tonieme a am 3.
Nr. 427 47. Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Schiele jagt wieder zum Teufel!
Darf ein Minifter die Verfassung beschimpfen? Herr Schiele, Reichsernährungsminister im Kabinett Brüning, hat unlängst in einer Rede in Herford den Ausspruch getan: Er würde das heutige System lieber heute als morgen zum Teufel jagen, aber man müsse mit den Realitäten rechnen." Herr Schiele ist also ein Reichsminister, der nur deshalb nicht gegen die Reichsverfassung putscht, weil er die verfassungstreuen Kräfte für stärker hält. Woraus hervorgeht, daß in der Reichsregierung verfassungsfeindliche Kräfte sizen- die stärksten verfassungstreuen Kräfte aber außerhalb der Regierung, in der Opposition.
Die Opposition muß die Verfassung schützen Reichsminister das ist ein paradorer Zustand!
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Das Wort des Herrn Schiele, das nicht nur für ihn, sondern für das gesamte Kabinett Brüning kompromittierend ist, wurde seinerzeit in der offiziösen Berichterstattung verschwiegen, auch die Deutsche Tageszeitung" berichtete nicht darüber.
Das Wort ist keine Entgleisung! Herr Schiele hat es gestern, am 11. September, in einem Wahlkundgebung des Landbundes in Görlig ausdrücklich wiederholt, und das Wolffbüro berichtet darüber. Nach diesem Bericht sagte Herr Schiele:
,, Er jage das heutige Syslem lieber heute als morgen zum Teufel, aber mit Attrappenpolitik gehe das nicht."
An diesem Wort ist nichts weiter zu erläutern: Herr Schiele wartet nur auf eine reale Macht, um mit ihrer Hilfe das heutige System zum Teufel zu jagen. Er pfeift im Grunde seines Herzens auf die Verfassung, er iſt ein verhinderter Hochverräter troß seines Eides auf die Verfassung.
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Dies Wort vom zum Teufel jagen" ist in den Augen aller wirklichen Republikaner eine Beschimpfung der Reichsverfassung durch einen Reichs= minister! Es wird so verstanden werden müssen, daß Herr Schiele das Kabinett Brüning als den Uebergang von verfaffungsmäßigen 3uständen zum offenen Staatsstreich gegen die Verfassung betrachtet!
Diese Auffassung wird bekräftigt durch einen weiteren Ausspruch, den Herr Schiele in einer Wahlfundgebung des Landvolks in Breslau getan hat. Dort sprach er:
,, Der Reichskanzler sei mit ihm darüber einig, daß im Falle der Nichtverabschiedung der von Schiele vorgesehenen landwirt fchaftlichen Standardisierungsgesehe im Reichstag mit den gegenwärtig erprobten Machtmitteln vorgegangen würde."
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Die Standardisierungsgeseze werden wahrscheinlich wenn sie nicht für Interessentenzwecke zusammengepfuscht merden mit großen Mehrheiten rechnen können, so daß Herr Schiele hier billig hat, den starken Mann zu markieren, aber das tritt zurück hinter der Tatsache, daß Herr Schiele heute schon wieder neues Spiel mit dem Artikel 48 anfündigt!
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Der Reichskanzler hat die Wähler absichtlich im unflaren darüber gelassen, ob er mit dem gegenwärtigen Kabinett ein derartiges verfassungswidriges Spiel plane. Herr Schiele läßt darüber keine Unklarheit. Er gesteht Herr Schiele läßt darüber keine Unklarheit. Er gesteht offen, daß er zum Verfassungsbruch unter bestimmten Boraussetzungen entschlossen sei, und er teilt mit, daß der Reichskanzler diese Absicht mit ihm teile.
Solange ein Reichsminister unwidersprochen vom Reichskanzler die Verfassung beschimpfen und seine Sehnsucht nach dem Staatsstreich öffentlich ausschreien fann, solange er öffentlich Verfassungsbruch ankündigen fann- noch dazu im Einverständnis mit dem Reichskanzler nach seiner Behauptung solange werden die schönsten Reden des Reichskanzlers über das Thema Verfassungstreue niemanden im
ponieren!
Sigt aber die Abneigung gegen die Verfassung und das Gelüfte nach dem Verfassungsbruch in der Regierung, so müssen die Wähler dafür Sorge tragen, daß die verfassungstreue Opposition so stark wird, daß wirklich etwas zum Teufel gejagt wirdstreichs!
Freitag, 12. September 1930
Blitzlicht aufs Hafenfreuz.
Reif für die Kaltwasserheilanstalt.
Feindliche Brüder.
In ein und derselben Nummer des Rostocker Anzeigers befehden
sich Deutschnationale und Nationalsozialisten auf das heftigste. In dem Propagandainserat der Deutschnationalen heißt es:
,, Wen wähle ich, etwa die Nazis? Nein! Sie sind zwar zu-= verlässig nationalistisch, aber sie legen auch Wert darauf, revolutionärsozialistisch zu sein."
,, Die nationalrevolutionären Kräfte werden fanatischer als vorher einen Vernichtungskampf des einzelnen wider den einzelnen beginnen, von dem die Schüsse auf Erzberger und Rathenau nur ein leiser Bor geschmack find".
So steht es zu lesen in einem Aufsatz des nationalsozialistischen | ,, Niederrheinischen Beobachter"!
Die Nationalsozialisten revanchieren sich dafür mit folgenden Hängen, Erschießen, Schächten und Bombenwerfen.
Massivitäten:
,, Lüge und Verleumdung verfangen bei uns nicht mehr! Das find nur Zeichen eurer Angst! Wir antworten darauf mit Hohngelächter und mit Fußtritten auf eure Speckbäuche!" Es fragt sich nur noch, wer die dicksten Speckbäuche hat! Herr Straßer zum Beispiel kann sich neben jedem agrarischen Speckbauch
sehen lassen!
Mit des Himmels Hilfe gegen die Humanität.
Im letzten Wahlaufruf der Hitler - Partei heißt es: ,, Hitler ist unser Mann. Er führt uns mit des Himmels und mit unserer Hilfe durch Opfer, Arbeit, Kampf und Not zu Freiheit und Brot".
Die Hilfe des Dompfarrers von Soldin Dr. Friedrich Wienecke hat die Hitler - Partei ganz gewiß. Dieser Mann schrieb in einem Aufsatz über den Geist des Christentums und der nationalsozialistischen Bewegung:
Es ist eine heilige Christenpflicht, den volts schändenden Geist der Humanität zu überwin
den."
Ehre
Menschlichkeit eine Schande, Unmenschlichkeit und Mord eine das ist der Glaube dieses nationalsozialistischen Dieners des
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Himmels!
Mord! Mord!
In Ulm sprach der Nationalsozialist Gregor Straßer :
,, In dem Maße, wie die Bewegung wächst, fonnte man stiller und höflicher werden. Und wenn wir die Macht im Staate erreicht haben, wollen wir ganz höflich sein aber gehängt wird doch!"
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Der nationalsozialistische badische Landtagsabgeordnete Roth erklärte in einer Versammlung in Wollmatingen :
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Wenn die Stunde fomme, gibt es nur zwei Wege. Einen guten und einen blutigen. Es darf nur eine Strafe geben, das ist die Todesstrafe".
Der Nationalsozialist Kraft rief im Landtag einem Abgeord neten zu:
,, Vielleicht können sie sich einmal selber entscheiden, ob sie erschossen, gehängt oder geschächtet werden wollen". Der nationalsozialistische Redner Kurt Maier aus Freiburg sprach am 8. September in einer Versammlung in Ihringen :
,, Es ist ganz gleich, wenn eine Größe, die heute oben sitzt, durch Bomben beseitigt wird".
Hängen, Erschießen, Schächten und Bombenwerfen, das ist Anfang und Ende nationalsozialistischer Politik.
Ob sie lästern, ob sie zum Mord heßen, ob sie lügen- in allen Fällen sind sie gleich verächtlich. So sehen sie aus die Helden vom So fassen sie die heilige Christenpflicht im Geiste des Dompfarres Dritten Reich! Fort mit ihnen, wo sie hingehören: In die Kaltvon Soldin auf: masserheilanstalt, aber nicht in den Reichstag !
Gammeltransporte der Nazis verboten. gefämpft hätten. So habe sein eigener Großvater unter diesen
Fahnen auf den Barrikaden in Rönigsberg mitgefämpft. Er führte weiter aus, daß Faschismus Gewaltherrschaft sei. Ein italienischer Faschistenführer habe ihm einmal erklärt, man brauche einem Menschen nur einen halben Liter Rizinusöl einzutrichtern und er Die Pressestelle der Regierung Wiesbaden teilt mit, daß der würde seine Meinung schon ändern. Diesem Manne habe er geantPolizeipräsident in Wiesbaden an die Ortsgruppe der National- wortet, er habe eine große Hochachtung vor den deutschen sozial sozialistischen deutschen Arbeiterpartei in Wiesbaden folgende Ver- demokratischen Arbeitern, denen fönne man drei Liter eintrichtern fügung gerichtet hat: und sie würden trotzdem ihre Meinung nicht ändern.
In letzter Zeit sind bei der Durchsuchung von Lastkraftwagen, die von Nationalsozialisten besetzt waren und zu Umzügen oder Sammeltransporten benutzt wurden, in verschiedenen Fällen ver
botene Waffen, zum Teil in ganz erheblicher Anzahl, gefunden worden. Keiner der Wageninsassen wollte sich als Besitzer der Waffen bekennen. Es ist deshalb der Polizei nur dadurch möglich, das Mitführen von Waffen in Fahrzeugen und die dadurch brohende unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern, daß solche Sammeltransporte und Umzüge mittels Kraftfahrzeugen und Fuhrwerken verboten werden. Auf Grund des § 10 II 17 des Allgemeinen Landrechts in Verbindung mit Artikel 123 Absatz 2 der Reichsverfassung verbiete ich deshalb der National sozialistischen deutschen Arbeiterpartei und ihren Nebenorganifationen wegen unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit , Sammeltransporte oder Auf- und Umzüge mittels Kraftfahrzeugen und Fuhrwerken im Bolizeibezirk Wiesbaden vorzunehmen. Da die Verfügung nicht ohne Nachteile für das Gemeinwesen ausgelegt werden kann, wird sie auch dann zur Durchführung gebracht werden, wenn sie mit Beschwerde oder Klage angefochten wird."
Gefängnisstrafe für Waffentragen.
Das hiesige erweiterte Schöffengericht fällte am Mittwoch erstmalig ein Urteil auf Grund der Waffenverordnung des Reichspräsidenten . Der Verurteilte ist ein mit der kommunistischen Partei sympathisierender junger Mann, der sich einer Klebekolonne angeschlossen hatte und dabei mit einem Schustermesser bewaffnet war, das er für alle Fälle" im Rockärmel trug. Das Urteil ging über die Mindeſtſtrafe von drei Monaten Gefängnis hinaus und verhängte gegen den Angeklagten eine Gefängnis
nämlich die Freunde des Staats- strafe von sechs Monaten.
Unruhe um den Finnlandvertrag.
tretern
Regierungsbesprechungen in Holland . Halbamtlich wird von der holländischen Regierung bekannt gegeben, daß im Landwirtschaftsministerium eine eingehende Besprechung zwischen dem Landwirtschaftsminister und Vertretern des Außenministeriums einerseits und etwa 20 Verlandwirtschaftlicher Organisationen, darunter auch des holländischen Molkereiverbandes, andererseits über die Maßnahmen stattgefunden hat, die von der Regierung er griffen werden könnten, um gewisse Schwierigkeiten, die sich für die holländische Landwirtschaft infolge der Handelspolitik mehrerer als holländische Absahmärkte in Frage kommender Länder ergeben, abzumehren. Insbesondere beschäftigte man sich dabei auch mit dem neuen deutsch - finnischen Handelsvertrag und den Schwierigkeiten, die aus dessen Anwendung für die holländische Butterausfuhr nach Deutschland befürchtet werden. Am Schluß der Besprechung betonte der Landwirtschaftsminister, daß es sich bei diesen Erörterungen nur um eine informatorische Besprechung handeln könne, daß die Regierung jedoch den angeschnittenen Fragen die größte Aufmertsamteit widmen werde.
Hölz fordert Rache! Demonstration in Falfenstein.
Faltenstein, 11. September.
Hier fand gestern abend eine Protestversammlung der Kommunisten aus Anlaß der Vorgänge in der Wilhelmshöhe statt. Anschließend an die Protestversammlung bewegte sich ein Demonstrationszug durch die Straßen der Stadt. Vor der Wohnung des Mar Hölz behandelnden Arztes machte der Zug Halt. Hölz wurde aus der Arztwohnung in ein Auto gebracht, das mit ihm im Demonstrationszug fuhr. Vor dem Rathaus sprach hölz mit verbundenem Kopfe zur Menge und forderte zur Rache auf. Gegen 49 Uhr war die Demonstration beendet. Heute früh 7 Uhr hat Hölz im Automobil Falkenstein verlassen.
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Staatspartei im Sporipalast. Unter Schwarzrotgold und Schwarzweißrof.
Im Berliner Sportpalast hielt am Donnerstagabend die Deutsche Staatspartei eine Maffenfundgebung ab, bei der Koch Im Memelland will Litauen durch vorübergehenden Massen- Befer, Artur Mahraun , Reichsfinanzminister Dietrich Im Memelland will Litauen durch vorübergehenden Massen- und die Spitzenkandidaten der Berliner Wahlkreise sprachen. Kochzuzug feiner Leute die Landtagswahl fälschen. Entgegen dem Memelstatut hat man den Protest der deutschen Parteien gegen diese Weser verlangte liebevolle Achtung vor Schwarzrotgold und liebsbezeichnende Auslegung" abgewiesen. Die Beschwerdeführer rufen volle Ehrung des alten Schwarzweißrot. Artur Mahraun jezt den Staatspräsidenten an betonte, daß auch schon unsere Borfahren unter Schwarzrotgold
Reichsfinanzminister Dietrich sprach zu den finanzpolitischen Das Rednerpult war diesmal mit schwarzrotgoldenem Fahnen
Fragen.
tuch und an den Seiten mit je einer schwarzrotgoldenen und schwarzweißroten Fahne geschmückt.
Lohndruck mit Christenhilfe.
Der fürstliche Hitlerfreund und seine Arbeiter. Der neue Führer der österreichischen Heimwehr, Rüdiger Starhemberg
, war bis Ende 1918 ein„ Fürst". Die Republik Deutschösterreich hat aber den Adei abgeschafft und sie hat auch den reich" verliehen, sondern sie heißen einfach bürgerlich Franz Salvator Habsburgern nicht etwa den Familiennamen„ Erzherzog von DesterHabsburg, Eugen Habsburg und Elisabeth Habsburg , welche Kaiserenkelin übrigens eifrige Sozialdemokratin und die Frau eines Lehrers ist. Ist nun der Starhemberg aber auch kein Fürst" mehr, so besitzt er doch noch tausende Hektar Land und viele Schlösser. In dem Aufruf bei Uebernahme der Heimwehrführung hat nun dieser ehemalige Roßbacher und Freund Hitlers die ,, Kameraden aus dem Arbeiterstand" aufgefordert, in ihm nicht den Unternehmer zu sehen. Davon wird man aber nicht absehen können, wenn man erfährt, daß dieser Volksbefreier vom Marrismus laut Tarifvertrag mit der christlichen Gewerkschaft" seine Tagelöhner bei achtstündiger Schicht mit 4,80 Shilling ( 2,88 m.) täglich besolbet, ihnen
weder Urlaub noch Entgelt dafür gewährt. Die Forstarbeiter be tamen durch ein halbes Jahr für anstrengende zwölfstündige Arbeit 5,93 Schilling( 3,50 M.) ausbezahlt, gleichfalls unter Verweigerung des gesetzlich vorgeschriebenen Urlaubs oder eines Entgelts dafür. Die Kauftraft des Schillings in Deutschösterreich ist beträcht
lich geringer als die der Mart im Reich. Dieser Lohn ist die Hälfte des geltenden Forsttariflohns für Oberösterreich , dabei mußten die Forstarbeiter des Heimwehrführers auch noch das Wertzeug unentgeltlich bereitstellen. So befreit ein Freund Hitlers das deutsche Arbeitervolk vom Marrismus.
Einen neuen Apostel hat Hitler in jenem Roth stock gefunden, der vor Jahren in Wien den Schriftsteller Dr. Bettauer ermordet hat und dann lange als irrfinnig in Anstaltspflege war. Jetzt gibt er in Wien eine Wochenschrift für Politik" heraus, in der er für Hitler Propaganda macht. Mörder aller Länder, vereinigt euch! Das könnte die Weltparole des ,, Antimargismus“ sein!
Um die Haftbefehle gegen die Bombeuleger. Bei Beginn des gestrigen Verhandlungstages reichte der Verteidiger Luetgebrune eine Beschwerdeschrift wegen der Haftbefehle gegen die Bombenleger Becker und Weschte ein. Der Vorsitzende schlug eine furze Pause vor, um sich mit dem Oberlandesgericht Kiel telephonisch in Verbindung zu sehen. Der Oberstaatsanwalt beantragte eine Zurückweisung der Beschwerdeschrift des Verteidigers. Das Gericht. beschloß darauf, die Beschwerde des Verteidigers dem Beschwerdegericht vorzulegen.
Die Meister des Dessauer Bauhauses erklären in einer einftimmig gefaßten Entschließung, daß sie die Persönlichkeit und die Dom besten Wollen getragene Arbeit des bisherigen Bauhausleiters Hannes Meyer durchaus würdigen, daß aber die Entwicklung der Verhältnisse innerhalb des Bauhauses einen Wechsel in der Leitung erforderlich machte. Sie sprechen dem neuen Leiter Mies
Dan der Rohe ihr Bertrauen aus und sind überzeugt, daß unter ihm dem Institut eine sachliche und ersprießliche Arbeit ermöglicht merden wird.