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BERLIN  Freitag 12. September

1930

Der Abend

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Nr. 428

B 213 47. Jahrgang

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Leibeigene des Fünfjahresplans

Sowjetbehörden zwingen Arbeiter zu Zwangsarbeits- Kontrakten

Kowno  , 12. September.

Nach Meldungen aus Moskau   nimmt der Kampf gegen die Disziplinlosigkeit der Arbeiter in den Sowjelbetrieben immer schärfere Formen an. Die Behörden haben den Kampf in die Werke selbst verlegt und die Arbeiterausschüffe beauftragt, mit allen Mitteln gegen ungeeignete Arbeitskräfte vorzugehen. Auf einem großen Werk in Odessa   sind 14 Arbeiter unter der Anklage der 3uchtlosigkeit" aus dem Betriebe entfernt und in den 2n­flagezustand versetzt worden. In Kiew   ist der Vorsitzende des Bezirksvollzugsausschusses wegen Unfähigkeit und Disziplinlosigkeit aus der Partei ausgeschlossen und von seinem Amt entfernt worden. Durch die Sowjetbehörden wird neuerlich, um der Arbeiterflucht enfgegenzuwirken, dafür Stimmung gemacht, daß die Arbeiter, ins­besondere fommunistische Parteiangehörige, neue langfristige Arbeitsverträge abschließen. In einem großen Odessaer Wert und in der Ukraine   ist es gelungen, die Arbeiter zur Uebernahme der Verpflichtung zu bewegen, bis 3 um Schluß der Durchführung des Fünfjahresplans auf ihrer jehigen Arbeitsstelle auszuharren. Diese Arbeiter haben sich zu Leibeigenen des Fünfjahres­planes" erflärt, was von der Moskauer Presse in großer Auf­machung gebracht wird.

Diese Arbeiterkontrakte, die dem Arbeiter seine Frei­zügigkeit nehmen, sind den folonialen 3wangsarbeitsver­trägen nachgebildet, mit denen die fapitalistischen Kolonial­ausbeuter Hunderttausende und Millionen schußloser Ein­geborener unter ihre Profitknute zwingen.

Das ,, Arbeiterparadies" ist auf die Stufe einer kapitalisti­ schen   Ausbeuterkolonie gesunken.

Ehrenfalve für Rathenaumörder

Aber Naumburger   Gericht spricht frei

Kameraden, wir meilen hier an den Gräbern unserer toten Kameraden Fischer und Kern. Sie waren echte deutsche  Jungen. Sie haben Deutschland   von jemandem befreit, der ein Schandfled war. Wir wissen, daß wir in Deutschland   noch viel folche Schandflecke haben.

In der nicht gerade ruhmvollen Justizgeschichte der Republit hat| Agitators Friz Riedel. Riedel kommandierte Stillgestanden" der Naumburger   Gerichtssprengel einen besonders und hielt folgende Ansprache: Wir erinnern an jenen Amtsrichter traurigen Ruf erworben. Beinert, der megen Beschimpfung Erzbergers und Rathenaus diszipliniert werden mußte, an den Freispruch des Halleschen Chef­redakteurs Elze trotz schwerer Ministerbeleidigung, an die Haß­urteile gegen den französischen   Schwimmer Cuvelier, an die un­glaubliche Milde gegen nationalsozialistische Rohlinge, deren einer für den eingeschlagenen Schädel eines Gegners zunächst einen Strafbefch über 20 Mark wegen ruheftörenden Lärms erhielt!

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Darauf wurde über den Gräbern von Fischer und Kern eine Ehrensalve abgegeben. Den Wortlaut der Ansprache hat der anwesende Kriminalsekretär 2o3e jofort notiert. Die Staats­anwaltschaft erhob Anklage auf Grund§ 5 3iffer 3 und 4 des Republitschuhgesetzes wegen Billigung des Mordes und Beschimpfung Bezt hat das Schofiengericht in Raumburg ein Urteil eines toten Ministers. Obwohl die Anklage von Oberstaatsanwalt er beantragte eine gefällt, das ähnlich wie der jüngst in Berlin   erfolgte Freispruche   ßler durchaus sachgemäß vertreten wurde Gefängnisstrafe von sieben Monaten kam das Schöffengericht Naumburg   unter Vorsitz des Landgerichtsrats Dr. Albrecht zu einem glatten Freispruch.

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Am Sonntag Wahl

von 8 bis 5 Uhr

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Saarbahnschutz verschwindet. auf den Schluß nahelegt, daß gewiffe Juftizorgane

Rat wird seine völlige Aufhebung befchließen. Genf  , 12. September.

Der Völkerbundsrat hält heute nachmittag eine Sitzung ab, die hauptsächlich der Frage des Bahnschutzes im Saargebiet ge­widmet ist. Der italienische Delegierte Scialoja wird in feiner Eigenschaft als Berichterstatter dem Rat einen Vorschlag unterbreiten, der in den gemeinsamen Besprechungen des Dreier- Ausschuffes ( Curtius, Briand  , Scialoja) mit dem Präsidenten der Regierungs­fommission des Saargebietes vorbereitet worden ist. Scialoja wird, wie man hört, dem Bölkerbundsrat vorschlagen, die Bahnschuh­truppen bis spätestens 1. Januar 1930 vollständig zurüd­zuziehen. An der Zustimmung des Rates wird nicht gezweifelt.

Europa  - Antrag auf der Tagesordnung.

Genf  , 12. September.

Der französische   Außenminister hat gestern beim Präsidenten Der Bundesversammlung   den Antrag gestellt, die Entschließung, die die Bertreter der europäischen   Staaten am 8. September zur Frage der europäischen   Föderation angenommen haben, auf die Tages­ordnung der Bundesversammlung zu setzen.

Hermann Müller   rechnet ab.

Begeisterte Wahlfundgebung für den Befreiungsfanzler Wiesbaden  , 12. September.  ( Eigenbericht.) Bor einer vieltausendköpfigen Menschenmenge sprach am Don­nerstagabend in der Stadthalle Reichstanzler a. D. Her. mann Müller. Der Andrang war so start, daß viele teinen Ein­laß bekommen fonnten und Müller, der wegen seiner Be­freiungspolitik stürmisch gefeiert wurde, noch in einer Parallelversammlung sprechen mußte

Ernste Worte richtete der Redner vor allem an das Zentrum, das den Wahlkampf gegen die Sozialdemokratie mit den unsach­lichsten Mitteln führt. Warum, fragte Hermann Müller  , hat uns bas Zentrum 21 Monate regieren lassen, und warum hat das Zentrum mit regiert, wenn wir nur Mißwirtschaft getrieben haben? Dem Zentrum habe der gute Wille gefehlt, mit der Sozial­demokratie überhaupt zu einer Einigung zu fommen. Wenn die Politit Brünings nach dem 14. September Trumpf werde, fönne das deutsche Volt noch was erleben.

Mit aller Schärfe wandte sich Hermann Müller   gegen die Bee hauptung, sein Kabinett habe ebenfalls mit dem Artikel 48 gespielt. Niemals hätten Ebert oder er eine Verordnung auf Grund des Artikels 48 erlassen, die vom Reichstag abgelehnt worden sei. Sein entschiedenes Bekenntnis für die Sozialpolitit, ohne die Deutschland   nicht mehr leben könne, wurde mit großem Beifall aufgenommen.

wegen ,, Judenbastard" und ,, lächerlicher Bonze" beinahe zwangs­läufig den Schluß nahelegt, daß gemiffe Justizorgane ob Schöffen oder gelehrte Richter, läßt sich zunächst nicht übersehen-

die Gesetze der Republik   nicht anwenden und ausführen wollen, zumal dann nicht, wenn diese Gesetze zum Schutz der Republik   und ihrer Organe angewandt werden.

Hier der Tatbestand: Am Pfingstsonntag dieses Jahres erschien auf dem Friedhof Saaled, wo sich die Gräber der Rathenau­mörder Fischer und Kern befinden, eine Schar von 15 Haten freuzlern mit geschulterten Gewehren(!) unter Führung des

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Die mündliche Begründung des Freispruchs ist so widerspruchs­voll und unlogisch, daß es schwer fällt, an die Ueberzeugung dessen, der sie vorgetragen hat, von der Beweiskraft seiner Gründe zu glauben. Um zum Freispruch zu gelangen, operiert die Urteils­begründung fogar mit handgreiflichen unrichtigkeiten. So wird eingangs der Urteilsbegründung behauptet, der Angeklagte hätte ursprünglich eine Feier für gefallene Kriegsfame= raden veranstalten und auf die Gefallenen des Weltkrieges sprechen wollen. Eine Unmöglichkeit, denn

auf dem Friedhof Saaled liegen, wovon das Gericht sich jederzeit überzeugen fonnte, überhaupt feine Kriegsgefallenen.

Es liegen dort nur die Rathenaumörder Fischer und Kern. Aber diese Ausrede brauchte das Gericht, um weiter folgern zu können, daß der ungebildete" Angeklagte er ist gewohnheitsmäßiger Agitator, wenn er sich auch ,, Arbeiter" nennt! ohne Vor= bereitung gesprochen habe. Er habe sich bei dem Worte Schandfleck" womöglich etwas ganz arderes gedacht, als

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Der erschlaffte Diftator

DEUTSCHLAND  

ERWACHE!

DEUTSCHLA

ERWACHE

Deutschland   erwache- Hitler zu Bette!

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Die Kraftnatur Hitlers  bat die Anstrengungen der Sportpalaft Versammlung nicht ertragen. Wir haben ihn in die Badewanne sehen und zu Bett bringen müffen"

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( Goebbels   im Orpheum")