Morgenausgabe
Nr. 393
A 198
47.Jahrgang 190 fishy!
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Sonnabend
23. August 1930
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Die Aftion gegen Kartelle. echnik und politik.
Riesenenquete des Reichswirtschaftsrats.- Aber keine Maßnahmen.
Das Reichskabinett beschloß in seiner gestrigen Sitzung die Absendung eines Briefes durch das Reichswirtschaftsminifterium an den Vorläufigen Reichswirtschaftsraf, worin diesem bestimmte Aufträge zur Förderung der von der Reichsregierung in der neuen Kartellnotverordnung begonnenen Preissenfungsaktion erteilt werden. Die Aufträge lauten auf die Erstattung von Einzelgutachten und find außerordentlich umfangreich.
zu unterstützen. Der Reichswirtschaftsrat wird ersucht, mit zeitlichem halb der Bauwirtschaft, besonders für 3ement, Ziegelsteine,
die Grundlage der Rotverordnung hätten bilden sollen, den Charakter einer Regierungsauffassung geben müssen. Obwohl und vielleicht gerade weil die dem Reichswirtschaftsrat gegebenen Aufträge so umfangreich find, zweifeln wir an einem baldigen Erfolge der ganzen Aktion.
Zur Rede Albert Einsteins bei der Eröffnung der Funkausstellung.
Es liegt uns daran, uns vor aller Welt ausdrücklich und Albert Einstein gestern bei der Eröffnung der Berliner laut zu den Gedanken bekennen, denen der große Physiker Funtausstellung Ausdruck gegeben hat. Gerade in dieser Zeit, in der die Welt von den Reden eines vorlauten jungen Ministers und ihrem Echo widerhallt, in der ganz Frankreich von einer tiefen Enttäuschung ergriffen ist, weil es von den psychologi= sieht, und in der die polnische Polizei alle Hände voll zu tun hat, um deutsche Konsulate vor den patriotischen Kund
Arbeitsbeschaffungals Wahlpropaganda fchen Wirkungen der Räumung, die es erwartet hatte, nichts
Mit Genugtuung wird die Auffassung des Reichswirtschaftsrats Die Regierung läßt die Werbetrommel rühren. von der Notwendigkeit baldiger Preissentungen und sein Wille begrüßt, die Reichsregierung in ihren Bestrebungen Die Ankurbelung der Wirtschaft" gehört zu den meist abgenutzten Schlagworten der Regierung Brüning. Schon im und sachlichem Vorrang zunächst die Preis stellung innerMai hat das Kabinett hoch und heilig versichert, daß mit der Beschaffung neuer Arbeit Ernst gemacht werden würde. Inzwischen ist Linoleum, Tapeten und Flachglas, zu behandeln, damit die hier beobein volles Vierteljahr verstrichen, ohne daß die Reachteten Unzuträglichkeiten ungefäumt behoben werden können. gierung in den wichtigsten Monaten für Außenarbeiten ihre BerFerner bittet die Reichsregierung, die Preisverhältnisse in der sprechungen wahrgemacht hätte. Sie stand im Gegenteil der zu Düngemittelwirtschaft zum Gegenstand eines Gutachtens nahme der Arbeitslosigkeit gänzlich hilflos gegenüber. Gutachtensprechungen 3u zu machen und die Preisverhältnisse innerhalb der deutschen Rohlenwirtschaft einer Nachprüfung zu unterziehen, wobei dem Ostelbischen Braunkohlensyndikat besondere Aufmerksamkeit zu zuwenden sei. Ebenso soll zu den Preisstellungen im Gesamtbereich der Eisenwirtschaft gutachtlich Stellung genommen werden. Da innerhalb der genannten Wirtschaftsgruppen auch
dem nachgeordneten Handel Preisbindungen auferlegt find, sollen auch die Preisbindungen von Angehörigen in der nächsten Wirtschaftsstufe auf ihre volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit hin untersucht werden. Ferner ersucht die Reichsregierung, die bei Treibe stoffen, Gummireifen und Büchern üblichen Bindungen späterer
Stufen nachzuprüfen.
Für alle diese Untersuchungen bzw. zu erstattenden Gutachten soll der Vorschrift des§ 3 der Notverordnung Genüge getan werden, wonach vor Maßnahmen der Reichsregierung die beteiligten Wirtschaftstreise gehört werden sollen. Das gilt besonders auch für den vom Reichswirtschaftsrat bereits gemachten Vorschlag, die Preisbindungen bei Lebensmittel Martenartikel aufzuheben. Mit dieser Anhörung der Marken produzenten von Lebensmitteln sollen auch Untersuchungen über andere Martenartikel des täglichen Bedarfs verbunden werden, deren Auswahl späterer Verabredung vorbehalten bleiben
fann.
Ueber diese bestimmten Aufträge zu Einzeluntersuchungen hinaus münschte das Reichskabinett nochmals die Erörterung der Frage, ob nicht
allgemeine Vorschriften hinsichtlich der Bindung weiterer Wirtschaftsstufen
zweckmäßig und möglich find. Die Frage einer allgemeinen Regelung darf nach der Auffassung der Reichsregierung auch hinsichtlich der Preisbindungen bei Martenartikeln nicht aus dem Auge verloren
werden.
dem
=
Das Reichswirtschaftsministerium und das Reichsernährungsministerium sollen Reichswirtschaftsrat furze Sach darstellungen zugehen lassen, die für die weiteren Arbeiten als Unterlage dienen fönnen. Das Reichsinnenministerium ist beauftragt worden, im Benehmen mit dem Reichswirtschafts. ministerium die Höhe des in der Arzneitage feſtgeſetzten Spezialitätenzuschlages zu überprüfen. Es heißt zum Schluß, daß die Reichsregierung besonderen Wert darauf legt, daß der Reichs wirtschaftsrat seine Arbeiten mit größtmöglicher Be schleunigung zur Durchführung bringt.
Gut
=
Die Reichsregierung hat nach diesem Schreiben noch teine eigenen Maßnahmen zur Durchführung ihrer Notverordnung beschlossen. Sie bittet nur den Reichswirtschaftsrat um achten, die die eventuelle Durchführung der Notverordnung vorbereiten sollen. Auch auf dem einzigen Gebiet, auf dem der Reichss wirtschaftsrat bereits einen positiven Vorschlag gemacht hat, nämlich die Aufhebung der Markenpreisbindung bei Lebensmitteln, werden nur wieder weitere Gutachten verlangt, statt den ersten Beweis zu erbringen, daß es mit der Kartellaktion wirklich ernst sei.
Die Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Regierungsaktion wird auch dadurch nicht behoben, daß von dem Reichswirtschaftsrat eine ungeheure Fülle von Gutachten verlangt wird, und zwar offenbar Gutachten aus eigener Kenntnis bzw. Untersuchung der Dinge. Die größtmögliche Beschleunigung der Arbeiten des Reichswirtschaftsrates fann auch nicht durch die ausdrückliche Ber pflichtung gefördert werden, daß die beteiligten Wirtschaftskreise vom Reichswirtschaftsrat nicht nur generell, sondern auch in solchen Fällen noch zu hören sind, in denen bereits ein Botum des Reichswirtschaftsrates vorliegt. Die Reichsregierung hat nicht ein mal darauf verzichtet, vom Reichswirtschaftsrat wieder Entscheidungen theoretischer und grundsäßlicher Art zu verlangen, bei denen die Erzielung einstimmiger Boten unmöglich, das Abstimmungsverfahren überhaupt nicht unbedenklich ist.
Wenn die Reichsregierung ernsthaft einen baldigen Erfolg threr Attion wünscht, so hätte sie zum mindesten den von den Einzelministerien zu liefernden Sachdarstellungen, die eigentlich
gebungen erhitzter polnischer Nationalisten zu schüßen- gerade in dieser Zeit wirkt die Rede Einsteins als eine Tat. Es liegt uns daran, öffentlich zu befunden, daß wir diese Tat billigen, daß wir uns ihrer freuen, und daß die große Sozialdemokratische Partei Deutschlands mit ihr in jeder Beziehung einverstanden ist.
Einstein hat auf die engen Beziehungen zwischen Technik Inzwischen sind die Reichstagswahlen, die das Urteil und Politik hingewiesen und gezeigt, daß es die Technik ist, des Volkes über die Politit der jetzigen Regierung bringen sollen, des Volkes über die Politik der jetzigen Regierung bringen sollen, die eine wahre Demokratie erst möglich macht. Das in bedrohliche Nähe gerückt und das Kabinett hat sich plötzlich gilt in doppeltem Sinne. Denn einmal schafft die Technik auf seine im Mai gegebenen Versprechen besonnen. Die neuen Aufträge, die jetzt von der Reichspost und Reichsbahn erst den Apparat, ohne den eine moderne Demokratie, ja eine in einem Gesamtumfang von annähernd 500 Millionen Mark zum moderne Staatsverwaltung überhaupt nicht möglich ist. Zum Teil herausgegeben sind, zum Teil noch erteilt werden sollen, werden anderen aber schafft sie auch erst den Staatsbürger, der daher von der regierungsfrommen Presse als eine große Tat ein bewußter Träger politischen Willens ist. Kultur hat es des Kabinetts Brüning hingestellt. Das Fundament, auf schon gegeben, solange es feinen Rotationsbrud, feinen Film, dem diese Propaganda sich aufbaut, erscheint uns reichlich schwach. feine Schallplatte, teine drahtlose Klangübertragung gab, Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß die öffentlichen Riefenunter aber sie mußte auf eine dünne Oberschicht beschränkt bleiben. nehmungen, wie Reichsbahn und Reichs post, in schweren Die Technit hat diese Schranken durchstoßen, sie hat soziaKrisenzeiten durch Sonderaufträge eine weitere Verschärfung der Wirtschaftslage abbremsen. Die planmäßige Konjunkturpolitik deristisch gewirkt, sie hat zwischen Besigenden und Besizlofen öffentlichen Hand ist eine alte Forderung der Gemert- eine geistige Gütergemeinschaft ermöglicht. Bon fchaften, der leider noch viel zu wenig Rechnung getragen wird. allen Mitteln der Herrschaft ist Wissen das wichtigste. Das Im übrigen steht es noch feineswegs fest, daß durch die Bahn- und hat gerade die deutsche Arbeiterschaft früh erkannt, und in Bostaufträge der Arbeitsmartt um 250 000 Arbeitslose ent- ihrem Streben, die geistigen Fähigkeiten zum Herrschen zu lastet wird. Es muß vielmehr damit gerechnet werden, daß ein gewinnen, ist ihr die Technik entgegengekommen. großer Teil dieser Aufträge mit den noch im Betrieb befinde die Befreierin, die die Ketten der Unwissenheit sprengen half. lichen Arbeitsträften durchgeführt wird. Unter diesen Umständen wird die Werbetrommel, die so aufdringlich für die Regie rung Brüning gerührt wird, den Massen der Arbeitslosen ziem 1ich mißtönend in die Ohren flingen.
Schutz der Wahlfreiheit.
Beschluß des Ueberwachungsausschusses des Reichstags. Im Ueberwachungsausschuß des Reichstages beantragten die Kommunisten am Freitag, durch die Reichsregierung die sofortige Aufhebung der Maßnahmen zu veranlassen, die geeignet find, die uneingeschränkte Wahlfreiheit zu behindern, wie die Berbote der banerischen Regierung gegenüber den Kommunisten und der Erlaß des preußischen Staatsministeriums, der den Beamten die Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei verbietet Der erste Teil des Antrages über den grundsäglichen Schutz der Wahlfreiheit wurde angenommen. Dafür stimmten außer den Sozialdemokraten und den Kommunisten auch der Bertreter der Demokraten und ein Abgeordneter der Deutschnationalen. Der auf Bayern bezügliche Teil wurde mit Stimmengleichheit ab gelehnt, da sich der Vertreter der Demofraten der Stimme ent. hielt. Der gegen Preußen gerichtete Teil fand mur die Zustimmung der Kommunisten.
Die von der Reichsregierung nachgesuchte Genehmigung zur Strafverfolgung des kommunistischen Abgeordneten Schneller wurde nicht erteilt.
Palastrevolution bei Held.
Es gärt in der bayerischen Volkspartei.
München , 22. August.( Eigenbericht.)
In der bayerischen Boltspartei macht sich gegen den pol tischen Kurs der Regierung Held eine immer stärker werdende Opposition geltend. In einer Zuschrift an das„ Bayerische Vaterland" beflagt sich ein dem Ministerpräsidenten treu ergebener Abgeordneter bitter über die Zustände in der Landtags. fraktion der Bayerischen Boltspartei. Man fann da folgendes lesen:
In der Bayerischen Volkspartei ist leider nicht alles fo, wie es sein sollte. Führer streitet gegen Führer. Der Kampf besteht in einem Geflüfter von Mund zu Mund. Mißtrauen wird gefät. Dr. Helds größe Gegner figen weder in den Reihen der Bauernbündler noch der Sozialdemokratie, sie ben in den eigenen Reihen. Zu lange ist Herr Held Ministerpräsident, zu lange hat er den Herren, die gerne etwas werden möchten, den Weg versperrt. Vier Favoriten der Partei sind es besonders, die sich zusammengefunden haben und die auf eine Lösung hindrängen, die einen Sozialdemokraten in den bayerischen Sattel heben möchten."
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Sie war
feine völkerverbindende Kraft hingewiesen. Hier ist ein Gebiet, auf dem noch große ungelöste Aufgaben liegen. Denn leider läßt sich nicht leugnen, daß der Rundfunk ebenso zum Instrument der Boltsverhegung gemacht werden kann wie zu einem Werkzeug der Völkerversöhnung. Das erste ist sogar leichter als das zweite, weil das gesprochene Wort des Rundfunks immer an die Sprachgrenzen stößt, die nur von der Musik hemmungslos überschritten werden. Einsteins Hoffnung auf den Rundfunk als ein Mittel, die Völker einander näher zu bringen, wird erst dann in Erfüllung gehen, wenn die herrschenden Mächte von demselben Gedanken erfüllt sind, wie dieser große Gelehrte und Friedensfreund. Man tann sich z. B. denken, daß eines Tages der französische oder der polnische Ministerpräsident aufgefordert werden, durch den Rundfunk zum deutschen Volke zu sprechen oder daß sich ein deutscher Staatsmann durch den Funk in Paris oder in Warschau vernehmen läßt. Die Uebertragung der Reden in der Sprache der Hörer ließe sich dabei ebenso bewerkstelligen, wie das sonst bei internationalen Verhandlungen geschieht.
Einstein hat dann besonders auf den Rundfunk und
Oder man fann sich vorstellen, daß der unmittelbare Einbruck volkstümlicher Massenerscheinungen in dem einen Lande durch Funkreportage den Bewohnern eines anderen vermittelt wird, daß der Friedenswille der Böller über alle Grenzen hinaus sichtbar und hörbar gemacht wird. Wenn nach Art. 148 der Verfassung der Schulunterricht im Geiste der Völkerversöhnung zu erteilen ist, so läßt sich dieser gesunde Gedanke zwanglos auch auf die allgemeine Bolkserziehung ausdehnen, für die der Rundfunk eines der wichtigsten Mittel geworden ist.
Wie wäre es, wenn die deutsche Republik den Geistesspuren Einsteins folgend, die Initiative ergriffe zu Vereinbarungen über die Verwendung des Rundfunks als Mittel der Völkerverständigung? Wenn man zunächst einmal im luftigen Aethermeer- weil es auf festem Boden einstweilen den Anfang machte mit den doch noch gar zu schwer ist Bereinigten Staaten von Europa ?
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Es sind die ewigen Menschenverächter und Pessimisten, die über Technik und Politik nicht sprechen können, ohne den Gedanken an einen kommenden Krieg, mit Bombenflugzeuggeschwadern, Giftgasangriffen und alles zermalmenden Tants. und freilich wird die Technik für die Politik stets das sein, was der Mensch aus ihr macht. Es läuft das alles schließlich auf die große Frage hinaus, ob die Menschheit imstande ist, sich