem Fenster, bis Una neugierig murde, morüber er mohl nachdenken mochte; dann begann er zögernd über eine Predigt zu reden, die er vergangenen Sonntag gehört haben mollte obwohl dies ein Irrtum gemesen sein mußte, da er jeden Sonntagsormittag entweder einige Partien Billard   spielte oder bis Mittag schlief.

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,, Der Pfarrer sprach vom Einfluß der Frauen. Sie missen gar nicht, was es für einen Menschen bedeutet, den Einfluß guter Frauen zu missen, Fräulein Golden. Ich kann die schrecklichen Folgen bei meinen Batienten beobachten. Ich fage Ihnen, als ich dort in der Kirche saß und zu den farbi gen Fenstern hinaufblickte..." Er seufzte vielsagend. Seine hand fiel auf die ihre herab- feine magere Klaue, die vom vielen Massieren aufgetriebener, alter Männer stark und marmblütig gemorden mar ,, ich sage Ihnen, ich bin geradezu sentimental geworden, mirklich, als ich daran dachte, was ich alles entbehrt habe."

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Phil zog sich traurig zurüd um einen luftigen Spa­ziergang mit Fräulein Becky Rosenthal zu unternehmen, einer Näherin der Sans- Peur- Hosen und Overalls A. G.  "; mäh rend sich Una in ihrem Zimmer über seinen vergeblichen Wunsch, gut zu sein, grämte.

6.

3mei Abende später, als die Novembertage sidh vorüber gehend zu einem Altmeibersommer mit goldenem Himmel erwärmten, der von den fleinen Leutchen in den Großstadt straßen so erbarmungswürdig weit entfernt mar, murde una so rubelns, daß fie fich aufraffte, um allein spazieren zu gehen. Bhil mar schmeigiam gewesen, hatte zu ihr hinüber­geschielt und wieder weggeblidt, als wäre er verlegen.

dh wollte, ich tönnte ihm helfen", dachte Una, als sie die Treppen zum Haustor hinuntertoppte.

Phil stand auf der Schmelle und rauchte eine Zigarre in der Größe einer Zigarette, tragte sich das Kinn und unter­hielt sich mit seinen Genoffen, den Sperlingen im Rinnstein. Er zog den Hut; er schnellte seine Zigarre mit einer flinten Bewegung seiner Finger vor sich, die Una erregte. Sie schalt sich darum eine fleine Närrin, aber sie fonnte den Gedanken nicht loswerden, daß nur Männer so mit den Fingern schnippen fonnten.

Gehen Sie ins Kino, Fräulein Golden?" Nein, ich wollte nur ein wenig spazierengehen."

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Auf dem Flughafen Bonn  - Hangelar   startete ein aus Defferreich flammender Jungflieger, der vor drei Tagen seinen Zwischenschein erhalten hatte, zu einem Flug nach Mannheim  . Eurz nach dem Start führte er einige ileile Kurven aus. Dabei stürzte er, vermutlich infolge eines Bedienungsfehlers, aus einer Höhe von etwa 80 Meter ab und blieb tot liegen. Die Maschine murde vollständig zertrümmert.

Sehen Sie, spazierengehen, das ist mein Fall. Warum fordern Sie Onkel Phil nicht auf, mitzugehen und Sie ein menig in der Stadt herumführen? Ich fenne das Nest gründlich."

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Ohne eine Aufforderung abzuwarten, stolzierte er neben ihr her. Er ließ ihr nicht einmal 3eit, seine Begleitung ab­zulehnen und bald wollte sie es auch nicht mehr. Er führte sie zum Gramerci Barf hinunter, der lieblichsten Erinnerung früherer Ländlichkeit mit Häuschen in reinlichem Rot und Weiß rings um einen eingefriedeten Garten. Er zeigte ihr verschiedene Klubs und Theater. Er führte sie nach Stuyve­fant Barf hinüber, einem fahlen Viered wie aus dem alten London  , mit einer Quäterschule auf der einen Seite und dem lärmenden Ghetto auf der anderen.

Er führte sie in ein litauisches Restaurant in einer halb verfallenen Straße. Die eine Hälfte des Restaurants war von struppigen Litauern bejezt, die an schmuzigen Tischen Karten spielten; die andere mar sauber für Fremde herge= richtet, die hierhertamen, um Spelunken zu besichtigen, und die hier, mitten im Spelunfenviertel, nur einander sahen.

Zehn Minuten später trabte eine Waggonladung Aus­flügler aus dem Mittelmesten herein und versuchte, sich so zu benehmen, als wäre sie an Coctails gewöhnt. Una war ent­zückt, als sie bemerkte, daß die Fremden heimlich nach ihr und Phil schielten; fie ftüßte eine Hand in die Hüfte, die andere auf den Tisch, beugte sich vor und bemühte sich, mög lichst derb auszusehen; Bhil tat, als streite er mit ihr, und die schlichten Seelen der Ausflügler waren begeistert von dem Anblid wirklicher Verbrecher. Die Komödie machte Una großen Spaß.

Phil versuchte sofort, ihr Lächeln und ihr Zusammen­gehörigkeitsgefühl auszunügen.

Er war in seinen Methoden eigentlich so seelenschlicht mie die Ausflügler.

Una hatte ein menig Bier getrunken. Nun redete er ihr zu, etwas Ordentliches" zu trinken. Bertraulich flüsterte er: Nehmen Sie einen Schlud Sherry oder ein Glas Whisky mit Soda. Das wird Sie ein wenig munter machen. Nicht genug für einen richtigen Schmips, nur gerade, um Sie ein bißchen aufzuheitern. Dann gehen wir irgendwohin tanzen und amüsieren uns einmal ordentlich. Ja? Arme Kleine, hat ohnehin nicht viel Spaß."

Sie fühlte sich ein wenig unsicher.

( Fortsetzung folgt.)