Morgenausgabe
r. 383
A 193
47.Jahrgang
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Der Bormärts" erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, bie Abenbausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illuftrierte Beilagen Bolt und Zeit und Kinderfreund". Ferner Frauenftimme". Techni!", Blick in Die Büchermelt", Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".
Sonntag
17. August 1930
Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.
Die einfpaltige Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zmei fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jebes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zahlen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.
Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
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Unsere Kandidaten.
Auf zum Wahlkampf für die Sozialdemokratische Partei !
Der außerordentliche Bezirksparteitag der Sozialbemokratischen Partei für den Bezirksverband Berlin hat gestern die sozialdemokratischen Kandidaten zur Reichstagswahl am 14. September aufgestellt. Unsere Kandidaten sind:
1. Artur Crispien
2. Hugo Heimann
3. Klara Bohm- Schuch
4. Siegfried Aufhäuser
5. Carl Litte
8. Franz Rooch
9. Paul Hennig
11. Paula Kurga
12. Otto Theuner
13. Willi Riese
14. Anna Bormann
Wahlfreis 3, Potsdam II( Teltow Beeskow).
5. Georg Wendt
6. Frik Schröder
7. Paul Becker
Für die Reichsliste wurden vorgeschlagen: Albert Faltenberg und Max Westphal . Run auf zur Wahlarbeit! Werbt für die Sozialdemokratische Partei !
Die Petschef- Front.
Antiplutokratische Staatspartei mit Braunkohlengeld!
Im Wahlkreis Frankfurt ( Oder ) ist die Fraktion Falscher Hase" zustande gekommen. Der Mann, der sie aus der Taufe gehoben hat, ist Herr Petschek , der unbestrittene Herrscher im ostelbischen Braunkohlensyndikat. Die Telegraphen- Union berichtet:
mit die Grundlage für die Vorherrschaft Petschefs geschaffen hat.
Stüße der Braunkohlenfront, ist Herr Hermann Fischer, Inhaber zahlreicher Aufsichtsratsmandate, der indirekt auch am oftelbischen Braunkohlensyndikat intereffiert ist. Der Fall der antiplutotratifchen" Staatspartei wird nun völlig klar. Ihre Kandidatenlisten sind im wesentlichen abgeschlossen. Georg Bern hard ist endgültig abgefägt, aber Hermann Fischer, ein ausgesprochener Interessentenvertreter, bleibt!
Diese Brauntohlenfront reicht von der Staatspartei bis zu den Konservativen, und wie aus dem Bericht hervorgeht, scheint die Staatspartei dabei eine be„ Die Wirtschaftsverbände des Wahlkreises Frankfurt a. d. Oder- sondere Rolle zu spielen. Der Spizentabidat der Grenzmark Posen- Westpreußen hatten unter Führung der Staatspartei in diesem Wahlkreis aber, Zierde und Arbeitsgemeinschaft der Niederlausitzer wirt. fchaft am Sonnabend Bertreter aller bürgerlichen Barteien, einschließlich der Deutschnationalen, nach Frankfurt a. d. Oder zu einer Besprechung geladen, die dem Ziel galt, über die Parteizersplitterung hinweg eine Einheitsfront im Wahlfreis V und damit eine gemeinsame plattform für die Wahlbewegung zu schaffen. Wie aus Teilnehmerkreisen verTautet, einigte man fich darauf, einen gemeinsamen Wahlaufruf zu erlassen und den Wahlkampf gemeinsam Die so gewonnene durchzuführen. gewonnene Gemeinschaftsarbeit zwischen Wirtschaft und bürgerlichen Parteien soll auch über die Wahlen hinaus aufrechterhalten bleiben. Die Deutschnationalen haben fich diesem Beschluß nicht angeschloffen, vielmehr verließ ihr Vertreter nach Angriffen von seiten der Staatspartei den Saal, ohne das Ende der Bersammlung abzuwarten."
Die Niederlaufiger Arbeitsgemeinschaft wird beherrscht von Herrn Petschef, Herr Betschef aber ist das Braun fohlengeld. Herr Petschet hat mit Braunkohlengeld den Stahlhelm finanziert, er wird jetzt die Einheitsfront der Bürger im Wahlkreis Frankfurt ( Oder ) finanzieren. Denn gemeinsame Durchführung des Wahlkampfes heißt nichts anderes als gemeinsames Schöpfen aus gemeinsamer Wahlkaffe. Die Aufrechterhaltung der Gemeinschaftsarbeit zwischen Wirtschaft und bürgerlichen Parteien aber bedeutet nichts anderes, als daß die Vertreter aller bürgerlichen Barteien in diesem Wahlkreis sich den Interessen der Geldgeber dienstbar machen wollen!
Diese bürgerliche Einheitsfront von Betschets Gnaden ist eine getaufte Front, eine Betschef- Front!
Daß die Deutschnationalen Hugenbergscher Prägung nicht mitmachen, ist besonders pikant. Es war der verstorbene ftramme deutschnationale Generaldirettor Schumann, der Herrn Petschet die Ilse- Aktien in die Hand gespielt und das
Herr Mahraun hat darüber im Jungdeutschen" einen Aufruf an sein Jungdovolk erlassen, in dem es heißt:
,, Viele meiner Freunde werden vielleicht der Ansicht sein, daß die durch die Kandidatenliste gegebene Plattform nicht allen unseren wünschen entspricht. Sie werden fragen, wie es fommt, daß auch Herr Fischer mit seinen vielen Aufsichtsrats mandaten in der Liste der Deutschen Staatspartei steht. Ebenso werden Bedenken gegen andere Persönlichkeiten laut merden. Es wird vielleicht auch nicht an Stimmen fehlen, welche das Zusammengehen mit diesen Persönlichkeiten als ein Abbiegen von unserem alten jungdeutschen und voltsnationalen Bege betrachten. Alle unsere Freunde bitte ich, diese Bedenken zurückzustellen."
Warum Herr Fischer in der Liste der Deutschen Staatspartei steht, warum die Bedenken gegen ihn zurückgestellt werden sollen, das wird jetzt vollständig flar. Der Grund heißt: das Brauntohlengeld! Darum ist er wichtig für die neue Partei, die kein Geld hat.
Es bleibt nur die Frage: finanziert Herr Fischer die Staatspartei über den Rahmen des Wahlkreises Frankfurt ( Oder ) hinaus?
Hier ist die erste Illustration zum Aufruf des Reichs verbandes der Deutschen Industrie. Sie ist einfach und lehr reich, wie der Wahlkampf in Frankfurt ( Oder) nun einfach und lehrreich sein wird. Seine Parole mird heißen: Ar beiterwille gegen Brauntohlengeld!"
Alle für den Sieg!
Gewerkschaften und Partei einig im Kampfe!
Der Aufruf des Vorstandes und Ausschusses des All gemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes , den wir gestern morgen an der Spize unseres Blattes veröffentlichten, ist ein Dokument, das in der Geschichte der sozialistischen Arbeiter bewegung einen hervorragenden Play einnehmen wird. Er ist ein erfreuliches Dokument, denn er ist ein Dokument der Einigkeit. Die Wiedervereinigung der beiden sozialdemokratischen Parteien in Nürnberg war ein großer Fort schritt; niemand kann sich vorstellen, wie trostlos es aussehen würde, wenn dieser Fortschritt nicht erfolgt wäre. Zwischen der politischen und der gewerkschaftlichen Bewegung bestand niemals eine eigentliche Spannung, sondern höchstens eine gemisse Distanzierung aus taftischen Gründen. Der Aufruf der Gewerkschaften ist ein Dokument der nun hergestellten vollständigen Solidarität.
Wenn die Kommunisten über das Eintreten der Gewerkschaften für die Sozialdemokratie ein Zetergeschrei erheben, so ist das sehr gut zu verstehen.. Die Kommunisten leben von der Zerreißung und der Zersplitterung. Einigkeit, Arbeiterfolidarität, proletarische Geschlossenheit sind ihnen so zuwider wie dem Teufel das Weihwasser. Je fester sich die Reihen der politischen und der gewerkschaftlichen Organisation zusammenschließen, desto sicherer ist ihnen ihr Geschäft verdorben. Kein Wunder also, daß sie brüllen, als steckten [ sie am Spieß.
Dabei müßten die Kommunisten, besäßen sie nur eine Spur von Selbsterkenntnis, sich reumütig an die Brust schlagen und die eigene Schuld bekennen. Denn sie waren es, die die Gewerkschaften durch verbrecherische Sprengder Sozialdemokratie gebracht haben. versuche zur Abwehr gezwungen und damit in eine Linie mit
Einigkeit, Geschlossenheit, festes Zusammenstehen, nie maren sie nötiger als in dieser Zeit, in der das Unternehmertum die Ungunst der Wirtschaftslage zu einem Generalangriff auf alle Pofifionen der Arbeiterklasse ausnüßt. Soeben erläßt der Reichsverband der Deutschen Industrie einen Wahlaufruf, in dem er seine Mitglieder auffordert, ihre Unterstüßung nur solchen Parteien zu= zuwenden ,,, die unzweideutig für die Erhaltung und Ents wicklung der Privatwirtschaft sowie für das Privateigentum eintreten..., die entschlossen sind, die Grundsäge der wirtschaftlichen Vernunft zur Geltung zu bringen" und alte follettivistischen Experi mente abzulehnen".
Die Führer der privatkapitalistischen Wirtschaft tun noch immer so, als ob sie alien die wirtschaftliche Vernunft" mit Löffeln gegeffen hätten. Und doch hat es noch nie eine Zeit gegeben, die wie die jeßige die Legende von der ,, wirtschaftlichen Vernunft" des Kapitalismus widerlegt hätte. Was hat es noch mit„, wirtschaftlicher Vernunft" zu tun, wenn sich im Rahmen der Weltwirtschaft auf der einen Seite die Maffen unverkäuflicher Lebensmittel und Bedarfsartikel Stauen, während auf der anderen Seite einige hundert Millionen Menschen vom Allernötigsten entblößt sind? Wie ist es mit irgendeiner Sorte von ,, wirtschaftlicher Vernunft" in Einklang zu bringen, daß die Arbeiter zu Hunderttausenden aufs Pflaster geworfen werden, weil sie zuviel produziert haben und infolgedessen die Läger verstopft sind?
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Kollektivistische Experimente? Kein Land ist von ihnen freier geblieben als die Vereinigten Staaten von Amerita. Wenn der Kapitalismus irgendwo Gelegenheit hatte, sich ganz uneingeengt durch kollektivistische Experimente" zu entwickeln, so dort. Und das Ergebnis: eine X.Millionenzahl von stillgelegten Händen- niemand weiß mieniel, weil der Staat so unsozialistisch ist, seine Arbeitslosen nicht einmal zu zählen.
Viele Jahre lang renommierten die Lobredner des