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Fest der Arbeit

Wissenschaft diene dem Frieden!

Braun vor den Naturforschern und Aerzten in Königsberg .

Britz wird die neue Hochburg der Sozialdemokratie!- Das Fest der Hufeisenstadt feierliche Eröffnung der 91. Bersammlung Deutscher Naturforscher

Draußen in Briß, wo dank der großzügigen freigewerkschaft-, Fanfarenstöße ertönen, und dann mahnt Crispien in einer much­lichen Siedlungspolitik ein maffiger Wohnblod entstanden ist, wo Werttätige gefunde Wohnungen gefunden haben, beging gestern die Sozialdemokratie das Fest der Arbeit". Trotz der ungünstigen Witterung nahm das Fest einen erhebenden Verlauf. Darüber hinaus brachte die Beranstaltung den Beweis, daß Brik auf dem Wege zur sozialdemokratischen Hochburg ist.

Schon seit vielen Wochen arbeiteten die sozialdemokratischen Funktionäre an der Gestaltung des Festes, das in dieser Form zuin ersten Male vor Jahresfrist hier draußen stattfand. Alles wurde bis ins fleinste durchdacht. Am Sonnabend abend begann der Aufbau auf dem Fest plat, zu dem die Parkanlagen an der Teterower Straße und das neu hergerichtete Akazienwäldchen gegenüber dem Brizer Kreiskrankenhaus gemacht wurden. Schon von weitem mahnt ein riesiges Transparent, am 14. September sozial­demokratisch zu wählen, während ein zweites in riesigen Lettern den Freundschafts"-Gruß entgegenruft. Die Arbeitersamariter bauen ihr Zelt auf, dort werden Masten eingerammt, hier ein Bodium errichtet, Anweisungen schallen hin und her, und alles arbeitet freudig für das Fest, das gleichzeitig Wahldemon= stration sein soll. Und als die Nacht hereinbricht, da ist der Aufbau so ziemlich beendet und die Funktionäre beziehen trotz der leberarbeit ihre Wachtposten, um die Anlagen gegen jede Beschädi­gung zu schützen.

Brih im Festschmuck.

Sonntag früh. Die Großsiedlung, die schon seit Wochen mit Wahlfahnen und-transparenten der Sozialdemokratie geschmückt ist, zeigt ein noch festlicheres Gepräge: Die offiziellen Masten der Groß­siedlung tragen das rote Tuch der Partei. Im Innern des Huf= cisens schmücken die Bewohner die Fenster. Die wenigen Trans­parente der Kommunisten verschwinden nun vollends. In den Part­anlagen sind die Zelte der Freien Gewerkschaftsjugend entstanden, auf dem ,, Paradies" etablieren sich die Kinderfreunde, während in der Halle, am Hufeisen die Arbeiterphotogilde ihre Aus= stellung eröffnet hat.

Der Arbeiter abstinentenbund wirbt für seine fultu

tigen Anklage gegen das kapitalistische System, den 14. September zu einem endgültigen Abrechnungstag gegen die Putschiften von rechts und links zu gestalten. Kampf dem Nationalsozialismus, Kampf dem Nationalbolschewismus für den Sieg der Demokratie und des Parlamentarismus, für Liste 1. Aus tausenden Kehlen erschallt die Internationale. Das Hoch auf die Sozial­demokratie, das das weite Rund schallend wiedergibt, beschließt die einzigartige Kundgebung.

Gewerkschaftsfest in Spandau .

Obwohl es in Strömen goß, hatten sich gestern mittag zur De­monstration in Spandau Gewerkschaftler und Parteigenossen so zahl­reich eingefunden, daß ein stattlicher Zug mit vielen roten Fahnen und Transparenten unter Mufit den Weg nach ,, Karlsluft" in Hafen felde antrat. Auf sechs Wagen wurden große Transparente mit­

nelle Idee durch Ausschant alkoholfreier Getränke. Kurzum: An geführt, die in wirksamen Bildern den aufbauenden Sozialismus

alles hatte die Festleitung gedacht, und die ganze Arbeit deutete darauf hin, daß Briz ein Voltsfest im besten Sinne des Wortes zu sehen bekämre. Bis dann Petrus seine Schleusen öffnete und das ganze Fest in Frage stellte. Aber die Briger ließen sich nicht stören. Alles was Beine hatte, zog trotz Regen zum Sammelplatz an der Barchimer Allee, harrte dort geduldig aus, während das Reichs­banner luftig konzertierte.

So etwas hatte Brit noch nicht erlebt. Shließlich hatte doch der Wettergott ein Einsehen, und flugs formierte sich ein gemaltiger 3 ug, der durch die Straßen des neuen uns alten Britz zog. Zu früh die Freude der Kommunisten, die den Aufmarsch der Sozialdemokratie nur allzu gern verregnet ge­Lehen hätten. Sie bekamen einen Aufmarsch zu sehen, wie ihn Brih überhaupt noch nicht erlebt hatte, und mußten sich so demonstrieren laffen, wo die Werktätigen stehen. Das Reichsbannertambourforps Briz führte den Zug. Berufsmusiker folgten. Auf unzähligen Transparenten brachte die Gewerkschaftsjugend ihre sozialpolitischen Forderungen zum Ausdruck. Kinderfreunde propagierten ihre ful turelle Arbeit. Dann die Naturfreunde", die uns die Wanderbewegung von der Biedermeierzeit bis zur Jetztzeit in luftigen Gruppen veranschaulichten. Partei und die Sportler mit ihren großen Sturmfahnen beschlossen den Zug.

Nach dem Ummarsch ging es zum Festplatz, der bereits gut Besucht war. Und nun wurde ein Programm abgerollt, das sich sehen lassen konnte, das den tiefen Sinn der Kultur- und Sportorganis sationen der Arbeiterbewegung aufzeigte. Da war die Freie Turner schaft Groß- Berlin, Bezirk Neukölln- Brizz, die Freie Arbeiterschach vereinigung, die Arbeitsgemeinschaft proletarischer Volkstanzfreise, die Spielgemeinschaft der Jungsozialistischen Vereinigung und der Sozialistischen Arbeiterjugend, der Junge Chor unter Walter Rohde und nicht zu vergessen der Sprech chor für die Proleta rischen Feierstunden unter Leitung von Albert Florath und unter Mitwirkung Heinrich Wittes vom Staatstheater. Sie alle hatten fich in uneigennüßiger Weise in den Dienst der guten Sache gestellt und erfreuten mit ihren Darbietungen die Besucher. Für das ganz freute stundenlang eine große Kinderschar. Inzwischen erschien auf der Friz- Reuter- Allee das Lautsprecherauto der Partei und ließ meithin Kampflieder der Arbeiterschaft ertönen. Eine dichte Menschenmenge umlagerte den Wagen bis zum Schluß des Konzerts.

., fleine" Bublifum erschien Kasperle auf der Bildfläche und er­

Das Hufeisen im Scheine der Fadeln. Mit leuchtenden Fadeln ging es hinein in den Abend air Schlußfundgebung in das Hufeisen, das mun einen malerisch schönen Anblick bot. Gesang erschallt, der Sprechchor rüttelt auf,

Gute billige Kunst für den Arbeiter.

Biele werden sie schon tennen und Mitglieder sein; aber es müssen noch viel mehr Genossen sich beteiligen und für diese gute Sache werden: für die Kunst der Zeit".

Zunächst und ursprünglich ist es eine Kunstzeitschrift für den Arbeiter und Angestellten( im Verlage J. J. Ottens, Berlin­Frohnau); andere Einrichtungen haben sich daran angeschlossen. Für 60 Pf. Monatsbeitrag erhält man die sehr reich illustrierte Zeitschrift, dann eine Jahresgabe in Form handsignierter Graphiten von bedeutenden Künstlern wie Kollwig, Pechstein und andere; Mitglieder, die fleißig im Werben sind, fönnen sich andere Graphiken oder Kunstbücher verdienen; Kunstabende, an denen Künstler selber sprechen, und Kunstausstellungen werden in der Geschäftsstelle veranstaltet( Achenbachstraße 21, nahe Nürnberger Plazz).

Hier wird mit ganz geringen Beiträgen geredmet und mit Genoffen, die zur heutigen Kunst sich heranfinden wollen. Die Zeitschrift beschäftigt sich ausschließlich mit Künstlern und Werfen der Gegenwart, die Absicht ihrer Auffäße und ihrer Abbildungen ist es, den Hand- und Kopfarbeiter mit der guten Probuftion por allem der modernen deutschen Kunst bekanntzumachen; Malerei, Graphit, Bildhauerkunft und Architektur wird behandelt, das Beste aufgezeigt, das dem Laien nahe liegt und der Weg bereitet zum Kunstverständnis. Selbstverständlich herrscht im Gegenständlichen wie in der Auswahl der Künstler das Arbeitsthema und das Oppo­fitionelle vor; Gewerkschaftsbauten, Industriemalerei, Schrebers gärten, eine Serie satirischer Zeichner von Th. Th. Heine und Bruno Paul bis zu George Groß , Masereel und Käthe Kollwitz

zeigten. Kurz nach 15 Uhr traf der Zug in Hafenfelde ein, im Nu waren der große Saal und alle Nebenräume gefüllt. Friz 3 art hieß die Kollegen und Parteigenossen willkommen. Der Redner des Tages, rich, legte allen in furzer, aber eindrucksvoller Rede ans Herz, bei dieser Reichstagswahl auf dem Posten zu sein. Ein Hoch auf die Gemertschaftsbemegung schloß die Rede, der der ge­meinsame Bejang des Sozialistenmarsches folgte. Tombola, Preis­fegein, Tanzmusik gaben den Großen, Spiele und schließlich Fackel­zug den Kleinen abwechslungsreiche Unterhaltung.

Der Wedding demonstriert.

Die Sonntagsfundgebungen der Sozialdemokratie. Die Sozialdemokraten vom Berliner Wedding haben sich selbst übertroffen! Die Straßendemonstration, die sie gestern vom Sparr platz aus durch das Berfiner Arbeiterviertel veranstalteten, war noch größer als der Umzug, der am Sonntag vorher vom Brunnen­play ausgegangen war.

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Wieder das imponierende Bild der unzähligen roten Fahnen! Als die Demonstration ihren Anfang nahm, strömte der Regen. Da standen unsere Arbeiterfrauen mit dem aufgespannten Schirm, aber nicht eine einzige verließ Reih und Glied. Wieder mar das Reichsbanner mit seiner prächtigen Kapelle, war unsere unermüdliche Jugend zur Stelle. Es ging mitten hinein in die Straßen, in denen man Kommunistennester meiß, aber man darf er­freut feststellen, daß gegenüber diesem gewaltigen Zuge der Wider­spruch nur sehr spärlich und dürftig zu Worte kam. Die kleinen Häufchen fürchteten wohl, sich vor den Passanten lächerlich zu machen, wenn sie ihre Parolen schmettern würden. Wenn sie aber doch den Mund aufmachten, dann antwortete ihnen der disziplinierte, ihr Geschrei übertönende Sprechchor der Sozialdemokraten mit den Versen: Der KPD . den letzten Stoß! Wählt Liste 1, ihr seid sie los!" und ,, Wer hilft den Faschisten? Die Kommunisten!"

Durch die Torfstraße, die Afrikanische , die Glasgower, die See-, die Liebenwalder und Müllerstraße ging es zum Zeppelinplay. Hier hielt Stadtrat Genoffe Frank die Schlußansprache. Auf der einen Seite sehen wir die Sünden des Bürgerblodfabinetts Brüning, den Abbau der Arbeitslosenversicherung, den Raub an Frauen und Jugendlichen, das Vorgehen gegen die Kranken und das Sondergesetz gegen die Konsummereine. Auf der anderen Seite stehen, ein mür­diges Brüderpaar, die Kommunisten und Nationalsozialisten vereint gegen die Arbeiterschaft. Zwischen ihnen ragt empor als großer un­erschütterlicher Block die Sozialdemokratie. Für sie gilt es am 14. September die Stimme zu geben, sie ist die einzige Bertreterin der Arbeiterklasse. Deshalb: Wählt Sozialdemokraten, wählt Liste 1!"

charakterisieren den Inhalt dieser Hefte, die soeben ihren ersten Jahrgang beschließen.

Daß auch das künstlerische Originalwert nicht vergeffen ist, beweisen die graphischen Jahresgaben und die Ausstellungen. Sie sollen allmählich zur Freude an originaler Kunst erziehen, Luft ermeden, seine vier Wände mit echten Werken, mindestens mit Graphisblättern hervorragender Meister zu schmücken.

Angesichts der noch erschreckend weit verbreiteten Vorliebe für Schundblätter und Kitsch jeder Art ist dieser Kampf der Kunst der Zeit" aufs lebhaftefte zu unterſtüßen. Der ADGB., der AfA. und der Allgemeine Deutsche Beamtenbund stehen hinter ihr und verbürgen Ernst und Aufrichtigkeit ihrer volfsbildenden Abficht.

P. F. Sch.

Der Film Cyanfali" verboten! Die Filmoberprüfstelle hat auf Antrag der bayerischen, württembergischen und badischen Re­gierung den Film ,, Chantali" als Entjittlichung, verrohend, zum Klaffenbaß aufreizend und die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdend verboten. Der Film, der in Anlehnung an das bekannte Bühnenstüd die Abtreibungsfrage behandelt, war von der Film prüfstelle Berlin am 19. Mai zugelassen und ist seitdem monatelang gespielt worden. Das Urteil der Oberprüfstelle muß befremden, nicht nur, weil es sich in Widerspruch zu der anderen Prüfstelle fetzt, sondern auch, weil es in seinen Entscheidungsgründen einen Standpunkt einnimmt, der jede naturalistisch zugespizte, aus dem Leben der Wirklichkeit mit seiner ganzen frankheitschöpfenden Be­handlung solcher ernsten Fragen unmöglich macht und dadurch indirekt die viel unfittlichere, aber gesetzlich nicht zu packende Kitsch filmproduktion fördert.

In der Königsberger Stadthalle fand Sonntag nachmittag die und Aerzte statt. Ministerpräsident Braun hielt eine Begrüßungs ansprache:

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,, Wir haben", sagte er, mit aufrichtiger Freude davon Kennta nis genommen, daß der Zusammentritt Ihrer Tagung in der nahes zu 700jährigen altpreußischen und urdeutschen Stadt am Pregel nicht eine Zufälligkeit bedeutet, sondern als starter Willensausdruck zu werten ist. Ihre Gesellschaft, die den Adel deutscher wissen­fchaftlicher Arbeit auf dem Gebiet der Erforschung der Naturkräfte und ihrer Auswertung zum Besten der Menschheit in sich verkörpert, will damit das Bekenntnis ablegen, daß Gesamtdeutschland sich mit dem hartgeprüften Ostpreußenlande enger denn je verbunden fühlt.

Ich habe den lebhaften Wunsch, daß Ihre Tagung weit über die rein wissenschaftlich interessierten Kreise in Deutschland hinaus in unserem Vaterlande auch in diesen politisch bewegten Tagen starte Beachtung finden möge. Noch immer wird die stille Arbeit des Forschers bei uns nicht so gewürdigt, wie sie es verdient. Die Anbetung und Berherrlichung der Faust, die sich heute in unserem Volksleben breitmacht, ist ein betrübendes Zeichen geistiger Vera irrung.

Unsere Schulerziehung hat früher viel zu einseitig zumeift den Begriff des menschlichen Helden- und Führerideals im Kriegsmann und Schlachten enter erblickt. Es bedarf nicht erst der Erinnerungen an den fühnen nordischen Forscher, dessen Leiche eben, aus dent Gefängnis des Polareises befreit, in die Hemat zurückgeführt wird, um uns vor Augen zu führen, welch wahrhafte Heldenarbeit un ausgesetzt in hunderten wissenschaftlicher Laboratorien, in Röntgen­und bakteriologischen Instituten und an diesen anderen Stätten der Forschungsarbeit geleistet wird.

Die neue Schule des jungen republikanischen Deutschlands foll ihren Ehrgeiz darin sezen, die heranwachsende Jugend auch an den Vorbildern der großen Forscher und Arbeiter im Dienste der Wissen­schaft, für Bolfsgesundheit und für Erweiterung des menschlichen Wissens um die geheimnisvollen Kräfte der Natur zu schulen. Unsere Jugend soll lernen, daß Heroismus und wahrhaftes Führers tum auch dort zu Hause sind und zur Nachahmung aneifern können. Eine Jugend, die tiefere Einblicke in die Werkstatt schaffenden menschlichen Geistes und in den selbstlosen und unermüdlichen

Kampf der Wissenschaft für große menschliche Zielsetzungen ge=

wonnen hat, wird, wenn sie herangewachsen ist, aus einem neuen und tiefen Respekt vor der Erhabenheit und der Universalität des menschlichen Geistes heraus ungestüm fordern, daß alle schaffende Arbeit der Wissenschaft nur dazu dienen darf, den Frieden der Welt zu fördern und die Menschen selbst freier, besser und glück licher zu machen."

Der letzte Minnesänger.

Zum 100. Geburtstag von Frédéri Mistral .

,, In den Tälern der Provence ist der Minnefang entsproffen." Der Dichter, der die verflungene Troubadour funst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts erneuert hat, mar Frédéri Mistral , dessen 100. Geburtstag jetzt in Frankreich mit rauschenden Festen begangen wird. Am meisten huldigt natürlich die Provence, die Heimat des Dichters, ihrem großen Sohn, den sie schon bei Lebzeiten in Arles durch ein bronzenes Standbild ehrte. Dem Provenzalen ist ja Mistral nicht allein der Sänger der Liebe, der Schilderer des un­beschreiblich schönen Rhonetals; er ist ihm vor allem der Sänger seines Boltes, seiner Sprache und seiner Geschichte. Wie kein anderer tannte der Dichter die Mühen, Freuden und Schmerzen seines Volkes, die er in seinem Hauptwerk, dem berühmten ländlichen Epos ,, Mireio ", poetisch verflärte. Tief im Herzen des Volkes wurzelt dieses klassische Wert.

Man würde indeffen die Bedeutung Mistrals gewaltig unters schäzen, wenn man ihn nur als klassischen Vertreter der provenza lischen Heimatkunst werten wollte. Er hat vielmehr mit seinem Wert, das den Franzosen erst durch die von ihm selbst besorgte Uebersetzung aus dem Provenzalischen zugänglich gemacht wurde, der französischen Literatur ein poetisches Neuland erobert, das mit dem berauschenden Duft seiner Blütenpracht die ganze Welt be­zauberte. Nicht zuletzt gilt das für unser eigenes Schrifttum, in dem Mistrals Dichtungen in trefflichen Verdeutschungen Heimatsrecht ge­funden haben.

Mistral war nicht der Mann, dem so überschwengliches Lob der Großen zu Kopf steigen konnte. Auf dem von den Bätern ererbten Schulzenhof" in Maillane lebte er inmitten seiner Landsleute das Leben des mohlhabenden Bauern; dort pflanzte er seine Reben, preßte er sein Del, stolz auf seine Unabhängigkeit, die ihm das Geld mie den Erfolg verachten ließ, nur darauf bedacht, das Artbewußt­fein seiner provenzalischen Heimat zu stärken und die Sprache der Provence , die in den franzöfifchen Schulen unerbittlich befämpft murde, durch den Einfluß der Dichtung neu zu beleben. Zu diesem 3wed vereinigte sich der Bierundzwanzigjährige am 21. Mai 1854 im Schloßpart von Font- Segugno bei Avignon mit seinem alten Lehrer Roumanille und ein paar jungen Dichtergenossen zur Gründung eines Bundes, der nach seinen Satzungen bestimmt war, der Provence ,, ihre Sprache, ihren Charakter, ihre Nationalehre und ihren hohen Geift" zu erhalten.

In diesem Idiom und einer neuartigen Strophenform, die der Dichter ebenfalls geschaffen, ist sein klassisches Meisterwert ,, Mireio " geschrieben, mit dem Mistral nach fiebenjähriger Arbeit 1859 an die Deffentlichkeit trat. Der Erfolg war ein ungeheurer, und das Epos wurde bald in alle Kultursprachen übersetzt. Seine berühmteste Dichtung, an die der Ruhm seines Namens stets geknüpft bleiben wird, lebt mit ihrer eigenartigen Verschmelzung naiver Unschuld und glühender Sinnlichkeit in der Weltliteratur fort, ohne daß darum die späteren Dichtungen, die wie das Hauptwerk ausnahmslos der Berherrlichung der provenzalischen Heimat dienen, eine Abnahme der dichterischen Kraft ertennen lassen. Wie als Künstler hat Mistral auch als Forscher der provenzalischen Bewegung unschätzbare Dienste geleistet. Da ist vor allem sein monumentales Wörterbuch, der Trésor du Félibrige", zu nennen, eine bahnbrechende wissenschaft­liche Arbeit. In seinen legten Lebensjahren hat Mistral auch noch in anderer Weise, nicht nur literarisch und philologisch, für die Erhaltung des provenzalischen Boltstums gewirft. Das feit 1900 bestehende Landesmuseum in Arles , das dem Zweck dient, die alten Sitten und Gebräuche, die Geräte und Merkwürdigkeiten der Pro vence vor der Vergessenheit zu schützen, ist sein allereigenstes Wert. zu dessen Ausbau hat er auch den Nobelpreis verwendet, der ihm als einem der ersten zuerkannt wurde. Geehrt und geliebt, wie nur je ein Dichterfürst, ist Frédéri Mistral am 25. März 1914 in Maillane A. G. im Alter von 85 Jahren gestorben.

Berantwortl. für die Redaktion: Wolfgang Schwarz, Berlin ; Anzeigen: Th. Glode, Berlin . Berlag: Borwärts Verlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Borwärts Buch . druckerei und Berlagsanstalt Paul Ginger& Co., Berlin G 68, Lindenstraße 3. Sierzu 1 Beilage.