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Morgenausgabe

πr. 367

A 185

47.Jahrgang

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Der Borwärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel Der Abend", Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Frauenftimme", Technit"," Blid in die Bücherwelt"," Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag

8. August 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflame eile 5,- Reichs mart. Kleine Anzeigen' das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes meitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt. geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Die Volkspartei isoliert. Drager Wirtschaftsforgen.

Sie sitzt zwischen zwei Stühlen.

Die Sammlungsbestrebungen der Bolkspartei sind nach jeder Seite hin gescheitert. Am Donnerstagnachmittag fand eine Besprechung zwischen Dr. Scholz und den Führern der Konserva­ tiven Volkspartei , des Landvolkes und der Wirtschaftspartei statt. Nachdem diese drei Parteien eine Sammlung für eine Einheitspartei entschieden abgelehnt hatten, schlug Dr. Scholz vor, einen gemein­samen Wahlaufruf zu verfassen, der auch die Notwendigkeit des Zusammengehens der vier Parteien im fommenden Reichstage sowie eine fraktionsmäßige Zusammenarbeit vorsehen soll.

Der Vertreter des Landvolk lehnte auch diesen Vorschlag ent­schieden ab. Seine Organisation fönne sich politisch und parlamenta risch nicht soweit festlegen. Seiner Erklärung schloß sich die Wirt­schaftspartei an und schließlich erklärte auch die Konserva tive Volkspartei, daß sie unter diesen Umständen nicht auf den Vorschlag eines gemeinsamen Wahlaufrufs eingehen könne. Dieser Ausgang der Berhandlungen bedeutet

das endgültige Scheitern der Bemühungen von Dr. Scholz, seiner Partei Rüdenstärkung von rechts zu verschaffen. Weitere Berhandlungen sind nicht vorgesehen.

Nach diesen Berhandlungen fand die berühmte Aussprache von Mensch zu Mensch zwischen Dr. Scholz und Dr. Höpfer­Aschoff statt. Dr. Scholz schlug höpfer- Aschoff vor,

die Staatspartei solle sich wieder aufgeben und folle in der Deutschen Volkspartei aufgehen unter dem Titel Deutsche

Bolfspartei( Staatspartei)".

Die Deutsche Boltspartei, so erflärte Scholz, bringe schon mit diesem Vorschlag insofern ein Opfer des Intellekts, als sie damit einen Teil der Grundlage ihrer eigenen Sammlungsbestrebungen aufgebe. Gerade deshalb müsse die Deutsche Volkspartei darauf Wert legen,

daß durch das Aufgehen der Staatspartei in ihr der Kern der alten Deutschen Volkspartei zur Fortsetzung der Samm lungsbestrebungen nach rechts aufrechterhalten werde.

Auf die Scholzschen Vorschläge antwortete Höpfer- Aschoff mit einer glatten Ablehnung.

Er forderte statt dessen die Schaffung eines vollkommen neuen Gebildes mit scharf abgegrenzter mittelstellung nach rechts und links. Außerdem wünschte er grundsählich die Sozialdemokratie

als ftaatserhaltende Partei anerkannt zu wissen.

Dr. Scholz lehnte nun wieder den Vorschlag Dr. Höpfer- Aschoffs ab und so war die Unterredung von Mensch zu Mensch beendet. Herr Scholz hat ferner Herrn Röchling- Saarbrücken mitgeteilt, daß feine Bermittlung in dem Krach zwischen Volkspartei und Staats­partei einstweilen nicht erforderlich sei.

Da hat sich Herr Scholz gründlich zwischen zwei Stühle gesetzt! Nach der einen Seite Krach mit der Staats­partei und die Tür zugeschlagen, nach der anderen Seite ist von den heißen Bemühungen um den großen Rechtsmischmasch nicht einmal ein gemeinsamer Wahlaufruf übriggeblieben. Die Volkspartei muz mun in voller Isolierung in die Wahl gehen, aber diese Isolierung wird nichts weniger als glänzend sein!

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Man soll nicht sagen, daß Herr Scholz ein unbegabter Politiker sei! Er hat die Zeichen der Zeit verstanden. Herr Dietrich hat die Parole vom Staats volt ausgegeben und Herr Koch hat daraufhin schleunigst die Staatspartei ins Leben gerufen. Herr Scholz hat mit sicherem Blid erkannt, daß die neue Partei zwar wohl den Staat hat, wenigstens im Herzen, aber nicht das Bolt, das zum Staatsvolk gehört. Das Bolt mun wieder besigt Herr Scholz ist er nicht der Führer der Boltspartei? Also machte er den genialen Borschlag, daß der Staat zum Bolt fommen möge, auf daß ein Staatsvolt daraus werde will fagen die Staats­partei zur Volkspartei, um die richtige Staatsvolts partei zustande zu bringen. Herr Scholz war nur ein menig zu sehr befangen im Lebenswillen der Volkspartei, des­halb wollte er seine Bartei und den Anschluß der Staatspartei umtaufen in Deutsche Boltspartei( Staatspartei). Wie viel schöner wäre der Name gewesen: Staats­

poltspartei!

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Aber man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Rein Tag ohne neue Erfindung auf dem Gebiete des Parteiwejens! Bielleicht hört man morgen schon von der Erfindung der Staatsvoltspartei. Wir stellen sie jedenfalls neidlos zur Ver­fügung, ohne die Absicht, später mit Hilfe einer einstweiligen Berfügung Prioritätsansprüche geltend zu machen.

Zwar scheint es uns, als ob das Gesellschaftsspiel der

Parteiſammlung nun am Ende der Möglichkeiten wäre. Aber bei so genialen Führern, wie sie dem deutschen Bürgertum zur Verfügung stehen, und namentlich bei Herrn Scholz gibt es ungeahnte Möglichkeiten.

Bielleicht flopft Herr Scholz nun gleich bei Hugenberg und Hitler an?

Eine Darstellung der Staatspartei.

Berlin , 7. Auguft.

Wie der Demokratische Zeitungsdienst" mitteilt, fand am Donnerstag nachmittag um 6 Uhr die angekündigte Unterredung zwischen Herrn Reichsminister a. D. Scholz und Herrn Minister einleitend darauf hin, daß es das Gebot der Stunde sei, eine Bartei Dr. Höpfer Aschoff im Reichstag statt. Höpfer- Aschoff wies der staatsbürgerlichen Mitte zu schaffen, und daß dabei die Grenzen sowohl nach rechts wie nach links gewahrt werden müßten, daß insbesondere nach seiner Auffassung auch der Trennungsstrich gegen die tonservativen Gruppen der Landvolk. partei und der Konservativen Bolkspartei ge­30gen werden müsse, daß andererseits ebenso wie diese fonjer: vativen Gruppen auch die Sozialdemokratische Partei als eine staatsbejahende Partei anerkannt wer den müsse, unbeschadet dessen, daß man im bevorstehenden Wahlkampf gegen sie tämpfe und für die Regierung Brüning

Dietrich einträte.

Minister Höpfer- Aschoff machte dann im Einvernehmen mit dem Reichsfinanzminister Dietrich Herrn Minister Scholz folgendes An­gebot: Die Staatspartei und die Boltspartei schließen sich auf gleichberechtigter Grundlage zu einer Partei zusammen. Herr Geheimrat Kahl, der sowohl das Vertrauen der in der Staatspartei vereinigten Elemente wie der Volkspartei der in der Staatspartei vereinigten Elemente wie der Volkspartei belizt, übernimmt bis zur endgültigen Konstituierung der neuen Partei, die nach den Wahlen erfolgen foll, die Führung.

Herr Minister Scholz lehnte dieses Angebot ab und machte dafür folgendes Angebot: Die Deutsche Staatspartei geht in der Deutschen Volkspartei auf. Minister Scholz gibt in diesem Falle die Führung ab.

Minister Höpker- Aschoff erwiderte, daß dieses Angebot dem Grundgedanken aller bisherigen Bemühungen, aus dem Gehäuse der alten Parteien herauszukommen und für die die Gründung einer neuen Partei der staatsbürgerlichen Mitte in Betracht kommenden freiheitlichen Kräfte auf einer neuen Grundlage zu sammeln, wider­spreche. Er flammere sich nicht an den Namen Staatspartei. Allen aber müsse eine innere Umwandlung zu gunsten der neuen Partei zugemutet werden. Ein Aufgehen der Staatspartei in der Boltspartei bedeute lediglich eine Sammlung auf dem Boden der Volkspartei und könne der Staats­partei nicht zugemutet werden.

Minister Scholz erwiderte darauf, daß er mit seinem Angebot bis an die Grenze des Möglichen gegangen sei. Die Volks­partei jei nun einmal die stärkere Partei und erst der Wahlkampf müsse lehren, was überhaupt hinter der volks­nationalen Bewegung stehe. Ein weiteres Entgegenkommen als das der Aufgabe der Führung sei ihm unmöglich.

Klare Entscheidung nötig.

Von Rudolf Illovy.

Prag , Anfang August.

Brag war nicht wenig überrascht, als die Nachricht kam, daß Rumänien , Jugoslawien und Ungarn über gemeinsames Borgehen in Agrarfragen beraten werden. Zu dieser Kon­ferenz wurde die Tschechoslowakei nicht eingeladen. Ein Teil der tschechischen Presse sprach von einer rätselhaften Kon­ferenz". Als schließlich die Konferenz in Bufarest vorüber war, jah man, daß ihr Ergebnis gar nicht des Geschreis wert gewesen ist. Weder ein ,, Kartell der Staaten des Donau­beckens", noch ein ,, Agrarstaatenblock" tam zustande, und die Beratungen wurden auf den Herbst vertagt. Rumänien und Jugoslawien beeilten sich, der tschechoslowakischen Re­gierung zu versichern, daß kein Abkommen mit un= garn abgeschlossen werde, welches nicht vorher die Billigung der Tschechoslowakei erfahren hätte. Brag atmete erleichtert einen Keil in die Kleine Entente zu treiben. auf, Budapest war aber verstimmt, da es nicht gelungen war,

Tagen in Sinaia über eine Regelung ihres gegenseitigen Rumänien und Jugoslawien verhandelten vor einigen wirtschaftlichen Verhältnisses im Rahmen der Kleinen Beobachter teil. Beide Staaten sollen eine Wirtschaftsgemein­Entente. Die Tschechoslowakei nahm an dieser Konferenz als schaft bilden, die allmählich in eine Zollunion übergeht. Die Tschechoslowakei würde diejem Bunde als Industriestaat an­geschlossen werden und besonders Exportbegünstigungen für wirtschaftlichen Organisation der Kleinen ihre Fabrikate genießen. Dadurch wäre der Grund zur Entente gelegt. Man ist sich in Prag flar darüber, daß die Kleine Entente , bisher nur ein politisches Gebilde, in wirtschaftlicher Hinsicht ergänzungsbedürftig ist. Eben darum, weil Ungarn zu den Bukarester Verhandlungen zu­gezogen, die Tschechoslowakei aber ausgeschaltet war, sieht man die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Neuordnung der Kleinen Entente ein. Ihre Durchführung ist natürlich sehr schwierig. Wohl wurde bei der Konferenz der Kleinen Entente in der Hohen Tatra der Handelsvertrag mit Ru flawien folgen, doch alle diese Handelsverträge genügen nicht, mänien unterschrieben, und ihm soll ein ähnlicher mit Jugo­wenn die wirtschaftlichen Interessen gegeneinanderstreben. Rumänien und Jugoslawien sind Agrarstaaten und haben andere wirtschaftliche Bedürfnisse als die Tschechoslowakei mit ihrer hochentwickelten Industrie. Aber auch die Agrarinter­effen der Tschechoslowalei und Rumänien - Jugoslawiens find grundverschieden. Die tschechoslowakischen Agrarier stehen mit ihren Zollforderungen im schroffen Gegensatz zu den jugo­slawischen Landwirten. Polen beruft für Ende August eine Ronferenz der Ackerbauminister nach Warschau ein und hat zu ihr alle drei Staaten der Kleinen Entente , ferner Ungarn und die Ostsee - Randstaaten eingeladen. Schließlich tagen im Herbst in Prag die dem hiesigen Internationalen Agrarbüro angeschlossenen Agrarparteien, woran auch reichsdeutsche und österreichische Agrarier teilnehmen merden. Es ist also ge­nügend Initiative vorhanden, die sogenannte Agrartrije zu lösen.

Auf die Frage des Ministers Höpfer- Aschoff, ob nicht am Freitag morgen noch eine Aussprache mit Herrn Kommerzienrat Röchling stattfinden solle, der beiden Teilen seine Vermittlung angeboten habe und am Freitag morgen in Berlin anwesend sei, erwiderte Minister Scholz, daß er diese Unterredung für 3e wedder Tschechoslowakei immer mehr zu, und sie zu lösen ist os halte. Seine Partei warte darauf, daß nunmehr die Barole zu selbständigem Vorgehen ausgegeben werde, und er werde diese Parole jetzt ausgeben.

Schiele isoliert Deutschland . Dänische Bewegung gegen Handel mit Deutschland .

Kopenhagen , 7. August.( Eigenbericht.) Der dänische Landwirtschaftsrat, in dem der größte Teil der dänischen Landwirtschaft zusammengeschlossen ist, befaßte fich am Donnerstag abend mit der Frage, ob es nicht an­gebracht ist, in Zukunft hauptsächlich waren aus den 2än bern einführen zu lassen, die dänischer Ware mit größerem Wohlwollen begegnen, als Deutsch land. Bon einem entsprechenden Beschluß wurde vorläufig

abgesehen.

Avanciert!

Aus den Bundesnachrichten des Stahlhelm:

Die Bundesführer haben den Reichs Staffelführer, Ram Herzog von Coburg, mit Wirkung vom 19. Juli 1930 an zum Mitglied des Bundesvorstandes ernannt.

Die Tschechoslowakei , ein Industriestaat mit starten agrarischen Interessen, schwankt zwischen Agrarismus und Industrialismus. Da aber die Agrarier die führende Regierungspartei sind, überwiegt die Unterstützung des Agrarismus zum Nachteil des Staates. Das Lebens­interesse der Tschechoslowakei aber liegt in der Förderung der industriellen Tätigkeit. Die Wirtschaftskrise nimmt auch in viel wichtiger als die Lösung der Agrarfrise. Eigentlich gibt es feine Agrarfrisis in der Tschechoslowakei , es flaute nur eine Zeitlang die frühere Hochkonjunktur für die Landwirt­schaft ab. Jezt verzeichnen agrarische Blätter selbst eine herannahende Wendung zum Besseren. Die Profite der während des Krieges und in der Nachkriegszeit ungemein reich gewordenen Landwirte sind zwar etwas schmäler geworden, trotzdem geht es ihnen aber im Vergleich zur Arbeiterschaft noch immer glänzend. Der Fabritarbeiter, dessen wöchentlicher Durchschnittslohn in der Tschechoslowakei 15 bis 20 Mart beträgt( bei Kurzarbeitern noch viel weniger), steht vor der Gefahr, auch diesen geringfügigen Betrag zu verlieren und ganz auf die staatliche Arbeitslosenunterstüßung angewiesen zu sein. Fabriken werden geschlossen, mindestens industrie liegt ganz danieder, die Metallindustrie fämpft um die Arbeitszeit eingeschränkt, Arbeiter entlassen. Die Textil­ihre Existenz, die Glasindustrie stockt und die für die Tschecho­ slowakei so wichtige Zuckerindustrie hat die meisten ihrer Absagebiete verloren. Das Elend der Ar­beiterschaft ist groß. Der sozialdemokratische Minister für foziale Fürsorge, Dr. Czech, widmet sich in unermüdlichem Eifer der Linderung der Not der Erwerbslosen und Kurz­arbeiter; so ließ er ihnen aus staatlichen Budgetüberschüssen außerordentliche Unterstützungen zukommen, führt jetzt eine großangelegte Speisungsaktion für Erwerbslose durch und