Im metteren tQerlauf des Leipziger Reichswehrpro zesses wurde als erster militärischer Zeuge Oberleutnant FriedrichGeist ran der 8. Batterie des Artillerieregiments 5 in Ludwigsburg oer- nommen. Der Zeuge schilderte, wie Scheringer sich mit ihm«in- gehend über Weltanschauungsfragen unterhalten habe, wobei er«inen starken Radikalismus entwickelt hätte. Da er selbst schon viel durch- gemacht hätte, habe er auf seinen jüngeren Kameraden beruhi- g,« n d e i n g e w i r k t. Er habe unter anderem auf die römischen Prätorianergarden und die spanischen Offiziersoereine hingewiesen. die durch ihre Politisierung zu einem ewigen Unruheherd im Staat« geworden seien. Im übrigen mußt« er feststellen, daß Zcheringer absolut einseitig nach rechts orientiert war, io daß er ihm kameradschaftlich empfohlen habe, zur Erweiterung ieines Gesichtskreises u. a. die„Frankfurter Zeitung * zu lesen. Er habe Scheringer gegenüber auch keinen Zweifel gelassen, daß er jeden festnehmen und den Vorgesetzten ausliesern würde. d«r mit der Absicht einer Aenderung bei der Reichswehr von unten nach oben zu ihm kommen würde. Vors.: fjaben Sie auch besprochen, wie die Reichswehr sich bei der Aktion einzelner Parteien verhalten würde? Zeuge: Diese Frage ist ja früher im Osfizierkorps immer und immer wieder' crrötert worden, besonders beim chitler-Putsch. Wir haben stets besprochen: Was tut man, wenn wir a u f�B 0 l t s- genossen schießen sollen? R.-A. K a m e k«: Sie haben also unter sich die Frage zu klären versucht, was Sie tun sollten, wenn Sie gegen Rechtsparteien«in- gesetzt würden? Zeuge: Ich habe ausdrücklich nicht von Rechtsparteien gesprochen, sondern von Volksgenossen. Das ist doch wohl das schwerste, was einen Offizier treffen kann, wenn er gezwungen werden soll, ans seine Volksgenossen zu schießen. Im Anschluß daran wurde Hauptmann»n. D. Gilbert vernommen, der frühere Vorgefetzte der beiden Angeklagten Ludien und Scheringer. Der Zeuge stellt« den beiden Angeklagten das beste Zeugnis aus. Scheringers Fehler fei' jedoch, daß er sich zu viel mit Politik beschäftige. Scheringer habe des öfteren feine politischen Ansichten in einer sehr wirren Weis« entwickelt. Er habe damals geäußert, daß es ihm persönlich unerträglich erscheine, einem System zu dienen, gegen das sich seine Ueberzeugung sträube. Cr stch« auf nationalem Boden. Deutschland aber werde von pazifistischen Parteien regiert. Die Reichswehr könne infolgedessen sehr wohl einmal in die Lage geraten, aus Rechisorganisationcn schießen zu muffen. Dabei fragte er mich:„Sjerr Hauptmann, was würden Sie tun, wenn dieser Fall eintritt?' Ich habe ihm geantwortet:„Bluten. den Herzens, oberichwerdefchießen. denn der Offizier muß gehorchen." Er fragt« mich daiTn weiter, was werden sollte, wenn«in« rein« Linksregierung ans Ruder käme und Scv'ering Reichswehrminister werden würde. Ich erwiderte darauf: „Hoffentlich ist das nicht der Fall.* "'�Vp.r tz: Hat.SHermger jchon damals bestimmte Richtlinien entwickelt?�■-«i»*;•; Zeuge. Rein, keineswegs. Er hatte nur so«ine Art. alles radikal auszujprechen. Ich hielt diese Art geradezu für gefährlich und habe ihm auch in einem Brief geschrieben, ich erblickt« ein« große Gefahr darin und er müßte seinen Abschied einreichen. wenn er nicht gehorchen könne. Ich habe übrigens dem Reichswehr » Ministerium gegenüber immer die Ansicht vertreten, es wäre besser, wenn die jungen Ofiiziere und die Mannschaften politijch unterrichtet würden, allerdings stehe ich auch auf dem Stand- puntt, daß sie sich politisch nicht betätigen dürfen. Im übrigen habe ich als Offizier die Erfahrung gemacht, daß gerade immer die tüchtigsten Offizier« Interesse für Politik g«. habt haben, während die Lauen gleichgültig blieben. Dann wurde Oberleutnant Höcker von der Aus- bildungsbatlerie des Artillerieregiments 6 in Hannooer vernommen. Der Zeuge fft bereits 37 Jahre, hat feit 1909 von der Pike auf gedient und gehört zu den wenigen Offizieren, die als ehemalige i'nteroffiziere heute noch in der Reichswehr dienen. Dorf.: Hat Scheringer Ihre Stimmung zu erforschen gesucht? Zeug«: Nein, die kannte er ganz genau. Ich stand von morgens bis obends auf dem Kasernenhof, alles ander« ging mich nichts an. Dorf.: Hat sich Scheringer mit Ihnen über politische Fragen in aller Heimlichkeit unterholten, oder konnten das auch andere Leute hören? Zeuge: Es wurde darüber im Kasino gesprochen, sogar in Gegenwart von Borgefetzten. ' R.-A. Dr. S a ck: Sie kennen doch zahlreiche Offiziere der ?lrm««? Denken viel« so, wie Scheringer und Ludien? Zeuge: Unbedingt, namentlich die jüngere« Offiziere. Dann folgte die sehr ausführliche Vernehmung des Oberst-. leutnants Ribbentrop vom Artillerieregiment 5, welcher zeitweise Kommandeur der drei Angeklagten gewesen ist. Die Angeklagten Scheringer und Ludien bekommen als Soldaten und Borgesetzt« ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, dagegen sei Mendt leichtsinnig und haltlos gewesen. Er habe deswegen auch seinen Abschied erhalten. Auf die Frage eines Beisitzers erklärt der Zeuge. daß er den Offizieren jede politische Betätigung ausdrücklich ver- boten habe. Hierauf trat die Mittagspause ein.» Zu Beginn der Nachmittagssitzung wurde dann Hauptmann 0. D. non Pfeffer, der inzwischen durch zwei Kriminalbeamte fest- genommen worden war, dem Gericht vorgeführt. Bevor er jedoch vernommen werden konnte, erhob sich der Reichsanwalt zu einer fenfatwnellen Erklärung, wobei er ausführ«, der Oberstaatsauwall in Leipzig habe ihn soeben informiert, daß ein Strafgefangener namens Bauer sich dem Staatsanwalt Michaelis hat melden lassen und ihm folgendes mitgeteilt habe: Bauer will am 20. September d. I. auf dem Hof" des Gerichts ein Gespräch des Angeklagten Ludien be- lauf cht haben. Zw Verlauf dieses Gespräches soll Ludien gesagt haben, daß im Oktober diese» Zahre» ein Putsch bevorstehe und daß dl« Reichswehr mitmachen werde. Ver R-chtsputsch werde daan voraussichtlich von einem Linkspufich abgelöst werden, fo daß die große Zln�inonderfetznnq bevorstehe. Ludien: Ich erkläre hiermit, daß ich niemals ein solches Gespräch geführt oder derartige Ding« gejagt habe. Reichsanwalt: Ich beantrage den Strafgefangenen Bauer. sowie den Stoatsanweckt Michas» M tode»
Nach kurzer Beratung des Senats verkündete der Vorfitzende. daß der Strafgefangen« Bauer und Staatsanwalt Michaelis zum Donnerslagvormittag um 11 Uhr geladen würden. Bei der nun folgenden Vernehmung des jetzigen Kommandeurs in Mm, Oberst Beck, wirft der Borsitzends die Frage auf, wie sich der Zeuge zu den Instruktionen Scheringers vn seine Leute stelle. Scheringer habe in der Instruktionsstunde seine Leute über die Berufspflichten des Soldaten instruiert und Hot sie dabei«inen eigenen Zusatz auswendig lernen lasten, der davon spricht, daß die Reichswehr den Grundstock für die künftige Befreiungs- armce bilde und daß sie den Wehrgedanken im deutschen Volk fördern soll. Zeuge: Das hat er selbständig getan, schade, daß ich das nicht gewußt Hab«. Das hätte ich ihm ganz gehörig ausgetrieben. Sachverständiger Major Theissen: Diese Handlungsweise Scheringers kann man nur als di« Bermefsenheit eines jungen Leutnants bezeichnen. Die Pflichten des Soldaten sind vom Herrn Reichspräsidenten scharf umrissen worden. Eine selbständige Abänderung dieser Bestimmungen ist so zu beurteilen, als ob im Frieden ein junger Leutnant die Sriegsartikef selbständig abgeändert hätte. R.-A. Dr. Sack: Hätte das Reichswehrmimsterium den jungen Offizieren nicht bester Richtlinien geben sollen, wie sie ihren Leuten die Berufspflichten zu erläutern und vorzutragen hätten. Zeuge Ober st Beck: Leutnant Ludien hat stch einmal an mich gewandt und bat mich, mir einen Brief über das, was ihn bewegte, schreiben zu dürfen. Ich sagt« Ludien, er solle sein Herz ausschütten, habe aber leider niemals von ihm den angekündigten Brief bekommen. R.-A. Dr. Sack: Ist es richtig, daß ebenso wie Sie, fast alle älteren Offizier« des Heere» sich darüber Sorgen machten, daß der Reichswehr , namentlich den jungen Leuten, ein Ideal fehlt, dem sie nochleben können. Ze-uge: Das ist ri ästig, ich habe mich vor geraumer Zeit darüber mit General Reinhardt ausführlich unterhalten und auch er empfand groß« Sorgen, gerade darüber, daß der Reichs- wehr der Schwung fehlt, um den Geist eines Mannes, der zwölf Jahre dienen soll, dauernd wach zu halten. Dieses Problem ist wahrhaftig nicht leicht zu lösen. Wir Führer be- schäftigen uns, wie ich sogen darf, täglich damit. R.-A. K 0 m e k e: Wie wirkte sich denn in Ihrem Offizierkorps die Differenz zwischen dem Möglichen und dem Ideal eines jungen Offiziers aus? Zeuge: Nach Möglichkeit bekommt der junge Offizier soviel Dienst, daß er höchstens obends sich über diese schwierige Frage Gedanken machen kann. Für den Vorgefetzten bleibt dann die schwierig« Aufgab«, jung«, temperamentvolle Leute so zu leiten, daß sie es nicht merken. R.-A. Kameke : Ist es auch in anderen Truppenteilen so. daß innerhalb des Regiments die Stimmung der jungen Offiziere zu ihrem�KsVmandeur vertrauensvoll. ist, daß ober diese Stimmung u n t er ftl« r 0 b'e t(Fe n?FZFh rn n g'leidet? Zeuge: Ich habe nie gesagt, daß die Stimmung der jungen Offiziere unter der obersten Führung leidet. Vors.: So laste ich die Frage auf keinen Fall zu. Zeuge: Ich möchte aber doch sagen, daß mein Regiment absolut gehorcht Hot und so ist es auch bei den anderen Truppenteilen. Bezüglich des Verbots der Beschäftigung mit Politik hoben diese drei Herren hier nicht gehorcht, ich wünscht«, daß ich früher davon Kenntis erhalten hätte, dann hätte ich längst energisch eingegriffen., Endlich kommt die mit Spannung erwartete Vernehmung des Herrn von Pfeffer. Seine Vereidigung wird ausgesetzt. Widerwillig, fast bösartig, gibt er Antwort, er wirkt ziemlich lächer- lich.� Vors.: Kennen Sie die drei Angeklagten?— Zeug«: Darf ich Sie mir ansehen? Herr von Pfeffer dreht sich nach der Anklage- bank zu.. stolz hebt er den Arm zum Faschifleogruß. was der Vorsitzende energisch rügt. Dem Gericht stellt sich der Zeuge als führende Persönlichkeft der NSDAP , und„olles Frontschwein* vor. Die Angeklagten will er kennen, sich aber nicht an die Münchener Unterhandlung erinnern. Es wäre recht oft vorgekommen, daß sich Reichswehroffizier« bei ihm über die NSDAP .
informiert hätten. Der Vorsitzende fragt nach dem Grund« des Interesses der Reichswehroffiziere für die nationalsozialistische Bewegung. Herr von Pfeffer antwortet: Eine Truppe braucht den Geist, den sie in Deutschland eben nur bei uns findet. Wir find wesensverwandt mit der R e ich s w eh r,-wir stehen auf derselben Basis.» Wenn Reichswehroffiziere zu mir kommen, so sage ich ihnen stets, daß es schwer ist, in der Republik ein.Heer auf- zustellen, das die Verteidigung des Volkes übernehmen soll. Es ist tatsächlich schwer, ein Heer in einem solchen Lande zu Hollen, das international, marxistisch und pazifistisch eingestellt ist. Das wird erst anders werden, wenn wir die Macht in den Händen haben. Die Herren muffen sich bis zu diesem Zeitpunkt eben behelfen. Außerdem legen wir Werl daraus, daß wir später eirnnal die Reichswehr intakt und ohne Zersetzung übernehmen. Zum Schluß kam es noch zu einer äußerst, heftigen Debatte zwischen dem Untersuchungsrichter Landgerichtsdirektor Braun« und den nationalsozialistischen Zeugen. Hauptmann a. D. Dr. Wagner erklärte, der Untersuchungsrichter hätte versucht, aus ihm mehr herauszufragen, als er hätte beantworten können. Dabei kam es zu einem schorfenZusammenstoß zwischen Hauptmann a. D. von Pfeffer und dem Untersuchungsrichter. Zeuge von Pfeffer: Bei mir hat der Untersuchungsrichter auch von vornherein nach der Bildung nationalsozialistischer Zellen gefragt. Meine Vernehmung war allerdings sehr schwierig. Ich sagte mal ja. mal nein, dann sagte ich lange wieder gar nichts. Ich war eben böswillig und habe nicht geantwortet. Vors.: Warum denn nicht? Zeuge: Ich dachte, daß der Untersuchungsrichter vom Staats- gerichtshof wäre� Vors.: Also Untersuchungsrichter des höchsten deutschen Gerichtshofes. Zeuge: Ja, eben. Landgerichtsdirektor Braune: Die Vernehmung di:» Herrn von Pfeffer fpielle sich in Formen ab, wie sie sonst unter -v.oildeten Personen nicht üblich sind. v. Pfeffer(lachend): Das stimmt. Vors.: Es scheint allerdings zu stimmen. Landgerichtsdirektor Braune blieb bei seiner Bekundung, daß er aus dem Zeugen nicht mehr herausgefrogt habe, als sie geantwortet hätten, und daß er sich vor allem bemüht hätte, das Wort von der Zellenbildung, das ja von den kommunistischen Prozessen her genügend bekannt sei, nicht zuerst zu nennen. Die Berhandlung wird sodann auf Donnerstag früh 9 Uhr vertagt. Oer Sabotageprozeß mit USA . Deutsches Antwortplädoyer. Haag, 24. September. In der deuffch-ampn konischen Gemischten Kommission begann das Plädoyer der deutschen Staatsvertretung in den beiden sogenannten Sabotagesällen. Der deutsche Staatsvertreter, Generalkonsul von Lewinsfi widerlegte zunächst die von dem amerikanischen Staats- Vertreter in feinem viertägigen Plädoyer aufgestellte Be- hauptung, daß die(kaiserlich!) deutsche Regierung während der Reu- tralitätsperiode der USA dort einen groß angelegten systematischen Sabotierungsfeldzug gegen amerikanisches Eigentum geschürt Hobe. Er ging dann im einzelnen auf die zahlreichen Klagepunkte bezüglich der angeblichen Zerstörung des B l a ck t 0 m- Bahnhof» durch deutsche Agenten«in. Dos deutsche Plädoyer wird in der morgigen Sitzung fortgesetzt und sich dann mit dem Beweismaterial in der Kingsland- ongelegenheit auseinandersetzen. Aeuer Aussichtsrat bei Msteiti. Eintritt des Finanzminiflers a. D. Reinhold. Wie der Verlag Ullstein mitteill, wird der demnächst stattfinden- den Generalversammlung der Ullstein-Aktiengesellschast vorgeschlagen werden, den srüheren Reichsminister der Finanzen Dr. Peter Reinhold in den Aussichtsrat zu wählen. Reichsminstter Dr. Reinhold ist außerdem als führender Mitarbeiter der„Vossischen Zeitung* gewonnen.
Oas schwierige Exempel.
«KS»
Warum sind die Börse« so aufgeregt?- Weil sie diese Rechnung nicht auflöses können.