Tr. 427 47. 3abrgang
1. Beilage des Vorwärtseite 12. September 1930
Die größte Kartei
♬ B
Anschließend an den gewaltigen Block der Reichs- soll später noch eine Erweiterung erfahren, weshalb man persicherungsanstalt für Angestellte am Fehrbelliner die Frontseite des Verbindungsstückes nur provisorisch Platz erhebt sich jetzt zwischen Ruhr-, Konstanzer und mit Fenstern und einfacher Mörtelmand versehen hat. Westfälischer Straße der mächtige Erweiterungsbau dieser Anstalt, der das erste Hochhaus in Wilmersdorf darstellt. Ein Stahlskelettbau von gigantischen Ausmaßen, der in Dornehm- sachlicher Art mit Klinkern, in den beiden unteren Geschossen mit Travertin verkleidet ist. In 10 Geschossen ist der Turmbau gegliedert. Ursprünglich waren 17 Geschosse projektiert. Die Gründe für dieses In- die- Höhe- bauen lagen in dem Zweck des eigenartigen Gebäudes. In ihm werden nämlich 2 Milliarden Versicherungskarten in feuersicheren, eisernen Schränken aufbewahrt; die ungeheure Last dieser Papiermassen( 600 kg auf 1 qm) machten einen eigenen Bau notwendig, denn die Tragkraft der Wände des alten Gebäudes hätte nicht ausgereicht und die ursprüngliche Unterbringung in feuergefährlichen Holzbaracken mar nur ein sehr bedenkliches Provisorium. Außerdem wickelt sich Verkehr und Transport mit Hilfe Don Aufzügen und Paternostern in senkrechter Richtung viel rascher ab als in der horizontalen. Außer den Räumen für die Karteien ist noch ein großer Sitzungssa al für den Verwaltungsrat, Aerzte- und Untersuchungszimmer, Laboratorium, Röntgenzimmer nach dem modernsten Stand der Technik eingerichtet. Im Erdgeschoß befinden sich die Aufkunfteien, zum Teil in Einzelzimmern, die allmonatlich eine sehr starke Frequenz haben. Der Entwurf zu dem stattlichen Bau, der 234 Millionen gekostet hat und innerhalb eines Jahres vollendet wurde, stammt von den Architekten Reuter, Braun und Unzenhausen. Auch er
Das eigene Kind getötet?
Qualnoller Tod eines Säuglings!
-
Entmenschte Eltern?
Leichenöffnung.
Gegen das Gärtnerehepaar B. aus Lichterfelde ist eine friminalpolizeiliche Untersuchung eingeleitet worden. Da gegen beide der Verdacht besteht, ihr jüngstes kind, das am 22. August zur Welt fam, vorjählich getötet zu haben.
Der Tod des Kindes erfolgte unter so merkwürdigen Umständen, daß eine Leichenöffnung beantragt wurde. Dabei wurde festgestellt, daß die Magenwand und das Zwerchfell unter der Einwirkung von Säuren und Chemikalien auf den lebenden Körper teilweise zerstört worden war. Der Mageninhalt hatte sich in die Brust ergossen und den qua lvollen Tod des Säuglings herbeigeführt. Die Ehe der Leute war nicht glücklich und der Mann wollte sich schon einmal scheiden lassen. Im vergangenen Jahre war das Ehepaar bereits in eine ähnliche Angelegenheit verwickelt. Damals war das zweite Kind aus dem Wagen gefallen und hatte dabei eine schwere Gehirnerschütterung erlitten. Die Frau beschuldigte seinerzeit ihren Mann, den Unfall herbei geführt zu haben. Das Verfahren mußte jedoch bald eingestellt werden, weil nichts nachzuweisen war.
73]
DER ERWERB
oder
-
Um diese Menscheninseln wogte eine Meer von Eindrücken. Sie fühlte das Strömen, den Wechsel und die Energien, die sie umgaben; die Hunderttausenden von Menschen, die ständig an ihr vorbeieilten die Menschenmenge am Broadway und in der Fünften und Sechsten Avenue und in der Bierunddreißigsten Straße, wo das Zodiac- Gebäude stand, in dem sich das Büro befand; Menschenmengen in der Vorhalle dieses Zodiac- Gebäudes, die die Drientierungstafeln studierten, auf denen zweihundert Büros verzeichnet waren, Menschenmengen, die warteten, um in einen der zwölf Fahrstühle zu stürzen- in diese vollgestopften vertikalen Eisenbahnen. Ein ganzes Jahrmarktstreiben spielte sich da im Erdgeschoß des ZodiacGebäudes ab: der majestätische Fahrstuhlinspektor in einer Uniform aus Blau und Gold, und die nur mehr fürstlichen Fahrstuhlwärter mit wenig Gold auf dem verblaßten Blau der Uniformen; der älteste Liftjunge, Harry, der Grieche, der jeden einzelnen im Zodiac- Gebäude kannte; der Zigarren stand mit Türmen von Zigaretten, Reflamedosen von Pfeifentabat, Zuckerstangen in Silberpapier, Briefmarken und sogar einigen Zigarren, und der Verkäufer all dieser Waren, ein Italiener von hochromantischem Aussehen. Noch mehr romantische Italiener in dem von Glasscheiben um schlossenen Friseurladen verzweifelt umherjagende Teufel in weißen Blusen, die einer Hausuniform glichen. Una beobachtete all diese Dorfbewohner, für die das Erdgeschoß des Zodiacgebäudes die Hauptstraße bedeutete; und in der selbstverständlichen Anpassung dieser Leute an ein Leben inmitten von Steinstufen und fünstlicher Beleuchtung lag soviel beruhigtes Dasein, daß sie sich in dieser Stadt mit ihren achtzehn übereinandergelagerten Schichten Stockwerte genannt, heimisch fühlte. Auch sie lebte, zumindest mährend der wichtigsten Stunden des Tages, im Mikrokosmos des Zodiacgebäudes.
-
Und eine ewigströmende Menschenmenge drang ein in thr Büro: Vertreter, Räufer von Baugründen, Anfragende
BB
田田
Hier ist die Maffe!"
Ein bürgerlicher Journalist über sozialdemokratische Bersammlungen.
"
In der B. 3. am Mittag" schreibt Morus über Crispien als Redner. Er gibt dabei seine Eindrücke von sozialdemokratischen Versammlungen wieder und sagt zum Schluß:
Aber im Grunde ist es gleichgültig, wer hier spricht und was dier gesprochen wird. Die Wirkung geht nicht vom Redner aus ,, sondern von den Zuhörern, von der Masse, die den Saal bis in die obersten Galerien füllt. Bei anderen Versammlungen hängt man ein Plakat ,, Karten ausverkauft!" heraus, bevor noch die Bänke besetzt sind, damit draußen die Leute staunend stehen bleiben. In diefem bis ans Dach überfüllten Riesenraum will der Zustrom fein Ende nehmen.
Anderswo werden mit Alles ist überdimensional. Tsching- tsching- bum- bum dreißig Fahnen hereingetragen. Hier find es dreihundert. In den anderen Versammlungen machen fünfzig Mann Musik, hier erhebt sich gleich ein friegsstarkes Bataillon von Bässen und Tenören, um das Lied von der heiligen Flamme der Freiheit zu singen. Und zum Ueberfluß marschiert auch noch ein Jugendregiment durch die Gänge, um den Eindruck der Fülle zu verstärken. Eine Masse, die feiner Propaganda mehr bedarf, die selbst die Propaganda ist. Sie braucht sich nicht durch Zwischenrufe und Gebrüll anzufeuern, um sich ihrer Anhängerschaft zu vergewissern. Wenn sie in die Hände flatscht, glaubt man, eine Lawine geht nieder; und wenn sie den Saal verläßt, ist die Straße eine halbe Stunde schwarz von Menschen. Eine Dampfwalze, gegen die tein Unkraut gewachsen ist.
Von den andern wird Masse gemimt. Hier ist sie.
Er befrog die Wermsten.
Der Herr Revuedirektor" versteckt sich im Bett.
Gestern ist es der Berliner Kriminalpolizei gelungen, einen gefährlichen Schwindler in der Mulackstraße, wo er sich unangemeldet aufhielt, festzunehmen.
Der Bursche, ein 34jähriger Schlosser Willy Thiele, trat als angeblicher Re puedirettor auf und schwindelte junge Tänzerinnen für Trainingsanzüge Beträge zwischen 10 bis 12 Mark ab. Er arbeitete auch mit gefälschten Firmenstempeln und stellte junge Leute irgendwelche Posten in Aussicht. Immer erfand er dabei einen Trick, um die Stellungsuchenden zur Hergabe einer Summe zu bewegen. Insgesamt konnten dem Schwindler bisher 101 Fälle nachgewiesen werden. Als die Polizeibeamten gestern zu seiner Festsich die Beamten jedoch im Zimmer näher umsahen, endeckten sie ihn im Bett, wo er sich zwischen Matraße und Unterbett versteckt hatte.
Sollte in diesem Falle der Mann oder die Frau dem Rinde eine fäurehaltige Flüssigkeit eingegeben haben, so würde dieser Kindermord ein geradezu bestialisches Verbrechen sein. Die Unter- nahme schreiten wollten, schien der Vogel zunächst ausgeflogen. Als juchung nimmt noch ihren Fortgang.
Die Schläfen aufgeschnitten!
Entfehliche Tat einer Geistesgestörten.
In einem Anfalle von Geisteskrankheit versuchte geffern abend die 53jährige Witwe Martha L. in ihrer Wohnung in der Soorstraße auf entsetzliche Weise ihrem Leben ein Ende zu machen.
Hausbewohner wurden durch einen beizenden Qualm aufmertsam, der aus der Wohnung der alten Frau drang. Da man nichts Gutes ahnte, wurde die Tür gewaltsam geöffnet. Im Badezimmer bot sich den Leuten ein schrecklicher Anblick. Der Raum war völlig perqualmt, aus dem Fußboden züngelten die hellen Flammen empor. Mit blutüberströmtem Gesicht und schweren Brandverlegungen lag Frau 2. bewußtlos neben der Badewanne. In bedenklichem Zustande wurde die Unglückliche in das Krankenhaus gebracht.
Wie die polizeilichen Nachforschungen inzwischen ergeben haben, hatte sich die Krante mit einem scharfen Messer beide Schläfen aufgeschnitten, dann den Fußboden im Badezimmer mit Petroleum übergossen und angezündet.
-
Bulfan bricht aus.
sirsadno
Aus Messina wird gemeldet, daß Donnerstagvormittag der Auswurftegel des Bultans Stromboli auf der gleichnamigen Insel der Liparischen Gruppe explodiert ist. Die Folge war ein heftiger Lavaausbruch und ein Regen von Steinen und glühender Schlacke. Die Lava hat sich in das Gebiet von Santt Bartolo ergossen und dort Berwüstungen angerichtet.
Nach dem„ Giornale d'Italia" sollen in der Ortschaft Stromboli und in der benachbarten Siedlung mehrere Verwundete zu beflagen sein. Gleichzeitig mit dem Ausbruch des Bulkans ist auf den Lipari - Inseln ein heftiger Erd stoß verspürt worden. stürzte Bevölkerung der Insel Stromboli , die etwa über 2000 Köpfe zählt, hat sofort Hilfe aus Messina angefordert.
und Leute, deren Steckenpferd es zu sein schien, eine Samm-| Truar antwortete: Ja, ich bin jetzt gleich fertig," lung von Prospekten über Baugründe anzulegen. Ihre dem Besucher geltender Wink. Hauptaufgabe schien tatsächlich darin zu bestehen, Besucher zu empfangen Besucher, die kamen, um Herrn Truar selbst zu sprechen und vom Diener zu Una geführt wurden. Für die Sekretärin, die ihre Sache versteht, wird das Behandeln der Besucher zu einer Frage wissenschaftlicher Tattit, und Una verstand ihre Sache gut, weil sie Menschen gern hatte.
Sie lernte den Typus schäbiger, befangener Besucher fennen, die den Eindruck von Bettlern machen und das bare Geld, das sie in Grundbesiz investieren wollen, in der Tasche tragen. Und den sicher und liebenswürdig auftretenden Befucher in tadellos sigendem Anzug mit eleganter Kramatte, der es nach seiner Darstellung gar nicht erwarten kann, seinem lieben, alten persönlichen Freund, Herrn D. T. Truar. einen Gefallen zu erweisen, und sich als Versicherungsagent oder Vertreter einer Schreibmaschinenfirma entpuppt. Sie mußte die Frauen fortschicken, die kamen und mit schriller Stimme reine Luftgeschäfte vorschlugen, die ohne jeden Zweck famen, und ihre und Hern Truar' Zeit zu eben diesem 3mede vergeuden wollten; Frauen, die unverkäufliche Häuser verkaufen oder unwahrscheinliche Baupläge kaufen wollten, unzufriedene Klienten oder Leute, die nur schikanieren famen- alte, gebrochene, unglückliche Frauen, denen Una ihr Mitleid, aber feine Zeit schenken durfte... Sie verstand es, neben ihnen am Fahrstuhl zu stehen, anscheinend aufmerksam ihnen lauschend und gleichzeitig ununterbrochen mit dem Daumen auf die Klingel des Fahrstuhls drückend. Vielleicht war es für Una eine ebenso gute Schule gewesen, Herrn Schwirk zu ertragen, wie Herrn S. Herbert Roß es recht zu machen, und sie verstand es nun, sicher aufzutreten und unerbittlich zu sein, nein sagen zu können und dafür zu sorgen, daß die heiligen Riten des Herrn Truar nicht gestört wurden. Sie murmelte nicht fonventionelle Redensarten, wie etwa Herr Truag hat augenblicklich eine Sigung, bitte wollen Sie mir inzwischen sagen, um was es fich handelt...", sondern sie wußte eine Menge überraschende, reizende und überzeugende Dinge, die Herr Truar tat, gerade in diesem Augenblic
Bon Herrn Truar selbst lernte sie einige neue Arten, Leute auf fanfte Art loszuwerden. Er stand nicht einfach vom Stuhl auf, um dadurch anzuzeigen, daß eine Unterredung beendet sei, sondern richtete ein System abgefarteter Telephongespräche mit Una ein, die vom allgemeinen Büroraum aus bin seinem Privatkontor anrief, worauf Herr
-
Herr Truar gab Una gute Lehren, genau so wie S. Her bert Roß . Aber die seinen hatten sehr wenig mit Sternen und Kauffahrteischiffen und dem Weg zum Erfolg und Vivisektion und abstrakten Tugenden zu tun. Sie betrafen das zurechtkommen ins Büro und die oberste Regel, daß er selbst niemals von einem Kunden belästigt werden dürfe, wenn ein Angestellter die Sache erledigen fönne. Und so stand Una mitten im Getriebe des Lebens; und nach dem lauernd öden Hotelzimmer und den drohenden Wolken kommender Sorgen war sie nun wieder glücklich. Sie fing auch an, Freundschaften zu schließen. Charles, der Verkaufsleiter, blieb oft bei ihrem Schreibtisch stehen, um ein paar scherzende Worte und Herr Fein, um ein paar anerkennende Worte über die Pläne zu sagen, die sie für Gartenstadtsiedlungen in den Vororten zu machen liebte; Häuschen, die mit Dichtern gefüllt werden sollten, mit Strohdächern und ausgezeichneter Zentralheizungs- und Warmwasseranlage, künstlerischen Gesprächen, Kaminecken, Müllverbrennungsvorrichtungen, Büchern und bequemen Zugsverbindungen.
,, Eines Tages," sagte Herr Fein ,,, werden auch mir so ähnliche Dinge machen, genau so wie sie die Sage Foundation" heute schon in Forest Hills macht." Und er lächelte ihr aufmunternd zu.
,, Eines Tages," sagte Herr Truax ,,, wenn Sie Chef einer von Frauen geleiteten Realitätenfirma sein werden, wenn Ihr Frauen obenan sein werdet, und eingerostete, unmoderne Leute wie ich aus dem Wege geräumt sind, dann werden Sie dergleichen Dinge vielleicht machen tönnen." Und er lächelte ihr aufmunternd zu.
,, Unsinn!" sagte Charles und faßte sie freundlich unterm Rinn. 20. Kapitel 1.
Una brachte der Firma Truar u. Fein gegenüber zum erstenmal jenes Gefühl der Zusammengehörigteit auf, das alle jungen Angestellten auszeichnen soll jener Zusammengehörigkeit, die von den Chefs so geschäßt wird, und deren die Untergebenen meist so gänzlich ermangeln. Das war zum Teil Unas Verdienst, zum Teil das der Firma, und zum Teil war es einfach das zufällige zeitliche Zusammentreffen mit ihrem inneren Zur- Ruhe- Kommen.
( Fortsetzung folgt.)