Morgenausgabe

Nr. 449

A 226

47.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt., monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar, Boftbezug 4,32 m. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 72 Bfg. Boftbeftellgebühren. Auslands. abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der„ Borwärts" erscheint wochentag. lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin und im Handel mit dem Titel„ Der Abend", Illustrierte Beilagen Volk und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme". Technit"," Blid in die Bücherwelt"," Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Donnerstag 25. September 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einfpaltige Ronpareillegeile 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs. mart. Kleine Anzeigen das lettge druckte Wort 25 Pfennig( zulässig zmet fettgedruckte Worte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben Arbeitsmarkt zählen für zwei Worte. Beile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme im Haupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 81%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönboff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin .

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Postschecktonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallstr. 65. Dt.B.u.Disc.- Ges., Depositenkasse, JerusalemerStr.65/ 66.

Brünings Verzweiflungsplan. Waffenmord in Rußland !

Verschärfte Lohnsteuer? Kürzung der Löhne und Gehälter?

Die Besprechungen des Reichskabinetts über das fünftige Arbeitsprogramm wurden am Mittwochabend um 8 Uhr fortgesetzt.

Dazu schreibt der Soz. Pressedienst":

=

Als wir furz vor der Wahl mitteilten, daß in dem Finanz­programm der Regierung auch die Absicht der Berschärfung der Lohnsteuer durch Beseitigung der Lohnsteuerrüd erstattungen eine große Rolle spiele, hat die Regierung diese Behauptung mit größter Entschiedenheit dementieren lassen. In zwischen haben uns die Ereignisse volltommen recht gegeben. Bei den neuen Steuerplänen der Regierung spielt die Aufhebung der Lohnsteuerrüderstattungen wieder eine entscheidende Rolle. Obwohl im März eine derartige Absicht, die drei Millionen Lohnsteuerpflichtigen, und zwar besonders denjenigen, die durch Arbeitslosigkeit besonders notleidend find, eine Mehrlast

von 80 Millionen Mark jährlich aufbürdet, auch von den bürgerlichen Mittelparteien abgelehnt wurde, soll sie jetzt durchgeführt werden. Gleichzeitig erörtert die Regierung Pläne wie die Ermäßigung der Vermögenssteuer, den Umbau der Realsteuern und die Reform der landwirtschaftlichen Besteue rung. Auch eine Veränderung des Finanzausgleichs, des Steuervereinheitlichungsgesetzes und die Abände rung des§ 7 der Umsatzsteuer, der das Zwischenhandels­privileg enthält, ist beabsichtigt. Um die Etats des Reichs, der Länder und der Gemeinden für 1931 in Ordnung zu bringen, ist ferner neben Ersparnissen an den Sachausgaben auch eine Ver­minderung der Personalausgaben geplant. Ob damit lediglich die Absicht verbunden ist, die bis zum 31. März 1931 befristete Reichsabgabe zu verlängern oder ob eine weitergehende Kürzung der Beamtengehälter vorgeschlagen werden soll, steht noch nicht feſt.

Nazi- Braunschweig?

Was tut die Staatspartei?

48 Erfchießungen wegen Komplotts" gegen die Lebensmittelversorgung.

Aus Moskau wird gemeldet:

Die Strömung für eine Kürzung der Beamtengehälter Das Kollegium der staatlichen politischen Berwaltung ist außerordentlich stark. Sie wird besonders von prüfte im Auftrag des Zentral- Erefutivkomitees und des denjenigen betrieben, die gesetzgeberische Maßnahmen Volkskommissarenrates der Sowjetunion die Angelegenheit für die Senkung der Löhne für erforderlich halten. der konterrevolutionären Schädlingsorganisation auf dem Man will zur Erreichung dieses Zwedes nicht nur das Schlichtungs- Gebiete der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. Die wesen in Bemegung setzen, sondern es ist auch hier der Gedanke Führer der Organisation, Alexander Rjajanzew, Eugen aufgetaucht, durch Gesetz einen Eingriff in die durch Karaty gin und 46 andere Organisatoren und attive Teil­die Tarifverträge festgesetzten Löhne vorzunehmer an der Schädlingstätigkeit in verschiedenen Lebens­nehmen. Von der Abficht auf Lohnfentung sind auch diejenigen nehmer an der Schädlingstätigkeit in verschiedenen Lebens­Maßnahmen mitbestimmt, die der Kürzung der Leistungen mittelversorgungsorganen wurden zum Tode verurteilt. der Arbeitslosenhilfe dienen und die sich nicht auf die Das Urteil ist vollstrect. Erwerbslosenversicherung beschränken, sondern auch ausgedehnt werden sollen auf die Krisenfürsorge und die Wohlfahrtsunterstützung der Gemeinden.

Vor einigen Tagen hatte die Telegraphenagentur der Sowjetunion gemeldet:

6% Prozent Beitrag zur Arbeitslosenversicherung. näre Schädlings- und Spionage organisation auf

Das Reichskabinett hat auf Berlangen des Reichsarbeitsministers beschlossen, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge um 2 Proz. von 4½ auf 6% Pro3. heraufzusetzen. Das Kabinett hat diesen Beschluß auf Grund der Notverordnung gefaßt. Diese schreibt vor, daß die entstehenden Mehraufwendungen für Zwecke der Arbeitslosenfürsorge mindestens zur Hälfte durch Reformen oder durch eine Erhöhung der Beiträge auf zubringen find. Man schätzt gegenwärtig bei einer angenommenen Durchschnittsziffer von 2,5 Millionen Erwerbslosen den bis zum Ende des Etatsjahres noch entstehenden Mehrbedarf bei der Arbeitslosenversicherung auf rund 400 Millionen Mart. Davon sollen etwa 200 millionen durch die Erhöhung um 2 Broz. auf­gebracht werden, während die anderen 200 Millionen Mart dem Reichshaushalt zur Laft fallen sollen. Hierzu treten erhöhte Aufwendungen für die Krisenfürsorge von etwa 100 Millionen, die ebenfalls aus dem Reichshaushalt entnommen werden müffen.

Die Bildung einer neuen von der Mehrheit des Landtages ge­tragenen Regierung hinter sie zurückgestellt. Die in Aussicht ge­stellten Berhandlungen sollen sich auf dem Boden neuer Geleges vorlagen bewegen, die die geschäftsführende Regierung möglichst rasch im Parlament einbringen wird. Von dem Berhalten der Parteien soll es abhängen, mit wem die Bayerische Boltspartei sich in Zukunft foalieren wird. Mißlingt der Versuch der Auss balancierung des Etats, so dürfte zweds Neuwahlen das Landes­

Aus Braunschweig wird uns von informierter Seite geschrieben: Die Verhandlungen über eine neue Regierungsbildung im Lande Braunschweig haben zu einem auffälligen Ergebnis ge­führt: Der einzige staatsparteiliche Abgeordnete des Braun- wahlgefeß möglichst rasch geändert werden. schweigischen Landtages, ein Jungdo- Mann, hat sich den Nationalsozialisten gegenüber feierlich verpflichtet, alle Ber suche zur Bildung einer Großen Roalition zu fa= botieren und nur eine rechtsradikale Regierung zu unterstützen. In dieser sollen die Nationalsozialisten außer dem Innen­ministerium auch das Kultusministerium erhalten, während sich die Deutschnationalen mit dem Finanzministerium be­gnügen follen.

Die bürgerlichen Rechtsgruppen haben sich mit den National sozialisten auf ein Regierungsprogramm geeinigt, das aus­drücklich stärkste Durchsehung des Bolizeiapparates, der Berwaltung und des Schulwesens mit Anhängern der national sozialistischen Bewegung vorsieht. Besonderen Wert haben die Nationalsozialisten darauf gelegt, den Posten des Polizei präsidenten mit einem ihrer Parteianhänger besetzen zu tönnen, was ihnen im Laufe der Berhandlungen nach anfänglichem Widerstreben der anderen Parteien durch Vermittlung des Staatsparteilers, der im neugewählten Landtage Zünglein an der Wage bildet, zugestanden wurde.

das

Es wäre angesichts dieser Tatsachen immerhin von Wichtig­feit, zu erfahren, wie die Führung der immer noch zur Hälfte demokratischen Staatspartei über das Verhalten des staats­parteilichen Abgeordneten in' Braunschweig denkt.

Bayerisches Finanzelend. Bor neuen Koalitionsverhandlungen?

München , 24. September. ( Eigenbericht.) Die Bayerische Volkspartei hat jetzt noch einmal einen Versuch unternommen, um der immer drohender hereinbrechenden Finanz­fatastrophe des Landes Bayern Herr zu werden. Ihre Landtagsfraktion hat befchloffen, daß die geschäftsführende Re­gierung held unverzüglich Verhandlungen mit allen Parteien des Landiages aufnimmt, damit eine Ausbalancierung des Haushaltes erreicht und das Defizit von 15 Millionen beseitigt wird.

Den 3wang zu diesen Berhandlungen erblickt die

Bayerische Volkspartei in der ausdrücklichen Förderung der Geld. geber, die eine Anleihe zur Deckung der 150 Millionen hochver­zinslicher Schulden. die die Regierung Held in den legten fünf nur dann gewähren wollen, wenn der Etat 1930 durch Einsparungen im Budget und durch Ere fchließung einer neuen Steuer völlig ausgeglichen ist. Diese Ga pierung wird nunmehr als die dringlichste Aufgabe bezeichnet und

Jahren angehäuft hat

Fraktion Scholz.

Wahl des Vorsitzenden. - Freie Hand gegenüber Brüning Wie die Nationalliberale Korrespondenz" mitteilt, ift in der Mittwochsigung der Reichstagsfraktion der Deuschen Volkspartei auf Vorschlag des Abgeordneten Dr. Kahl der bisherige Partei- und Fraktionsvorsitzende Dr. Scholz einstimmig durch Zuruf wieder zum Vorsitzenden der Fraktion gewählt worden. Dr. Scholz bat die Fraftion um vertrauensvolle Unterſtügung, ferner um Einig feit und Gefchloffenheit. Die Reichstagsfraktion dürfe teine Gruppen kennen, sondern müsse, stets ein einheitliches Fraktionsganzes darstellen.

*

Parteivorstand und Reichstagsfraktion der Deutschen Bolts­partei faßten dann gemeinsam folgenden Beschluß:

Nach einer hier veröffentlichten Mitteilung ist von der Staat lichen Politischen Verwaltung( GPU.) eine gegenrevolutio dem Gebiete der Fleisch, Fisch, Konserven und Ge müseversorgung der Bevölkerung aufgedeckt worden. Nach den Aussagen von 17 Mitgliedern der Organisation hatte diese es fich zum Ziele gesetzt, im Lande eine Hungersnot herbeizuführen, die Unzufriedenheit der breiten Arbeiter­massen zu wecken und so auf den Sturz der Diktatur des Proletariats hinzuarbeiten. Die Aftionen umfaßten den Fleisch-, Fich, konserven- und Gemüsetruft und entsprechende Teile des Apparates des Handelskommiffariats. An der Spitze dieser gegen­revolutionären Schädlingsorganisation standen Professor R. Rja­angem, ein ehemaliger Großgrundbefizer und Generalmajor, und Karaty gin, der in der Børrevolutionszeit. Chefredakteur der Handels. und Industriezeitung war, des führenden Blattes der russischen Bourgeoisie und Organs des. Finanzministeriums. Mit­glieder der Organisation waren ehemalige 2dlige, zaristische Offiziere und Intendanten, ehemalige Fischhändler und Fabri­fanten, Mitglieder der Kadettenpartei und Menschewifen. Die Orga­nisation stand in engen Beziehungen zu weißgardistischen Emi­granten und Bertretern ausländischen Kapitals, von denen sie Geld und Weisungen erhielten. Die Organisation ist restlos auf­geded t. Die Regierung hat die ganze Angelegenheit dem Kolle­gium der Staatlichen Politischen Berwaltung zur Prüfung über­wiesen.

Wenn das Sowjetregime in Nöten ist und eine Kata­strophe hereinbrechen sieht, beeilt sich die GPU. , ein ,, Kom­plott" aufzudecken, um die Arbeiterschaft abzulenken. Die alt­bewährte Methode Schachty , der schon viele Duzende von Menschen zum Opfer gefallen sind, deren Unschuld für jeden Nichtkommunisten außer Zweifel steht. ,, Es wird noch viel zu wenig erschossen!" hat fürzlich der Psychopath: Mar Hölz im Sportpalast gebrüllt, der ähn­liche Blutorgien auch in Sowjetdeutschland" feiern möchte, zum Entseßen der KPD. - Oberbonzen, die seine Stimme durch Rot- Front- Kapellen übertönen ließen.

Je schlimmer mit dem Herannahen des Winters sich die Hungerkatastrophe in Sowjetrußland am Horizont zeichnet, desto mehr Menschen werden als Sündenböcke hinge= schlachtet. Alle diese Konterrevolutionäre ", die natürlich jämtlich geständig“ sind, waren, obwohl ehemalige Generäle, Adlige usw., seit Jahren in den höchsten Sowjet­behörden beschäftigt, ohne daß man von ihrer angeblichen verbrecherischen Tätigkeit etwas merkte! Selbst wenn die unmögliche Darstellung wahr wäre, die den Stempel der Zwecklüge auf der Stirn trägt, so würde sie die stärkste An­Plage gegen das Regime der sogenannten Diktatur des Pro­ letariats " bilden, in der so etwas überhaupt möglich wäre.

"

Im Einverständnis mit dem Parteivorstand behält sich die Reichstagsfraktion der Deutschen Borlkspartei völlige Freiheit der Entschließung gegenüber den Maßnahmen der Regierung vor. Die Fraktion wird die Vorlagen des angekündigten Regierungs: programms abwarten und das Programm daraufhin prüfen, Ist das nun genug des Blutes? Die Prawda" sagt ob es mit den von der Fraktion seit langer Zeit vertretenen Grundfäßen vereinbar ist. Die Fraktion ist der Ansicht, daß dabei Nein! Nach ihrer Darstellung sind die Erschossenen nur Werk­irgendwelche Kompromisie mit jozialistischen Ge­dantengängen für fie untragbar sind. Die Frattion beuge einer Oberleitung gewesen, gegen die das Verfahren hält an ihrem bisherigen Ziel der 3usammenfassung noch schwebt. Die Prawda" nennt Sozialisten wie Gro= aller staatsbejahenden bürgerlichen Parteien fest. man und Basarow, Wissenschaftler wie die Professoren Matarow, Kondratjew und Herr Scholz will seine Versuche zur„, Sammlung" der bürger- Tichajanow, lichen Parteien fortsetzen. Dem gleichen Ziele diente auch eine volts Wisch newsti. parteiliche Notabelnversammlung, die vor der Fraktionssizung tagte, an der aber Herr Scholz nicht teilnahm. Man hat aus dieser Nichtteilnahme eine Berschwörung" gegen Scholz machen wollen. Scholz selbst läßt aber erklären, daß er alles wußte und mit allem einverstanden war.

Die besten Wirtschaftler und Statistiker Rußlands , die bis zum letzten Moment loyal mit der Sowjetmacht arbei­teten und die höchsten Posten im Sowjetapparat bekleideten, werden als Ideologen und Leiter einer gegenrevolutio­nären ,, Verschwörung der Schädlinge“ der Willkür der GPU. preisgegeben! Man hat sie mit deutlicher Absicht in

Neuer Reichsbahnpräsident für Berlin . einen Topf mit ehemaligen Adligen und zaristischen Gene­Zum Präsidenten der Reichsbahnidirektion Berlin ist Reichsbahn.ralen geworfen! Wie plump dieser Versuch ist, ein ,, 2 m a I- direktionspräsident Dr.- Ing. e. h . Marr ernannt worden. Dr. Marr 9am", ein Gemenge aus Sozialisten und Schädlingen, aus ist zurzeit Leiter der Reichsbahndirektion Effen. Er wird die Leitung Revolutionären und Gegenrevolutionären zu bilden, ist der Reichsbahndirektion Berlin, deren letzter Präsident der im Mai daraus ersichtlich, daß vor kurzem die Prawda" ein ,, Amal­d. I. verstorbene Reichsbahndirektionspräsident Dr. Stapff war, gam" aus derselben Groman- Kondratjew- Gruppe und der fommunistischen Opposition herzustellen versuchte. in Kürze übernehmen.

|