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BERLIN  Sonnabend

9. Auguft

1930

milis&

Der Abend

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Nr. 370

B 184 47. Jahrgang

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Eisenhagel über Arbeiter

เกา อี้

1020013

Explosion in Rummelsburg  - Sechs Handwerker zerschmettert

Im Betrieb der Acela G. m. b. H., eine Tochtergesellschaft der 3. G. Farbenindustrie, in der Hauptstraße 9/13 in Rummels­ burg  , ereignete fich heute früh ein entfehliches Explosions unglüd. In der Destillierabteilung der Werke wurden an einer Destillierblaje Reparaturarbeiten vorgenommen. Ein großes Hohlgefäß riß plöhlich unter einem ohrenbetäuben. den krach auseinander. Die Folgen waren entfehlich. Sechs Arbeiter lagen mit zerschmetterten Gliedern bewußtlos auf dem Boden, drei weitere Arbeiter hatten leichte Berlegungen er­liften. Der Arbeiter Perell, der mit einem Kieferbruch und fchweren Verbrennungen in das Rummelsburger   Kranken­haus gebracht worden war, starb bald nach feiner Aufnahme. Für einen anderen noch jugendlichen Arbeiter, der schwere Gesichts­verletzungen davontrug, besteht die furchtbare Gefahr, daß er das Augenlicht verlieren wird.

In Rummelsburg  , dem Industriezentrum des Berliner  Ostens, erstrecken sich auf dem Gelände zwischen dem Großkraft­wert Klingenberg und den Altersheimen sowie Waisenhäusern diz zahlreichen Gebäude der Acela" Kunstseiden G. m. b. S. Das Riesenwert, das früher der Aufsicht der Anilin- Fabriten unterstand, gehört bereits seit einiger Zeit zum Konzern der J. G. Farben­

Neue Internationale der Industrie.

Die in Offende Mitte Juni begonnenen und in Paris   fort­gesetzten internationalen Stidstofftonferenzen haben zu dem Abschluß der Europäischen   Konvention und zu einer Einigung mit der chilenischen Stidftoffinduftrie geführt.

Das 3ntrafftreten hängt noch von der Erledigung ge­wiffer Formalitäten ab. Die Abkommen gelten für die ganze Welt, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten  . Folgende Länder find beteiligt: Belgien  , Chile  , Deutschland  , England, Frankreich  , Holland  , Italien  , Norwegen  , Polen   und die Tschechoslowakei  .

fabriken. In dem Rummelsburger   Betrieb in der Hauptstraße werden neben Kunstseide noch andere chemische Erzeugnisse produziert. Inmitten der Fabrikgebäude liegt eine langgestreckte einstödige Halle, in der sich u. a. der Destillierraum befindet. Der Raum, der vier Destillierblasen von je 15 Rubikmeter Fassungs­vermögen enthält, ist etwa 150 Quadratmeter groß. Da sich an den Destillierblasen, wie mitgeteilt wird, vor einigen Tagen Mängel herausstellten, sollten die Kessel, die aus Schmiedeeisen bestehen, heute repariert werden. Aus diesem Grunde wurde der Betrieb in dieser Halle eingestellt. Eine Kolonne von etwa 10 Ar­beitern war seit den frühen Morgenstunden mit den Reparaturen an den Destillierblasen beschäftigt. Mehrere der Arbeiter nahmen an einem Ressel mit einem Schweißapparat, der durch Azetylengas gespeist wird, Schweißungen vor. Genau um 9,15 Uhr er: eignete sich dann die Explosion mit ihren entsehlichen Folgen. Als ob eine Granate explodiert wäre... Es gab plöglich eine mächtige, weithin vernehmbare Detonation. Der Ressel war explodiert und die einzelnen Eisenteile fauften wie

ver­

Friedrich- Ebert- Schule in Luckenwalde  

ja auch jeder Schüler in Luckenwalde   verpflichtet ist, das Schwimm­bad der Stadt wöchentlich einmal unentgeltlich aufzusuchen). Das Interessanteste wäre noch zu berichten: diese schöne und mustergültige Boltsschule ist zugleich

Konnte ich schon im vorigen Herbst bei einem Besuch Lucen-| nach dem Turnen pflichtgemäß von allen benutzt werden muß!( Wie waldes hervorheben, wie glücklich sich diese kleine, mustergültig ge­leitete Stadt in sozialer und architektonischer Hinsicht ausbreitet, so bedeutet die Friedrich Ebert   Schule einen vorläufigen Gipfelpunkt dieser Bemühungen. Es ist die vierte Volksschule, die sich Luckenwalde   baut, und zwar als Sammelschule( tonfessionell); Raum ist für 750 Kinder da, aber es ist zu befürchten, daß die Anmeldungen die Zahl der verfügbaren Pläge übersteigen werden. Die Schönheit und freiheitliche Ordnung dieser Schule und ihre verlockenden Lehrmittel und Einrichtungen werden eine mächtige Anziehungskraft auf Kinder und Eltern ausüben.

Man ist wieder einmal versucht zu wünschen: wäre ich doch noch flein und könnte hier mein Leben als Lernender beginnen!

Der weitläufige Bau ist sehr reich gegliedert, durchaus im Sinn feiner Zwecke, jedes Glied tritt deutlich schon im Aeußern hervor, wie es bei heutigen Sachbauten selbstverständlich ist; ebenso selbst verständlich sind die flachen Dächer( deren höchstes, als Terrasse ausgebildet, eine wundervolle Aussicht über die Stadt und das weite grüne Land bietet), die fast ununterbrochenen Fensterreihen und die tubisch- rechtwinklige Gesamterscheinung, die durch ein helles Rosa des Berputzes etwas ungemein Freundliches bekommt.

Aufsätze über

zu einem Theater- und Konzerthaus Ludenwaldes ausgebaut worden.

Die Aula mit ihren ungewöhnlichen Dimensionen dient als Theater­raum; die Bühne, auf der die Kinder zur Eröffnung tanzten und sangen, ist mit allen Mitteln moderner Bühnentechnik eingerichtet, von Rundhorizont und Beleuchtungsbrüde bis zur Regenvorrichtung und dem eisernen Borhang. Das ansteigende Barkett und eine vor­trefflich angeordnete Galerie fassen 800 Personen. So ist Lucken­ walde   auf natürliche und billigste Weise zu dem bisher fehlenden Theater gekommen. Die ganze Schule, einschließlich des Theaters ( in dem auch freundliche Schauspielergarderoben und ein kleines Restaurant nicht fehlen), und des umfangreichen Grundstücks hat nicht mehr als 1,5 millionen Mark gekostet.( Der bloße Anbau des Berliner   Opernhauses verschlang netto 14 Millionen Mark!)

Der Entwurf stammt von dem vortrefflichen Luckenwalder  Architekten Graf, die Ausführung geschah unter Verantwortung des Stadtbaurats Brennete und Mitarbeit des Architekten Backes. Paul F. Schmidt.

fegt, daß fie mit Knochenbrüchen und inneren Berlegungen blut Traktor  ", der Maschinengoff Urteil gegen die Landvolkler.

überströmt zu Boden sanken. Die Kunde von dem entsetzlichen 1nglüd durcheilte das Riesenwert wie ein auffeuer und von

und

allen Seiten eilte sofort Hilfe heran. Samariter bemühten fich Proletariermassen hungern u. schuffen sofort um die Verunglückten, und die Feuerwehr schaffte die Verletzten ins Krankenhaus.

Dem Arbeiter Perell, der die Mündung des Schweißappa­rates bedient hatte, war der Kiefer zertrümmert und durch ein Eisen­stück die Halsschlagader zerrissen worden. Er starb bald nach seiner Einlieferung. Die übrigen Schwerverletzten sind der 37jährige Erich Lehmann aus der Bellermannstr. 82/83, der 42jährige Arbeiter Otto Ganzfe aus der Bücklerstr. 7, der 51jährige Otto Timm aus der Eitelstr. 49 in Lichtenberg  , der 27jährige Friz Hagelstein aus der Roedernstr. 60 in Lichtenberg  und der 55jährige Georg istenmacher aus der Wilhelmstr. 48 in Lichtenberg  . Hagelstein mußte wegen seiner schweren Gesichts­verlegungen sofort in die Augenklinik nach der Ziegelstraße gebracht werden.

Ueber die Ursache ist noch nichts bekannt. Bon der Bolizei find inzwischen die notwendigen Ermittlungen eingeleitet worden. Die Polizei wird vor allen Dingen darauf zu achten haben, ob die Betriebsleitung der Aceta"-Werke alle notwendigen Sicherungs­maßnahmen getroffen haft

auf der dritten Seite

Auch die Korridore und Schulzimmer sind in hellen Farben, verschieden getönt, gehalten und hier und da über den Türen mit luftigen Tieren und Anzüglichkeiten auf den Unterricht bemalt. Von felbst versteht sich die freie Anordnung von beweglichen Tischen und Stühlen an Stelle der feststehenden Schulbänke. Große Räume für Handfertigkeitsunterricht zum Basteln, für handwerkliche Knaben­betätignug( Tischlerei, Schmiede- und Buchbinderarbeit) und für Handarbeit der Mädchen( mit Nähmaschinen) sind natürlich ebenso vorhanden wie eine herrliche Turnhalle mit Korkboden;

grundsätzlich wird barfuß und mit allerleichtefter Kleidung gefurnt, vielfach draußen auf dem großen Rasenplatz. Ebenso dient der Beichensaal mit einem Projektionsapparat für Vorbilder, fast nur aushilfsmeise, da das eigentliche Zeichnen sommers und winters möglichst im Freien auf den Terrassen vor sich geht. Beneidenswerte Kinder! Nicht zu vergessen ist, daß das herrliche große Brausebad

Gefängnis und Geldstrafen.

Jhehoe, 9. Auguft( Eigenbericht).

Jm Landvolt- Prozeß wurde heute morgen nach viet­wöchentlicher Berhandlung folgendes Urteil verkündet: Wegen Amtsanmaßung, Beleidigung, Beleidigung, Aufforderung zum Steuerstreit und Vergehens gegen das Republik  , chuhgesetz

wurden verurteilt

Hamtens zu zwei Monaten Gefängnis und Mt. 250 Geldstrafe,

Weschte zu 6 Wochen Gefängnis und Mt. 150 Geld­ftrafe,

Pramohr zu 4 Monaten Gefängnis und Mt. 50 Geld­ftrafe,

Kühl zu Mt. 280 Geldstrafe. Freigesprochen wurden Hönt, Rönnhage, Johnson, v. Salomon und Wulff. Die übrigen Angeklagten wurden zu Geldstrafen von mr. 150 bzw. mf. 100 verurteilt.

Bor Verfündung des Urteils erklärte der Borsitzende, daß etwa beabsichtigte Ovationen( Uebergabe von Blumen) gegenüber den Angeklagten nicht zugelassen werden. Er würde gegen eine Ovation mit polizeilicher Gewalt einschreiten laffen.