Nr. 359 47. Jahrgang
11.
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 3. August 1930
Qualgeister
in
Bibliotheken
3
Eine jede Bibliothet hat ihre Stammgäste. Seltjame Leute find das, die Tag für Tag in den Lesejälen herumfigen und nichts meiter machen als lejen, am frühen Morgen, am hellen Mittag und am späten Abend, die obendrein aber noch ärgerlich sind, wenn die Bibliothekare Feierabend bieten.„ Nachts müßten Sie aufhaben, mindestens bis zwölf," räfonnierten neulich die Bücher würmer in der Kunstgewerbebibliothet, dann ist es menigstens ruhig zum Lesen." Kaum, daß diese Menschen eiligen Schritts um die Ede in eine Boltsfüche gehen und etwas Kohlrabi essen! Gleich sind sie wieder da, pugen ihre Brillengläser und flappen die Bücher auf, irm zu lesen. Was sollten sie auch weiter fun? Eigentlich müßten alle Gelehrte sein oder langsam welche merden, aber das stimmt nicht: Manch einer schnappt nur über. Dann wehe der Bibliothet. Etwa so:
Was halten Sie vom Kwienenftil?"
Haben Sie ein Buch über Ne bufabnezar?: fragt Frl. S. ben Bibliothekar, Fl. S., das ist die Dame mit dem abgebrochenen Regenschirm. ,, Bedaure sehr," antwortet der Beamte, dieses Buch fällt nicht in unsere Sammlung." ,, Das werde ich dem Minister fogen! Ja, was wollen Sie denn vom Minister? Ich will ihm fagen, daß er das Buch endlich anschaffen soll her das tännen Sie doch auch unserem Direttor sagen." ,, Nein, ich gehe zum Kultus. minister, ich habe sowieso bei ihm zu tun." Das ist Frl. S., immer. hin noch ein harmloser Fall.
Rann ich ein Buch haben vom Einzug Christi in Jerufalem? tommt ein Mann. ,, Bitte sehr." Eine ganze Bibliothek wird auf den Kopf gestellt, Fahrstühle voll Bücher werden in den Lesesaal geschleppt, aber nichts gefällt dem Mann. Ach nein, das ist alles nichts, ich wollte eine Plastik haben," quängelt dieser Quölgeist. Dann fagen Sie doch in Zukunft gleich, pas Sie haben mollen." Erlauben Sie mal, ich sagte Ihnen deutlich, ich münsche ein Bild nom Einzug Kaiser Wilhelm II in Jerusalem ." Bacos haben Sie gejagt, Einzug des Kaisers. Jo, was denn sonst," braust der Mann auf, was foll man dagegen machen, denkt sich der Bibliothekar ind stöbert nach einem Bildnis vom Einzug Wilhelms in Jerusalem . Unsereins faßt sich schon an den Kopf, mennt man nur an das Bild denkt..
In puncto Jerusalem scheint übrigens ein Komplott aller Quäigeister vorzuliegen. Ein anderer kommt und verlangt ein Bild vom Einzug Barbarossas in Jerusalem . Das fann ich Ihnen nicht geben, fagt der Beamte ,,, Barbarossa war niemals in Jerusalem ." Das mollen Sie mir erzählen?" Ich jage Ihnen nur die Wahr. heit, bitte lesen Sie die Geschichte der Kreuzzüge nach." Die fenne ich gut genug, trumpft der Bildnissucher auf, und was bleibt meüer übrig, als Lamprechts ,, Deutsche Geschichte" herzuholen und norzurechnen: am 29. September 1227 wird Friedrich II. von Gregor IX. in den Bann getan, weil der faiserliche Kreuzzug nur ein dürftiges Aushängeschild für die imperialistischen Ambitionen der Staufer im Orient ist, trotzdem sticht am 28. Juni 1228 Friedrich II. bei Brindisi in See und zieht am 17. März 1229 unter den Flüchen der Päpstlichen in Jerusalem ein, um sich in der Grabesfirde die Krone des heiligen Bandes aufs Haupt zu setzen. Nur ist Friedrich II. nicht Barbarossa. Man hat mir aber gesagt, Barbarossa war in Jerusalem " zweifelt der Mann immer noch und ist sicher bis auf den heutigen Tog davon überzeugt, daß ihn der Bibliothekar nur übers Ohr gehauen hat. Trotzdem bleibt es dabei, daß Barbarossa vor seinem Einzug in Jerusalem im Saleph ertranf.
"
Doch das mit den Kreuzzügen ist noch gar nichts. Neulich ist einer da und verlangt allen Ernstes folgendes: Geben Sie mir eine authentische Abbildung der Haartracht des rmenschen." Der befragte Bibliothefar fällt beinahe vom Stuhl: ,, So etwas gibt es doch nur in der Phantasie." Nein, ich meiß genau, daß es davon ein Bild gist" Jo, wer soll denn das Bild authentisch gemacht haben verkneift sich der Bibliothekar das Luchen, aber der Quälgeist bleibt dabei:„ Das Bild eristiert, Sie wollen es nur nicht heraus suchen!" So geht das weiter. Irgend jemand will ein Buch über Möbel im Kwienenstil. Kwienenstil, was ist denn das nun wieder, zerbricht sich der Beamte den Kopf, fragt einmal, zweimal, er hört
I
Bibliothekar
Chines
( Stadtbibliothek). Aber mas baut der Mann alles um sich auf, Atlanten, große und fleine, Reisebeschreibungen, echte natürlich, mirtschaftsgeographische, historische Literatur, Statistiken. vier Bände vom Brockhaus und drei vom Großen Meier noch dazu, schön muß sich so ein Reisebericht von ihm lesen, wo er doch im Schweiße seines Angesichts gewissenhaft erredmet hat, wie lange man mohl von Ingolstadt bis Regensburg laufen muß. Nur ins Handwerk läßt er sich meder pfuschen noch guden, sein Vis- a- vis, ein armer Hiob ohne Kragen, der von früh bis spät alles liest, was er über Jesus von Nazareth ergattern tann, hat sich nur einmal ein wenig ver
immer nur wienenstil. Das könnten ebenjogut Bratkartoffeln auf Rand genäht sein, man schlägt hier nach und sucht dort, eine gefchnauft, indem er das Auge träumend auf den bunten Farbenfledsen schlagene halbe Stunde schon. Großer Gott, dämmert es schließlich: ,, Sie meinen Möbel im Queen Ann Stil( önigin- AnnaStil)?" Ja, die meine ich," strahlt der Mann und bekommt sein Buch über diese Art englischer Möbel.
Fabrik für Reiseberichte.
Ob es draußen Badsteine regnet oder der Asphalt in der Sonne schmilzt, die großen Lesesäle der Bibliotheken sind immer vollbesetzt. Man erwischt gerade noch einen Platz zwischen zwei Stammgästen. Der dicke Fünfziger zur Linken ist eingenidt müde werden die Leute ja auch einmal von dem vielen Lesen, er schnarcht. immer lauter wird das, man sieht sich den Schläfer genauer an, ein roter Haarpflaum fraucht ihm aus den Aermeln, der Kranz um die Glaze ist auch rot wie die fleischigen Ohren, mit einemmal tlappt der Dicke die fleinen Augen auf, und, ohne sie zu bewegen, liest er die ange fangene Zeile zu Ende. Aus ist das Schnarchen. Es vergeht feine Minute, da hält er einem ein Buch unter die Nase und sagt: Lesen Sie das doch mal, so etwas fann nur Theodor Storm schreiben!" Man weiß im ersten Moment gar nicht, was man sagen soll, erst schnarcht der Mann, dann hält er einem seine Bücher unter die Nase, und tatsächlich, wie man noch auf das Gedicht starrt, fängt man auch schon zu lesen an, vier Strophen find das immerhin, und nebenan fizt der Dice, man fühlt, wie seine kleinen Augen fragen:„ Na, mie finden Sie das. Gedicht." Alles, was man herausbringen fann, ist ein schüchternes ,, m", bloß nicht mit dem Mann einlassen, aber der ist schon beim Erzählen, nein, Unterrichten muß man sagen, wie hat der Dicke doch gejagt? Sehen Sie, der Storm mar Amtsrichter, und deshalb fonnte er solche Gedichte schreiben!"
Mein Nebermann zur Rechten wird ungeduldig, was brabbeln die Kerke denn da, straft er mich mit einem Blid, ehe er durch seinen abgefnabberten Glasscherben, der in besseren Tagen sicher einmal das Brunfstück eines photographischen Objektivs war, die Buchstaben meiter betrachtet. Dieser Mann, dessen Kramatte durchaus nicht bei ihrem Kragen bleiben will, sondern immer über den Rockfragen hervorgudt, hat eine Fabrik für Reiseberichte. Seine Wande rungen allerdings beschränken sich auf den Weg von der BrinzAlbrecht- Straße( Kunstgewerbebibliothek) bis zur Breiten Straße,
der Atlanten ruhen läßt, da feift der Reiseberichte- Fabrikant auch schon los:„ Mein Herr, Sie firieren mich!" Der arme Hiob schlägt demütig die Augen nieder. Wenn der Wanderer durch den Marstall müßte, mas ich mir eben notiert habe!
Buddha und der Marstall.
Am vergangenen Sonnabend begann der große Auszug aus dem Marstall, denn der Bibliothef der Stadt Berlin hat man die Marmorfäle gegenüber dem Schloß gekündigt. Es war wie norm Schlafengehen, der Regen ließ sich nicht stören und flatschte unaufhörlich gegen die Scheiben, manchmal flappte ein Buchdeckel auf den linoleumüberzogenen Tisch, dann blätterte jemand zwei Seiten um, die Lichter an den Wänden maren schon ausgelöscht, nur oben von der Suppel herab brannte noch der große Leuchter. Eduard M., der irgendwo mal Bürgermeister gewesen sein soll, erzählt man sich, und heute ein achtzigjähriger Greis ist, hatte vorgesorgt und alles herbeigeschleppt, was an Literatur über den Buddhismus zu haben ist, und das ist nicht wenig. Keine Zeit und feine Stunde fünumerte ihn. Ich schreibe ein großes Werk", hatte er sich dem Garderobenfräulein anvertraut, ganz auf die Nasenspige war ihm die Brille gerutscht, und was er aufschrieb auf das vergilbte Papier, das buchstabierte er erst leise vor sich hin. Im Grunde genommen schreibt er gar nicht, sondern malt alles, bedächtig und behutsam, rauf, runter, rauf, runter, Buddha, Asien , Buddha, Afien...
Sehr feierlich war die letzte Biertelstunde, alle waren sie noch einmal gelommen, die, von denen wir schon berichteten, und dazu die Lehrerin mit der zu kurzen Stridjade und ihren Lotterielofan, der Zeitungslejer mit dem einen Bein und der hohe Beißkopf, der niemals sich eine Notiz macht, denn das wäre Zeitverschwendung. Der Aufseher gibt heute fünf Minuten zu, weil es der letzte Tag ist, dann ruft er sein abendliches Bitte die Bücher einstellen!", bums, werden die Fensterklappen geschlossen, langsam leert sich der Saal, der Bürgermeister a. D. holt seinen Eẞtopf unter der Bank hernor, husch, ist das Licht weg, und sang- und flanglos verschwinden die letzten im Lustgarten. Die Bibliothek hält ihren Sommerschlaf...
Schwarzes Wochenende.
Durch Auto- und Motorradunfälle vier Tote- viele Verletzte.
Die Auto. und Motorradraserei, die in diesem| werden. Ueber den Hergang des Unglücks wird noch vermutet, daß Sommer zum Wochenende immer schlimmere Formen an- ter Unfall beim Versuch des Motorradfahrers, ein anderes Fahrnimmt, hat wieder mehrere Menschenleben gefordert. Vier zeug zu überholen, passiert ist, ohne daß von den Automobilisten Tofe und zahlreiche Berlehte bilden diesmal die von dem schrecklichen Unglück etwas bemerft morden ist. traurige Bilanz des schwarzen Sonnabends.
Ein ähnlicher Motorradunfall, der gleichfalls ein Lodes opfer und einen Schmerverlegten forderte, trug sich auf der Potsdamer Chaussee, unweit des Sanatoriums Waldhaus in Nikolassee , zu. Dort geriet der 21jährige Heinz Gorgas aus der Oberberger Straße 37, der von einem Verwandten, dem 27jährigen Otto Saeger aus Brandenburg a. d. S., auf deni Soziussig begleitet wurde, auf den Fußgängerweg und rafte gegen einen Laternenpfahl. Beide Motorradfahrer wurden in hohem Bogen auf das Pflaster geschleudert, wo sie blutüberströmt und bemußtlos liegen blieben. Saeger hatte so schwere Schädelverletzungen erlitten, daß der Tod auf der Stelle eintrat. Gorgas murde mit Icbensgefährlichen Verletzungen in das Zehlendorfer Hindenburg Der
meitaus schwerste Unfall, ter zweifellos auf die Leichtsinnig feit des Fahrers zurückzuführen ist, ereignere sich auf der Chaasje zwischen Bohnsdorf und Schönefeld . Automobilisten, die gegen 17 Uhr die Chaussee passierten, entdeckten am Kilometerstein 17,5 ein völlig zertrümmertes Motorrad und emige Meter davon entfernt im Chauffeegraben die Körper zweier Motorradfahrer. Beide Männer waren bereits to t. Nach den vorgefundenen Spuren müssen die Verunglückten mit einer angeheuren Geschwindigkeit gegen einen Baum gerast sein. Einer der Getöteten ist der 33jährige Otto Stranide aus Waßmannsdorf. Die Berjonalien des anderen Berunglückten, der offenbar aus der jelben Ortschaft stammt, müssen von der Polizei noch festgestellt| Strantenhaus gebracht, mo er sehr schmer daniederliegt. Ueber die
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