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Gedämpfte Siegesfeier.

Ein Aufruf des Zentralfomitees der KPD .

Das Zentralkomitee der KPD. hat aus Anlaß der Reichstags­wahlen einen Aufruf erscheinen lassen, der die sonst gewohnte Groß­mäuligkeit in erstaunlich weitem Umfange vermissen läßt. Offenbar wurde der Strom der Kraftphrasen diesmal durch die Tatsache ge­hemmt, daß man in der Demagogie seinen Meister gefunden hat und daß der Bolschewismus vom Faschismus zahlenmäßig weit überflügelt worden ist. Gäbe es noch Wunder, so könnte man bei­nahe glauben, daß man im Lager der KPD. zu denken beginnt! Der Ausdruck ,, verräterijcher, arbeiterfeindlicher Sozialfaschis­mus" kommt nur ein einziges Mal in dem Aufruf vor. Ob es nicht an der Zeit wäre, mit dem albernen Witz, die Sozialdemo= fratie als Sozial faschisten zu bezeichnen, überhaupt auf= zuhören? Es gibt in Deutschland echte Faschisten genug, man braucht wirklich feine mehr dazu erfinden!

Bon den Nationalsozialisten wird gesagt:

Sie können dem werftätigen Volfe weder Brot noch Freiheit, sondern nur hunger und Knechtschaft bringen. Darum müssen und werden sie untergehen.

Das ist zweifellos richtig gilt es aber nicht haargenau auch für die Kommunisten? Leider hat doch der Bolschewismus dem russischen Volke bisher auch nichts als hunger und Knecht= schaft gebracht und dabei sind die russischen Kommunisten immer noch unvergleichlich tüchtiger als die deutschen . Was würden die erst anrichten, wenn sie an die Macht kämen?

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An einer anderen Stelle wird gesagt:

Die Arbeiterschaft muß sich bereit halten, mit allen Mitteln, in erster Linie durch die scharfe Waffe des politischen Massenstreiks, die Diktaturpläne der Faschisten zu durch

freuzen.

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Das ist ein ausgezeichneter Sag, den wir festhalten wollen. Hoffentlich wird nicht wieder wie einst beim Kapp- Butsch­Neutralität erklärt. Wenn aber der politische Massenstreit eine so scharfe Waffe ist, so muß man sich hüten, sie durch Mißbrauch stumpf zu machen. Nur wenn Sozialdemokratie und Gewerk schaften die Parole zum Massenstreit ausgeben, wird sie wirk­sam sein.

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Zu dem Aufruf der ZK. schreibt die ,, Rote Fahne " einen Artikel, der sich auch polemisch mit unserem Aufsatz Achtung! Fa schisten gefahr!" beschäftigt. Darin wird angekündigt, daß der Entscheidungstampf zwischen Faschismus und

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Li

Der Gieger

ZUM KLEIN BÜRGER

Schnell die Jalousien runter! Meine Freunde fommen vorbei."

Kommunismus auf den Trümmern.der bankrotten bürgerlichen Demokratie stattfinden wird".

Nach diesem Rezept wäre es zunächst gemeinsame Aufgabe der Faschisten und Kommunisten, aus der ,, bürgerlichen" Demokratie -Republit, gleichem Wahlrecht, Vereins- und Versammlungsfreiheit usw. Kleinholz zu machen, um dann über den Trümmern ihren Entscheidungskampf auszufechten. Mit wieviel hunderttausend blutigen Toten und mit wieviel Millionen von Hungerleichen wird bei diesem Programm eigentlich gerechnet?

Uns scheint es schon besser, dafür zu sorgen, daß es soweit nicht kommt und daß die Kommunisten nicht von der faschistischen leber­macht totgeschlagen werden. Ist der KPD noch ein Rest von Verstand geblieben, dann muß sie begreifen, daß unter den gegebenen Um­ständen der Fortbestand der demokratischen Republit eine Lebens= versicherung für sie bedeutet.

Ein Rote Fahne" Redakteur.

Bersteht von Politik überhaupt nichts."

Wieder einmal stand gestern die, Rofe Fahne" wegen Beleidigung von Sozialdemokraten vor Gericht. Die Berhandlung nahm auch diesmal einen für die kommunisten äußerst fläglichen Verlauf.

Im Dezember 1929 hatte das fommunistische Organ geschrieben, doß ,, Korruption durch Stillschweigen gedeckt und vertuscht worden ist, u. a. durch den Landtagsabgeordneten und Gewerkschafts­beamten Harnisch, den Reichstagsabgeordneten und Stadtrat Dr. Löwenstein, den Borwärts"-Sekretär und jetzigen Stadt verordneten Arndt. den Freidenterhauptkassierer und Stadtver­ordneten Gärtter". Die vier Genossen strengten daraufhin gegen den verantwortlichen Redakteur der Roten Fahne", Frizz Hampel( Slang), der zur Zeit eine Festungsstrafe verbüßt, Privattlage wegen Beleidigung und übler Nachrede an. In der ,, Roten Fahne" war weiter gejagt worden, daß der seinerzeit an­

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Bisheriger Regierungsblock mit Unterstüzung der S.P.D.

19

Bayr Volkspt Staatspartei Wirtschifts Pt Dt- Volkspart Volksku.Bauernpl Zentrum Sozialdemokr 143

20

6236

30

49

69

353

Opposition

224

Koalition plus Wirtschaftspart

Große

19

20

Bayr: Volkspt Staatspartei Wirtschiffs: Pr 23 Dt- Volkspart 30 Zentrum- 69

Sozialdemokr 143

304

Opposition

273

Bisheriger

Regierungs block

Opposition

367 Wirtschafts- Part Dt- Volkspart Dt- Nationale

20

79 Bayr Volkspartei Staatspartei

Mehrheiten

und Minder­

Wirtschafts- Partei heilen im

Dt.- Volkspartei

Reichstag

30

222348

49

Volksk- u.Bauernptn.

Zentrum

69

210

Rechts regierung

Opposition

23

30

41

Volksku Bauernptn

49

Zentrum

69

Nationalsozial 107

258

319

Volksku.Bauernptn. Konservative Volkspartei+ Weifen

+ Deutsches Landvolk+ Christlich- sozialer Volksdienst+ Deutsche Bauernpartei+ Landbund

Fo.

Hitlers Arbeiter" Partei

In Wirklichkeit Partei der Gutsbesitzer und Literaten

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jammen einen Gauleiter, einen Zechenbeamten, einen Kraftwagen­führer, einen Magazinverwalter und einen Betriebsbeamten.

Der ungeahnte Aufschwung der Nationalsozialisten, die sich einen Betriebsangestellten, Westfalen Nord und Süd zu­fälschlicherweise als Arbeiterpartei bezeichnen, macht es notwendig, die Listen ihrer Kandidaten einmal mit der Lupe nach Ar­beitern zu untersuchen. Wir haben uns die Mühe gemacht, die sämtlichen Wahlkreislisten der Hitlerpartei anzusehen und stellen dabei fest, daß bei den in den einzelnen Kreisen gewählten Spizen­kandidaten der. Beruf eines Lohnarbeiters nur Selten heitswert genießt.

So finden wir in Ostpreußen drei gewählte Mannen, von denen der eine als Gauleiter, der nächste als Studienrat, der dritte als Besizer bezeichnet wird. In Berlin und Potsdam II gilt dieselbe Kandidatenliste und da demnach für diese beiden Kreise vier Nazis gewählt sind, kommen in Betracht ein Schriftsteller( Gcebbels), ein Hauptmann a. D. ( Goering ), ein Monteur und ein Studienrat. In Pots dam I ist ordnungsmäßig der wegen Sittlichkeitsvergehens inhaftierte Oberschullehrer Holz gewählt und neben ihm ein Landwirt und ein akademischer Schriftsteller.

In Frankfurt a. d. Oder sind gewählt ein Schriftsteller, ein Kaufmann, ein Bauernhofbesizer; in Pommern ein Fideikommiß­befizer, ein Konditorgehilfe, ein Rechtsanwalt und ein Mann ,, der als Landarbeiter bezeichnet wird. Breslau schickt einen Schrift­leiter, einen Rechtsanwalt, einen Kaufmann und einen Ritterguts­befizer; Liegnig einen Schriftleiter und einen Rechtsanwalt; Oppeln einen Schriftleiter; Magdeburg einen Hauptmann a. D., einen Kaufmann, einen Mittelschullehrer; Merseburg einen Kaufmann, einen pensionierten Lehrer und einen Postinspektor; Thüringen einen Staatsminister, einen Raufmann, einen Land­und Volkswirt und einen Studienrat; Schleswig Holstein einen Amtsgerichtsrat, einen Hauptschriftleiter, einen Hofbefizer und man erschrecke nicht einen Arbeiter!

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Weser Ems bringt einen Kaufmann, einen Schriftleiter und einen Angestellten, Ost Hannover einen Gauleiter und einen Regierungsinspektor, Süd Hannover Braunschweig einen Studienrat a. D., einen Landwirt und einen Kreisrentmeister und

gegriffene Stadtrat Radtte nicht vor das übliche Parteischieds­gericht gestellt worden war, wohin man sonst die einfachen Mit­glieder zitiert. Es habe eine aus höheren Bonzen zusammen­geschobene Sonderfommission diesen Fall ohne Wissen der Mitglied­schaft behandelt". Als Tatsache stellte sich heraus, daß im Gegen­teil ein statutarisch festgesetztes Parteischiedsgericht unter Leitung eines auswärtigen Reichstagsabgeordneten getagt, die Vorwürfe gegen Radtke nachgeprüft und nicht für stichhaltig befunden hat. Gerade die vier angegriffenen Genossen waren es, die dieses schieds­gerichtliche Verfahren befrieben hatten. So mußte der Beklagte sich zu dieser reumütigen Erklärung bequemen:

Der Privatbeklagte nimmt von der Erklärung der Privat: fläger Hermann Harnisch, Dr. Kurt Löwenstein, Josef Arndt und Kurt Gärtner Kenntnis, daß ein statutengemäßes Parteischiedsgericht das Verhalten des Stadtrats Radtke nach­geprüft hat und daß das schiedsgerichtliche Verfahren auf Be= treiben der zuständigen Neuköllner sozialdemokratischen Partei­organisation, zu deren Vorstand die Privatkläger gehörten, ein­geleitet worden ist. Er nimmt die in Nr. 262 der Zeitung ,, Die Rote Fahne " vom 21. Dezember 1929 veröffentlichten Vorwürfe mit dem Ausdruck des Bedauerns zu= rück. Der Privatkläger verpflichtet sich, binnen zwei Wochen diesen Vergleich in der Roten Fahne" und dem Vor­wärts" zu veröfentlichen. Der Privatbeklagte übernimmt die gesamten Kosten des Verfahrens und der Veröffentlichungen."

Ein Rückzug auf der ganzen Linie! Am inter­essantesten aber war in dem Prozeß ein Geständnis, das Hampels Verteidiger machte. Er sagte: Mein Mandant verfaßt satirische Gedichte. Bon Politik versteht er überhaupt nichts." So wird in der ,, Roten Fahne" Redaktion gespielt! So fommen fommunistische Redakteure auf Festung!

Autounfall bei der Reichswehr . Ein Goldat getötet, zwei schwer verletzt. Nürnberg , 17. September.

Cin mit Soldaten befehter Laftfraftwagen stürzte, wie das Bamberger Boltsblatt" aus Haßfurt meldet, in der Nähe von Dörflis , als er in einen Straßengraben fuhr, um. Dabei wurden ein Soldat getötet und zwei schwer verlegt.

dauernder Neigung zu einzelnen Regenfällen, ziemlich fühl, west. Wetter für Berlin : Beränderlich, vorherrschend moliig mit fort, dauernder Neigung zu einzelnen Regenfällen, ziemlich fühl, west: fiche, später nordwestliche Binde.

In Hessen Nassau findet sich neben einem Postinspektor wieder ein Kandidat, der als Hilfsarbeiter und einer, der als Schlosser bezeichnet wird. Außerdem aber kommt ein Steuer­sekretär und ein Landwirt von dort nach Berlin . Köln schickt den als Chemiker drapierten Gauleiter Ley, einen Diplomhandels­und einen Elektromonteur, Düsseldorf - Ost einen Grubenbeamten, einen Bankbeamten, einen Kaufmann, Düssel­dorf West einen Hauptmann a. D. und einen Hüttenbeamten. Von Oberbayern Schwaben fommt ein General a. D., ein Volkswirt und ein Landwirt, von Niederbayern der Apo­thefer Straßer, von Franken ein Handlungsgehilfe. Aus Sachsen , dessen drei Wahlkreise die gleiche nationalsozialistische Lifte aufwiesen, tommen außer einem Apotheker ein Fabrikant, ein Oberschmelzmeister, ein Diplomingenieur, ein Landwirt, ein Kauf­mann, ein Studienrat, ein Musterzeichner und ein Graveur.

Württemberg gibt einen angeblichen Schlosser, der in Wirklichkeit ein Parteiangestellter ist, und einen Kaufmannsangestell­ten, Baden einen Lehrer a. D., einen Landwirt und einen Rechts­anwalt, Hessen den Ehrenpastor a. D. Münchmeyer und einen Lehrer, Hamburg einen Gauleiter und einen Volkswirtschaftler, Mecklenburg endlich an der Spize wieder einen Mann, der als Landarbeiter bezeichnet wird. Ob er es wirklich ist und ob cr das Mandat annehmen kann, läßt sich im Augenblic nicht feststellen.. Das ist beim flüchtigen Durchsehen das Ergebnis einer unendlichen Zahl von Namen. Arbeiter sind nur verschwindend wenige unter ihnen zu finden, aber es fällt auf, daß einzelne Kandi­daten, die immer wieder in verschiedenen Kreisen auftreten, in den verschiedenen Bezirken auch verschiedene Berufsbezeichnungen an­geben. Man kann daraus schlußjolgern, daß auch die wenigen heute noch als Arbeiter bezeichneten Personen in Wirklichkeit mit der Lohn­arbeit soviel zu tun haben, wie das Hakenkreuz mit der politischen Vernunft.

Lieber tot als in Fürsorge. Siebzehnjährige ffürzt sich aus dem Fenster des 3. Stocks

Ein schrecklicher Borfall spielte sich heute vormittag in der Straßmannstraße ab. Dort stürzte sich die 17jährige Gertrud M., nur mit dem Hemd bekleidet, aus dem Fenster des 3. Stbewerts der Wohnung ihrer Eltern auf den Hof hinab.

Das junge Mädchen unterstand der Fürsorge und war in einem Heim in der Nähe Berlins untergebracht worden. Vor einigen Tagen wurde Gertrud M. im Heim vermißt; sie hatte sich heimlich entfernt und bei ihren Eltern in der Straßmann­straße Aufnahme gefunden. Der Aufenthalt des jungen Mädchens war der Behörde inzwischen bekannt geworden und heute erschienen dort zwei Beamte, um den Ausreißer wieder abzuholen. Während die Mutter mit den Beamten noch verhandelte, faßte die Tochter den furchtbaren Entschluß. Sie wollte lieber sterben, als freiwillig in die Anstalt zurückzukehren und stürzte sich auf den Hof hinab. Mit schweren Verlegungen wurde die jugendliche Lebensmüde in das Krankenhaus gebracht.

Bater Pohl fünfundsiebzigjährig.

August Pohl vollendete am 16. September sein 75. Lebens­jahr. Seit 1. März 1891 Mitglied der Partei, war er schon unter dem Sozialistengefeß für die Partei tätig und gehört mit zu den Gründern unserer Wahlvereine. Er war lange Jahre Borsigender des ehemaligen dritten Berliner Wahlkreises und wurde wiederholt zu Parteitagen und internationalen Kongreffen delegiert. Im Jahre 1915 nach der Spaltung der Partei fing er als unterster Funktionär wieder von vorn an und ließ sich feine Mühe verdrießen. Nach der Umwälzung im Jahre 1918/19 murde er im Bureau des Reichspräsidenten beschäftigt, wo er auch heute noch tätig ist. Dort genießt ,, 2 ater Bohl" das Bertrauen seiner Kollegen, denen er ein Vorbild freudiger Pflichterfüllung ist. Er ist heute ebenfalls noch Funktionär des Gesamtverbandes der öffent­lichen Betriebe usw. Vor kurzem hat er leider einen Sohn durch den Tod verloren. Bei den Veranstaltungen der Partei, in Ber­fammlungen, bei Wahlen usw. finden wir ihn jederzeit. Mit der Geschichte der Berliner Sozialdemokratie ist August Bohl untrennbar verbunden. Bir grüßen und beglückwünschen den noch so jungen Alten und wünschen, daß er der Partei und dem Bolt noch lange erhalten bleibt.