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Ollo Schmidt:

Marie von Ebner- Eschenbach

Eine adlige Vorkämpferin der neuen Zeit

Ein mährischer Gutshof vor etwa hundert Jahren, wo sich die in der Nonelle rühmend erwähnten ihre mit seiner befannten Leibeigenschaft des Landbolles- mie überall im alten öfter- Schrift 3 Monate Fabritarbeiter". reichischen Feudalstaat trotz gefeßlicher Abschaffung bis tief ins 19. Jahrhundert erhalten hat. Eben treibt der rohe Gutsvogt mit Schlägen die murrenden, müden Tagelöhner an ihre Arbeit. Gleich gültig sieht die vorüberspazierende Familie des adligen Grundherrn dem häßlichen Auftritt zu. Das unzufriedene Bad verdient es nicht besser... denten mit flüchtigem Najcrümpfen die elegant gefleideten Schloßdamen. Da stürzt aus den Reihen der vornehmen Gesellschaft ein kleines Mädchen hervor, die Tochter des Gutsherrn. Zorn

funfeinden Auges läuft sie laut schreiend auf den Aufseher zu und versucht, mit ihren Kinderhänden dem harten Quäler Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

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Die fleine Komtesse, die in so findlich- naiver Weise den Unter brückten beistehen mollte, war die spätere berühmte Dichterin Marie von Ebner- Eschenbach , deren Geburtstag fich heute zum hundertsten Male jährt. Auch sonst gab sie, der Sproß eines Adelsgeschlechtes, schon in der Jugend mancherlei Beweise früherwachten sozialen Berständnisses. Mit Scham empfand sie es 3. B., menn die Bauersfrauen des Dorfes im Sonntagsstaat die Giebigkeiten"( das find Abgaben in Naturalien) nach dem väter lichen Schloß brachten, die sie zu leisten schuldig waren. Hinter all den Festlichkeiten und Ehrenbezeugungen, welche die Landbevölke rung mit den herkömmlichen Triumphbogen, Ansprachen und Böller­schüssen bei feierlichen Gelegenheiten der Gutsherrschaft bereiteten, gewahrte die Heranwachsende bald wie die Heldin in ihrem späteren Buch ,, Unfühnbar" auf den Gefichtern der Menge ,, den Ausdruck eines geheimnisvollen, ererbten Leids". Und in ihr er­wacht der Gedanke: ,, Was dich da anruft mit stummer, unbewußter Klage, das ist die nach Erlösung ringende ewige Dienstbarkeit."

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Diesem Grundzuge ihres Wesens ist Marie v. Ebner- Eschenbach heu geblieben ein langes Leben hindurch, im praktischen Handeln wie im dichterischen Schaffen. Auf ihrem mährischen Landsitz 3dislavic, wo fie 1830 geboren wurde und später einen großen Teil ihres Lebens zubrachte, suchte sie Verkehr nicht nur mit den benach barten Magnatenfamilien und Edelleuten, sondern lernte in täg lichem persönlichen Umgange des arbeitende Landvolk immer inniger fennen und schätzen. Kaum ein Tag, an dem sie ihr Weg nicht in die umliegenden Dörfer zu den Hütten den Armut führte, wo sic fich als eine tatkräftige. Helferin und Beraterin der Alten und Jungen erwies, ohne sie zu beschämen. Mit Verehrung sprach man von ihr. So schärfte sich frühzeitig ihr Blick für die um die Mitte des 19. Jahrhunderts sich anbahnenden bedeutsamen Umwälzungen im Gesellschaftsgefüge des alternden österreichischen Staates, für den Niedergang des verrotteten Adelssfandes und das Emporrecken der ihrer Bedeutung allmählich bewußt werdenden arbeitender: Schichten. Schmere äußere und innere Kämpfe mußte fie durch fechten, als man in ihrer vornehmen Verwandtschaft die einer Freifrau" so unwürdigen Neigungen und Ueberzeugungen erkannte und die Abtrünnige zur Rückkehr zu ererbten Vorurteilen drängen wollte. Oft genug hat sie ihre adligen Standesgenossen an ihre Menschenpflichten gemahnt und das soziale Gemissen der vom Schicksal Bevorzugten machzurütteln versucht. Nicht mehr wie bisher ohne Kenntnis des Elends und der Jahrhunderte alten Schuld des eigenen Standes sollten fie dahinlehen in leppigfeit und Nichtstun

Vor allem aber hat Marie v. Ebner- Eschenbach in ihren schrift­ftelerischen Berken eine echt soziale Gesinnung befundet. Die seinen Hände, die einst so fräftig zugreifen wollten bei jenem Auftritt auf dem väterlichen Gutshof, lernten später die Feder als scharfe Waffe gegen alle Standesvorurteile und Ungerechtigkeiten führen. In den stürmischen Briefen aus Franzensbad "( die später leider nicht in die Gesammelten Werte aufgenommen wurden und heute schwer erhältlich find) geht sie mit feurigem Ungestüm ins Gericht mit jenem nichtigen, in strupellosem Genuß aufgehenden Drohnen. dalein der Adelsgesellschaft. Sic forderte freilich vergebens daß die Aristokratie die beginnenden sozialen Umwälzungen bes

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greifen und sich in eine neue Gesellschaftsordnung einfügen möge. In der Novelle Der Kreis physitus", die ein geschichtlich treues, lebendiges Bild des polnischen Aufstandes von 1846 ent­rollt, läßt sie den Revolutionär Dembowski ausrufen: Was uns zulommt, ist die Erlösung der Armen, deren Jammer zu ermessen wir besser vermögen als sie selbst. Studenten und Männer der Wissenschaft. mit welchem Recht vertieft Ihr Euch in die Er­forschung der schwierigsten Welt und Daseinsrätsel, während um Euch noch Menschen leben, mit dem gleichen Anspruch auf Er­fenntnis ausgestattet mie 3hr und unfähig, die einfachste Ge­bantenreihe zu bilden?"

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Kaum irgendmo in deutscher Dichtung sind die Greuel der Leibeigenschaft in der noch heut von manchen gerühmten ,, patriarcha. fischen Zeit und ihre feelischen Auswirkungen aus eigener Senntnis heraus so muchtig und ingrimmig geschildert, wie in den Ebnerschen Novellen Er läßt die Hand küssen, llnfühnbar". Jatob Szela" und dem bereits erwähnten Kreis physikus". Schon als Kulturbilder verdienen deshalb diese Er­zählungen auch heute Beachtung. Unauslöschlich prägt sich dem Leser die entsetzliche gedankenlose Grausamkeit ein, mit der in der zuerst genannten Geschichte eine sonst gar nicht so bösartige Guts herrin einen Leibeigenen während der Aufführung eines von ihr gedichteten Schäferspieles zu Tode prügeln läßt, weil er zu seiner gewaltsam von ihm getrennten Geliebten durchbrennt. Auch in den Sittengemälden der Dorf- und Schloßgeschichten offen bart sich, imbeirrt durch Zu- und Abneigung, das tiefe Erbarmen Der Dichterin mit unverfchuldetem Elend, ihr heißer Drang zu helfen. Cin Meisterwerf der Seelenkunde und Sittenschilderung ist Das Gemeindekind ", wohl ihr reifftes Wert. Wir blicken barin in die seelischen Abgründe elender, verfemter Menschen, an denen die Gesellschaft schuldig wird; wir erkennen schaubernd, melch erbärmliche Gesinnung sich oft unter der Fürsorge" bürgerlich. wohlanständiger Kreise für die Gefährdeten verbirgt. Als Lumpen bagage" werben diese vermeintlichen Wohltäter aus Schloß ward Dorf fchonungslos gekennzeichnet. Aus eigener Kraft ringt sich ber Held der Geschichte, der Sohn eines Roubmörders, zu einen reineren, lichteren Dasein empor. Hier wie in anderen Werten spüren wir die Ueberzeugung der Verfasserin, daß sittliche Mächte Boraussetzungen jeder Gefundung der Gesellschaft bilden. Ueberall setzt sie ähnlich wie Tolstoi der großen Welt" des Müßig gangs und Wohllebens die wahre große Welt der Maffe des wert tätigen Voltes entgegen, entdeckt sie eine ganz neue, andere Welt der abgearbeiteten Gesichter und der wetterharten Gestalten, die damals vor dem Auftreten der naturalistischen Etrömung in der Biteratur taum eine Rolle gespielt hatte.

In innerliche, religiöse Krisen hinein führt uns Marie von Ebner Eschenbach in der Erzählung Glaubenslos. Der Held, ein janger Geiftlicher, erinnert in feinem feelchen Swiefpaft an unferen

Als mutige Borkämpferin neuzeitlicher been erweist sich unsere Dichterin auch in ihrer Einstellung zu den Gedanken der Völker­perftändigung und Völkerversöhnung. Berhaßt sind ihr alle Rassen fämpfe, aller nationale Dünfel und Fanatismus, die nach ihrem Ausspruch über die Menschen kommen wie die Nonne über die Bäume und die Reblaus über die Weinstöce". Sie teilt die herrschende Meinung ihrer Zeit nicht, daß ein Aufhören der blutigen Rölkerfriege die allgemeine Erschlaffung der Menschen bedeute. Edlere, größere Zukunftsaufgaben als die Haßfämpfe erblickt sie in dem von der Liebe geführten Kampfe gegen Leiden und Leidenschaften, gegen Belastung und Zurücksetzung aller Schwachen.

Unbeachtet sind die Rufe der adligen Mahnerin nach sozialer Gerechtigkeit und Völkerfrieden in ihrer Zeit verhallt. Schwerste Widerstände hat sie gerade ihrer Abkunft wegen auch in ihrer näheren Umgebung zu überwinden gehabt. Mit Zähigkeit aber hat sie festgehalten an ihren Menschheitsidealen und sich durch jahr zehntelange, verständnislose Mißachtung ihrer dichterischen Schöpfungen nicht entmutigen lassen. Erst auf der Reige der Jahre durfte die alternde Frau den Lorbeer des Dichterruhms ernten, den sie einst schon als Kind und als junges Mädchen im ersten Ansturm zu erringen gehofft hatte. Hat fie much( im hohen Alter ist sie erst 1916 gestorben) die neue Zeit nicht mehr erleben dürfen, Geschichte hat der edlen Vorfämpferin echter Humanität und bat­bereiter sozialer Gesinnung recht gegeben. Sie verdient es, daß ihre Werke in allen Boltsbüchereien einen Ehrenplatz einnehmen und in unserer Zeit eine immer wachsende dankbare Leserschar finden.

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Die Juden im zaristischen Rußland Zu dem Beitrag: Der Zauberer" von R. Gurdus( in Nr. 415) heißt es:

,, Moskau und Petersburg waren... ein verbotenes Baradies für die Juden." In allen Teilen Rußlands durften die Juden sich niederlassen, Mostau und Petersburg waren aber nur mit einem Taufschein zu erreichen."

In Wirklichkeit gab es im damaligen Rußland ein jüdisches Ansiedlungsgebiet, das Litauen , Russisch- Polen, Wefßrußland und einen Teil der Ukraine umfaßte. Was außerhalb dieses Gebietes lag und auch die Dorfgemeinden innerhalb der Ukraine und Weiß­ rußlands das alles war für die Juden ein ,, verbotenes Baradies". Das waren alle innerrussischen Gouvernements ( Iwanowo- Wosnesent, Tula , Twer , Riasan, Kurit usw.), das Wolga -, Ural, Don- und Kubangebiet, das nordöstliche Gebiet des euro päischen Rußlands und das gesamte asiatische Rußland !

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Paris wird Seebad !

Das Meerwasser gilt bei vielen ärztlichen Autoritäten als ein vorzügliches Heilmittel; es enthält viele mirljame Salze. Da nun die Menschen, die sich eine Reise in ein Geebad leisten können, noch imuner in der Minderheit sind, will man in Paris der Majorität der Minderbemittelten billige Meerwasserfuren verschassen, indem man das Geemasser in großen Röhren von der Küste in die französische Hauptstadt leitet, wo es dann verschieden verwendet werden soll. Es ist für die Wirkung des Meermaffers ausschlaggebend, das man es in seinem ursprünglichen Zustand gebraucht, lange Berührung mit Luft und Licht schwächt seine wertvollen Bestandteile. Das Meer­wasser für Paris wird an der Küste des Vermeltanals aus der Tiefe geholt werden und durch unterirdische Kanäle in die französische Hauptstadt geleitet werden.

Der Plan zu dieser großen Anlage ist nicht ganz neu. Schon 1869 ermächtigte ein Ministerialerlaß einen Ingenieur Jean de Dieppe, nach Paris eine Rohrleitung von 175 Kilometer Länge zu legen, um darin Meerwasser aus dem Kanal nach Paris zu bringen. Der Strieg von 1870 ließ den Plan nicht zur Ausführung fommen. Später murde er noch ein paarmal wieder aufgenommen, sogar Georges Clemenceau beschäftigte sich als Vorsitzender des Stadtrats in einer Sigung vom Dezember 1875 damit.

Dann starb der Anreger aber nicht seine Idee; Georges Bemarchand, ehemals Bräsident des Pariser Stadtrates, ermedte fie wieder zum Leben, und mill sie jetzt, da nach den vorhergehenden Ministerialentscheidungen keine Hemmungen mehr zu erwarten sind, endgültig verwirklichen. Der Kubikmeter Meerwasser soll für die Privatleute auf 50 Pfennig und für öffentliche Anstalten auf 25 Pfennig zu stehen konnen, gewiß ein erschwinglicher Preis, wenn man die Kosten eines Badeaufenthalts zum Vergleich heranzieht. Im Zusammenhang mit diesem Plan steht ein großes Unter nehmen der Stadt Le Touquet an der Küste. Man baut dort an einem umfangreichen Bassin, das einige Meter vom Strand ents fernt liegt. Das Bassin wird durch Pumpen mit Meerwasser gefüllt; es soll ein geräumiges, von Ebbe und Flut unabhängiges, vor allen Dingen aber ganz ungefährliches Schwimmbecken werden für alle, die gern im Meer baden würden, wenn es ihnen nicht zu stürmisch wäre. Da das Meerwasser in dem Becken durch eine Heizanlage ftets auf gleichmäßig angenehmer Temperatur gehalten werden fann, wird besonders an fühleren Tagen das richtige" Meer mit seinem fünstlichen Nebenbuhler nicht in Wettbewerb treten tönnen. Auf drei Seiten amphitheatralisch um das Bad ansteigende Sitzpläge werden bei Wasserspielen dreitaufend Zuschauer aufnehmen fönnen. Das Baffin hat eine Fläche von 1600 Quadratmeter, seine geringste Tiefe iſt 90 Zentimeter, feine größte 4 bis 5 Meter an den Sprungbrettern. Verschiedene Gebäude mit Ankleide-, Massage- und Wirtschaftsräumen, außerdem Spielplätze und Sonnenbäder ver­vollständigen die Anlage.

deutschen Tavatforschungsinstituts beschreibt der Direktor des Nifofinfreie Tabatpflanzen. In den Mitteilungsblättern des Instituts, Dr. König, ein Züchtungsprodukt einer Tabatpflanze, die gänzlich nikotinfrei ist. Andererseits hat das Institut aber auch Pflanzen mit dem außerordentlich hohen Nikotingehalt von 12 Broz gezüchtet. Bisher war war der höchstgefundene Gehalt 5,8 Proz

Erna Bifing: Tiere in Pension

Für alle Tierbefiger hat die Urlaubszeit den Schimmer einer Bebrüdung. Wenn sie nämlich herankommt die Reisezeit, wenn man fürsorglich schon alles gepadt hat und sich die Fahrkarte vom Reisebüro holte, dann bemerkt man auf einmal, daß man in feinem Tier ein Wesen mit Seele hinterläßt. Doch fann diese Seele nicht die Notwendigkeit von Erholungstagen, nebst der vorübergehenden Trennung verstehen. Der Abreisende fann weiter nichts für sein Tier tun, als dessen Körper pflegen lassen. Darum gibt er sein Tier in Pension beim Tierschutzverein. Und dort sitzen die Pensionäre und warten und fressen und schlofen und suchen nach

neuen Eindrüden.

Die Menschen bilden sich etwas darauf ein, daß fie für ihre Tiere Pensionsgeld bezahlen. Doch handeln sie nur aus Egoismus.

Das Tier macht ihnen Freude, das Tier ist ihnen nüglich und darum besigen sie es. Eine Wohnung fann von Dieben ausgeräumt werden, eine Stellung fann man durch sein eingefädelte Intrigen nerlieren, sobald man auf Reisen geht. Damit rechnet man je nach Gemütsveranlagung ziemlich frei und offen oder ganz heinlich in der schlaflosen Stunde einer Nacht. Aber sein Tier, das mill man auf alle Fälle wieder antreffen, menn man heimfehrt. Diefer­halb gibt man es in Verwahrung. Biele Menschen können ohne Tier überhaupt nicht leben; denn sie haben ein gleich großes Talent zum Berhätschein wie zum Sklavenhalter.

Die leidige Chefcheidung.

Frauchen und Herrchen lassen sich scheiden und darum wurde er, der deutsche Schäferhund, in Pension gegeben.

Das Ehepaar hat sich einander gründlichst über. Die beiden haben lein Haß aufeinander, fie fönnen sich bloß nicht mehr aus­stehen. Reibungslos einigen sie sich über den Verbleib des ganzen Haushalts, fie gönnen einander die Möbel, die Bettwäsche, das ererbte Silber von Tante Eulalia und die vergoldete, start abgenutzte Buderdose von Tante Klärchen, nur den Hund, den gönnen sie einander nicht. Darum figt er jetzt in Benfion.

Umschichtig wird er besucht. Den einen Tag tommt Herrchen, den anderen Tag kommt Frauchen. Für den Hund ist das ein stetes Abschiednehmen und er verheult, vermeint und verjammert feine furzen Tage. Ja, ohne Uebertreibung, der eigentlich Leid. tragende bei dieser Ehescheidung ist wirklich der Schäferhund. Das Streifobjeft.

Eines Tages tamen, als viel angeftaunte Gäste, Herr und Frau Marder in Pension. Ein Forstbeamter und sein Kollege waren um diefe poffierlichen Tiere in Uneinigkeit geraten. Beide wollten Marder zivilifieren, fie feßhaft machen, fie züchten und ihre Felle möglichst vorteilhaft verwerten. Gemeinsam beschafften sie sich die Tiere und dann kam zwischen die beiden Befizer die Uneinigkeit, die sich langsam, aber sicher zum Bermögensstreit auswuchs.

Und während Rechtsanwälte sich tiefsinnig und gewinnbringend über Ansprüche auf Marder in glänzender Rede auszudrücken be­mühen und Akten über Aften geschrieben werden und die Akten mappen fich fühlbar füllen, toben die Marder in ihrem Pensionsstall. Luft, Koft und Gefangenschaft belommen ihnen gut. Herr und Frau Marder haben inzwischen bewiesen, daß fie zum Züchtungs­perfuch durchaus geeignet find. Die jungen Marder huschen gesund und munter durch den Käfig. Sie sind schnell wie Sonnenstrahlen; denn für Marder ift Bewegung weiter nichts als selbstverständlidste Lebensäußerung. Zuweilen möchte man glauben, das Chaos ordnete fidh , als der Rhythmus in die Welt fam, wenn man das bewegliche Linienspiel der Marder jedoch genau ansieht, meint man, der Rhythmus fei schon vor dem Chans gewesen.

Ste toben und freuen sich ihres Lebens, die Marber, Und der Pfleger freut sich darüber, daß ein Rechtsstrett recht lange dauert. Er hat am Streit Interesse und wünscht den Tieren, lebenslanges Streitobjekt zu sein. Es ist ja gleich, welchem Forstbeamten fie von Rechts wegen zugesprochen werden. Ihr Ende ist dasselbe. Sie hängen afs Belzframatte einer, parfümierten Edönen um den Hals.

Die aufgehobenen Vögel.

Ein Schupo brachte diese Vögel. Ihr Besizer fam ins Ge­fängnis, und die Zimmervermieterin, bei der er einst gewohnt, weigerte sich ganz energisch, die Vögel durchzufüttern. Fliegen Tassen wollte sie die Bögel auch nicht, um eine solche Untat zu be gehen, hatte sie kein Herz, denn die fremdländischen Biester würden

draußen doch mir verkommen.

Da nahm ein Schupo sich der Tiere an und brachte sie unter etwas unbeholfenen Entschuldigungen nach dem Tierschußheim.

Dort werden die Tiere aufgehoben. Und wenn ihr Besitzer ins Leben zurückfommt, dann findet er hoffentlich über die aufgehobenen Bögel wieder den Weg zu den Menschen.

Der ewige Penfionskater.

Er gehört einer Krankenschwester. Nicht aus unglücklicher Liebe oder einem Berzagtsein an der Welt, sondern aus Idealismus er­wählte sie ihren Beruf. Sie wollte Hilflosen dienen, Kranten helfen, sie war ganz erfüllt von der Idee, Gutes tun zu müssen.

Jahr für Jahr tut sie nun schon ihre Pflicht. Immer weilt sie unter Kranken, die Lustigkeit der Welt eristiert für sie nicht. Und menn fie einmal in einen harmlos fröhlichen Kreis tommt, dann wird selbst deffen wohltemperiertes Aussichherausgehen für fie noch gedämpft durch die vielen schweren miterlebnisse, die ihr Dasein durchziehen. Immer denkt sie an andere, immer hat sie einen Kranken zu betreuen, der ihrer Pflege ganz besonders bedarf.

Sie sucht eine Brüde zu jedem franten Menschen. Dennoch pflegt sie oft mur Körper und behandelt vorschriftsmäßig Kranf heiten, weil der Kranke in einem unsichtbaren Schrein seine Seele aufhebt für beffere Tage. Viele Kranke sind nur tonzentriert auf ihre Schmerzen, betrachten die ganze Umgebung vom Ichstandpunkt aus. Sie bedauern sich und befürchten, daß ein williges Reagieren auf die freundliche Fürsorge der Pflegerin ihrem Mitleid mit sich felbft Abbruch täte.

Andere Krante sind dankbar für die kleinste Handreichung. Bei Gesundung und Abschied finden sie Worte ehrlicher Dankbarkeit und fargen nicht mit Bersprechungen von davernder Erinnerung usw. Doch hört die Schwester faum je wieder von ihnen; denn für die Gefundeten ist das Strantenhaus nicht ihr Ort der Ge= nefung, fondern der Sitz der bösen Geister. Das Leben ist voller Eindrücke, das Leben stellt Ansprüche an die Gesunden und sie fürchten die lastende Stille des Krankenhauses, überschreiten nicht gerne seine Schwelle und gehen nicht gerne in die Säle, in denen das Leid zusammengepfercht ist.

So ist sic legten Endes allein die Krantenpflegerin. Aus diesem großen Alleinsein heraus hing fie ihr Herz an ein Tier. Sie hat einen schneeweißen, Kater, ein herrliches, freundliches Geschöpf. Doch darf sie ihn nicht im Krantenhaus bei sich haben. So fam er in Benfion. Wenn siehen Tage voll schwerster Arbeit bezwungen sind, darf die Krantenpflegerin eirmal bewußtes Ichy sein, darf auch fie Dann bejud diese be­einmal Ansprüche ans Leben stellen. scheidene Menschenseele den schneeweißen, ewigen" Pensionstater, der ihr gehört und der schmeichelt und sich freut Frauchen foment.

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