Nr. 94.
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Vorwärts
13. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Dunkle Punkte.
Zwei Tage lang hat der deutsche Reichstag sich mit dem Duell beschäftigt. Daß solches noch nothwendig, ist ein dunkler Punkt in dem politischen Leben und Sein des deutschen Volkes.
Mittwoch, den 22. April 1896.
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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Dieses zweitägige Reden von dem dunklen Punkt ist an sich selber ein dunkler Punkt.
Und in diesem dunklen Punkt, oder wenn man lieber und korrekter will: neben diesem dunklen Punkt noch ein anderer dunkler Punkt.
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lang vom Vordergrund der politischen Bühne entfernt, zu einer untergeordneten Rolle verurtheilt gewesen war. Die kleine aber mächtige Partei!" Schr kleinein paar Zehntausend von Menschen unter 50 Millionen ein Punkt ini Meere. Allein ein Punkt, der ins Auge sticht, ein Punkt, der nicht Licht, nein, der Finsterniß ausstrahlt, Niemand wagt den dunklen rothen Blutfleck zu ver Das deutsche Volt nennt sich ein Kulturvolt und der ein dunkler Punkt, aus dem sich seit zwei Menschenaltern, theidigen, nicht einmal ihn zu beschönigen der ReichsIcitende Staat Deutschlands hat sich einstens, im stolzen wie aus einer unerschöpflichen Bandorabüchse, Unheil auf tag war einstimmig in der Verdammung. Das fast noch Bewußtsein seiner Kulturhöhe Intelligenzstaat" genannt. Unheil über uns ergießt Polizeiwirthschaft, Ohm, Gödsche, rauchende Blut der letzten Opfer des Duell- Mordkultus" Juwieweit der Titel berechtigt ist, das wollen wir hier nicht Stieber, Spigelei, Schnüffelei, Muckerei, Sozialistengesetz, schreit zu laut zum Himmel. Und doch bleibt ein Fleck untersuchen, indeß das können wir getrost sagen: das Land, Tendenzprozesse, Schulgeset, dolus eventualis, Hammerstein, ba teine Hand rührt sich, um ihn wegzuwaschen, um welches der Menschheit einen Dürer, einen Lessing, einen Militarismus, Duell. Immer derselbe dunkle Punkt, aus Deutschlands Ehre von dem häßlichen Fleck des Vorurtheils Goethe, einen Rant, einen Mozart, einen Beethoven gegeben, dem das Uebel herkommt und sich über uns entladet und der Standesehre" zu reinigen. Keine Hand rührt sich, und braucht, wenn die Höhe des Kulturniveau's gemessen wird, vor allen das Zwillingsüber: der exklusiv militärische Geist scheu blickt die Mehrheit des Reichstages nach dem gold- und hinter keinem Laude der Welt zurückzustehen. und das Duell, beides Fleisch von dem gleichen Fleisch, diamanten- glitzernden Stachel- und Stahlnek, das jenen Und doch! Gift von dem gleichen Gift ein Uebel in zweierlei Kreis umgiebt, der dieses Vorurtheil festhält, die Hand Was ist Kultur? Und was ist Gegentheil der Kultur? Gestalt: das große Uebel und das kleinere Uebel. Das zerreißt, welche hineingreifen will, und will, und ein stummes Buckle in seiner„ Einleitung zur Geschichte der Zivilisation" kleinere noch riesengroß, der Kultus des Mordes, der Kultus noli me tangere! zuherrscht! Rührt mich nicht an! mißt den Grad der Kultur nach der Achtung des Menschen- der Mordwaffe und des Einzelmordes. Hier hat die gemeine bürgerliche Welt nichts zu suchen! Lebens, und den Grad des Kulturgegentheils: der Mit den Auswüchsen des Militarismus, welcher eine Hier in diesem exklusiven Kreis, der für das geBarbarei nach der Achtung des Menschen mord 3 oder der Grundlagen des Deutschen Reiches von Schlachtengotts meine Volt ein geheimnißvoller Zaubertreis ist, waltet etwas weniger brutal ausgedrückt nach der Kunst der Gnaden geworden ist, schlägt der Reichstag , oder richtiger: ein anderer Geist, ein höherer Geist, der den gemeinen Zerstörung des Menschenlebens. Wer die meisten Feinde schlägt die Sozialdemokratie im Reichstag sich seit dem Zage bürgerlichen nicht beachtet. Hier hört die Macht des erschlagen hat, erschlagen im Massenkampf oder im Einzel- herum, da der erste Reichstag im neuen Teutschland zu- gemeinen, für die bürgerliche Welt geltenden Sittengesetzes tampf, der gilt dem Wilden als der Beste, auf Griechisch sammentrat. Und zwei Tage lang hat der Reichstag sich auf, hier gilt ein anderes, ein höheres Gesetz, das der geho aristos, und aus diesem Begriff und Wort ist auch jetzt mit dem Duell herumgeschlagen, nachdem er mehr meinen Auffassung spottet, den Duellmord unter Umständen der Begriff und Name Aristokratie hervorgegangen. mals schon flüchtige Versuche gemacht hatte, den dunklen zur Ehrenpflicht stempelt, die Achtung vor dem MenschenDenn die aristoi, die Besten oder" Edelſten", welche Punkt, den schwarzen Fleck wegzufragen. Oder ist's leben als jämmerliche Feigheit verachtet. Hier endet das über den gemeinen Plebs hervorragten, sich Chimborasso - eigentlich nicht ein rother Fleck? Ein Blutfled? Und Reich der bürgerlichen Rechtsauffassung, hier endet hoch erhaben über ihm dünkten, waren zu keiner bei Nacht ist roth schwärzer als schwarz, was jedem Alpen - aber für breite parlamentarische Kreise auch das Reich der Zeit die geistig Hochstehenden das Geistige war wanderer bekannt. dubito Kritik hier waltet für die Bennigsen und Genossen, ein ganz nebensächliches Moment sondern die Zwei Tage lang vom Duell geredet im deutschen Reichstag. welche in denselben Vorurtheilen befangen sind, das Untörperlich Stärksten, die Mehrhaftesten, das heißt Zwei Tage lang auseinandergesezt, daß ein Hallunke, der einen nahbare, das Unaussprechliche, das Allerhöchste, das Bewundedie, welche es in der Kunst des Tödtens von Mit ehrlichen Mann, nach Hammerstein's langbewährtem Rezept, rung und Anbetung heischt, und dem gegenüber das freie menschen am weitesten gebracht hatten. vor die Pistole fordert", dadurch kein ehrlicher Mann Wort ein Verbrechen ist hier ist die Quelle des Segens wird; daß ein Schuft nicht aufhört ein Schuft zu sein, oder des Uebels, von der nicht gesprochen werden darf. wenn er zum Mörder wird; daß kein Dritter die Ehre Favete linguis! Die Zunge behütet! Und hands off! eines Menschen zerstören kann; daß der Messerheld und Die Hände weg!-- der Duellheld aus einem Holze geschnigt sind und Diese Heiligerklärung der Standesvorurtheile, das ist nebeneinander auf die Anklagebant und ins Zucht von den dunklen Punkten der dunkelste. hans gehören; daß die„ Standesehre", die nur durch das Duell gewahrt werden kann, eine Ausgeburt blödsinniger Barbarei und ein Deckmantel tiefster sittlicher Verkommenheit ist; daß ein Pistolenschuß ebenso wenig ein Beweis persönlicher Tüchtigkeit als wissenschaftlicher Wahrheit sein kann.
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Und diese barbarische Anschauung, dieser Auswuchs der vorkulturlichen Wild- und Rohheit hat sich auch über das Ende der eigentlichen Barbarei hinaus erhalten und erstreckt sich, anachronistisch fortwuchernd, bis in die moderne Kulturzeit hinein, bei einigen Kulturvölkern, bis in die Gegenwart. Und zu den Ländern, deren Kultur am meisten durch Rückstände aus finsterster Barbarenzeit verunzirt wird, gehört leider auch unser Deutschland , wo die Kunst, Menschen zu tödten, in der zwiefachen Form des Massenkampfes und des Einzeltampfes: des Militarismus und des Duells gepflegt und gehegt wird.
Gehegt allerdings nur in einem beschränkten Kreis, der aber unglücklicherweise ein maßgebender Kreis ist. Dieser maßgebende Kreis fällt zusammen mit jener kleinen aber mächtigen Partei", welche seit einem Halbjahrhundert ihr Wesen treibt, nachdem sie als gemeinschädlich, dem Land und der Dynastie gefährlich, die sich zu jener Zeit mit den Interessen des Landes eins gemacht hatte, Jahrhunderte
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Tene.
( Nachdruck verboten.)
Roman von Nicolaus Krauß.
3.
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Politische Neberlicht.
Berlin , 21. April. Der Reichstag hörte in der heutigen Fortsetzung der geftrigen Debatte zuerst einen bedingten Duellfreund Darüber zwei Tage lang gesprochen am Ende des 19. Jahr- v. Bennigsen. Jedem verurtheilenden Sate ließ er hunderts im Areopag des Volkes der Denter! Warum nicht drei entschuldigende folgen. Er fühlte sich in seiner alten Tage lang darüber debattirt, daß die Erde sich um die Sonne Korpsstudentenherrlichkeit. Dabei suchte er die duelldreht, und nicht die Sonne um die Erde daß zweimal gegnerischen Parteien, namentlich die sozialdemokratische, zu zwei vier ist und nicht fünf daß Stehlen, Morden, Lügen verdächtigen und durch ein Wetter gegen die Pariser keine verdienstvollen Handlungen sind? Was ließ sich da Kommune die Aufmerksamkeit vom Gegenstande abzulenken. sagen? Was, das nicht bereits tausendmal gesagt war? Abg. Richter rügte dies und bezeichnete es als die Aufauch diese Felder, aber die Leute mußten warten, bis er wenn der Unterricht zu Ende, das ganze Haus abgesperrt, mit der Bestellung seiner übrigen Aecker zu Ende war. und alles ging aufs Feld, selbst' s Muckerl", der kleine Deshalb tamen auch die Kleinen mit ihrer Ernte stets am häßliche Köter, der eine Stimme hatte wie ein närrisches spätesten. Haferhuhn.
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Die großen weiten Felder zwischen Mühlefsen und Jacob Weiß, der Lehrer von Mühleffen, baute sein In diesem Jahre hatte die Lehrerin wegen ihres KindKazengrün waren so gut wie abgeräumt. Nur strichweise Brotgetreide und seine Kartoffeln auf Feldern, deren Nuggeuuß bettes gefürchtet, beim Erdäpfelgraben nicht mit dabei sein schimmerte das graue Grün eines Krautackers, in der Mitte ihm seine verschiedenen Aemter gewährten. Ein Feld und zu können. Aber sie hatte es dann doch möglich gemacht, blizte das rothe Dach einer Ziegelhütte, um sie herum neben- eine kleine Wiese hing mit der Schule zusammen, einen und war, ihren Jüngsten, den man Chriftoph getauft, in einander und untereinander liefen weitausholende dunkle zweiten Acker bebaute er als Kantor, und als Entschädigung einem Tuch auf dem Rücken tragend, mit hinausgezogen. Linien: Dämme von Teichen, die man aufgelassen, weil die dafür, daß er dem Priester die Meßgewänder an und aus- Auf dem ganzen Wege wog sie die Chancen ab, ob die Kars rationelle Fischzucht der böhmischen Großgrundbefizer jeden 30g, die Glocken läuten und die Kirche fegen ließ, das Tauf- toffeln gerathen sein würden oder nicht. Die Frühkartoffeln Mitbewerb zur Unmöglichkeit gemacht; auf dem fetten und Trauungsbuch sowie das Messe- Register in Ordnung sagten nichts, aber die Bauern hatten keine verdrießlichen Schlammgrund baute man schon seit Jahren schweren bunten hielt, den Meßwein und die gespendeten Wachskerzen ver- Gesichter gemacht, als sie ihre Erute überschauten. Weizen und Braugerste. wahrte, stand ihm die Nutzung eines dritten Feldes zu. Auch hieß es, daß es in diesem Jahre nicht viel Noch vor acht Tagen war die weite tischebene Fläche Biel war das insgesammt nicht, und noch jedes Jahr hatte kleine Bambern" gäbe. Und ganz plöglich wurde von einem Gewimmel arbeitender Menschen belebt. Das er Brot und Kartoffeln und Kraut zukaufen müssen. fie mit großer Zuversicht erfüllt. Sie hatte das Ihre ganze Dorf war bei der Kartoffelerute. In der Mitte der Seine Wirthschaftsweise war immer die gleiche. Jedes gethan und die kleine Lene zu sich genommen, trotzdem sie Felder standen die Wagen mit den hohen Kalktruhen", Jahr baute er Korn, etwas Gemenge und Kartoffeln, selbst zu würgen und zu beißen hatte. Da konnte sie doch ringsum stachen, gruben und flaubten die Männer, Frauen, nur standen das eine Jahr unter den letzteren einige der Herrgott nicht im Stiche gelaffen haben! Nein, das Burschen und Mädchen. Hell klangen die Zinken der starken Dorschen", die er zu Sauerkraut verhobelte, im anderen war unmöglich. Gabeln, wenn sie auf einen Stein trafen und mit Rollen einige Kohlhäupter. Die meiste Sorge machte ihm immer Endlich war man auf dem Felde. Der Lehrer, der in und Boltern entleerten sich die knollenvollen Bifteln" und das Ackern. Seine zwei Kühe konnte er dazu nicht brauchen, feiner ausgebleichten Jacke wie ein Tagelöhner aussah, Rörbe in die hungrigen Wagen. Auf jedem Acker qualmte fie gaben sonst keine Milch, und von den Bauern that griff zur Gabel, ein gleiches that Kaspar. Rosel und ein Feuer, in welchem das oft noch grüne Kraut der Erd- felten einer etwas für Gottes Lohn. So kam es, daß er die beiden größeren Mädchen klaubten, Lene und die kleine äpfel schwälte. Die Kibite wurden wüthend, und sie auch stets unter den letzten war, die ihre Erdäpfel gruben. Franzel gingen vor den Grabenden einher, zogen die Schöpfe schimpften über den vielen Rauch und Dunst und den Lärm Viel Arbeit machte das nicht; ein Drittheil waren stets aus und beutelten das Kraut ab. Sie mußten oft schr der Menschen wie Rohrspaßen. Frühkartoffeln, und die waren in täglichen Portionen stark reißen, die Stengel der rothen Zwiebel" waren noch Heute war das vorüber. Die Bauern hatten ihre herausgenommen und verzehrt worden, ehe denn der Herbst ganz grün. Die Lehrerin hatte sich auf den Rain gesetzt, Kartoffeln in Keller und Miethen geborgen, nachdem sie gekommen. auf dem die beiden Kühe graften, und sah zu. Nach einer sie nach der Größe und Beschaffenheit gesondert. Was Für die ganze Lehrerfamilie war das Kartoffelgraben Weile erhob sie sich, schritt um alle vier Seiten des Feldes, noch draußen war an Erdäpfeln, gehörte kleinen, armen sozusagen ein Fest. Nicht gerade wegen der Annehmlich- og einen Schopf nach dem andern aus und zählte und Leuten, Handwerkern, Taglöhnern und Wittwen, die sich keiten, die es bot, das ermüdende Bücken, Wühlen und betrachtete aufmerksam die Knollen, die an den Wurzeln mit ihren Kindern schlecht und recht durchs Leben brachten. Klauben; aus einem anderen Grunde. Nie, au teinem hingen. Einigemal nickte sie befriedigt, aber immer öfter Die wenigsten von ihnen hatten eigenes Feld. Statt fie Tage des Jahres sahen sie so viel Kartoffeln auf einem schüttelte sie wehmüthig das Haupt. Dann stellte sie sich als Brache liegen zu lassen, gaben die Bauern einzelne Haufen zusammen, die ihnen gehörten. Und dann diese ge- hinter ihren Mann, beobachtete, wie viel Kartoffeln nach weniger gute Felder beetweise gegen Beistellung des Düngers wisse Sicherheit: Kartoffeln mußte es geben, es fragte sich nur, jedem Gabelschwung hervorrollten. Und sie ging zum Wagen, an die kleinen Leute auf Raub". Der Bauer beackerte wie viel. So wurde denn an diesen zwei oder drei Tagen, blickte hinein und stieß einen tiefen Seufzer aus.