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Ar. 401* 47. Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Donnerstag, 25. August 1930
CICte(ftäume verdcftwinden Das schnelle Wachsen ß«r- lins wurde ooa den Vororten oft überflügelt, die sich ebenso ausdehnten, um dann schließ­lich mit der Matterstadt zu­sammenzustoßen. Aber so recht verschmelzen wollten sie nicht so schnell. So kann man heute noch meistens die Grenze Ber­ lins   und seiner Vororte an Baulücken, stillen idyllischen Straßen erkennen, die freilich abseits der großen Verkehrs­odern liegen, die die einzelnen Teile der Riesenstadl anein- anderknüpfen. Freilich, die Lücken schließen sieh. Es wird langsam gehen; denn der Bau­grund ist teuer; einer nach dem anderen verschwindet von den alten Bäumen, die die Straßen beschatten. Die Lau­bengärten verschwinden, die Kohlen- und Lagerplätze, Tummelplätze der Großstadt  - jagend. So einParadies" war noch bis vor kurzem die Prinzregentenstraße, die parallel zur Kaiserallee Schöneberg-Wilmersdorf mit Friedenau   verbindet, zwischen der Badischen  - und W aghäuselerstraße. In kurzer Zeit hat sich das geändert, eine Großstadtstraße mit imponierenden Bauten ist entstanden, aber die alten Bäume sind ver­schwunden. Auf der einen Seite, auf unserem Bilde links, errichtete die Elektrizitätsgescllsehaft Süd­west ein großes Gebäude, dos u. a. ein Umformer werk beherbergt; auf der anderen Seite entstand eine neue Synagoge. Ein imponierendes Baawerk von geschlossener Wirkung, der hintere Teil von einer Kuppel überdacht.
Umformetwerk und Synagoge In der ctUlaublcn Prinzregentenstraße
Großfeuer im Berliner   Westen Dachstuhl des Eckhauses Luther�Augsburger Straße in Flammen
Durii cid Grohfeuer tnurte am Bltifntodjnadpnitfag ter Vachtt'thl des SÄHausp» Augsburger Str. SS uod Luther  - ft r a h e völlig zerstört. Zvähreuö der Löschorhcito, stürzte die zum i. Ktv-dmerk kryibenö ein. Glückiiijzcrivelte worcu die Wvhnuugen der oberen Stlxkivcrke vos de« Vewohnerv r«hlzeiiiq yer losten morden, so daß niemand zu Schaden gekommen Ist. Die Skala war eine Aeiklang stark gefährdet: durch umfassende klbmehrmtißnalnnca konnten die Flammen nach dieser Seite icdoch abgeriegelt werden. Do? Elkhaus, das der Holländischen Grundernteebsgesellichaft gebärt, hat eine Straßenfront von ctwo öll Meter. Gegen Uhr machten sich auf den Treppenhäusern starke Rauchschwaden bemerkbar� wenige Minuten spater züngelten au» den Badenluken an mehreren Stellen zu gleicher Zeit auch schon die hellen Flannnen empor. Auf den Alarm rückten drei Löschziige an, die aber ocrelts eine so gefährliche Situation varsanden. daß drei weitere Züge nachaiarmiert werden mußten, die unter Leitung des Oberbourotes
Tamm alsbald an der Brandstelle eintraten Do? Feuer bakle mittlerweile den Dachstuhl In seiner ganzen Ausdehnung ergriffen und der Wind trieb die Alammenzorben noch dem Gebäude der angrenzendenSkala" hinüber. Das Dach de» Theaters wurde aus diesem Grund« mit i zahlreichen Feuerwehrleuten besetzt und von dort aus drei Schlauchleitungen in Tätigkeit gesetzt. Jnzrnischen war die Luther- und Augsburgcr Straße für jeden Verkehr polizei­lich gesperrt worden. Vier mechanische Leitern wurden hoch- gewunden, ebenio gingen über die nerquolmten Treppenhäuser mehrere Löschtrupps, die mit Sauerstoffgeräten ausgerüstet werden nuißten, in die oberen Stockwerke. Viel zu retten gab es von dem lichterloh brennenden Dachstuhl, dem ein« ungeheure Hitze cnt- strömte, allerdings nicht mehr. Annötzerund SOG Quadratmeter brannten völlig aus. Noch bevor die Feuerwehrleute mit den Auf» räunwngsarbeitcn beginnen konnten, stürzte plötzlich die Decke vom Boden zum 4. Stockwerk ein, an einer Stelle, wo dos Feuer am heftigsten gewütet hatte. Die Flammen griffen dabei auf die
Wohnungseinrichtung über, doch gelang es, den neuen Brandherd noch im Keime zu ersticken. Der Brand- und Wasserschaden in den Wohnungen der 4. und 3. Etage ist sehr hoch. Bisher war es noch nicht möglich, die Entstehungsursoche de? Brandes einwandfrei zu ermitteln, da das Feuer sämtliche Spuren restlos beseitigt Hot. Man nimmt bisher an, da die Flammen an mehreren Stellen zu gleicher Zeit emporloderten, daß Brand- st i f t u n g vorliegt. Noch in den späten Abendstunden waren mehrere Ablosungszüge mit den Aufräumungsorbeiten beschäftigt. Bleibt zum Schluß noch festzustellen, daß eine riesige Menschen- meng« stundenlang der Arbeit der Feuerwehr zusah. Am Kochherd verbrannt. Aus entsetzliche Weise kam gestern die kiZjährige Frau Helene Ohoesorge aus der Putbufser Straße ZG ums Leben. Die alle Frau hantierte in der Küche ihrer Wohnung am Gaskocher. um das Essen zu bereiten. Dabei crlill sie ossenbar einen 0 l) o- machlsansall und fiel mit dem Oberkörper so unglücklich am den Herd, daß ihre Kleider von der Flamme des Gaskochers erfaßt wurden. Die Unglückliche wurde später von Angehörigen vor dem Herd mit furchtbaren Brandwunden om ganzen Körper t o t aufgefunden. Aus dem Flugzeug gesprungen. Selbstmord einer Frankfurterin. Auf der Flugstrecke Franksurta. M. Erfurt ist gestern nachmittag eine in Frankfurt   a. IN. zugestiegene Dame, Frau A m l i n g e r, in selbstmörderischer Absicht aus dem Flugzeug gesprungen. Ein versehentliches yeraussallen aus dem Flug­zeug kaon nicht in Frage kommen, da die Türen bei der Landung noch geschlossen vorgcsunden wurden, der Absturz also nur durch dos Fenster erfolgt fein kann. Die Leiche ist am Ausgang van Kilanstädten bei Vilbel   bereits gesunden worden. I« der Maschine wurden nach der Landung in Erfurt   Handtasche und paß aufgesunden. Aus dem paß los man die mit Bleistift auf- geschrieben« Bitte. Bekannte in Franksurl a. M. zu benachrichtigen. Zu dem seltsamen Unglück wird ergänzend gemeldet: Am gestrigen Mittwochvormiiiag erwarb eine Dame in Frank- furt a. M. einen Flugschein nach Erfurt  , den sie auf den Namen Amlinger ausstellen ließ. Nach den Aussagen der Beamten der Lufthansa und auch der Mitreisenden handelt es sich um eine schlanke. etwa SSjährige Frau, die vor Antritt der Fahrt keineswegs einen erregten oder niedergeschlagenen Eindruck mochte. Das Lusthansa  - Flugzeug startet« in Frankfurt   um 4.3Z Uhr. In der Kabine be- fanden sich außer Frau Amlinger nach drei Herren. Di« Maschine ist ein sechssitziger Dornier-Merkur, bei dem die Sitz« so angeordnet sind, daß je drei Plätze rechts und links vom Mittelgang liogcr. Frau Amlinger. die zeitig auf dem Flugfeld war, hotte sich den hintersten Platz auf der linken Seit« aufgesucht, während die drei Herren vor ihr Platz nahmen. Tatsächlich konnten also wahrend der Fahrt die Pasiagiere Frau Amlinger nicht ohne weiteres beob- achten. Die Lebensmüde hat darauf auch mahl ihren Plan avi- gebaut. Etwa eine halbe Stunde hinter Frankfurt   über der Ort- schoft Kilianstedten zwängte sie sich durch das Fenster und stürzte in die Tiefe. Wie durch ein Wunder ist der Körper nicht gegen die hintere Stobilifieriingsflöche und das Steuer geflogen, da sonst der Absturz der Maschine wohl die Folge gewesen wäre. Noch der Landung in Erfurt   stellten die drei Pasiagiere zu ihrem Erstaunen fest, daß die Dame, die sie in Frankfurt   gesehen holten, fehlte. Man durchsuchte das ganz« Flugzeug, da man zunächst glaubte, daß die Nermihle auf der Toilette einen Ohnmachtsansall erlitten habe. Als man auch dort nichts fand, mar es klar, daß unterwegs sich ein« Tragödie abgespielt haben müsse. Wie dazu ergänzend von der Flugleitung der Deutschen   Lufi- Hansa in Frankfurt   o. M. mitgeteilt wird, ist der Z a t l e der
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Maschinen waren sie, dieses ganze Heer Pembertons, und ihre größten Rivalen waren die Maschinen aus Stahl und .Holz, von dalten jederSachverständige für zweckmäßig ein­gerichtete Betriebe bei jedem Besuch mindestens eine hinter- läßt: Moschinen zum Bricföfsnen, zum Briefzu kleben. Buch- haltungs-Schreibmaschincn. Diktaphonc. pneumatische Be- förderungsröhren durch das ganze Haus. Doch keine andere Maschin« war so tyrannisch wie die Kontrolluhr, llna gab im stillen zu, daß sie nicht wüßte, wie man ohne diese Barrichtung so viele Angestellte pünktlich zusammenbringen könnte, und es machte auch gebührenden Eindruck auf st«, daß die Uhr auch von den obersten Chefs gestochen wurde. Aber sie be- merkte, daß Herr S. Herbert Roß. nachdem er Punkt neun d'« Uchr gestachen hatte, mit einer salbungsvollen Gebärde, die allen Umstehenden kundtat: seht, daß sogar ich mich freudig dieser Erniedrigung unterwerfe!" ast wieder hinaus- schlich und sein Frühstück essen ging.... Sie mußte wohl, daß die Maschinen Arbeit ersparen sollten. Doch sie fand, daß die Mädchen noch Einführung der Maschinen ganz genau so schwer und so lange und so host- nungslos arbeiteten wia zuvor, und hotte den Verdacht, daß etwas nicht in Ordnung fei an einem sozialen System, in dem zeitsparende Erfindungen niemand anderem Zeit ersparten als den Besitzern. Sie war weder groß noch klein genug, um ein. Allerweltsheilmittel zur Hand zu haben. Sie konnte sich für all diese Frauen im Seschäftsleben keine andere Zukunft vorstellen, als die zufälligen Ereignisse von Heirat und Tod wenn nicht ein« Umwälzung in der Stellung dieser Frauen einträte. Sie sah, daß dem männlichen Durchschnitts- angestellten wenn er nur treu aushielt. anständig war und lange genug lebte früher oder später allerlei Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten aufgeladen wurden. Weibliche Durchschnittsangestellten haften das nickt zu erwarten. Sie versuchte, sich eine Zukunft auszumalen, in der die Frauen gewöhnliche Frauen ohne besonderen Ehrgeiz und mit einer natürlichen Liebe für Nachkommenschaft doch noch andere Auswege hatten, als weggeheiratet zu werden oder>
wegzusterben. Sie träumte von einer vollkommenen Ber- schiebung der fundamentalen Zwecke des organisierten Ge­schäfts: nicht mehr die Vermehrung der Erzeugung von Seife oder Büchern, oder Munition sondern die erhöhte Er- zeugung von Zufriedenheit. Wie diese Umwälzung durch- geführt werden sollte, das wußte sie kaum mehr als alle änderen Frauen im Beruf. Sie übernahm von Mamic Magen blindlings«inen Halboerstandenen Glauben an einen Fobier- Sozialismus, an eine Sozialisierung. die sich langsam durch- setzen würde auf dem Wege praktischer Erziehung, des Predigens der Brüderschaft, der Gewinnbeteiligung. Alters- Versorgung, Heilung des Krebslcidens, verbesserter Nahrungs- mittel, zur Vernichtung onarchistischer Geschäftskonkurrenz, und so allmählich zu dem Ziel eines erträglichen und schönen Lebens führen würde. Einer Sache jedoch mar sie sicher: dieses Zeitalter, das der Zufriedenheit der Menschen gleichen Wert zuerkennen würde wie de- Seife und der Munition. könnte nie kommen, solange die Arbeiter der Beweisführung eines bezahlten Sprechers wie S. Herbert Roß   mehr glaubten, wenn er sagte, daß sie glücklich und zufrieden wären, als dem Zeugnis ihrer eigenen, zuckenden Nerven, die besagten, daß sie in einer bester«» Art von Hölle lebten.... Sie mar immv wehr überzeugt davon, daß die Arbeiter nicht genug unzufrieden seien: daß sie ein Leben der Unsicherheit und Mühsal geduldig ertrügen. Dock sie mehrte sich gegen die An- ficht, daß ein Zeitafter nerhältnismößiger Glückseligkeit immer ein Traum bleiben müsse: denn schon bei Herzseld und Cohn hatte sie eine Umgebung kennengelernt, in der sich niemand für einen göttlichen Herrscher hielt und wo es nicht als Ver- brechen galt, veronügt zu lacken. In'merhin erwartete sie nicht, daß dieses Zeitalter noch zu ihren Lebzeiten kommen würde. Sie und ihre Genossinnen waren dem Schicksal ver- fallen, wenn ihnen nicht zufällig die Ehe oder der Tod be- gegneten, oder wenn es ihnen nicht gelänge, an die Spitze des Häufend zu klettern. Und eben dies zu tun. war sie eutchlost-n. wenn sie auch hoffte, an die Spitze zu gelangen, ohne die ächzende Sklovenmenge unter sich unnötig treten und stoßen zu müssen, wie man es die gescheiten jungen Männer tun lehrte.- 15. Kapitel. I. Herr Justus Edward Schwirtz gehörte zu den regel- mäßigen Gästen in Frau Lawrences und Ilnos gemein- famer Wohnung. Frau Lawrence hatte ihn gern: in seiner Segenwart hörte sie auf, Interesse für Mamie Magens un­fruchtbaren Intellektualismus vorzutäuschen und für Unas
bebenden Ehrgeiz. Herr Schwirtz war für jede Geselligkeit zu haben, wenn er nichtauf der Tour" war. Ilna begann in allen Fragen der Unterhaltung von ihm abzuhängen. Frau Lawrence ermunterte sie, sich vor ihm stets möglichst vorteilhaft zu zeigen. Kam er oder einer von Frau Lawrences Bekannten auf Besuch, so schlangen die beiden Frauen schnell ihr Wendessen   hinunter kalten Schinken und eine Konservensuppe und steckten eilig das elektrische Eisen an, um ein Kleid zu plätten: sie brachten Pembertons fleischfarbenen Puder zum Vorschein, und den Lippenstift, den Una haßte, den sie aber immer notwendiger brauchte, da sie halberfroren und blutleer aus dem Bureau noch Hause kam. Zusammen übten sie sich in der weiblichen Kunst, einen neuen Schal, eine Blume, eine neue Frisur oder einen frisch gewaschenen Kragen zu tragen, um einen veränderten Eindruck zu machen. Arme Ilna! Sie dachte nun heimlich und verschämt an dieBerschönerungsmethodcn", die sie in Zeitungen und billigen Magazinen angekündigt sah. Sie rieb die rote, vom Aufstützen auf den Schreibtisch hart gewordene Haut an den Ellbogen mit Pembertons Goldcream ein. Ebenso ihr Gesich?, das sie allabendlich massierte, während sie müde vor dem trüben Spiegel in dem etwas engen Schlafzimmer stand, in dem Wäschestücke unordentlich herumlagen: feierlich ließ sie die Finger um Stirne und Wangen   kreisen, zeitweise inne- haltend, um festzustellen, ob die Poren an der Nase große« würden. Sie rieb das Haar mit PembsrtensOlivin-Petroi" ein. damit es nickst schütter, und ihren Hals mit Kokosnußöl, damit er nicht faltig würde. Sie ließ sich eine Flasche von Mme. Le Grands Busenentwickler" kommen und verbrachte mehrere Sonnabendnachmiftoge i,n Schönheitssalan der Mme. Isoldi, wo sie in einem kleinen Raum hinter einem weißen Wachsttichvorhang elektrisch massiert wurde, sich die Kopfhaut bestrahlen ließ, mit Goldcream und warmen Um schlagen kräftig bearbeitet wurde, und zahllose Ratschläge von einer jungen Frau erhielt, die mst jüdischem Akzent französisch sprach und ihr erklärte, was sie gegen Haarausfall  tun vrust'. Durch einen merkwürdigen psychologischen Porgang war sie in Herrn Schwirtz gor nicht besonders verliebt, ließ sich nur deshalb seiner Besuche wegen salben, weil er ein Repräsentant des männlichen Geschlechts war: doch nachdevt sie so seine Aufmerksamkeiten monatelang gewürdigt hatte, machte schon die aufgewendete Mühe sie glauben, daß sie in ihn verliebt sein müsse. Nicht Herrn Schwirtz, sondern ihr eigenes Ich täuschte sie mst PembertonsDrSparatlons cka Paris  ". tForftetzung folgt.)