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Ar. 36947. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts ben 9. uguſt 1930

Wochenende

+8

Mark

in der

Ausflüge in die weitere Umgebung

Werder und Umgebung.

Blidt man auf eine Karte der Havellandschaft, jo zeigt sich Berder als Mittelpunkt eines Wander- und Wasserfahrtengebiets, das außer Potsdam Orte wie 2t- Töplitz und Phöben, Groß- Kreuz( Station für Lehnin ), Lehnin selbst, Ferch, Lienewitz und Michendorf zeigt. Biel Wald dabei: der zu allen Jahreszeiten prächtige Wild­part zwischen Botsdam und Geltom, und dann das große Waldgebiet zwischen Lehrin und Michendorf . Mehrere Eisen­bahnen machen das Hinkommen zum ge münschten Ausgangspunkt bequem und Dompfer und Bostautos stehen ebenfalls zur Verfügung. Aber man nergesse auch nicht, der Stadt Werder selber Beachtung zu schenken: außer der Baumblütezeit präsentiert es sich gemissermaßen in Zivil, hat malerische alte

und

intel md moderne Anlagen genug, um den nicht gerade mit Reford­zahlen prunten wollenden Touristen zu feffeln. Die Werbeschrift feines Verkehrs­nerbandes hebt hervor, daß Werder die einzige Inselstadt der Marf fei unsere non Junkers Luftdienst auf. genommene Ansicht gibt einen Begriff non der Isolierung durch das feuchte Element, auf das von den Höhen, die den Straßenzug zum Bahnhof begleiten, auch der nicht vom Fruchtmein begeisterte Mensch mit Vergnügen herabbliden wird. Bon den nach allen Seiten sich dehnenden schimmernden Flächen hebt sich ber bundle Bald effektvoll aber steht dem Wanderer offen, bis muf das am nächsten liegende Bezower Gebiet, mo der Gutsherr jedes Abweichen vom Bege verbietet. ,, Dieses Verhalten" schreibt die neueste Auflage des Reiseführers durch die Broning Branden­burg verdient scharfe Mißbilligung."

Bon Potsdam nach Werder führen zwei Wege: der birette auf dem Werder- Steige und dem Werderschen Damm zur Bildpartfähre über die dort 800 Meter breite Havel , oder mit dem 11mmeg über Baumgartenbrüd und Alt- Gelton und auf dem rechten Havelufer zur Fähre. Man kann auch in Baumgartenbrüd gleich auf das linte Ufer gehen und dann rechts abbiegend nach Werder gelangen. Es find dies angenehme Spaziergänge, die 1% bis Stunden erfordern. Die Wanderung von Werder nach Ferch über: direkt Bekom oder mit dem Inweg über Glindom nach Pezzom und von da über Mittelbusch und Neue Scheune nimmt

SINCLAIR LEWIS

44]

DER ERWERB

ROMAN

Wie gefällt Ihnen unser trautes Heim," fragte die leb hafte fleine Cassavant. ,, Am besten gefallen mir die Schuhe der Frau Fife. Ich glaube, fie eigneten sich gut dazu, fie Razen nachzumerfen." ,, But gemacht, Golden. Sie sind aufgenommen." Hören Sie, Magen", sagte Frau Lawrence, Fräulein Golden ist ganz meiner Meinung über die Büroarbeit der Frauen feine Chance

Mamie Magen feufzte und sagte: Esther", mit einer Stimme, die wohl von Natur aus rauh gewesen sein mußte, die sie aber anscheinend wie eine Bioline zu gebrauchen ge lernt hatte ,, Esther, meine Liebe, menn Sie nur jemals nerstehen fönnten, mas das Büro für mich getan hat! Als ich noch drüben im Osten der Stadt beschäftigt mar, da hiez es: immer arbeiten und arbeiten und mitansehen, wie al die hübschen Mädchen in unserem Häujerblock fish in Wäsche: fabriken die Tuberkulose holten oder Lumpen von Männera heirateten, jedes Jahr ein Kind bekamen und so mager und rerbraucht wurden, und die Streits der Konfektionsarbeiter und die Streifposten in den falten Nächten. Und jetzt bin ich in einem Büro- alle Jungens find elegant und höflich, nicht wie der Etagenaufseher in dem Warenhaus, in dem ich gearbeitet habe ich habe die Möglichkeit, jebe rbeit zu tum, die ein Mann tut. Der Chef ist ohnehin erpicht darauf. Frauen zu finden, die für ihre Arbeit mirklich Interesse -Sie wiffen es ja; haben, als wäre es ihr eigenes Geschäft er hat es Ihnen doch selbst gesagt Aber natürlich, die Melodie fenne ich schon", fagie Frau Lawrence. Und Sie gehen hin und haben Interesse für Ihre Arbeit und friegen achtzehn Dollar per Woche für statistische Arbeiten, die fein studiertes Mannsbild in Hojen für weniger als fünfunddreißig tun mürde"

Oder man tönnte auch sagen. Lewrence", marf Jennie Cassavant ein, Magen gibt zu, daß die Welt im allgemeinen ein großer Sauhoufen ist, und glaubt, Büros feien das Himmelreich, weil sie im Vergleich zu den Schwizfästen Halbwegs anständig sind."

etma 3 Stunden in Anspruch. Bon Ferch zur Station Ferch= Liene mit der Linie Wildpart- Beelitz gebraucht man etma 1 Stunde. Bon Bahnhof Berder fann man, auf dem linken Ufer nordwärts wandernd, in 1 Stunde Phöben erreichen. Jenseits,

Werder aus der Vogelschau.

mit Fähre übersehend, führt der Weg über Alt Töplig nach Bornim Potsdam zurück. Der Weg nach Lehnin ( 4 Stunden) führt über Glindom und Bliesendorf zu der schönen Klosterheide non Lehnin . Der durch das ehemalige Kloster be tannte Ort wird von fünf Seen umgeben, die sämtlich auf kurzen Spazierwegen zu erreichen sind.

König vom Jraf in Berlin .

Nönig Faisal vom Jraf ist gestern nachmittag in Be­gleitung seines Adjutanten und seines Rabinettchefs auf dem Bahn­ hof Friedrichstraße eingetroffen. Zur Begrüßung hatten sich in Bertretung der Reichsregierung und in Bertretung des Reichs­außenministers Ministerialdirektor de Haas, der Chef des Protokolls Graf non Tattenbach und Legationsrat Grobbe auf dem Bahnsteig eingefunden.

Das Königreich 3rat mit den Städten Bagdad und Basra liegt zwischen dem unteren Euphrat und dem Tigris, im fogenannten Mesopotamien . Früher türkisch, murde es 1921 Königreich, das unter englischem Mandat stand. Rönig wurde Faisal, der dritte

Die allgemeine Disfuffion war im Gang. Alle, bis auf Una und die Nonne", warfen mit allem herum, von Tat jachen angefangen bis zu Brotfügelchen, und sie unterhielten sich in einer so unverweiblichten und derben Art, wie Männer im Kaffeehaus. Una hatte jemand gefunden, mit dem sie fachfimpeln fonnte was das einzige vernünftige Gespräch in der Welt ist.

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Nach dem Abendessen lungerten alle in Unas und Frau Lamrences Zimmer umber und unterhielten sich volle vier Stunden long über Theaterstücke, junge Männer und Frau Fife alle, bis auf die hübsche Rose Larsen, die um acht Uhr von einem jungen Mann abgeholt murde. Sogar dem Reuanfömmling ina wurde die Begünstigung eingeräumt, sich an den umfassenden, höchst eingehenden und nicht ganz einmandfreien Ratschlägen zu beteiligen, die man Roje mit einwandfreien Ratschlägen zu beteiligen, die mon Rose mit auf den Weg gab Rotschläge, die so weit gingen, daß sie Rotschläge, die so weit gingen, daß sie den jungen Mann sicherlich in Erstaunen gefekt hätten. 1leberdies lieb Una Fräulein Larsen ein Paar Seiden­Strümpfe, half drei anderen Mädchen, die traufen Haare der fleinen Rose bändigen, und nahm teil an der feierlichen Bro­geffion, die ihr bis zur Treppe das Geleit gab, als der noch immer ahnungslose junge. Mann von unten her gemeldet murde. Und Una mar es, die es zumege brichte, den jungen Mann zu sehen, ohne selbst gesehen zu werden, und die sich dadurch auszeichnete, daß sie berichten fonnte, er habe glattes, schwarzes Haar und einen fleinen Schnurrbart und trage einen Spazierstod.

Una erlebte mit fechsundzwanzig Jahren ihre Pensions eit. Die Gegenwart jo pieler Menschen, mit denen sie viel die Fähigkeit, sich mitzuteilen. Sie legte fich an diesem leicht befreundet werden könnte, gab ihr Selbstvertrauen und Abend glücklich zu Bett, mit dem Gefühl, heimgefunden zu haben zu Leuten, zu denen sie gehörte; unter Frauen zu sein, die lärmend oder schweigend, indolent oder strebsam, darin pereinigt waren, ein der Arbeit gewidmetes Leben in einer Belt möglich zu machen, die noch immer von den Idealen des Harems benebelt war.

3 wölftes Rapitel.

1.

Roch während der ersten Woche in dieser Daje lernte na zum erstenmal das Gefühl tennen, geschäftliche Berants wortung zu tragen, etwas zu feiten und überhaupt fo auf zutreten wie ein Mann. Aber um fie derart zu ermeden, mußte das Schicksal erst das unschuldige Bein des Herrn Tron Wilfins bredhen, als er an einem Freitagabend um fieben

Sonnabend,

einem Vertrag, der nor furzer Zeit zwischen der Arbeiterregierung Macdonalds und der irakischen Regierung abgeschlossen wurde, wird her Jrat 1932 selbständiger Staat und als solcher vollberechtigtes Mitglied des Bölferbundes werden.

Unverantwortlich!

Die Tragödie der Gertrud Schade in Lübben .

Amtlich wird zu der Tragödie der jugendlichen Haus­angestellten Gertrud Schade in Cübben, die durch die leichtfertige Berdächtigung, einen Diebstahl begangen zu haben, in den Tod getrieben murde, folgendes mitgeteilt: Die Staatsanwaltschaft Kottbus hat gestern in Lübben und Kottbus zur Aufklärung des Abhandenkommens von 100 Reichs­mark in der Wohnung des Amtsgerichtsrats Mersch= full mehrere Personen, darunter die Eheleute Werschkull und Amtsgerichtsrats B. vernommen. Nach dem Ergebnis dieser Er­Frau Schenker, die Schwiegermutter einer Stieftochter des mittelungen sind die 100 m. aus der Tasche der Frau Schenter abhanden gekommen. Die Tasche hing im Flur der W.schen Wohnung und mar dort seit Freitag mittag auf­bewahrt. Der Verlust des Geldes murde am Sonnabend nach: mittag bemerkt. Der Verdacht, das Geld entwendet zu haben. richtete sich gegen die Hausangestellte Gertrud Schade, meil nach Ansicht der Familie B. außer den Familienmitgliedern mur fie Zutritt zu dem Flur hatte und sie bereits vorher einmal einer anderen Hausangestellten, nach deren Angaben, einen fleimen Geldbetrag entwendet haben sollte. Da Amtsgerichtsrat B. es für aussichtslos hielt, bei dem Mädchen durch gütliches Zureden etwas zu erreichen, und weil nicht ihm, sondern einer bei ihm zu Gast meilenden Frau ein erheblicher Betrag gestohlen worden mar, machte er Anzeige bei der Polizei. Nach erfolgloser Berneh mung durch den Polizeinberwachtmeister May und nach einer er­gebnislvojen flüchtigen Leibesdurchsuchung durch Frau Schenker murde das Mädchen durch Amtsgerichtsrat W. entlassen. Auf die Anregung des Amtsgerichtsrats B. mollte die Polizei eine Haussuchung in dem benachbarten Steinfirchen in der Wohnung der Eltern, die auch die Wohnung des Mädchens mar, vornehmen. Gleichzeitig sollte auf der Polizei eine gründliche Leibesdurchsuchung stattfinden. Dagegen hat Amtsgerichtsrat. nicht gewollt und nicht gemußt, daß Fräulein Schade bis zum nächsten Tag auf der Bolizei festgehalten werde. Auch hat er feinen Einfluß auf das polizeiliche Verfahren genommen. Die bisherigen Bernehmungen haben bis jetzt teine Klarheit darüber geschaffen, mie die 100 m. abhanden gekommen sind. Eine genaue Nachprüfung der Dertlichkeit hat die Möglichkeit ergeben, daß aus der neben der W.schen Wohnung liegenden Schenkerichen Wohnung fich eine Person unbemerkt in den Flur hat einschleichen fönnen. Diese beiden Wohnungen sind nur durch eine, meist geschlossene Tür getrennt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß am Freitag, 11. Jufi, on dem die Familie Schenker aus der Wohnung auszog und infolge­dessen Fremde ungehindert Zutritt zu dieser Wohnung hatten, die Türe zeitweise unverschlossen gewesen ist und so ein Täter un bemerkt in den Flur der W. fchen Wohnung hat ein dringen können. Amtsgerichtsrat Werschkull hatie bereits am 1. Juni 1930 seine Entlassung aus dem Justizdienst beantragt. Diese Entlassung war ihm durch Erlaß des Justisministers nom 28. Juni 1930 gemährt morden. Seit dem 21. Juni war er bis zu seinem Ausscheiden beurlaubt.

Zur Entschuldigung des ganz unnerant mortiichen Verhaltens dieses Amtsgerichtsrates dient auch die amtliche Feststellung in feiner Weise. Vor allem mird es aher notwendig, sich mit der Lübbener Polizei zu bescht­tigen, die ein unbescholtenes Mädchen unter den beschämerbster Umständen zur Bache führt und dort mie eine Schmerverbrecherin in Gemahrsam hält meil der Herr Amtsgerichtsrat als Re­spettsperson hinter der Angelegenheit steht.

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| Uhr aus seinem fleinen asthmatischen Automobil auf einen vereisten Gehsteig frat.

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Als Una am Sonnabendmorgen ins Büro tam, murde sie von Herrn Wilkins telephonisch benachrichtigt, daß sie die Aufsicht über das Büro, über Bessie Krater und den Lauf­burschen übernehmen und selbständig mit der Küsten­Siedlungs- und Bau- Gesellschaft" über das Projekt für drei Reihen halb freistehender Billen unterhandeln müsse. Drei Wochen hindurch war das Büro fo grundverschieden von der Tretmühle, die es sonst zu sein pflegte, mie das Absti nentinnenheim und das von angeregten Kontroversen erfüllte Zimmer der Frau Lawrence von der Bension der Grans ver­schieden mar. arbeiten, morgens, statt um halb neun, um drei Viertel acht Es machte sie glücklich, bis spät abends zu zu fommen, mittags nur schnell in eine Cafeteria zu eilen, um ein paar Sandwichs und eine Tasse Kaffee zu verschlin gen, geduldig mit Besuchern zu sein und zu versuchen, diesem Naturkind Bessie Krafer eine Ahnung von Rechtschreibung beizubringen. Sie ging eiligen Schrittes im Büro herum und mar auf die herrschende Gauberteit nicht menig ftolz. mit einem von der Telephongesellschaft entliehenen Kopf­hörer saß sie täglich eine halbe Stunde lang im Gespräch mit Herrn Billins, nahm sein Diftat auf, empfing seine War­nungen und Borschläge, und versicherte ihm, daß die Unter­grundbahn in seiner Abwesenheit immer noch nerfehre und dieselbe politische Partei noch am Ruder sei. Nach einer auf­geregten Konferenz mit dem Bizepräsidenten der Küsten­Siedlungs- Gesellschaft, in der sie so beredt wie eine Auto­mobilreklame war, in bezug auf Herrn Wilkin's frühers beden, Tellergestelle, ausschließliche Verwendung ven hartem Meisterwerfe ,, modernster Komfort, Bartetten, Balfen­Holz, reue und geschmackvolle Ausstattung" den Gipfelpunkt faufmännischer Tugenden: sie brachte das Geschäft zum Abschluß.

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erreichie Una

und vielen Sms" lobte er manches, worüber sie 3meifel Herr Billins fam zurüd, und unter vielem Räuspern gehegt hatte, und deutete auf Fehler hin in Dingen, die sie besonders gut durchgeführt zu haben glaubte; im allgemeinen maren seine Worte anerkennend, aber nicht befriedigend. In einigen Tagen jedoch mar er es, der den Gipfelpunft aller Tugenden eines Chefs erreichte er erhöhte ihr Behalt: auf fünfzehn Dollar möchentlich. Sie war jedoch wiederum bloß eine Gefretärin, und der Bürobetrieb schleppte sich durch eine neuerliche normale Beriode, in der alle dramatischen Episoden der Vergangenheit unglaubhaft schienen, und die zukunft grau. ( Forthegung folgt.)