nt. scMrmeier: 3)er J
In seinem bequemen Sessel saß, den Kopf leicht hinten an- gelehnt, Raoul Crouvelles, Dos dünne grau« Haar lag ihm locker an den Schläfen. Mit einem nachdenttichen und versonnenen Lächeln sah er auf seinen Freund Jean Prossard. Vor den beiden am Fenster standen auf einer hellgrün angestrichenen Holzetagere viele Töpfe mit Kakteen, deren b-izarre Formen«inen seltsamen Gegensatz zu der soliden bürgerlichen, ja, ein wenig spieherhaften Einrichtung des Aimmers bildeten. Dort streckte eine Pflanze dicke grün« Finger aus der Erde, eine ander« leuchtete in auf- reizend sinnlichem Grün mit fleischigen, saftstrotzenden Blättern, während wieder andere scharfe, unerbittliche Stacheln wie scharfe Lanzen von sich streckten. Raoul Crouvelles sah wieder seinen Freund an. Dann glitt sein Blick wie lobkosend zu den Kakteen und darüber hin. Ohne aufzusehen, fing er mit leiser, ein wenig heiserer Stimme zu sprechen an. „Sie wundern sich, lieber Freund, daß ich gerade den Kakteen meine große Liebe geschenkt habe. Eigentlich haben Sie ja recht— es gibt so viele andere Blumen und Pflanzen, die gewiß viel schöner und anziehender sind— Rosen, Narzissen. Lilien, Tulpen, Chrysanthemen, Orchideen---.* Hier unterbrach ihn Herr Prossard mit einer leichten Hand- bewegung:„Nein Crouvelles, reden Sie nicht von Orchideen— Orchideen sind feine Blumen— es sind Wesen— Geschöpfe!--* Raoul Crouvelles nickte.„Ja, und Kakteen?— Kakteen leben — atmen— sprechen. Ich will Ihnen einmal etwas sagen",— er dämpfte seine Stimme noch mehr, daß es fast wie Flüstern klang— „Kakteen haben eine Seele!" Er schwieg, strich sich mit der Hand über die Stirn und fuhr dann, während er sein Gegenüber scheu ansah, fort:„Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Sie wissen", und er zeigte auf einen kleinen Topf, aus dem eine Pflanze fast wie eine Hand aus der Erde ragte,„Sie wissen, daß dies eine sehr seltene Art einer Kleinkaktee ist. Durch einen Bekannten, der im Auftrage einer Zeitung eine Zeitlang in Mexiko weilte, gelangte ich in ihren Besitz. Ich habe mich sehr darüber gefreut— zumal da diese Art, wie ich schon sagte, sehr selten ist und nur in den öden Gegenden im Inneren Mexikos vorkommt." Er schwieg wieder einen Augenblick und fuhr dann fort: „Eines Tages passiert« mir etwas ganz Eigenartiges, und seit- dem— seitdem fürchte ich mich ein wenig vor der Pflanze. Ich hatte sie wieder einmal in die Hand genommen und betrachtet« ihre seltsam« Form, als mir der Topf plötzlich entglitt. Ich faßte zu und griff in der Hast in die Stacheln, so daß ich mir die abgebrochenen Spitzen, die in der Hand stecken geblieben waren, entfernen mußte. Während ich dann saß, überkam mich plötzlich ein« merkwürdig« Beklemmung. Mir war, als ging« von der Kaktee, die da wie eine Hand hervorragte,«ine seltsame Kraft aus." Raoul. Crouvelles sah verstohlen zu Jean Prossord hinüber, der aufmerksam zuhört«. „Und nun geschah das Seltsame. Ich sah plötzlich«ine öde, steinig« Landschaft, die mich an Bilder«rinnert«, die ich von Süd- oder Miltelamerika gesehen habe. Seltsam geformt« Büsch« und Sträucher standen herum— aber merkwürdig: bei näherem Hin- sehen waren es lauter Kakteen wie dies« hier—, nur um vieles ver- größert. Und über allem, über den Steinen, der ausgedörrten, rissigen Erde brannte eine blendend«, erbarmungslose Sonne. Plötz- lich erschienen zwei Menschen. Auf einem Maultier, das mit hängen-
dem Kopfe mühsam vorwärts trottete, faß ein« Frau, während der Mann mit stumpfem Gesicht daneben ging. Der Mann blieb stehen und jagte heiser:„Du mußt absteigen! das Tier kann dich nicht mehr tragen." Die Frau schüttelte stumm den Kopf. Der Mann wieder- holte seine Aufforderung, worauf die Frau mit einer hellen, klingen- den Stimm« erwiderte:„Ich kann nicht gehen." Mit aufgeregten Worten oersuchte der Mann ihr klar zu machen, daß das Tier nicht mehr imstande sei, die doppelte Last des Gepäcks und der Frau zu trogen, und daß beider Leben gefährdet fei, wenn in dieser Ein- samkeit, weitab von jedem Menschen, das Tier zusammenbrechen würde." Der Erzähler stockte— dann fuhr er erregt fort:„Sie kamen in einen Wortwechsel. Er wollte die Frau herunterziehen: sie stieß mit dem Fuße nach ihm, traf ihn, ob mit Absicht oder nicht, ins Gesicht --«r riß sie herunter, krallte ihr in rasender Wut die Hände um den Hals--- Er verscharrte di« Leiche. Als er fast fertig war, packte ihn das Entsetzen-- er saht« das Tier am Zügel und rannte besinnungs- los hinein in die steinige Wüste.--- Di« Hand der Toten aber",— Raoul Crouvelles sah verstört nach der Kakt«« hin, die fünf grüne Finger hochreckte—„die Hand der Toten aber spreizte sich wie ein« schreiende Anklage aus ihrem steinigen Grab." Crouvelles schwieg. Jean Prossard sah ihn nachdenklich an und sagte dann abwägend:„Sie soltten di« Kakteenzucht ausgeben-- es sind seltsame Dinger, diese Pflanzen. Ich las neulich, daß es darunter sehr giftige gibt-- und auch etliche, deren Stacheln einen stark betäubenden und narkotisierenden Saft absondern. Geben Sie ihr« Liebhaberei�auf, lieber Crouvelles: noch ist es Zelt!" Herr Prosiard war gegangen. Raul Crouvelles faß ein Weilchen nachdenklich still. Dann tastete er langsam nach dem Topfe. Mit einem langen Blick« sah er auf die grüne Pflanzenhand, seufzte tief auf— dann schloffen sich seine Finger fest darum, und mit einem scharfen, stechenden Schmerz drangen die Stacheln in sein« Haut ein.
Edmund Sinke:•JßCVljjiftbßlfld Schon ist de» Kirchturms sanstgeschwungener Bogen mit blaffrem Stifte in das Blau gezogen, das mild und klar das Hügelland umschließt. lieber des Kleefelds rötlichfalbe Wogen kommt silbernes Gespinst im Wind geflogen. der herbstlich von den dunklen Bergen fließt. Vom welken heidekraute ziehen Bienen nach kleinen Gärken, wo die Georginen und Astern bunter an den Jaunen stchn. Die Fernen, die unendlich offen schienen. sind an den Abhang reifender Lupinen geschmiegt wie fremde Wanderer, die zur Buhe gehn. Ein Schwärm von Krähen fällt mit schwarzen, schweren lässigen Flügelschlägen in die leeren. vergilbten abendlichen Felder ein... Im Glanz der Strahlen, die das Land verklären. sind wir nur Schatten, welche heimwärts kehren in ihre Gottverlaffenhelt aus Stein....
tfeler Scher: �(lllCt'tlllOCltSECH
Eines Tages erfuhr ich von einem Eimidbauern— auf deffen Gehöft ich vor Jahren eiinnal„mit voller Pension" zur Natur zurückgekehrt war—, daß in seiner Gegend ein« Hochzeit bevorstehe, wie sie seit Jahren auf Meilen in der Runde nicht dagewesen sei. Der Bauernaristokrat Aegidius- Reinaiter, Bauer am Rain auf der Langwanderhöh, und die Kreszentia Chlam, Hochbauerntochter von Jrzenhausen, würden zusammengegeben. Wir fuhren hin: es war ein schöner Tag.» Die Hochzeit wurde im Marktflecken gefeiert, im Gasthaus„Zum Schwan": an hundertfünfzig Gäste hatten ihre Teilnahm« zugesagt. Der ganze Marktflecken war lebendig. Weißblaue Fahnen über- all. Der Weg von der nahen Kirch« bis„Zum Schwan" war mit Tannengrün bestreut. Der heilige Korbinian auf dem Marktplatze strotzt« von Blumen. Es war merkwürdig zu sehen, wie sich die Gewerbetreibenden und Kaufleute des Fleckens, die bösen Beamten des Finanzamtes und alle die Menschen einer hastigen, neuen Zelt schon äußerlich von den würdig schreitenden Gestalten„in der Tracht" unterschieden, wie jene diesen und diese jenen eine fast schaustellungsmäßige Aufmerksamkeit widmeten und wie am Ende doch die Gegensätze ittein- ander übergingen. Als wir hörten, daß die Gäste sich in solche geschieden hotten, die der kirchlichen Feier beiwohnten und andere, die es vorzogen, gleich mit dem„Boreffen" im„Schwan " zu beginnen, schlugen wir uns zu den letzteren: denn aus der Ferne klang ja di« Musik ganz schön zum Frühstück. Au» dem„Schwan " duftete es uns so entgegen, daß wir uns gleich eilfertig an«in« der langen Tafeln unter die Bauern warfen und ohne ein Wort, nur mit Gesten„das Nämliche" bestellten. Und beim Bauch« Fallstaffs, es wurde uns«ine Leberknödelsuppe zu- teil, die ohne Beispiel war. Hierauf gab e« Weißwürste, deren j«d« einzelne ein Lobgesang war, dann für den Anfang einen kleinen Nierenbraten, bloß zur Probe. Auch dieser war ein Hymnus. Zwischendurch schalteten wir Obstschnäpse ein. deren Feuer uns begreiflich werden ließ, weshalb die umsitzenden Bauern schon zum Anfang in höllische Bewegung kamen. Wir schnappten nach Lust und sahen uns die Umgebung an. Gegenüber saß ein siebzehnjähriges Mädchen, dem ich sogleich den Namen„das Kälbchen" gab. Es trug ein Saintmieder: man hätte feine Taille mit zwei Händen umspannen können— so reizend schlank war es. Da»„Kälbchen" stopft«, mit seinen großen braunen Augen in lieblichem Stumpflinn glotzend, mit ruhiger Sachlichkeit«in« Weih- wurst noch der andern in seinen reizend frischen Mund. Einmal kam «in junger, stämmig«? Bursche, beugte sich nieder und ftüsterte so diskret, daß der ganze Saat e» hören konnte:„An ganzen Tag ghörscht mir!" Worauf das Kälbchen, ruhig wester an seiner Weißwurst muffelnd, Zustimmung nickte. Di« Bauern ringsum brüllten schon vor Festoergügen. Auf ein- mal bumsten draußen Böller lo».«in Geschrei ging über die Gaff«: „Sie kommen!" und äste stürzten hinaus. Tin « ohrenzerreißende Blechmusik ertönte— der Hochzeitszug!
Der Hochzeitstader mit heiteren Sprüngen an der Spitze, dann die Musikanten, dann— mit drei Schritten Abstand von allen anderen— das Paar: di« Braut im Samtmieder mit silberner Talerkette, breitem Perlhalsband, vor Feierlichkeit blaß bis in die Lippen: er: auch dicke Taler vor dem Bauch, den Schnurrbart aufgewichst, die Knie durchgedrückt, mit einer langen rosaseidenen Krawatte, stolz und gockelhaft. Hinter den beiden ein endloser Zug von Dirndln und Buam, netten und häßlichen: auch kropfige alte Mädchen fehlten nicht, aber alle funkelnd von bunten Farben, goldene Riegelhauben aus den straffen Haaren. Ein Gebrüll erhob sich, daß der ganze „Schwan " erbebte. Hinauf in die Festsäl«! In zwei Sälen lief di« Tafel an den Wandreihen hin, auf dem Podium di« Musik. Jetzt ging es an. Die Schwanenwirttn, wie ein Feldherr, warf Batterien fetten Ochsenfleisches gegen alle Fronten der von der Predigt aus- gedörrten Freffer. Eine Ladung Kartoffelsalat in den vorderen, sechs Ladungen Weißwürste in den hinteren Saal. Eine Stunde lang ging so das Vorscharmützel. Da erhoben auf dem Podium die Musikanten ein grauenvolles Geschmetter: die Männer, noch kauend, sprangen auf, pfiffen den Mädchen oder winkten ihnen gebieterisch mit der"Hand, und los ging>der Ländler, daß die Balken krachten. Dreimal— sechsmal herum. Dann wieder ein Eßgefecht. Die Speisenträgerinnen stürzten, blaurot im Gesicht, treppauf, treppab. Das Einhämmern der Bierhähne, das Kreischen der Frauen über die Witze der Männer, jäh auflchießendes Gejuchze, vermischt mit fettem Brodem aus der Küche, � Musik, Musik! Und immer wieder Tanz nach neuen Gängen. Wahrlich, ein kerniges Geschlecht! Nach vier Stunden trat eine Pause ein. Man formte sich zum Zuge, und unter Vorantrilt der Musik ging es— heim? Keineswegs, sondern hinüber zum„Poten Ochsen"— zum Wein! Denn auch der„Rote Ochse" will leben und die Bauern wollen, bevor sie im Tafeln weiterschreiten, erst einmal eine Anzahl Schoppen trinken. Vom Weinwirt oing's zum Pholoqraphen. Da gab es wunder- volle Stellungen zu sehen. Der jung« Ehemann war im Hinblick aus das Bild— vielleicht das einzige Mal in seinem Ebeleben — zärtlich. Dann ging es im„Schwan " weiter. Gott mag wissen, wo die Bauern alles unterbrachten; ich sah das„Kälbchen" noch in vorgerückter Stund«, hochroten Kopfes zwar, doch unverdroffen kauen— wenn es nicht gerade tanzte. Spät abends folgt— wie in der antiken Komödie— da» Satirspiel. Jeder Gast ist verpflichtet, nach Rang und Selbsteinschätzung, seinen Anteil an den hosten zu bezahlen: in einer Tüte übergibt er den Betrag dem jungen Ehemann. Dieser realistisch« Höhepunkt ist — offenbar zur Linderung der für Bauern immer besonders schmerz- lichen Prodezur des Bezahlens— mit einer sonderbaren Tradition verbunden: jeder Gast ist berechtigt, dem Hochzeiter nachzusagen, was er gegen ihn auf dem Herzen hat. Ein« Art Scherbengericht oder Haberfeldtreiben im kleinen. „Acht Mark siebaz'g," sagt der Hstttermoser, indem er seine«
Anteil vor den Ehemann hinlegt—„und du bist scho' a' ganz a' hundsheiterer Bazi zweg'n dem und dem." Und er legt los mit beißender Kritik. Unter allgemeiner Heiterkeit und nachdem er sein Sünden- register so vollzählig wie noch nie im Leben beisammen gesehen hat, streicht der glückliche Ehemann das Geld ein. Zuweilen kommt es zu einer Rauferei. Aber der Bader wohnt in der Nähe... ttropentandfchaft Es war am Spätnachmittag im Herzen der großen Insel Borneo . Ich war den ganzen Tag durch das Dschungel gestreift und nun ganz am End« meines Marsches auf«ine Stelle gestoßen, die ich für einen alten Tanzplatz eines Argussasans hielt. Sie lag auf einem Hügel nur 50 Meter vom Ufer des Mujongfluffcs ent- stritt. Ich ging weiter, machte meinen kleinen Einbaum fest, streiste meine dschungelfarbenen Kleider ab und glitt, über Bord in die dunkle lchokoladenbraun« Flut. Ich schwamm zwischen den überhängenden Wurzeln und trank die Kühle mit allen Poren in mich ein. Dann packte ich ein« halb im Wasser liegende Ranke und ließ mich von der Strömung hin und her schaukeln. Als meine Augen einen zirpenden Kerfen auf einem alten gestürzten Baum in der Nähe suchten, sah ich plötzlich dicht vor meinem Gesicht«in« zwei Meter lange Schlang« auf einem Ast geringelt, der über Wasser noch stine Rinde hatte. Ich konnte nicht genau feststellen, um was für eine Art es sich handelte: es war aber offensichtlich eine„heiße Schlange", wi« mein'Dajak- dolmetscher giftige Arten nannte. Ich dachte darüber nach, daß di«se Szene eigentlich ganz dem Bild entsprach, das sich meine zu Haufe gebliebenen Freunde von den schrecklichen Tropen machten. Ich schwamm hier zwischen den Schatten eines fremden Tropenflusses herum, von einer gistigen Schlange beobachtet, war indes wahr- scheinlich genau so ungefährdet wie in irgendeinem Dorsteich in meiner amerikanischen Heimat. Di« Schlange und ich sahen uns eine Zeitlang mit achtungs- voller Spannung an: dann schwamm ich zu meinem Fahrzeug zurück und ließ mich langsam stromabwärts treiben zu dem großen Kriegskanu, das jetzt mein Zuhause war. Als ich noch ein paar Biegungen entfernt war, zog ich mich unter ein Jrrfal von Zweigen und Lianen und sah zu, wie der Tag über den braunen Wassern Vorneos zur Neige ging. Geradeaus stromabwärts war di« Sonn« in ein«m Feuermeer gelber und goldener Wolken verborgen,«he si« unterging, so daß ein ungewöhnlich langes tropisches Zwielicht di« Folg« war. Dann verlieh das Nachglühen den östlichen Wolken hoch über dem oberen Mu�ong«inen violetten und blaß weinroten Schimmer. Die beiden Ufer des Flusses wurden dunkler, schwärzlichgrün, und endlich kleideten sich alle außer den himmelspiegelnden äußersten Blättern schwarz. Der Himmel war hellblau: das schlammige Wasser«in unbeschreibliches, schönes Braun. Die Ufer lagen fast den ganzen Tag über leblos da: die Dschungelbewohner hielten sich im Wald- innern auf. Jetzt aber, in der Kühle des frühen Abends, wurden Bogelstimmen laut. Kleine Flüg« Fruchttauben strichen über die Bäum«, groß« Hügelatzeln bargen sich im Gezweig hoher Pflaumen- bäume, und«in« Gibbonfamilie schüttelte in der Fern« die Zweige eines Baumes. In einer schwarzen Ausbuchtung des hellen Lehmufers erschien ein lichterer Fleck, von Büschen umrahmt. Mein Fern- glas zeigt« mir ein Wildschwein, das mit den Vorderbeinen aufstampfte, mit den Hauern knirschte und den Ringelschwanz hin und her schlug. Hütt« das Tier nicht gegen den schwärzesten Schatten gestanden, so wäre es unsichtbar gewesen, da es mit dem Schlamm der Ustr bepflastert war. Di« Fliegen ließen ihm kein« Ruhe, und bald niachte es kehrt und kletterte unbeholfen in das düstere Dschungel dahinter. Der erste Flugfuchs des Abends stellte sich nun ein, langsam und anmutig wie ein Reiher durch die Lüfte rudernd, dann von Zeit zu Zeit aufsteigend wie ein Pelikan: dann kamen 20 solche riesige, anderthalb Meter groß« Fledermäuse hoch in der Luft in Sicht. Als di« Hügelatzeln von ihren Bäumen zu einem fernen Horst wegflogen, schwang«» sich die Fledermäuse zu den Frucht- büscheln auf und umhüllten sie wie Seestern« auf Aust«rn, sich über- topf herumschwingend und mit aller Macht drauslssfressend. Wie sie so die Flüss« entlang slatt«rn: nehmen si« die Stelle der Reiher ein, von denen ich auf Borneo keine sah. Ein Paar bläuliche Enten, größer als Krickenten, flog über den Fluß, und fernes Geschrill verkündete das Abendkonzert der großen Fünjuhrzirpen. Dann kam ganz unvermittelt das schönste Schauspiel des Tages. Em paar Schritte rechts von der Wildschweinsuhl« nahm mein Aug« eine Bewegung vor der flutgespütten kahlen Lehmwand wahr. Glücklicherweise sah ich üb«r das Gehäust meines Fernglases hinweg —«ine alte Gewohnheit von mir, wenn ich etwas mtt bloßem Auge suche, deffen näl>«r« Betrachtung augenblickliches, aber unaufsälliges Einstellen der Linsen erfordert. Ich schob das«ingestellte Glas höher und erkannte scharf und deutlich, was mein« Augen nicht von den Schatten de» Ustrs hatten trennen wollen— einen männlichen Arguspfau, der sich«twa ein Meter hinter der schmutzigen Strömung des Flusses aus einem Regentümpel tränkte. Er war halb nieder- gebeugt, und die Bewegung des Kopfe», d«n«r abwechselnd hob und senkte, war alles, was den Bogel verriet. Die langen Flügel, die anmutig gebogenen Schwanzfedern waren so regungslos, als feien si« auf dem Erddamm in Stein geschnitten. Ich sah ihm so «Ine Minute lang zu: dann schenkte ich meine Aufmerksamkeit«inen Augenblick einem Tier in der Nähe, und als ich zurückschaut«, ver- schwand der Vogel gerade. Ich hatte meinen ersten wilden Argus- pfau gesthen, so flüchtig d«r Blick auch gewesen war. Dann glitt in der Dämmerung auf d«m Fluß«in kleine« Zwergboot vorbei, unsicher dahinschwimmend, sorgfältig.ausge- schnitzt, mit vielen kleinen Figuren, die kerzengerade dastanden und ausdruckslos ihrem Schicksal im fernen Meer entgegensahen. Es war da» Werk«ingeborener Dasak, die solche Gebilde mit größter Sorgfalt zurechtzimmern, wenn eine Familie von Krankheit betroffen wird, und sie dann in der Hoffnung loslassen, daß der böse Geist dies«„Doppel" der Heimgesuchten begleitet. Dies« kleinen Geister- fahrzeug« sind bis hin nach Singapur an Land gespült worden. Di« Sterne funkelten hell am Himmel, und die feuchten Abend- nebel wallten hernieder, ehe ich dem kleinen Dajalboot folgte und um die letzte Krümmung zu meinem Riesenkanu trieb. Auf dem Ufer hockten meine zwölf Eingeborenen paddler, und ihr F«u«r erhellt« den Kreis der großen bronzenen Leiber— ein wilder Anblick in diesem wilden Lande. (Mit Erlaubni« de» Berla«», Nrnfhan» beut Buche„Im Bschungel dtt Colonen" entnonfrnfn.)
SM«»ii nelcherWeje gib! esSifche imltleer 1 Die größte bisher festgestellte Mcerestiefe findet sich tn der Nähe der Philippinen: sie mißt S780 Meter unter der Oberfläche des Wassers. Es ist klar, daß sich in dieser Tiefe keine Fisch« mehr befinden. Di« Zahl der Fischarten im Meer ist übrigens erheblich kleiner als die der Flüffe und Seen auf den Festländern: es sind ihrer höchstens 1000, und davon besitzt ungefähr der sllnste Teil Leuchtorgane. Die Hälft« jener Arten geht kaum tiefer als 2000 Meter. Die Arten, die in größeren Tiefen leben, werden immer klein«!. Bei 1000 oder S000 Meter sind Fische schon selten.