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BERLIN  Montag 1. September 1930

Der Abend

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Nr. 408

B 203

47. Jahrgang

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Agrarische Exportsyndikate

Osteuropa organisiert sich als Landwirtschaftsbund

Warschau  , 30. August.

Die Konferenz der acht östlichen Agrar. staaten, an der neben Polen  , Estland  , Lettland  , Rumänien  , Tschechoslowakei  , Ungarn  , Südslawien   und Bulgarien   beteiligt waren, hat heute nachmittag ihre Arbeiten beendet. Es wurden hierbei einstimmig eine Reihe von Entschließungen gefaßt.

Hiernach verpflichten sich die auf der Konferenz vertretenen Staaten, die Mittel zu prüfen, die zu einer Neu organisation des Exports von Agrarprodukten führen können, damit die Menge der ausgeführten Produkte den Bedürfnissen der Einfuhr­märkte entspreche. Die Staaten sollen sich bemühen, zwei- und mehr. seitige Abkommen über den Export der verschiebenen Agrarprodukte zu schließen. Zu diesem Zweck wäre es notwendig, in jedem Staat eine Organisation zu schaffen, die Einheitlichkeit der Berkaufs. politik gewährleisten soll. Weiter wollen die auf der Konferenz ver­tretenen Staaten dem Völkerbund gemeinsame Borschläge unter­breiten, die mittels einer internationalen Konvention die Ab=

fchaffung von Exportprämien auf Agrarprodukte zum Ziele haben. Eine besondere technische Kommiffion foll so rasch als möglich zusammentreten, um einen solchen Vorschlag vorzubereiten und allenfalls auch einen Entwurf dieser in Betracht kommenden

Ronvention auszuarbeiten. Diese Kommission hätte auch die Auf­gabe, sich über die verschiedenen Formen von Exportprämien aus­zusprechen. Zu diesem Zwed wird die polnische Regierung gebeten, die für diese Arbeiten notwendige Dokumentation noch vor Zu­sammentritt der technischen Kommission zu sammeln.

Die versammelten Staaten stellen noch weiter fest, daß die Grundlage jeder internationalen Aktion in der Veterinär frage in einem energischen und wirkungsvollen Kampf gegen die Biehseuche bestehen muß.

Die Delegierten der auf der Konferenz vertretenen Staaten haben beschlossen, ihren Regierungen den Vorschlag auf Bildung einer technischen Finanztommission zu machen, die in Warschau   noch vor dem 10. November dieses Jahres zusammentrefen soll, um den plan von gleichlaufenden Vorschriften über einen mittelfristigen Agrarkredit( von sechs Monaten bis zu fünf Jahren) zu machen.

Endlich ist die Konferenz noch übereingekommen, daß sich die beteiligten Staaten beim gegenseitigen Export von Agrarprodukten wegen der Meistbegünstigung noch eine mengenmäßige Bevor. zugung einräumen. Um alle diese geplanten Arbeiten zu zentrali fieren, die gefaßten Entschließungen zu verwirklichen und weitere Ronferenzen vorzubereiten, haben die auf der Konferenz vertretenen Staaten beschlossen, ein ständiges wirtschaftliches Studienkomitee, dessen Siz bisher noch nicht feststeht, ins Leben zu rufen.

Der polnische Landwirtschaftsminister Janta- Polczynski hielt bann eine Schlußansprache, worin er den Versammelten den Dant für die geleistete Arbeit aussprach. Er versicherte hierbei auch, daß es Bolen fernliege, irgendeine Hegemonie aufzurichten.

Der rumänische Vertreter, Handelsminister Madgearn, unter­strich in einer Erwiderungsansprache gleichfalls den günstigen Auc gang der Konferenz. Der Minifter gab noch seiner Auffassung Ausdruck, daß die europäischen   Agrarstaaten in Warschau   eine Wirt­schaftsentente eingeleitet hätten.

Schutzzoll heilt Wirtschaft nicht. Englisches Freihandelsmanifeft gegen Empirebewegung. London  , 1. September.

Eine große Anzahl hervorragender Politiker, Bankiers, Kauf­leute und Industrieller, darunter Cord Grey, Lord Bradbury, Sir Walter Runciman  , Sir George Paish   und Sir Charles Addis  , haben eine Gegenfundgebung gegen das bekannte mani­fest der Bantiers, das sich für Einführung eines Schutzollsystems aussprach, erlassen. In der Kundgebung wird u. a. ausgeführt: Nichts berechtigt zu der Annahme, daß der Depression des Handels durch Erhöhung der Zölle abgeholfen werden könnte. Da das erste Bedürfnis der britischen Produzenten, die auf ausländischen Märkten im konkurrenzfampf stehen, die Herabjehung der Erzen. gungstoffen ist, würde es Selbstmord bedeuten, Rohstoffe und Lebensmittel mit Zöllen zu belegen. Die aus einem Schutzoll für bestimmte begünstigte Industrien erwachsenen Vorteile wiegen den an­gerichteten Schaden nicht auf. Was die Dominions betrifft, fo be­rechtigt nichts zu der Annahme, daß sie bereit sind, auf Be­fteuerung britischer Einfuhrgüter zu verzichten. Selbst, wenn fie aber bereit wären, ihre Tarife herabzusehen, fönnte dies angesichts ihrer

Nächtlicher Kampf in der NSDAP  

Sturmabteilung   überfällt Schutzstaffel im Gaubüro/ Zwei Verletzte

In der Sonntagnacht erschienen in der Hedemannstraße 10, wo die Gauleitung Groß- Berlin der NSDAP  . sich befindet, etwa 25 bis 30 Mann, zum größten Teil Mitglieder der Sturmabteilung, und verlangten Einlaß in die Büroräume, die von etwa 5 bis 6 Mit­gliedern der Schußstaffel bewacht wurden. Der Trupp wollte die Räume

auf Befehl ihres obersten SA.  - Führers Stennes besetzen. Die Schutzstaffel, die von ihren Parteigenossen nichts Gutes er. wartete, fam dieser Aufforderung nicht nach. Daraufhin drang die Horde unter Lärmen und Johlen gewaltsam ein. Die Tür wurde erbrochen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde lingen entgegenstellten, wurden zu Boden geschlagen. Zwei zerschlagen. Mehrere Schutzstaffelleute, die sich den Eindring: von ihnen hatten dabei so schwere Kopfverlegungen erlitten, daß sie zur nächsten Rettungsstelle geschafft werden mußten.

Inzwischen haufte die Sturmabteilung in den Büroräumen des eigenen Gaues wie die Vandalen. Bänke und Stühle wurden zer­

brochen, die Aften zerrissen und fämtliche Scheiben der Türen, die auf den Flur münden, wurden zertrümmert. Als das alarmierte Ueberfallkommando eintraf, hatten die Eindringlinge bereits ganze Arbeit" geliefert: die Büroräume glichen einem Trümmerhausen.

Die übrigen Mitglieder der Schutzstaffel entgingen ihrem Schid­sal nur dadurch, daß sie in die hinteren Räume flüchteten und sich dort vor der tobenden Staffel verbarrikadierten. Erst unter dem Schuße der Polizei wagten sie sich wieder hervor.

diese Weise rebellierten. Die Beteiligten an dem Uebrfall werden sich wegen Hausfriedensbruches und Sachbeschädigung zu verant­worten haben. Die Räume der Gaugeschäftsstelle wurden von der Polizei so lange besetzt gehalten, bis die Parteileitung wieder von ihnen Befiz nahm.

*

In dem gleichen Gebäude in der Hedemannstraße befindet sid auch das Büro der Sturmabteilung. Dieses Büro stand, wie ermittel wurde, von 0.30 bis 2.30 Uhr in dauernder telephonischer Ber bindung mit verschiedenen SA.  - Lokalen, die laufend über den Stant der Dinge unterrichtet wurden und auch Direttiven erhielten. Als Hauptquartier wird in diesem Zusammenhange ein Lokal am Tegeler Weg genannt.

Hitler   in Berlin  .

Er soll die Rebellen besänftigen.

Wie verlautet, soll sich Adolf Hitler   seit Montag mittag in Berlin   befinden. Hitler soll versuchen, in einer geschlossenen Bersammlung heute abend die Sturmabteilungen zu be­fänftigen" und ihnen Konzessionen zu machen.

Attentat auf Schnellzug!

New York  , 1. September.

Die Eindringlinge wurden schließlich von der Polizei festgenom- 3n rasendem Tempo entgleift!- Viele Tote und Berlehte. men und der Abteilung IA zugeführt, wo man erst wieder durch Bernehmungen feststellte, daß es sich nicht, wie zuerst angenom­men, um Straßer Anhänger, sondern um Angehörige der Sturmabteilung handelte, die gegen die Berliner   Parteiführung auf

Rebellion in der SA.

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Hitler

" Watten? Keen Jeld vor uns SA.   Leute? Un alle die Pfundsticke von Mussolinin-wer verwichst die?"

geringen Bevölkerung in absehbarer Zeit teine genügend großen Märkte bringen, die mit fremden Märkten vergleich. bar wären.

Ferner wird in der Kundgebung daran erinnert, daß in anderen Ländern, besonders Südamerika  , erhebliches britisches Kapital an­gelegt ist, und daß Hindernisse für die Einfuhr aus folchen Ländern die 3infenzahlung der britischen Darlehen nur erschweren würden. Lebensmittel würden der britischen Landwirtschaft nicht helfen und die Bevölkerung der Städte schädigen und Zölle auf Roh­ftoffe den nofleidenden britischen Industrien einen schweren Schlag verfehen. Der Tarijfrieg würde noch heftiger und die Gefahr eines Zusammenbruchs von Handel und Kredit noch größer werden.

Auf der Bahnlinie St. Louis San Franzisko, zehn Meilen von St. Louis   entfernt, wurde auf den Schnellzug ein Anschlag verübt. Auf den Schienen waren Berge von Steinen und Holz angehäuft, so daß der Zug, als er mit 60 Meilen Geschwindigkeit auf das Hindernis raste, sofort entgleiste. Drei Wagen stürzten, indem sie sich überschlugen, in einen etwa 6 Meter tiefen Ab­grund. Zwei Wagen wurden zerschmettert. Bisher tonnten elf Leichen geborgen werden und etwa dreißig Verlegten wurde Hilfe geleistet. Es ist bisher nicht gelungen, die Urheber des Attentates zu ergreifen.

Neue französische   Flugkatastrophen. Flugzeug bricht in 1000 Meter Höhe auseinander. Paris  , 1. September.

Die schwarze Liste der französischen   Militärfliegeri in den letzten Tagen ist um drei weitere Unfälle bereichert worden. In der Nähe von Diedenhofen   verunglückte bei der Landung eine Militärmaschine und ging in Trümmer. In der gleichen Gegend stürzte während einer Nachtübung ein anderes Militärflugzeug ab. Die Piloten des Flugzeuges find unverlegt geblieben. Ebenfalls am Sonnabend entrann mit fnapper Not der bekannte französische   Lang­ftredenflieger Mermoz  , dem sicheren Tode. Er war in Toulon   zu einem Probeflug aufgeftiegen. In einer Höhe von etwa 1000 Metern brach der Apparat auseinander und stürzte in die Tiefe. Mermoz rettete sich durch Abspringen mit dem Fallschirm, wurde aber verletzt.

Zwei bei dem großen Flugzeugungiüd in Rochefort verlegte Personen find am Sonnabend im Krankenhaus gestorben. Die Zahl der Todesopfer bei den legtägigen Unfällen hat sich damit auf 15 erhöht.

Todessturz von der Müngstener Brücke

107 Meter in die Tiefe.

Elberfeld  , 1. September. Am Sonntagnachmittag bestiegen sechs Wanderburschen aus Düsseldorf   verbotswidrig die Müngstener   Brüde. Einer pon ihnen benutte das Brüdengeländer dazu, um Turnübungen vor­stürzte zuführen, verlor das Gleichgewicht und 107 Meter tief ab. Seine zerschmetterte Leiche wurde om Ufer der Wupper   aufgefunden.

dabei