10 Pf. 71r. 380 B 159 47. Jahrgang
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Jungwähler im Wahlkampf
Vier Wählergruppen— Ein Viertel erst seit-19�8 wahlberechtigt Zerfall der Demotraten.
Die sozioldemokrakifche Front zieht geschloffen in den Sahlkamps. Unsere Position ist sachlich richtig und deswegen wählt aktisch günstig. Das allein genügt uns nicht. Alle Staatsgewalt geht vom Volte au»— sagt die Weimarer versaffung, aber erst 9.1 Millionen Wahl. berechtigte gaben 1928 ihre Stimme der Sozialdemokratie! wie werden diejenigen Teile des Volkes am 14. September politisch entscheiden, die bisher nicht sozialdemokratisch gewählt haben? von welchen Erwägungen wird ihre Stimmabgabe beeinflußt werben? Versuchen wir, die gegenwärtig« Situation an Hand der Zahlen von 1928 uns deutlich zu machen. Danach sind gesinnungs. und anschauungsmäßig, zum Teil weltanschaulich geschlossen, vier Wähler- gruppen vorhanden:
Die Nicht Wähler schalten sich selbst aus, sie sind eine völlig unbekannte Macht. Wenn sie zur Wahl gehen würden, könnten sie das Gesicht des kommenden Reichstags wesentlich mitbestimmen. Wir wissen nichts über soziale Lag«, Lebensalter und Geschlecht der Nichtwähtcr. Statistische Untersuchungen wären aber nach dem 14. September zumindestens örtlich und in gewissem Um- fang« wohl möglich. Di« Wählergruppen der gcschlosienen, weltanschaulich fest ge- fügten politischen Bewegungen werden sich gegenseitig nicht ent- scheidend beeinflussen. Was vom Zentrum und Bayerischer Dolks- parte! an Arbeiter- und Mittelstandswählern etwa abwandert, geht in verschieden« Richtungen und nicht nur zur Sozialdemokratie. Selbstverständlich unterliegen auch Sozialdemokratie und Zentrum politisch- konjunkturellen Einflüssen, sie werden aber nicht das Gefüge dieser Parteien ernstlich verändern können. Bei der dritte» Gruppe ist die konjunkturell« Auswirkung der politischen Situation entscheidend wichtig. Hier ist die Frag«, woher diese Parteien ihren Zuwachs erhalten werden, wohin sie nachdenklich gewordene Wähler abgeben werden. Die vierte Gruppe von Parteien ist in vollerAuflösung, Umgestaltung und Umschichtung, also in struktureller Umbildung. Es handelt sich um rund 12 Millionen Wähler und Wählerinnen, die sich neu entscheiden müffen. Unsere Systemotisierung hat sicher ihre Mängel, es ist der Der- «uch eines Ueberblickes, der Anregungen dafür geben soll, wo und wie die sozialdemokratische Aufklärungsarbeit einzusetzen hat. Di« Systematisierung ist auch nicht vollständig, sie kann ja das„Treib- holz' der Gelegenheitswähler, derjenigen, die einmal diese, das ander« Mal eine andere Part«!„probieren" zahlenmäßig nicht erfassen. Ebensowenig sind wir üb«r den Umfang der inneren Erneuerung der Parteien unterrichtet. In Deutschland sterben jähr- lich annähernd 600 000 Menschen im Alter von über 20 Jahren, die doch alle vorher Wähler und Wählerinnen— oder Nichtwähler waren. Und rund 1.25 Millionen Menschen der jungen Generation werden jährlich erstmals wahlberechtigt. Das sind s«it 1919 schon— wenn man die Todessöll« abzieht— rund 10 Millionen neue Wahlberechtigte. Wir haben heut« also etwa 25 Proz. Jungwähler und Jungwähler innen, wenn man diejenigen so bezeichnen will, die seit der Schaffung der Republik wahlberechtigt wurden. Grundsätzlich gesehen, wird die Wahl von 1930 demnach von zwei Hauptfragen beherrscht: wie werden diejenigen entscheiden, deren Parteien. Programme und Zlnschauungen sich gewandelt habe»?, wie entscheiden die Jungwähler, die das reaktionäre kaiser - sich« Deutschland kaum gekannt haben?
Wir dürfen nicht in den Irrtum verfallen, anzunehmen, daß heute schon die Mehrheit der Wahlberechtigten wüßte, wie sie am 14. September entscheiden soll. Was uns so selbstverständlich er- scheint, ist, die Nichtwähler eingerechnet— die ja nicht immer die gleichen sind—, für mindestens zwanzig bis sünfundzwanzig Millionen deutscher Staatsbürger durchaus noch nicht entschieden. Sic sind mit unserer Aufklärungsarbeit zu erreichen. Kurt Heinis. Zurück zur Sozialdemokratie. Der bekehrte Kommunist. Ehemuih, 15. August.(Eigenbericht.) Einer der Führer der kommunistischen Opposition, der frühere kommunistische sächsische Landtagsabgeordnete Otto R ö tz j ch e r. E h e m n I h. hat seinen Aeberlrill zur Sozialdemo. Irakischen Partei erklärt. Er begründet seinen Schritt damit. die Einigkeit der Arbeiterschaft könne niemals durch eine Splitter. gruppe, wie«» die RpO. ist, erzielt werden, und der Ausgang der sächsischen Landtagswahlen habe den Zusammenbruch der kommu nistischen Opposition erwiesen. Scholz gesteht! Er hat die Regierungskrise bewußt herbeigeführt. Düsseldorf , 13. August.(Eigenbericht.) Auf einer Wahlkreisoertretertagung der Deutschen Volkspartei für den Wohlkreis Düsseldorf -Ost sprach Dr. Scholz. Seine Rede wandte sich fast ausschließlich gegen die Sozialdemo- k r a t i«. Er unterstrich noch einmal, daß er— im Gegensatz zu Höpker-Aschoff — die Sozialdemokratie nicht als stoatserhaltende Partei angesehen wissen wolle. Er gestand ganz offen, daß die Bolkspartei im Frühjahr des Jahres die Krise der Re- gierung Müller bewußt herbeigeführt habe. Im übrigen strotzte seine Red« von demagogischen Plattheiten gegen die Sozialdemokratie: Die Sozialdemokratie ist schuld an der Arbeits- losigkeit, an der Zerrüttung der Finanzen, an der finanziellen Miß- Wirtschaft, die Sozialdemokratie Hab« bewußt oder unbewußt die Grundlagen der Weimarer Verfassung zerstört, und ebenso die ge- samt« Privatwirtschaft oder wenigstens große Teile von ihr. Mit dieser echten Unternehmerrede hat Herr Scholz abermals die Stel- lung der Deutschen Volkspartei gekennzeichnet. Sie ist scharf- macherisch, reaktionär und verlogen! In der aufdring- lichsten Weise benutzte auch Herr Scholz den Reichspräsidenten zur Wahlpropaganda für seine Partei. Aber weder die Redensarten gegen die Sozialdemokratie noch die Wahlparole mit dem Reichs- Präsidenten wird die Volkspartei vor der wohlverdienten Niederlage retten. Staatsvolk oder Znteressentenhaufen?
Selbstverständlich handelt der Aararier Schiele hier als Staatsmann, nicht etwa als Interessent!
Generalsekretär geht zur Volkspartei,- Mitglieder zur Sozialdemokratie! Hannover , 15. August.(Eigenbericht.) Bei den Demokraten herrscht in Hannooer ein heilloses Durcheinander. Die Partei befindet sich in völliger Auslösung. In der Mitgliedschaft besteht allergrößte Empörung darüber, daß man, ohne sie zu fragen, sie einfach„an die Staatspartei verschachert" habe. Besonders die Kandidaturen zum Reichstag bereiten Schmie- rigkeiten. Der langjährige Rcichstagsabgeordnete Freiherr v. Richt- Hofen hat auf Wiederaufstellung verzichtet. Von jungdeutscher Seite wird verlangt, daß der Bürgermeister von Peine , der e h em a l i g c Demokrat Wiedfeld, als Spitzenkandidat ausgestellt wird. Auf einem am Mittwoch eiligst zusammenberusenen demokratischen Par- teitag des Wahlkreises Hannover erhob sich aber für Wiedfcld nur eine einzige Stimme. Alle anderen waren gegen ihn und gaben ihrer Empörung über die Verfchocherung der Parteien lebhaften Ausdruck..Die Opposition war so stark, daß der Vorsitzende wieder- holt androhte, von seinem Housrecht Gebrauch zu machen, wenn keine Ruhe einkehre. Der langjährige Generalsekretär M i r o w hat jetzt der Demokratischen Partei den Rücken gekehrt und ist zur Deutschen Volkspartei übergetreten. Die volksparteiliche Presse sucht es so hinzustellen, als ob ein erheblicher Teil der Demokraten zu ihr gekommen sei. Das ist aber durchaus falsch: vielmehr wird ein Teil der ehemaligen Demokraten sich der Sozialdemokratie zuwenden. So hat heute unter anderen auch das langjährige Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Demokratischen Partei und Vorstandsmitglied des Reichsbanners Max Weber seinen Eintritt in die So- zialdemokratische Partei vollzogen. Zm Konflikt mit Dänemark . „Maul- und Klauenseuche'— agrarisches pressionsmittel. Von dänischer Seite sind bei der Reichsregierung V o r st e l- l u n g e n wegen der aus Anlaß des Auftretens von Maul- und Klauenseuche in Dänemark für Deutschland angeordneten v e t e- rinär-polizeilichen Maßnahmen erhoben worden. Die Reichsregierung hat nunmehr der dänischen Regierung mitgeteilt, daß sie bereit ist, die Angelegenheit zum Gegenstand von Erörterungen beiderseitiger Veterinärsachverständioer zu machen. Schiele und Oldenburg . Behaupiungen und Dementis. Ein Mittagsblatt berichtet heut« in großer Aufmachung über einen Besuch des Junkers von Oldenburg -Janujchau bei dem Reichsminister Schiele und knüpft daran verschiedene poli- tische Kombinationen. Unter anderem wird behauptet, daß Olden- bürg den Agrarierpräsidenten Schiele zur Rückkehr zu Hugen- b e r g überreden wollte und daß eine Wiederangliederung der unter Schicles Führung stehenden Landvolkgruppen an die Deutschnatio- nale Panei vorbereitet werde. In diesem Zusammenhang wird auch von dem gleichen Blatt behauptet, Reichspräsident Hindenburg habe die Vermittlirngstätigkeit Oläenburgs sicher angeregt oder doch dar- um gewußt. Schiele läßt die Nachricht des Mittagsblattes als„absolute Erfindung" bezeichnen. Oldenburg besuche ihn regelmäßig bei seinen Berliner Besuchen, und auch gestern sei er bei ihm gewesen, jedoch seien politische Fragen überhaupt nicht berührt worden. Ferner wird offiziös erklärt, von einer Beteiligung des Reichs- Präsidenten an einer Vernnttlungsaktion zwischen der Hugenberg- und Landvolkgruppe könne nicht die Red« sein. Hindenburg ver- halte sich in dieser Frage absolut neutral.
Bischof als Alkoholschmuggler. New York , 15. August. Der tschechische orthodoxe Bischof Mr z e n a, der vor einem Jahr aus Prag eingewandert ist, wurde der Verletzung der Prohibi- tionsgesetze für schuldig erklärt. Er hat einen Teil des Weins, der für kirchlich« Zwecke bestimmt war. Schmugglern verkauft, wys ihn «inen Gewinn von rund 48 000 Dollar im Jahre einbrachte.