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Beilage

Donnerstag, 16. Oktober 1930

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Anregungen

Zum 5. Kongreh für Moralerziehung

Otto Friedländer  :

Der Abend

Spalausgabe des Vorwärts

Politik und Jugend

Der 5. Kongres für Moralerziehung" hat in der verflossenen Woche in Paris   getagt. Sein Name erinnert an alte Kindergeschichten vom braven Anton und vom fleißigen Lieschen. Und sein Gründer, der alte Borfämpfer für internationale- inter­religiöse Erziehung, Herr Gould aus London  , hat in der Tat noch etwas von jenem fast findlichen, zuversichtlichen Glauben an den Sieg des Guten", der das 19. Jahrhundert auszeichnete. Aber es wäre ganz verfehrt, wollten wir diesen Kongreß deswegen als überlebt ansehen. Sein Name müßte, wenn er nicht wörtlich, sondern hat aber bei weiten Schichten des deutschen   Volkes die Stellung­Weit aufrüttelnder als die Entscheidung der proletarischen Jugend jachlich übersetzt würde, heißen: Kongreß über allgemeine Erziehungsnahme der bürgerlichen" Jugend gewirkt. In dieser bürger­aufgaben, die über den Rahmen der Nationen, der Erdteile und der lichen Jugend ist nur die katholische Jugend den Glaubens­Weltreligionen hinausgehen. fahnen ihrer Eltern treu geblieben. Daß die bürgerliche Jugend in so überwältigend starkem Maße den Nationalsozialisten ge­folgt ist, hat verschiedene Ursachen, die geprüft werden müssen.

erarbeitet.

Ein fleines Stück geistiger Friedenspolitik wird hier Die Frage der Geschichtsbücher, die schon auf dem

3. Kongreß für Moralerziehung in Genf   im Jahre 1922 durch ein aufschenerregendes Referat des Genossen Kawerau angeregt

worden war, ist auf der diesjährigen Tagung erfreulich vertieft worden: ich hoffe, daß diese Berhandlungen auch der Geschichts­bücherfommission des Instituts für geistige Zusammen. arbeit Anregungen geben werden. Das Institut macht eine ganz große, internationale Erhebung über den Stand der Geschichtslehr­bücher aller Staaten. Die Kommiffion des Kongresses sucht nach einem Schema von Mindestforderungen an die Objektivität und an das Berständnis für andere Staaten und Bölfer, nach dem diese Bücher

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zu beurteilen wären. Das Institut fann ohne ein solches lebendiges Ziel seiner Enquete feinen rechten Sinn geben der Kongreß be­darf zu seiner Arbeit eines Materials, wie nur das Institut es mit seinen bedeutenden Mitteln zusammenholen kann. Beide müssen zusammenarbeiten!

Wie nötig wäre eine stärkere Mitarbeit diefes Instituts über: haupt für die Organisation internationaler Kongresse. Die 3er splitterung auf diesem Gebiet ist unrationell, vermindert die Wirkung des einzelnen Kongresses, auch wenn seine geistige Leistung noch so tüchtig ist, und hält vielfach gerade die attiven Arbeiten von der Teilnahme ab. Sollte das Institut den Kongreßleitungen nicht anbieten, an ihrer örtlichen Zusammenlegung zu arbeiten und ihnen Vorschläge zu machen, wie sie näher aneinander rüden könnten,

Jugend große Teile der kommunistischen   Barole gefolgt sind, gemacht, die um.so augenscheinlicher in Erscheinung tritt, je brutaler, Man mag es verstehen, daß innerhalb der proletarischen| Einsatz im Kampf, im Obsiegen über den Gegner wird zur Aufgabe scheinbar unentwegtes Festhalten an Prinzipien, radikale Frage- unsere Jugend erschreckend amerikanisiert": rücksichts­da sie dort das zu finden glaubten, was jeder Jugend imponiert: je handgreiflicher die Sportart ist. In solchem Sinne ist auch stellung und entschlossene Kampfbereitschaft bis zur Gefährdung der loses Erfolgstreben, Nichtachtung fremden Seelenlebens und zugleich eigenen Eristenz. eine unbändige Forschheit, die sich gern als jugendlicher Heroismus frisiert, find allbekannte Merkmale dieser Geisteshaltung. Wenn dann Demagogen tommen, die sich mit Sing- Sang und Kling- Klang, mit Gloria und Händeschlag Autorität und Gefolg­schaft zu zaubern wissen, dann sind ihnen diese unfertigen und aus innerer Unsicherheit überheblichen Naturen widerstandslos anheim gegeben so wie das Medium dem Hypnotiseur.

Die wahlberechtigte ,, bürgerliche" Jugend befindet sich, soweit fie in den Städten lebt, zum allergrößten Teil im Angestellten= erhältnis. Aleinere Schichten gehören zum Nachwuchs der Beamtenschaft oder studieren an den Hochschulen. Ein nicht un wesentlicher Teil dürfte auch dem Handwerkerſtand ange­hören oder sich mindestens nominell dazu rechnen, wenn er auch der Arbeiterschaft sozial nähersteht.

Die Studenten und höheren Schüler Auf die politische Entwicklung, die sich innerhalb ihres geistig anspruchsvollsten Teils, innerhalb der Studentenschaft, angebahnt hat, ist schon oft hingewiesen worden. Es fann gar nicht genug wieder­holt werden, von welcher Bedeutung es für die fünftige Gestaltung unseres öffentlichen Lebens ist, daß heute etwa 40 Pro3. unserer Studenten, also unserer fünftigen Ber Technifer nationalsozialistisch organisiert bzw. waltungsbeamten, Richter, Lehrer, Aerzte und eindeutig orientiert sind. Weitere 20 Broz. schätzungs­weise können als Sympathisierende bezeichnet werden.

Ebenso schlimm wie in den Hochschulen sieht es aber an den

höheren Schulen aus, die in geradezu erschreckendem Maße nationalsozialistischen Einflüssen zugänglich sind. Von dem nicht gerade immer günstig wirkenden Einfluß des VdA."( Verein für das Deutschtum im Ausland  ), der jetzt erst vom Ministerium in feiner Allmacht eingeschränkt werden mußte, abgesehen, ist der leider viel zu vorsichtig behandelte Nationalsozialistische Schüler bund diejenige Organisation, die die heute start politifierte Schüler­schaft der höheren Schulen am besten zu erfassen weiß.

so daß etwa alle 4 Jahre während einer Zeit von 2 Wochen alle verwandten Kongresse in einer großen Stadt und ihrer Umgebung vereinigt würden? Beide Ziele der Kongreffe würden damit gefördert: das öffentliche Intereffe würde gesteigert und dadurch die tüchtigsten Leute zur Mitarbeit angelockt werden. Die persönliche Berücksich- listische Schülerbund), durch parteimäßig bestellte Agitatoren( von tigung aber, aus der das Fluidum internationaler Verständigung hervorgehen kann, könnte ganz anders als bisher gepflegt werden.

rung, die eingeladen worden war, sich nicht vertreten lassen.

Wir

Gerade dieser letzte Punkt war auch beim Barijer Erziehungs­tongreß wesentlich. Leider hatte die deutsche Reichsregie Trozdem waren eine Reihe deutscher   Teilnehmer da, und Professor Peter Petersen   aus Jena   hielt ein allgemeingültig formuliertes Referat über Autorität und Disziplin, das eine prächtige Grundlage für die Diskussion dieses ernsten Themas bot. Deutschen   stießen immer wieder auf die ernste Sorge der politisch auf den Frieden eingefiellten Männer und Frauen des Kongresses. Die Nervosität der Pariser Presse aus Anlaß unserer Wahlen strahlte überall aus: ein Glück, daß das gute Werf der Stadt Berlin  im Austausch von französischen   und deutschen   Lehrern und Schülern den Pariser Erziehungsfreisen so eindrucksvoll flar gemacht hat, daß es bei uns einen starten und tatbereiten Verständigungswillen gibt.

Unsere Freunde beschworen uns, dieses Werf nach Kräften zu fördern, und sie wiesen darauf hin, daß es auf die Dauer nicht angehe, daß in Deutschland   Reich und Länder diese Arbeit einer Stadt- auch wenn es Berlin   selbst ist überließen, während Frankreich   einen Ausschuß aus Beamten aller Ministerien besitzt, der diese Dinge geistiger Berständigung berät und zugleich mit staatlichen Mitteln sie ausbaut.

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3weifellos liegt hier eine unserer nächsten tulturpolitischen Auf­gaben, besonders für das preußische Ministerium. Nie war sie so dringend wie heute, nie fonnten wir es weniger als in diesem Augenblic ertragen, daß der Friedensmille der Mehrheit unferes Volkes nicht voll in Erscheinung tritt. Hier muß ein Beg gefunden werden, der für die Zukunft politische Rückfälle, wie die diesjährige Reichstagswahl es ist, unmöglich machen kann.

Dr. Hildegard Wegscheider.

Die Schule als Lebensbildner Die große Bewegung der Schulreform, die bereits mit dem Be­ginn unseres Jahrhunderts einsette, ist heute noch lange nicht abge­schlossen. Wer die Schule der Gegenwart kritisch betrachtet, findet überall Mängel, die beseitigt werden müssen; das Hochschulstudium etwa huß gänzlich umgestaltet werden, eine Aufgabe, die man gerade jetzt in Angriff nimmt. Aber trotz allem muß man feststellen: auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts sind große Fort­schritte gemacht worden. Die Schule hat ihr Gesicht geändert, sie ist lebendiger und lebensnaher geworden, aus der Lernschule wurde die Arbeitsschule, die das Kind zu freier Selbsttätigkeit und zu eigenem Urteil erzieht. Das Eigenrecht des Kindes wird in höherem Maße anerkannt, die Schule von heute ist besser als die Schule von 1890.

Die neuen Erziehungsgrundsätze haben sich nicht von selbst durch­gesetzt Wie überall im Leben, war ein Kampf gegen das Alte er­forderlich und nur allmählich fonnten die neuen und fruchtbaren Ge­danken durchdringen. Mit an crste Stelle in diesem Kampfe stand der Leipziger Schulmann Profeffor Hugo Gaudig  ( 1860-1923), der in den von ihm geleiteten Schulen tatkräftig neue Bahnen be­schritt und zugleich durch seine Bücher unermüdlich für die Schul­reform fämpfte. Viele Forderungen Gaudigs sind heute bereits ver wirklicht, aber dennoch behalten seine Schriften die volle Lebendigkeit; denn Gaudig   war kein lebensfremder Theoretiker, er war ein ge­borener Pädagoge, ein praktischer Schulmann, der aus wirklicher Erfahrung und für die Erfahrung seine Werke geschrieben hat. Das große Hauptwerk Gaudigs Die Schule im Dienste der werdenden Persönlichkeit" ist jetzt von Professor D. Scheioner in dritter Auflage neu herausgegeben worden( Berlag non Quelle u. Mener, Leipzig   1930, 459 Seiten). Das Wert umfaßt sle Frogen des Schullebens, son dos Anjongsterricht bis zu den

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Zu diesem Einfluß von Vereinen, die wie der Nationalsozia­Rinteien) geleitet werden und durch eigene Zeitschriften prapagan diſtiſch wirken, tritt seitens der Schule ein entscheidendes Minus, all derartige Tendenzen verſtärkend, hinzu. Dieses Minus iſt ein Mangel in der Erziehungsarbeit, der einmal offen beim richtigen Namen genannt werden muß. Die gleiche Jugend, die durch die Verrohung der Kriegszeit und der Inflationsjahre gegangen iſt, iſt allzuoft zu einem Opfer ausgegorener pädagogischer Experimentiermethoden gemacht worden. Eigenleben des Kindes", Selbſterziehung der Jugend", Arbeitsschule"- welch fortschrittlich denkender Mensch könnte dazu nicht ja" sagen. Aber alles das verlangt eine stille Autorität, die nicht in der Zwangsgewalt des Erziehers oder Lehrers, sondern auf einer ihn erfüllenden sittlichen Idee beruhen muß, die ihn zur höchsten Kunst des Pädagogen be­fähigt, zu der Kunst, gut und erfolgreich nein zu agen. Das ist es, was der Jugend fehlt, daß man ihr nicht mehr mit einer allseits verständlichen Sicherheit gegenüberzu­treten vermag. Die Erzieher stehen zum Teil beziehungslos oder in der Fehlbeziehung einer gefünftelten Kameradschaftlichkeit vor der Jugend. Sie lehren allzuoft Dinge, deren Glaubwürdigkeit sie durch eine hämische Zwischenbemerkung erschüttern. Wenn diese ,, Staats­diener" nicht versteckt oder offen revoltieren, jo plärren sie Staats­bürgertunde wie einen auswendig gelernten Kate= his mus einher. Dieselbe Jugend, die solche Eindrücke aus den Schulen mitnimmt, findet dann zu Hause den gedrückten Beamten, den entlassenen Angestellten, den künstlich die gesellschaftliche Gei tung" wahrenden Akademiker oder den steuerbelasteten Kaufmann vor und nimmt auch von ihnen die Lehre mit, daß alles früher viel schöner und besser gewesen sei. So wird der junge Mensch. der voll Schwäche gegenüber einer Gegenwart ist, die gleich ihm im Chaos des Werdens brodelt und die er nicht meistern fann, geneigt sein, das Bild der Zukunft aus den Idealisierungen der Vergangenheit ab­zulesen. Er wird in eine verstärkte Oppositionsstellung zur Mitwelt getrieben. Aus Unwissenheit und Geltungstrieb entspringt eine Selbstüberheblichkeit, die sich Andersdenkenden gegenüber, geschult an an den Methoden eines falsch verstandenen Sports, bis zur Brutalität steigert.

Gewiß ist der gefündeste Ausweg aus der Großstadtenge physisch und auch psychisch der Sport. Aber die sportliche Betätigung bietet zugleich eine geistige Gefahr. In den bürgerlichen Sportvereinen ist die Rekordsucht an der Tagesordnung, und nicht die Gesundheit des Störpers, jeine llebung, Stählung und Gewandtheit, sondern sein

Hejmütterlich behandelt arbe

Die Berufstätigen

Wesentlicher noch als die besondersartige Wirkung, die von

Elternhaus und Schule heute auf viele Jugendliche ausgeht, ist für

ben jungen Beamten, Angestellten und Handwerker der Beruf. In ihm findet er heutzutage ein Höchstmaß von Rationalisierung, damit zugleich auch ein Mindestmaß von Beseelung vor, das ihn dazu treibt, außerhalb der eigentlichen Arbeit individuelle Be­tätigung zu suchen. Er tritt in sportliche und politische Vereine ein, und in diese Vereine bringt er die Abenteuer der Büroftunden und all jene Refsentiments mit, die ihm die Gefährdung seiner klein­bürgerlichen Existenz wirtschaftlich und gesellschaftlich bereitet.

Zu diesen Kreisen tritt, wie sich aus den Ziffern der ostpreußi­schen Wahlen feststellen läßt, ein großer Prozentsaz jener Jung­gleich wirtschaftlich gefährdeter als sie, bereit sind, sich neuen Heils­bauern, die aufgeschlossener als eine frühere Generation und zu= mythische Aufgabe der Volkserneuerung aus Blut und Boden  " ge­lehren mit Enthusiasmus zuzuwenden. Ihnen hat man an den fast durchweg völkisch eingestellten Bauernvoltshochschulen die predigt, und nun gefallen sie sich in der Rolle der neuen Thomas

Münzer".

Zahlenmäßig am bedeutungsvollsten ist innerhalb der genannten Schichten die Stellungnahme der jungen Angestelltenschaft. Sie bilden das eigentliche Menschenreservoir der radikalen Rechten, und wenn der letzte Wahlkampf nicht mit Unrecht als ein Kampf um die Seele des Angestellten bezeichnet wurde, so muß zu gegeben werden, daß dieser Kampf weder von der bürgerlichen noch von der sozialistischen   Demokratie gewonnen worden ist. Im Gegen­satz zu den jungen, bewußt bürgerlichen Schichten, die nach dem

Westen tendieren, ist, ähnlich wie in proletarischen Kreisen, mur unter liches Anti- Westiertum, ein ausgesprochener Antiliberalismus anderem Borzeichen ,, bei dieser pseudobürgerlichen Jugend ein deut wahrzunehmen. Fraglich mag es allerdings sein, inwieweit solche Gedankengänge, die immer wieder aus der Literatur der national­sozialistischen Rechten ersichtlich werden, die Massen erfassen. Diese Massen wissen ja offenbar noch nicht einmal, wie das Programm aussieht, dem sie ihre Stimme geben. Für sie ist in der Zusammen­fassung der beiden Ideenrichtungen Nationalismus und Sozialismus schon der Grund zur Zustimmung gegeben. Das Leitbild jener ein bis zwei Millionen Jungwähler, die den National­sozialisten gefolgt sein mögen, ist also reichlich verschwommen. Aber verschiedensten Lagern teilnahm, der fand stets eine nahezu ein­wer einmal an Ausspracheabenden der politisierenden Jugend aus mütige Kritik des kapitalistischen   Systems. Der junge Angestellte banken, der Großhandelsfirmen und der Fabriken die Beschränkung fernt in dem, modernen Riesenapparat der Warenhäuser, der Groß­seiner Entwicklungsmöglichkeiten, die letztliche Aussichtslosig feit seines Aufstiegs tennen. Die Zahl der Marschallstäbe in den Tornistern nimmt immer mehr ab, und so menden sich auch zugleich die Wünsche von der Konkretisierung der gegebenen zur Er­träumung einer zu schaffenden, anderen und besseren Ordnung. Das Angestelltentum und die mit ihm in ähnlicher Lebenslage befindlichen Handwerker, kleinen Beamten und Jungbauern fallen einem Erlösungsglauben anheim, dem die politisch reifere Arbeiterschaft schon entronnen ist. Die ,, bürgerliche" Jugend mird sich ihrer sozialen Unsicherheit und Abhängigkeit bewußt. Sie gerät in ein Gärungsstadium, das nichts mehr zu tun hat mit den üblichen Erscheinungen ihres Alters, sondern das fymptomatisch ist für die ganze Epoche, in der wir leben. Proletarier und die proletarische Jugend fühlen langsam festen Boden unter den Füßen. Der Kleinbürger und die kleinbürgerliche Jugend spüren schwankenden Grund.

Der

Für die Arbeiterschaft ist es, auf längere Sicht geseljen, wichtig, daß die bürgerliche Jungwählerschaft radikalisiert ist, für den Augenblick ist es wichtiger, wie sie radikalisiert ist. Die bürgerliche" Jungwählerschaft hat noch nicht zu erkennen vermocht, was die sozialistische Arbeiterjugend seit langem als Erkenntnis in fich aufgenommen hat: daß in der Selbstverwaltung die wahre Freiheit eines Volkes reift. Die Jugend hat ihre Bataille verloren. Sie muß sich selbst erst gewinnen. Diese Jugend muß ertennen, daß Forschheit nicht mut, daß Brutalität nicht Energie, daß eine Parole kein 3deal und daß eine Faust tein Argument ist.

Fragen der Hochschule. Gaudigs besondere Liebe gehörte der Bolts­Fragen der Hochschule. Gaudigs besondere Liebe gehörte der Bolts| lägen außerhalb des Interessenkreises und der geistigen Reichweite schule; er hat die Wichtigkeit der Volksschule für die Gesamtheit mie fein anderer erkannt und hat dafür gekämpft, daß die Erziehung der breiten Boltsschichten nicht stiefmütterlich behandelt werde. Gaudig   stellt der Schule die Aufgabe, das ganze Leben des Kindes zu erfassen und zu bilden; es darf nicht dabei bleiben, daß die Schule nur Kenntnisse vermittelt, fie muß die Kraft des Schülers freimachen, fie muß ihn zur Freude an eigener Arbeit anleiten, fie muß ihn zur Bersönlich feif erziehen.

Früher war die Schule ein abgegrenzter Bezirk; das Leben in der Schule, das Leben in der Familie, das Leben auf dem Spiel plate, das waren für das Kind drei Welten, die ohne Verbindung nebeneinanderſtanden. Gaudig   verlangt mit Recht, daß eine Ein­heit entstehen müsse. Daher ist ein Zusammenarbeiten zwischen Schule und Elternhaus erforderlich, der Unterricht muß ein organi­scher Teil des findlichen Lebens werden. Die Schule muß auch Ber­bindung haben mit den großen Fragen der Wirklichkeit: Unsere Beit steht im Zeichen der sozialen Frage oder besser der jo zialen Fragen. Diese Tatsache spiegelt sich in der Breite, mit der sich diese Fragen im Bildungsleben der Nation geltend machen. man dente nur an den Einfluß der sozialen Ideen auf die schöne Biteratuz Bürde die Schule mun etma in der Meinung dieje Fragen

der Volksschuljugend, diesen starken 3ug im nationalen Bildungs­leben ignorieren und sich etwa einseitig naturwissenschaftlich oder einseitig ästhetisch orientieren, so enistände das Mißverhältnis zwi­schen der Allgemeinbildung der Schule und der des Lebens. Die Bildung der Schule würde sich nicht in die Bildung des Lebens fort­jezen. Selbstverständlich: Sozialpolitik soll die Volksschule nid; t treiben. Aber sie wird Blid und Sinn für die sozialen Lebenserscheinungen in ihrer Bielgestaltigkeit schärfen. Familienleben, Gemeindeleben, Stammes, Bolfs- und Staatsleben: welche Fülle der schon der frühen Jugend faßbaren Lebenserschei­nungen breitet sich hier aus

Gaudig   verlangt, daß die menschliche Arbeit in ihrem Werte und in ihrem Formenreichtum auch auf der Volksschule ge= würdigt wird:" Unsere Arbeiterjugend, die im Arbeiterhause auf­wächst, die ihre Schule als eine Stätte der Arbeit auffassen soll, muß die hohe Achtung für das menschliche Arbeitsleben an der Energie spüren, mit der die Arbeit in der Allgemeinbildung betont wird."

Das sind auch heute noch wichtige und belangreiche Forderungen. Alle, die an der Verbesserung der Erziehung und der Schule interessiert sind, werden bei Gaudig   reiche Anregung finden. Dr. S. Weinberg.